Ein Rückblick aus der FKT Zeitschrift von 1973
Bei meinem Besuch bei Professor Dr. Schönfelder in Bad Harzburg im Oktober 2007 - auf Vermittlung und Empfehlung von Professor Dr. Hausdörfer in Darmstadt - habe ich ein Menge Unterlagen mitbekommen, die sonst entsorgt worden wären. Herr Schönfelder wurde übrigens über 90 Jahre alt.
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Hier ein Rückblick von Professor Dr.-ing. Helmut Schönfelder, Ordinarius für Nachrichtentechnik an der Technischen Universität Braunschweig.
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Ein Artikel aus 1973 - Zwanzig Jahre NTSC-Verfahren
Der 17. Dezember 1953 kann als die Geburtsstunde des modernen elektronischen "Farb"-fernsehens gelten. An diesem Tag wurde das für die zukünftige amerikanische Farbfernsehnorm ausgewählte NTSC-Übertragungssystem auf einer festlichen Tagung im Waldorf-Astoria-Hotel in New York von der amerikanischen "Bundesbehörde für den Funkdienst" (FCC) verbindlich "angenommen".
- Anmerkung : Sehr "wischi waschi" formuliert. Die FCC hat es einfach per Dekret vorgeschrieben und damit war es quasi Gesetz. Da mußte nichts "angenommen" werden.
Nach zwanzig Jahren NTSC-Verfahren sei hier ein Blick zurückgeworfen auf die Entstehungsgeschichte dieses sicher genauso oft gerühmten wie geschmähten ersten elektronischen Farbfernseh Systems der Welt.
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1945 - der Krieg war zuende
Nach dem Zweiten Weltkrieg gelang den Amerikanern eine enorme Konzentration der vielen von militärischen Entwicklungsaufgaben entbundenen Ingenieure auf wichtige Projekte des zivilen Sektors. Eine dieser Aufgaben war die Ergänzung des sich schnell verbreitenden Schwarz-Weiß-Fernsehrundfunks durch die Farbe.
- Anmerkung : Auch das stimmt so nicht. Alleine David Sarnoff brauchte ein Produkt - nur für sich bzw. "seine" RCA. RCA war der weltweit größte amerikanische Elektronik-Konzern.
David Sarnoff, damaliger Präsident der RCA, formulierte das so: „The nation needs color". Ein solches Pathos hatte sicher auch die Anfeuerung der eigenen RCA-Mannschaft zum Ziel, denn Peter Goldmark, ein ausgewanderter Deutscher, Erfinder (Anmerkung : er war der Entwickler) der Langspielplatte und langjähriger Entwicklungsleiter der CBS-Forschung, hatte sein teilbildsequentielles (mechanisches) Farbfernsehverfahren seit der ersten Vorführung im September 1940 so intensiv weiterentwickelt, daß die Bundesbehörde FCC es 1950 sogar als vorläufige Farbfernsehnorm für erste offizielle Farbfernsehsendungen freigab - aber nicht festlegte !!.
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Die übermächtige RCA koordinierte die Entwicklung
Dieses Ereignis war offenbar sehr dazu angetan, die Fernsehfachleute in den Industriefirmen des Landes noch rechtzeitig auf den Plan zu rufen. Ein mechanisches Farbfernsehverfahren mit rotierenden Filterscheiben wollte eigentlich niemand so recht akzeptieren, am wenigsten die RCA, deren Schwesterfirma NBC (Unsinn, NBC war eine Tochterfima der RCA) als Broadcasting Company befürchten mußte, das als untauglich und als Rückschritt in die elektromechanischen Anfänge des Fernsehens der dreißiger Jahre empfundene Verfahren der Broadcasting-Konkurrenz übernehmen zu müssen.
So kam es unter Federführung der RCA (natürlich aus extremen Eigeninteresse) zum Zusammenschluß aller an der Farbfernsehentwicklung arbeitenden Firmen (General Electric, Hazeltine. Philco Corporation, RCA) zu einem "Committee" unter der Bezeichnung „National Television System Committee" (NTSC).
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Gefordert wurde (von RCA) die s/w Kompatibilität
Den Hauptangriff führte diese vereinigte Entwicklungsgruppe gegen die ungenügende (Abwärts-) Kompatibilität des CBS-Verfahrens, die sich in einem untragbaren Bildflimmern wegen zu geringer Teilbildtrequenz äußerte. Die Forderung nach einer Verträglichkeit mit den bestehenden Schwarz-Weiß- Übertragungsanlagen wurde zur Lösung für das "gemeinsam" zu entwickelnde NTSC-Verfahren.
- Anmerkung : Die Hauptlast der NTSC Entwicklung trugen die RCA Laboratorien in Camden auf Druck ihres Chefs David Sarnoff.
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Das Frequenzmultiplexverfahren war der Schlüssel
Bei der RCA hatte man tatsächlich schon 1947 mit einem Frequenzmultiplexverfahren (drei nebeneinanderliegende Träger für die simultanen RGB-Signale) begonnen, das empfängerseitig kompatibel war. A. V. Bedford fügte 1950 sein Mixed-highs-Patent hinzu, wichtiges Grundprinzip der Übertragung höherfrequenter Luminanzanteile im NTSC-Signal.
- Anmerkung : Verschwiegen wird hier, daß das FM Verfahren bereits patentiert war und RCA den Erfinder so gewaltig mit Prozessen überzog, bis der völlig verarmt und frustiert Selbstmord beging. Alles hatte auch seine Schattenseiten.Wer Sarnoff zum Gegner hatte und nicht "spurte", wurde quasi vernichtet. RCA brauchte das FM Patent, denn ohne das Patent konnte RCA keine FM-Sender bauen.
