Eduard Rheins Buch über sein Leben (1990)
Der langjährige Chefredakteur der HÖRZU schreibt über sein Leben, seine Jugend, seine Zeit in Berlin bis 1945, den Wiederanfang 1946 und die Zeit im Springer-Verlag in Hamburg. So sind es fast 480 Seiten, bei uns im Fernsehmuseum etwa 120 Kapitel, in denen so gut wie alle "Größen" dieser Zeit vorkommen. Und er schreibt als 90jähriger rückblickend über die Zeit und sich selbst. Darum lesen Sie hier natürlich seine Sicht der Ereignisse bzw. "seinen Blick" teilweise durch die "rosarote Brille". Das sollte man beachten und verstehen. Die Inhaltsübersicht finden Sie hier.
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Kapitel 23
Technischer Fortschritt überall
Die Zeiten waren damals nicht rosig - die Franzosen hatten das Ruhrgebiet besetzt, und politisch gärte und rumorte es immer noch an allen Ecken des Reiches -, aber am 15. November 23 war die Zeit der Inflation zu Ende gewesen. Wir hatten - o Wunder! - eine neue Mark, eine richtige krisenfeste >Rentenmark<, deren Kaufkraft uns nicht wieder zwischen den Fingern zerrinnen würde.
Und die alte Goldmark?
Die schönen Zehn- und Zwanzigmarkstücke waren still und heimlich, aber ein für allemal >aus dem Verkehr gezogen< worden. Statt Gold gab man uns schön bedrucktes... Papier. Und die paar Oberschlauen, die ihre Goldfüchse heimlich in Töpfen und Truhen versteckt hatten, was fingen sie nun damit an? Was blieb ihnen anderes übrig, als sie weiterhin versteckt zu halten oder gegen andere Werte einzuhandeln!
Wir hatten wieder gutes Geld, gewiß, aber das gute Geld war verdammt knapp.
Das Lied über "die Raffkes"
Ein zeitgemäßer Schlager besang es so:
»Pleite, pleite, sind heute alle Leute.«
Alle - bis auf eine besondere Kategorie von Schiebern und Kriegsgewinnlern: die Raffkes.
Die BERLINER ILLUSTRIRTE brachte Raffkes auf der ersten Seite vor den Ruinen des Kolosseums stehend. Er mit der dicken Generaldirektors-Zigarre, sie schmuckbeladen.
Preisfrage: »Was sagt Herr Raffke?«
Erster Preis: »Solin se nich bauen, wenn se keen Jeld harn!«
Die "Maierschen Abwälzverfahren" vom Reisemaier
Ich hatte im Zentralverband eine hochinteressante, beneidenswert gute, glänzend bezahlte Stellung, in Maier einen Chef, der mich zu größter Selbständigkeit erzog, mich im Lauf der Jahre immer größere Sitzungen leiten ließ und bei der Industrie mein Lob in höchsten Tönen sang.
Ehrlich, aber auch nicht ganz selbstlos, denn je selbständiger ich bei diesem >Maierschen Abwälzverfahren< wurde, um so mehr konnte er sich seiner Lieblingsbeschäftigung widmen: dem Reisen (Spitzname Reisemaier).
Denn daß die Sitzungen alle in Berlin stattfinden mußten, stand nirgendwo geschrieben. Ja, die Achtung vor den einzelnen Mitgliedsfirmen gebot es geradezu, mal in Frankfurt, mal in Stuttgart, mal in Dresden oder Königsberg zu tagen - wenn dort etwas Besonderes los war.
Zur Karnevalszeit verlegte man die Sitzungen abwechselnd nach München, Köln, Paris, Nizza, Rom oder Venedig. Also auch ins Ausland, denn jede Norm wird wertvoller, wenn sie nicht an Ländergrenzen gebunden ist.
Die Normung machte schon Sinn
Eine verlorene Autoschraube muß man sowohl in Frankreich wie in Dänemark kaufen können: Die Gewindeformen, -längen und -Durchmesser mußten genormt werden. Eine unvorstellbar schwierige Arbeit, die schließlich zu der weltweit eingeführten Industrienorm führte und, unter anderem, mit dem bis dahin herrschenden grotesken Schraubenwirrwarr Schluß machte.
