Eduard Rheins Buch über sein Leben (1990)
Der langjährige Chefredakteur der HÖRZU schreibt über sein Leben, seine Jugend, seine Zeit in Berlin bis 1945, den Wiederanfang 1946 und die Zeit im Springer-Verlag in Hamburg. So sind es fast 480 Seiten, bei uns im Fernsehmuseum etwa 120 Kapitel, in denen so gut wie alle "Größen" dieser Zeit vorkommen. Und er schreibt als 90jähriger rückblickend über die Zeit und sich selbst. Darum lesen Sie hier natürlich seine Sicht der Ereignisse bzw. "seinen Blick" teilweise durch die "rosarote Brille". Das sollte man beachten und verstehen. Die Inhaltsübersicht finden Sie hier.
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Kapitel 102 - über Axel Springer
»Ich kann Milliarden machen«
. . . . tönte Springer im >Spiegel< vom 1. 1. 68 - Er konnte es wirklich. Er hat es bewiesen. Wer war dieser Mann, der in unverhältnismäßig kurzer Zeit unter den schwierigsten Umständen auf den Trümmern eines geächteten Landes ein verlegerisches Imperium von Weltruf aufbauen und dabei vielfacher Milliardär werden konnte?
Ein eiskalter Manager?
Ich habe ihn kennengelernt, als er gerade die letzten Eierschalen abgeworfen hatte. Also nicht mehr den verwöhnten, arroganten Springinsfeld, wie ihn Jugendfreunde schilderten. »Ach, der leidet doch an der englischen Krankheit<.« Was damit gemeint war, merkte ich erst viel später.
Ich war seinem Ruf nach Hamburg nur mit Zurückhaltung gefolgt. Ich war ein Ullsteiner geblieben, und ich war stolz darauf. Kein Journalist trug damals die Nase höher als ich. »Jetzt seien Sie zurückhaltend!« hatte Will mich bei unserer Ankunft in Hamburg gewarnt. »Es ist alles zu verlockend - er ist wirklich sehr nett, und Sie sind immer so impulsiv!«
»Das möchte ich auch bleiben, aber ich kenne meinen Wert - den habe ich immer gekannt. Mich holt man sich nicht hoppla-hopp ins noch so schön gemachte Bett.«
Klar: Von diesem Besuch hing damals viel für mich ab. Ich war mit der nötigen Skepsis gewappnet...
Und dann kam doch alles ganz anders...
Springer war ein Verleger nach meinem Herzen.
»Ihr zwee seid Euch ja jleich um'n Hals jefallen«, hatte Katrin später gesagt.
Springer wußte damals nur, daß er eine Rundfunkzeitung machen wollte - und dank seiner guten Beziehungen zu den Engländern wohl auch durfte. Mehr wußte er nicht über sein Vorhaben - außer, daß er mich dazu brauchte und daß alles Redaktionelle meine Sache sei.
»Da redet Ihnen keiner rein, und ich verstehe nichts davon!« Über Geld haben wir erst zwei Jahre später gesprochen. Zwei (!) Minuten lang. Und dann erst wieder siebzehn Jahre später. Und wieder nur ein paar Minuten.
Es gab nie einen Vertrag - es gab Vertrauen
Hat es eigentlich einen Vertrag zwischen uns gegeben? Ich glaube nicht. Was uns verband, war von Anfang an ein Vertrauens-Verhältnis, und die Freundschaft zwischen AS und mir hat nie einen Kratzer, geschweige denn einen Riß bekommen, bis ... ja, das kommt noch.
Und das war schlimm.
Heute bin ich 90 Jahre und Axel Springer ist tot
Um das verständlich zu machen, muß ich aber erst einmal sagen, wie ich AS gesehen habe - und wie ich ihn heute mit neunzig Jahren sehe.
Es soll ein unretuschiertes Bild werden. Möglich, daß ich manches falsch beurteile. Andere werden ihn anders sehen. Ich möchte versuchen, ihn trotz aller Kritik nicht zu verzeichnen, das bin ich ihm schuldig, denn er hat mir zwanzig Jahre lang mehr als fast allen Menschen seiner Umgebung vertraut.