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Die Namen der Erfnder
Die entscheidenden Ideen zum endgültigen NTSC-Verfahren kamen jedoch von B. D. Loughlin (Hazeltine), dem im Mai 1973 auf dem Fernsehsymposium in Montreux geehrten Inhaber der beiden wichtigsten Grundlagen patente des NTSC-Verfahrens: „Luminance-bypass"-System und „Constant-Luminance "-System. Er beschreibt darin die simultane Übertragung eines Luminanzsignals großer Bandbreite und zweier Farbdifferenzsignale reduzierter Bandbreite als Chrominanzanteil. Damit wurde dem bis dahin fruchtlosen Experimentieren mit Zeilen- und punktsequentiellen 0bertragungsverfahren ein Ende gesetzt, die man aus der damaligen Sicht seltsamerweise als kompatible Lösung für besonders geeignet hielt, obwohl man zuvor das teilbildsequentielle Verfahren rundweg abgelehnt hatte.
Ähnliche Gründe wie beim CBS-Verfahrens führten denn auch beim punktsequentiellen Verfahren zu einer starken Punktstrukturstörung, die erst mit den beiden Loughlin-Ideen weitgehend reduziert werden konnte.
Als man schließlich überrascht feststellte, daß der bei punktsequentieller Erzeugung des Chrominanzanteils entstehende Farbträger sich mit der von Philco erstmals angegebenen Quadraturmodulation auch direkt erzeugen ließ, war das NTSC-Verfahren geboren.
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Es dauerte fast 20 Jahre
In den folgenden zwanzig Jahren wurde das NTSC-Verfahren manch harter Prüfung unterzogen. Es diente als Referenzsystem bei den unzähligen Testreihen zur Auswahl eines für die europäische CCIR-Norm geeigneten Farbfernsehsystems.
Viele Testergebnisse bestätigten immer wieder seine guten Eigenschaften insbesondere im Hinblick auf die Kompatibilität. Wer erinnert sich nicht der zahlreichen Varianten des SECAM-Systems, die vom SECAM-AM-Verfahren, wie es Henry de France 1957 angegeben hatte, zu SECAM I, II, III, IIIa und IIIb führten, bis man schließlich mit den entsprechend umfangreichen Entzerrungsvarianten des heutigen SECAM III opt. einen ausreichenden Kompromiß zwischen Farbträgerstörung und Störempfindlichkeit gefunden hatte, mit dem sich die Leistungsfähigkeit des zehn Jahre früher entwickelten und wesentlich einfacheren NTSC-Verfahrens endlich erreichen ließ.
Und dann kamen PAL ..... und SECAM
Das im Frühjahr 1963 in die Diskussion aufgenommene (später so benannte) PAL-Verfahren von W. Bruch hatte es da wesentlich leichter, weil es vom Prinzip her die seit zehn Jahren bewährte Quadraturmodulation des Farbträgers beibehielt und lediglich die Phasenlage einer Farbsignalkomponente zeilenweise umschaltete.
- Anmerkung : Auch hier wird die in 1972 damals immer noch opportune "Zuordnung" des PAL-Systems an einen Erfinder Namens Walter Bruch angekoppelt. Es war überhaupt nicht genehm, an dieser Schreibweise oder Zuordnung irgendwie zu rütteln. Erst viel später nach 2000 kam raus, daß das Telefunken Marketing das alles sehr geschickt und unwidersprochen gesponsert hatte und daß das PAL Prinzip schon 6 Jahre vorher bekannt war. Auch wurde geflissentlich versteckt, daß Telefunken insgesamt 3 Anläufe (Patentanmeldungen) machen musste, um irgend ein Patent auf diese Entwicklung zu bekommen.
„Never the same color" hatten böse Zungen die Abkürzung NTSC interpretiert und damit auf die Farbtonbeeinflussung als Folge von Phasenänderungen angespielt. Mit PAL lag nun ein Verfahren vor, das diese Phasenempfindlichkeit des NTSC-Verfahrens unter Ausnutzung der natürlichen Redundanz im Bild mit einfachen Schaltungsmaßnahmen vermied.
Hier hat Europa seine auf der Schaltungstechnologie der sechziger Jahre aufbauende Chance einer Vervollkommnung des NTSC-Verfahrens genutzt, leider aber auch durch die Einführung zweier verschiedener Farbfernseh Systeme zum Teil wieder verspielt.
Für PAL und SECAM sowie auch alle anderen diskutierten Farbfernsehverfahren war NTSC stets das Basissystem. Nur die Farbträgermodulation wurde variiert — die eigentliche geniale Idee einer separaten Luminanz-Chrominanz-Codierung mit Bandbreitenreduktion in der Chrominanz blieb in allen Fällen unangetastet.
Umfangreiche psycho-physiologische Studien Anfang der 1950er Jahre hatten diese weitgehend optimale Anpassung an die Nachrichtensinne des menschlichen Gesichtssinns möglich gemacht; „Irrelevanzreduktion" würde man dies heute nennen.
So nötigt uns die in dem NTSC-Verfahren enthaltene wissenschaftliche Leistung auch nach zwanzig Jahren noch Bewunderung ab, die durch die neu hinzugekommenen europäischen Farbfernsehsysteme keinesfalls geschmälert wird.
FERNSEH- UND KINO-TECHNIK 1973 Nr. 12
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