Ähnlich schwierig und erfolgreich war die Normung der Papierformate, der man ein Ausgangsformat A1 zugrunde legte, bei dem durch mehrfaches einfaches verlustloses Halbieren schließlich auch der ideale Normbriefbogen A4 im Format 210 x 297 mm entstand. Und das immer wieder im Verhältnis des >Goldenen Schnittes <.
Weltweit geschätzt : die Deutsche Industrie-Norm
Die Zahl der national und international gültigen Normblätter wuchs in allen Bereichen der Industrie von Jahr zu Jahr. Das Zeichen DIN (Deutsche Industrie-Norm) wurde zum Symbol rationellen Denkens.
Inzwischen blieb auch die rührige, stets auf Wahrung und Ausweitung ihres Monopols erpichte Post nicht hinter dem Mond zurück. Sie erweiterte und modernisierte vor allem ihr Telefonnetz.
Das Fräulein vom Amt wurde ersetzt
Das Fräulein vom Amt wurde durch Automaten ersetzt. Die oft allzu ungestüm gedrehte Kurbel fiel weg, die Apparate wurden klein und bekamen die klassische Wählscheibe. Um einen Teilnehmer zu erreichen, hatte man bisher zunächst die Kurbel drehen und damit den Rufstrom ins Amt schicken müssen. Dann hatte sich das Fräulein vom Amt nach einiger Zeit gemeldet.
Zum Beispiel mit >Merkur<, das war der Name des Bezirksamtes. Dann verlangte man >Bitte, Dönhoff< das war der Name eines anderen Berliner Unteramtes - und dann beispielsweise 1742.
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Man konnte an der Aussprache scheitern
Halt, ganz so einfach war das nicht. Die Zahl mußte telefongerecht gesprochen werden, denn das Telefon war im Bereich der hohen Töne noch recht schwach auf der Brust.
Ob Sie Affe oder Asse sagten - der andere hörte immer nur Affe. Und um die Nummer 1742 zu erhalten, mußten Sie sagen: >Sie-ben-zehn zwo-und-viährzich<, denn zwei konnte auch als >drei< verstanden werden. Dabei kam es nicht selten zu Streitereien zwischen Klingelfee und Teilnehmer, und manche Beleidigungsklage und Anschlußsperre war die Folge.
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Mit der Wählscheibe änderte sich vieles
Mit der Einführung der Wählscheibe änderte sich vieles. Es ging vor allem schneller, verwählte man sich aber, dann wurde das Gespräch gezählt, sobald der angewählte Teilnehmer abhob - genau wie heute.
Stadt um Stadt wurde automatisiert, winzige Zähler registrierten Entfernung (Zone) und Sprechzeit. Die Zeit des Weltfernsprechens hatte begonnen.
Und was war mit dem Radio?
Fast unbemerkt war ein kleines Pflänzchen herangewachsen, das eines Tages weltbewegende Bedeutung erlangen sollte.
Schon am 22. Dezember 1920 hatte der Sender Königs-Wusterhausen ein Instrumentalkonzert verbreitet und im nächsten Jahr ein amerikanischer Sender in Pittsburgh einen >Radio-Sender< in Betrieb genommen.
Am 29. Oktober 1923 setzte dann der Ingenieur und Staatssekretär Hans Bredow den Paragraphen, der bis dahin den Empfang von drahtlosen Sendungen aller Art verboten hatte, für den Rundfunkbereich außer Kraft.
Der erste Sender im Berliner VOX-Haus konnte seinen provisorischen Betrieb aufnehmen. Begeisterung in allen Bevölkerungsschichten, zumal man diese Sendungen schon mit ganz billigen Gerätchen in ausgezeichneter Klangtreue hören konnte. Rundfunkgebühr sechzig Mark pro Jahr.
Am 15. Dezember 1924 hatten sich schon 1580 Hörer angemeldet.
Bredow wurde als der Vater des Rundfunks gefeiert. Er war es auch, der das aus Amerika kommende Wort Radio wegen seiner Ähnlichkeit mit dem Wort Radium durch das bessere Wort Rundfunk ersetzte.
Proben aus dem Ostberliner Operettentheater imRadio
Ich hatte mir schon vor Beginn der offiziellen Sendungen aus einer Spule, einem Drehkondensator, einem Detektor und einem Kopfhörer einen Empfänger gebastelt und damit die ersten Versuchssendungen gehört.