Axel Springer sah besonders gut aus
AS trug zweifellos narzißtische, leicht feminine Züge; dazu mag sein besonders gutes Aussehen beigetragen haben. Er war sich seiner Wirkung auf andere voll bewußt und hat sie gezielt eingesetzt. Das hat er oft unumwunden zugegeben.
Und er war tolerant - bis auf einen Punkt: Wer bei ihm ein Wort gegen die Juden oder die >Anderen< sagte, hatte schon verspielt.
Er war in Geldfragen sehr großzügig.
Moische Covents sagte zuweilen: »Schmeiß nicht so mit dem Geld um dich, sonst sag ich's der Mama«, ... und wurde prompt ausgelacht.
Zu seiner Innenarchitektin Hulda Seidewinkel sagte er einmal: »Drüben liegt meine Brieftasche, bedien dich!«
»Zahlen Sie Ihren Mitarbeitern auch anständige Gehälter und Honorare? Lieber eine Mark zuviel als einen Groschen zuwenig.« Den Zusatz durfte der überkorrekte Voß allerdings nicht hören.
»Edu, wenn Sie mir die zweite Million schaffen, können Sie von mir verlangen, was Sie wollen.« Doch ich blieb auf dem Teppich: »Ich wünsche mir nur einen amerikanischen Sportwagen, den Stingray.«
Als es dann soweit war, stand ich von morgens bis abends hinter den Vorhängen in der Johnsallee und wartete auf >meinen Wagen<. Ich hatte mich wie ein Kind auf ihn gefreut und allen Freunden davon vorgeschwärmt.
Statt des Wagens kam ein Strauß Nelken. Da habe ich geweint...
Warum der Stingray damals >vergessen< wurde
Heute weiß ich, weshalb der Stingray damals >vergessen< wurde. Man richtete auf der anderen Seite der Alster gerade die Redaktion des eben gegründeten HAMBURGER ABENDBLATTES ein, während wir in der Johnsallee noch auf Kisten an wackeligen Tischen saßen und mit HÖR ZU das Geld dazu ankarrten.
Seine Großzügigkeit galt nur, solange er nicht selber klamm war. Anfangs konnte das ein Pelz für eine angebetete bildschöne Fürstin sein, später der Plan, noch eine neue Zeitung herauszugeben oder noch ein Schloß zu kaufen oder Landstriche in Kanada, ein Farmland-Areal in den USA oder eine Villa auf der Goebbels-Insel bei Berlin zu bauen.
AS war von seiner Mutter sehr streng erzogen worden und reagierte infolgedessen manchmal auf Angriffe zu gebremst.
Axel Springer und die Frauen
Und die Frauen? Ich habe sie alle bis auf seine erste Frau kennengelernt. Eine schöner als die andere und alle sterblich in ihn verliebt. Aber das ganz große Glück war nie von Dauer.
Er wollte Operettentenor werden
AS war sehr kultiviert und weniger gebildet. Kein Abitur. Ein Operettentenor braucht nur zu singen, und das hatte er in Leipzig zwei Jahre lang ernsthaft studiert. Das war kein Fimmel. Man sollte das nicht mit ein paar Worten abtun. Er hatte sich auf einen glanzvollen Beruf vorbereitet. Doch die Natur hatte ihm den Erfolg verwehrt: die Stimme trug nicht. Als >ungelernter Arbeiter< wie er sich einmal scherzhaft nannte, kehrte er schließlich in den Druckerei-Betrieb seines Vaters zurück.
Der Traum von der strahlenden Karriere an den großen Bühnen der Welt endete unter dem Hohn seiner Freunde in... Altona.
Ein erster harter Schicksalsschlag... Zwei verlorene Jahre.
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Oft war er Hahn im Korb - aber die Gesundheit . . . .
Also nolens volens doch in den Zeitungsbetrieb - den er nach eigenem Geständnis und im Gegensatz zu den freundlich gemeinten Aussagen anderer - nie ernsthaft gelernt hat. Mit dem >Winkelhaken< der Setzer (»Ih, da kriegt man ja schwarze Finger von!«) ließ er sich trotzdem gern fotografieren. Covents lachte immer, wenn er das sah: »Image-Pflege!«
In Gesellschaften war er der Hahn im Korb, obwohl es um seine Gesundheit und ... Strapazierfähigkeit nie weit her war.
