Eduard Rheins Buch über sein Leben (1990)
Der langjährige Chefredakteur der HÖRZU schreibt über sein Leben, seine Jugend, seine Zeit in Berlin bis 1945, den Wiederanfang 1946 und die Zeit im Springer-Verlag in Hamburg. So sind es fast 480 Seiten, bei uns im Fernsehmuseum etwa 120 Kapitel, in denen so gut wie alle "Größen" dieser Zeit vorkommen. Und er schreibt als 90jähriger rückblickend über die Zeit und sich selbst. Darum lesen Sie hier natürlich seine Sicht der Ereignisse bzw. "seinen Blick" teilweise durch die "rosarote Brille". Das sollte man beachten und verstehen. Die Inhaltsübersicht finden Sie hier.
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Kapitel 5
Die Lichter gehen an
Elektrisches Licht gab es damals noch nicht. In Hotels und Privatwohnungen standen nur die heimeligen Petroleumlampen, die das in Amerika geförderte Erdöl in rötlichgelben Schein verwandelten und damit die sprichwörtlich >traute< Atmosphäre schufen.
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Der Trick mit den verschenkten Petroleumlampen
In Amerika hatte John D. Rockefeiler riesige Erdölquellen gekauft und dem Erdöl das zu fünf bis sechs Prozent enthaltene reine Leuchtöl entzogen, zu dem er auch die nötigen Lampen lieferte oder sogar schenkte. So spendete er beispielsweise den Chinesen über hunderttausend primitive Lampen - um sie damit zu Dauerkunden seines Leuchtöls zu machen.
Die Petroleumlampe war eigentlich eine Gaslampe
Die Petroleumlampen waren teils sachlich nüchterne, teils kunstvolle oder kitschige, zum Teil sogar sehr kostbare Tischoder Wandlampen mit Docht, Zylinder und milchfarbener, mitunter grün überfangener Glasglocke. Einige von ihnen haben heute hohen Sammler- und Museumswert.
Der Docht tauchte in das Leuchtöl und saugte es zum eigentlichen Brenner. Das war ein zierlicher Metallkäfig mit vielen hübschen Löchern, die der Luft den nötigen Zutritt ließen. Und damit die Flamme ruhig brennen und richtig leuchten konnte, wurde sie von einem gläsernen Schornstein umhüllt, der zugleich für den nötigen Zug, das heißt für den nötigen Sauerstoff sorgte und die Flamme vom Docht hochriß, denn nicht er sollte verbrennen, sondern das über ihm schwebende, von der Hitze vergaste Petroleum.
Die Petroleumlampe war also - eine Gaslampe.
Mal qualmte es, mal stank es . . .
Ihr gläserner Schornstein hieß Zylinder und war etwa 20 bis 25 cm hoch. Das Petroleum verbrannte völlig rußfrei - aber nur, wenn die Dochthöhe und die Luftzufuhr fein einreguliert wurden. Sonst qualmte und stank es mehr oder weniger. Ein bißchen qualmte und roch es dank menschlicher Unzulänglichkeit allerdings immer, und die Zylinder mußten deshalb täglich mit einem etwa 3 cm dicken Lampenputzer gesäubert werden.
In den Theatern gab's natürlich auch nur Petroleumlampen. Ganz vorn an der Bühnenrampe standen bis zu vierzig der Geräte und warfen ihr Licht mit den blankgeputzten Messingreflektoren auf den Ort des dramatischen Geschehens.
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Der Lampenputzer
Sie ständig in Ordnung und blitzblank zu halten war Aufgabe des Lampenputzers. Wie wichtig man damals seine Tätigkeit nahm, zeigte der ihm gewidmete, von alt und jung gesungene Gassenhauer:
»Lampenputzer ist mein Vater im Berliner Stadttheater.«
Eines Tages brach bei uns ein Feuer aus
Da die vielen Petroleumlampen nicht ganz ungefährlich waren, hielt jedes Theater eine eigene, stets in den Kulissen postierte Feuerwehr. Petroleumlampen in der Familie - das war normal. Aber auf den Tischen der feinen Hotels plazierte man, wie auch heute noch, die angenehm duftenden, für die nötige Atmosphäre sorgenden Kerzen in silber- oder kristallglitzernden Leuchtern.
Eines Nachts, als alle schon schliefen, brach im ersten Stock unseres Hotels ein Brand aus. Ein Gast hatte abends im Bett gelesen und im Halbschlaf die Petroleumlampe umgestoßen. Große Aufregung, Feuerwehr mit viel Lärm und mehr Wasser als nötig. Das Feuer war sehr schnell gelöscht, aber die Wasserschäden waren schlimmer als die Brandschäden. »Jetzt reicht's mir aber«, schimpfte Papa. »Diese lebensgefährlichen Petroleumfunzeln fliegen raus.«
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Wir bekommen "Gas" und die Glühstrümpfe
Wenige Tage später erschienen tatsächlich vier Männer, stemmten Löcher in die Wände und legten fingerdicke Rohre.
An den Wänden und an den Decken wurden neuartige Lampen montiert und in ihnen 10cm lange Glühstrümpfe aus Textilfasern aufgehängt. Sie waren mit Thoriumoxyd getränkt. Zündete man einen solchen Strumpf an, verbrannte er sofort bis auf sein mimosenhaft empfindliches Skelett aus dem unverbrennbaren Oxyd. Wenn man dann den Gashahn öffnete und das Gas entzündete, geschah so etwas wie ein Wunder: Der kleine Glühstrumpf strahlte in einem so schönen weißen Licht, daß die Hersteller von Glühdrahtlampen noch heute vor Neid erblassen.
Daraus entwickelten sich die Gaslaternen
Der >Strumpf < wurde schon wenige Jahre später von einem halbkugelförmigen Glühkörper verdrängt, der auf einen Keramiksockel montiert war und sein Licht voll nach unten strahlte. Das war bei Deckenlampen günstiger.
Diese Form der Gaslampe bewährte sich auch bei den Straßenlaternen. Sie wurden so populär, daß Walter Kollo sie sogar in seiner Operette >Die tolle Komteß< besang:
»Abends bei dem Glanz der Sterne, oder dem der Gaslaterne schleichen heimlich wir hinaus ...«
Und dann gab es den Lampenanzünder
Die Laternen mußten natürlich abends in Betrieb gesetzt werden. Das tat der dafür angestellte Lampenanzünder. Da in den Lampen ständig eine winzige Zündflamme brannte, brauchte er mit seiner langen Stange nur die Gashähne aufzudrehen. Später besorgten das automatische Gasventile, die vom Werk aus durch einen kurzen Überdruck geöffnet und geschlossen werden konnten.
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Doch es war nicht ungefährlich, das mit dem Gas
In unserm Hotel waren Kerze und Petroleumlampe bis auf die wenigen Hand- und Tischlampen endgültig verdrängt.
Wenig später mußte Papa allerdings in einer Kölner Zeitung lesen, daß dort ein ganzes Haus in die Luft geflogen sei, weil entweder ein Gasrohr undicht oder ein Gashahn nicht korrekt geschlossen worden war und jemand den gasgefüllten Raum mit einer brennenden Kerze betreten hatte.