Man übertrug damals aus dem alten Ostberliner Operettentheater die Proben zu der neuen Lehar-Operette >Frasquita<. Ich hörte die Anweisungen des Regisseurs, die Anweisungen Lehars an das Orchester und an den aus Wien angereisten Operntenor Jadlovker.
Mit dieser Operette hatte Lehar nach etlichen Mißerfolgen eine neue große Schaffensperiode begonnen. Sie war zweifellos auf die anregende enge Freundschaft mit dem 1892 geborenen, ungewöhnlich musikalischen Richard Tauber (bürgerl. Name Ernst Seiffert) zurückzuführen, der von da an jeder neuen Operette seines Freundes zum Durchbruch verhalf.
Lehars leichtfüßige, frivole >Frasquita< wurde seine >Carmen<. Die Tauberplatte >Hab ein blaues Himmelbett< erlebte schon im ersten Jahr Rekordauflagen.
Die >Empfängerfabriken< schossen wie Pilze aus der Erde
Die begeisterte Aufnahme des Rundfunks in der Bevölkerung führte dazu, daß sofort >Empfängerfabriken< wie Pilze aus der Erde schössen. So ein Ding zu bauen war ja einfach: Ein Holzkasten, der was hermachte, ein Drehknopf mit Skala und obendrauf die Seele vom Ganzen: der Detektor, ein Stück Bleikristall, auf dem man mit einer haarfeinen Nadel und einem noch feineren Fingerspitzengefühl herumstocherte, um eine besonders >laute< oder gar >noch lautere< Stelle zu suchen.
Ein Detektor Namens DAKI
Einer dieser Detektoren war am beliebtesten. Weshalb, weiß ich nicht. Jedenfalls stocherten auf ihm die Hörer mit verzweifeltem Eifer herum. Es ist keine Schleichwerbung, wenn ich Ihnen verrate, daß dieser Detektor DAKI hieß - was die Berliner als >Dir Aas Kenn Ick!< deuteten.
Da der Sender mit seinen 250 Watt recht schwach war - ein Bügeleisen schluckt mindestens viermal soviel Strom -, brauchte man vor allem eine gute Hochantenne und eine >Erde<. Und da lagen - theoretisch - die wahren Probleme, denn so eine Antenne konnte ja unter Umständen auch einen Blitz anziehen. Deshalb leierte der Ansager allabendlich seinen Schlußgesang herunter: >Bitte vergessen Sie nicht, die Antenne zu erden!<
Das hat man sich aber eines Tages abgewöhnt.
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Der Detektor ging nicht allzu laut
Die Kopfhörer wurden mit der Zeit als lästige Scheuklappen empfunden. Manche legten sie - mit den Schallöffnungen nach unten - auf einen Porzellanteller, um so eine Art Lautsprecher zu schaffen. Ich habe damit leider keinen Erfolg erzielt.
Man versuchte, auf einen stärkeren Kopfhörer einen Schalltrichter nach Art der Grammophone zu setzen; vielleicht daß auf diese Weise mehr Lautstärke zu erzielen wäre. - Es brachte nichts.
Empfänger mit Verstärkerröhren
Der Empfänger mit Verstärkerröhren war fällig. Dazu aber brauchte man eine Anodenbatterie von etwa 60 bis 100 Volt, und die setzte man aus den Zellen der üblichen Taschenbatterien zusammen. Ein teurer Spaß. Und da die Röhre einen Faden hatte, der mit Strom geheizt werden mußte, brauchte man noch einen Akku ... Kurz und gut, die Empfangsanlage wuchs sich aus und manchem über den Kopf.
Mit einem solchen Röhrengerät konnte man selbstverständlich einen Lautsprecher betreiben.
Ein völlig neuartiger Lautsprecher von "Seibt"
Man baute die ersten ähnlich wie beim Grammophon mit einem Trichter - die Dinger sahen scheußlich aus -, bis eines Tages die angesehene Berliner Radiofabrik Seibt einen völlig neuartigen Lautsprecher auf den Markt brachte, der alles andere schlug: Das war eine runde Dose, etwa 20 cm Durchmesser, etwa 10 cm hoch, oben durch ein Sieb und ein Schutz- und Ziergitter geschlossen - von den Rauchern zuweilen irrtümlich als Aschenbecher benutzt.