Und in Sachen Politik? Da ist allerlei zu sagen, aber bitte ein paar Seiten später.
Soweit das Bild des großen Verlegers, bis auf jenen merkwürdigen, aber entscheidenden Wesenszug, der fast allen verborgen geblieben ist und mich ständig geärgert hat.
Ihm muß ich ein besonderes Kapitel widmen.
Kapitel 103
Vorzeichen
Wir saßen in Springers neuerbautem Haus am Falkenstein: Springer, sein damals noch kleiner Sohn Aggeli und ich. Ganz weit röhrte entfernt ein auslaufender Dampfer. Es dunkelte bereits, und es blitzten die ersten Sterne.
Springer erhob sich, zog Aggeli mit an das riesengroße Fenster und sah eine Weile schweigend hinaus. Dann reckte er sich zu seiner vollen Länge und sagte unvermittelt, aber sichtbar ergriffen zu dem Jungen: »Der eine Stern da draußen, ja, der, der schon so hell leuchtet, das ist mein Stern. Und der kleine - ganz dicht daneben ... bist du.«
»Nötig ist nur, daß du an diesen Zauber glaubst«, ergänzte ich. »In Wirklichkeit ist der kleine vielleicht schon vor Millionen Jahren zerplatzt, denn so lange ist sein Licht schon unterwegs zu uns.«
Springer schwieg, aber als er mich allein zum Wagen begleitete, sagte er - deutlich verstimmt: »Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie kritische Bemerkungen dieser Art wenigstens nicht in Gegenwart meines Sohnes machten. Er soll und darf nicht irritiert werden, denn er soll einmal ein großes, verantwortungsvolles Erbe antreten und vermehren.«
Das war das erstemal, daß Springer Aggeli vor mir als seinen künftigen Erben bezeichnete.
Ich hatte eine Abneigung gegen Sterndeuterei
Ich schüttelte seinen Vorwurf barsch ab: »Ich bin Wissenschaftler und kein Spökenkieker, das ist Ihnen nichts Neues. Und bis Ihr Knirps sich darüber einmal eine eigene Meinung machen kann, wird noch viel Wasser die Elbe hinunterfließen...«
Springer war von der Heftigkeit meiner Reaktion offensichtlich erschreckt, wünschte mir gute Heimfahrt und warf die Wagentür ins Schloß.
Ich hatte mich in meiner Abneigung gegen Sterndeuterei danebenbenommen. Das ärgerte mich. Aber wenn ein intelligenter Mensch mir mit Sternbildern kommt, sehe ich rot. So gut, wie er mir die Heimfahrt gewünscht hatte, bekam sie mir also nicht.
Kapitel 104
Wahrsager und Geisterbeschwörer
Der Glaube ist die niedrigste Stufe des Wissens. Wo Wissen fehlt, beginnt die Welt des Mystizismus. In ihr haben die Prediger des Wunders und Aberglaubens leichtes Spiel.
Springer glaubte und vertraute der Welt des Übersinnlichen, ihren Ratschlägen, Warnungen und Einflüsterungen. Ich weiß aus vielen seiner Äußerungen, daß es leider so war.
Springer war ein Ästhet.
Er haßte und verabscheute Dicke: »Die stinken und denken immer nur ans Fressen!« In seinem Umkreis hatten Dicke keine Chancen.
Als seine langjährig treue Sekretärin, selbstvergessen die Kontrolle über ihr Gewicht verloren hatte, verbannte er sie aus seinem Gesichtskreis. Erst als sie sich unter Qualen auf ihr früheres Gewicht abgehungert hatte, durfte sie wieder für ihn arbeiten.
Ina Hetzel, dick und humpelnd
Doch es gab eine Ausnahme: Ina Hetzel, eine dicke, humpelnde Vettel, die er oft heimlich in ihrer Wohnung besuchte. Will und ich haben ihn dort, Scheffelstr. 9, wiederholt abgesetzt, sein Fahrer durfte die Adresse nicht kennen. Er hatte die Wohnung gekauft. In ihr wohnt jetzt seine erste Frau, Babsy Funke.