Das Geheimnis war nicht ein neuartiges Antriebssystem, sondern die Membran: ein Konus aus federleichter dünner Hartpappe, aber eben durch diese primitive Form steif. Die Idee war genial. Es wird sicher viele meiner Leser wundern, wenn ich sage, daß diese Konusmembran aus den Uranfängen des Rundfunks bis auf den heutigen Tag trotz unzähliger geistreicher Versuche, sie durch etwas Besseres zu ersetzen, unübertroffen ist. Es gibt nichts Gleichwertiges oder gar Besseres.
Man hat das Antriebssystem immer weiter verbessert, der Konus als Abstrahlfläche aber ist geblieben!
Anfänglich völlig verblödete Texte
Radio gabs erstmal nur in Berlin. Die Berliner hatten also ihr Radio, und schon kreierten die mit seltsamen Rahmenantennen gekrönten Radio-Girls im Kabarett der Komiker den Schlager der Saison:
»Die schöne Adrienne,
tschinderassarassarassa Radio,
hat eine Hochantenne,
tschinderassarassarassa Radio.«
Es hat um diese Zeit viele witzige Schlager gegeben, dieser war leider musikalisch und textlich ein Ausbund an Einfallslosigkeit. Gesungen wurde er trotzdem ... oder gerade deshalb.
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Die Schallplattenindustrie schwenkt auch auf Lautsprecher um
Die durch den Rundfunk eingeleitete rapide Entwicklung brauchbarer Verstärker und Lautsprecher brachte die Techniker der Schallplattenindustrie schon bald auf den Gedanken, sich diese Errungenschaften zunutze zu machen; die zu erheblichen Verzerrungen neigende >Schalldose< durch einen elektrischen Tonabnehmer zu ersetzen, auf den häßlichen, monströsen Trichter zu verzichten und statt dessen einen Lautsprecher anzusetzen.
Die ersten elektromagnetischen Tonabnehmer
Technisch gesehen eine geradezu primitive Aufgabe. Und in der Tat: Schon die ersten elektromagnetischen Tonabnehmer brachten eine verblüffend bessere Wiedergabe. Sie schonten die Platten, man konnte nun mit dem Verstärker beliebige Lautstärken erzielen, die Klangfarbe in weiten Grenzen ändern und sogar das Rauschen vermindern. Das alte quäkende Grammophon erlebte mitten in seiner Blütezeit einen ungeahnten Umsturz, zumal findige Köpfe auf die Idee kamen, Verstärker und Lautsprecher der Rundfunkanlage mitzubenutzen, also nur einen neuen "Plattendreher" mit einem elektrischen Tonabnehmer zu kaufen. Das bisher monströse Grammophon wurde zum simplen Schallplattenspieler, und die Tonwiedergabe verbesserte sich von Tag zu Tag.
Auch die Aufnahme-Seite wurde völlig verändert
Kaum daß man diesen Schritt getan hatte, da fand man, daß es wohl an der Zeit sei, auch schon bei der Aufnahme eine >Dose< nach Art des Tonabnehmers zu benutzen, Sänger und Orchester nicht in einen gigantischen Trichter, sondern - genau wie beim Rundfunk - vor ein kleines, freistehendes Mikrophon zu stellen.
Das ganze Grammophon war im Handumdrehn elektrifiziert. Die elektrisch aufgenommene und elektrisch wiedergegebene Schallplatte schlug alles bis dahin Gebotene. Eine Tatsache, die am deutlichsten dadurch symbolisiert wurde, daß sich eine der größten Schallplattenfirmen >Electrola< nannte.
Die Menschheit wurde mit technischen Wundern überschüttet.
Die Zukunft hatte begonnen
Immer mehr Rundfunksender wurden gebaut: Rom, London, Paris, Budapest. Die Zeit der Wellenjäger und Bastler begann, und mit ihnen wiederum ein rasch wachsender Bedarf an Bauanleitungen und populärwissenschaftlichen Veröffentlichungen. Es waren vor allem die jungen Menschen, die mit Begeisterung einstiegen, um beim Experimentieren mit Spulen, Drehkondensatoren, Detektoren und Verstärker röhren zu lernen.
Kapitel 24
Trautes Heim - Glück allein zu zwein
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- »Ein Hänfling, den der erste Flug
- aus seiner Eltern Neste trug,
- fing an, die Wälder zu beschaun,
- und kriegte Lust, sich anzubaun.«
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Ein edler Trieb, denn eigner Herd ist, sagt das Sprichwort, Goldes wert.
Das hatte ich schon in der Volksschule gelernt, und wenn etwas so hübsch gereimt ist, vergißt man es selbst in einer Weltstadt nicht.
Meine eigenen vier Wände
Jetzt wollte ich kein möblierter Hern mehr sein, jetzt wollte ich meine eigenen vier Wände haben. Die sind aber in Berlin mehr als rar. Also selber bauen!
Diese Erkenntnis kam dem Rheinschen Baufimmel sehr zupaß. Bauen hieß zu dieser Zeit aufstocken. Ich suchte eine piekfeine Gegend mit piekfeinen Häusern und fand beides dicht am Stadtpark Schöneberg, Hewaldstr. 6
Fahrstuhl; >Eingang nur für Herrschaften. Boten und Lieferanten Nebeneingang benutzen.< - Wenn das nicht standesgemäß war!
Meine Schwester und ich
Ich hatte also alles, bis auf das nötige Guthaben; statt dessen aber ansehnliche Einnahmen und nicht zuletzt - eine zwei Jahre jüngere Schwester, die mit Freuden bereit war, nach Berlin zu kommen.
Also ran. Verhandlungen mit dem Hausbesitzer, dann mit dem Architekten, den Behörden ... und ein halbes Jahr später kann ich einziehen.
Und die zum Verlieben schöne Remington Noiseless
Ich kaufte moderne Möbel, einen - o Wunder, daß es so was schon gab! - elektrischen Kühlschrank und - auch das gab's schon - eine geräuschlose (!) elektrische Schreibmaschine, die nicht hämmerte, sondern... sanft druckte: die zum Verlieben schöne Remington Noiseless. Mit ihr schreiben zu dürfen war ein Vergnügen. Ich habe sie heiß geliebt, und sie hat mich sehr beflügelt; ständig putzte ich an ihr herum.
Und jetzt neu : >Alles elektrisch!<
Treu der Devise der Elektrizitätswerke >Alles elektrisch!< kaufte ich auch einen Elektroherd, berlin'sch >Kochmaschine< genannt, und legte alle zwei Meter eine Doppelsteckdose.
Verbotenerweise dicht über der Scheuerleiste. Mein Elektriker, mit dem ich gemeinsam handwerkte, fand es verrückt. Aber wenn ich auch ein Strippenzieher geblieben bin - ich hasse nichts mehr als herumhängende Fallstricke!
Dann bestellte ich das nötige Telefon und zog ein.
Kapitel 25
Geld für das erste Auto
Herr Maier bekam einen Einschreibebrief aus England. Er las ihn aufmerksam und sagte dann:
»Das wäre doch eigentlich eine schöne Aufgabe für Sie!«
»Wenn Sie meinen - um was geht's denn?«
»Um einen ebenso ehrenvollen wie glänzend honorierten Auftrag.« Er reichte mir den Brief.
»Aus England?«
»Gewissermaßen. Auftraggeber ist die siamesische Regierung.«
Einen Kurzwellensender abnehmen
»Und was soll ich tun?«
»Wären Sie bereit, für die Siamesen bei der Firma Philips in Eindhoven einen Kurzwellensender und die dazu nötigen Niederfrequenzkabel abzunehmen?«
»Was heißt abzunehmen?«
»Sie müßten sich die technischen Lieferbedingungen ansehen, den Sender im Betrieb prüfen, die Leistung des Senders und die Eigenschaften des Kabels messen, etwaige Mängel oder Minderleistungen beanstanden und über die offizielle Abnahme ein Protokoll an die englische Vertretung der siamesischen Regierung schicken.« »Das heißt, ich müßte nach Eindhoven - das dauert doch Tage.« »Macht nichts. Der ZV übernimmt derartige Aufgaben in enger Zusammenarbeit mit dem englischen Fachverband. Sie würden dann von unserm Verband vorgeschlagen.«
Mit der Hilfe von Telefunken für Philips arbeiten
Mir wurde ein bißchen mulmig, denn ich konnte noch nicht übersehen, was da an Verantwortung auf mich zukam. Ehe ich mich blamierte, würde ich lieber ablehnen, und das sagte ich Maier auch. Doch er wußte Rat:
»In unserm Fachausschuß Senderbau sitzt Herr Lock von Telefunken. Wollen Sie sich nicht einfach an ihn wenden und ihn fragen, was Sie in einem solchen Fall zu tun haben?«
»Philips ist doch Konkurrenz; kann man es da einem Telefunkendirektor zumuten ...?«
»Klar! Lock ist ein großzügiger Mann. - Aber ich kann ihn ja mal fragen, ob Sie ihn in der Sache besuchen dürfen.«
Er ließ sich verbinden, erklärte Lock kurz, um was es ging, und gab mir dann den Hörer.
Inzwischen war ich dort aber bekannt
Lock kannte mich aus vielen Sitzungen.
»Mensch, Rhein, aber selbstverständlich. Natürlich nur privat und nicht hier in der Firma!« sagte er. »Ich habe morgen abend ein paar junge und sehr tüchtige Ingenieure der Firma zu Gast. Kommen Sie dazu, und dann findet sich alles Weitere von selbst.«
»Um wieviel Uhr dürfte ich dann bei Ihnen erscheinen?«
»Weiß ich nicht. Fragen Sie meine Frau, die regelt das.«
Er gab mir die Telefonnummer. Frau Lock meinte, ich solle schon zum Essen kommen, also um halb acht.
Kneifen konnte ich jetzt nicht mehr
Mir war nicht ganz wohl bei dem Gedanken, da gleich mit einer Reihe von Fachspezialisten konfrontiert zu werden, aber kneifen konnte und wollte ich nun auch nicht.
Also nichts wie hin!
Es wurde ein gemütlicher und anregender Abend.
Die Herren von Telefunken hatten schon von mir gehört und waren neugierig, einmal einen Fachschriftsteller kennenzulernen.
Den lernten sie dann auch gründlich kennen, denn ich fühlte mich gleich so wohl, daß ich ungeniert losplauderte und ihnen von meiner Mitarbeit bei den Funkzeitschriften erzählte. Das war eine für sie völlig fremde Welt, und zum Schluß saßen sie alle um mich herum und hörten zu.
Bis Herr Lock sagte: »Mensch, Rhein, jetzt kommen Sie mal mit in mein Büro, wir haben doch noch was zu bereden.«
Das Ergebnis dieses Gesprächs war, daß ich wenige Tage später leichten Herzens nach Eindhoven fuhr, mir den Sender vorführen ließ, zur Überraschung der Holländer ein paar besonders knifflige Fragen stellte, die Bedienung im Hinblick auf die nicht so versierten Siamesen etwa zu umständlich fand und eine Vereinfachung anregte.
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Und ich bekam dafür sehr viel Geld
Nach zwei Fachgesprächen mit leitenden Herren der Firma und einer Führung durch das imposante Werk unterschrieb ich das übliche Protokoll und fuhr nach Berlin zurück.
Mit stolzgeschwellter Brust überreichte ich Maier eine Kopie der Abnahme und erfuhr bei dieser Gelegenheit, daß mir als Honorar 1 Promille der Gesamtsumme zustand.
Das war sehr viel sehr schnell verdientes Geld.
Fast schwoll mir der Kamm
Es war soviel, daß mir der Kamm schwoll und ich mir gleich einen gebrauchten, aber noch gut erhaltenen Sportwagen kaufte.
Es war mein erster Wagen. Ich setzte mich ans Steuer, ließ mich fotografieren und schickte das Bild nach Hause.
Zu meiner Verwunderung erhielt ich von Frau Lock eines Tages wieder eine Einladung zu einem Herrenabend mit schlichtem Abendessen.
Diese Herrenabende wurden eine immer wieder anregende Gewohnheit. Schon am zweiten Abend lernte ich in diesem Kreis einen der markantesten Abteilungsleiter der Firma kennen: Dr. W. Kühle.
Wir waren etwa gleichaltrig und freundeten uns an. Eine Verbindung, die in meinem Leben - vor allem während des Zweiten Weltkrieges - noch eine bedeutsame Rolle spielen sollte.