Ina Hetzel war Sterndeuterin. Sie stand zeitweilig, fürstlich honoriert, ausschließlich in seinen Diensten und stellte ihm täglich sein Horoskop. Während eines Urlaubs auf der Insel Sylt durfte sie sogar - allein - in seinem Bett schlafen.
60 Seiten über die Sternengläubigkeit Springers
Mir - nicht auch dem SPIEGEL? - wurde 1987 per Post eine sechzigseitige Abhandlung zugestellt, die sich mit der Sternengläubigkeit Springers auseinandersetzt und zahlreiche Kopien von Briefen enthält, die beweisen sollen, daß Springer von den Ratschlägen dieser Frau in einem nahezu bestürzenden Ausmaß (!) beeinflußt worden ist.
So zum Beispiel, daß er sich von ihr die Horoskope von wichtigen Mitarbeitern stellen ließ und daraufhin unter Umständen große und verdiente Mitarbeiter und Redakteure entlassen hat.
Diese >Unterlagen<, selbst wenn sie gefälscht sind, lassen eine schier unglaubliche Kenntnis verlagsinterner Vorgänge erkennen und enthalten Auszüge von handgeschriebenen Briefen, an deren Echtheit ich aufgrund eigener Korrespondenz mit den betreffenden Personen, zum Beispiel Frau Rosemarie Springer und Aggeli, nicht einen Augenblick zweifeln würde, wenn nicht die Fälschung der Hitler-Briefe den Beweis geliefert hätte, daß solche Fälschungen möglich sind.
Zur Veröffentlichung nach Hetzels Tod gedacht ?
Da sind beispielsweise die Auszüge aus vielen Tageshoroskopen. Wenn sie echt wären: wie konnten sie aus den privaten Akten Springers kopiert werden?
Weshalb sollte er sie überhaupt aufgehoben haben? Sind es vielleicht die Kopien von Durchschriften, die man bei der Hetzel nach ihrem Tod gefunden hat?
Oder sind sie von der Hetzel selber aus Eitelkeit oder anderen nicht durchschaubaren Gründen zur Veröffentlichung nach ihrem Tode bestimmt worden?
Ihre maßlos überschwenglichen, lächerlich schmeichelhaften Horoskope hier zu veröffentlichen, verbietet sich von selbst. Ich zeige hier nur ein Stück aus einem Horoskop, in dem es um Springers Partner Voß geht.
»Schade, daß ich Ihrem Partner nicht einmal klarmachen kann, wie wertvoll es ist, daß diese Macht in den Händen eines Mannes liegt, der sich seiner Sendung bewußt ist und weiß, woher die Kraft kommt, die er braucht.
Sie werden erkennen, daß Sie mit Ihren Unternehmungen eine Macht verkörpern ... im Gegensatz zu Ihrem Partner. Dessen Rolle ist bald zu Ende, wahrend Sie das Glück haben, Millionen in die neue Zeit hinüberzuführen. Ihr Partner war sehr wertvoll für uns alle, aber jetzt kommt die Ablösung.«
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Wie konnte es zu der Trennung Springer/Rhein kommen ?
Millionen in die neue Zeit der Wiedervereinigung zu führen, war Springer leider nicht vergönnt (1987 gestorben).
Nicht nur ich, sondern viele Freunde und Bekannte, ja Tausende von HÖR ZU-Lesern und Lesern meiner Bücher haben sich und mich gefragt: Wie konnte es zu der unglückseligen Trennung Springer/Rhein überhaupt kommen?
Erst nachdem ich erfahren mußte, in welch unglaublichem Ausmaß Springer an den Einfluß vielleicht schon längst zerplatzter Sterne geglaubt hat, bin ich mir darüber klar, daß auch ich ein Opfer der Hetzel-Hetze geworden bin, zumal sie und der ebenfalls sterngläubige Mentor Springers, Hans Zehrer, aus meinen Veröffentlichungen in KRISTALL gewußt haben, daß ich diesen gefährlichen Unsinn ebenso strikt ablehne wie die katholische Kirche.
Eine >magnetische Abschirmung< gegen schädliche Strahlen
In seiner Villa am Falkenstein ließ Springer sich eine > magnetische Abschirmung< gegen schädliche Strahlen montieren. Dem erstaunten Chefredakteur von KRISTALL, Dr. Ivar Lissner, und seiner Frau, der Schauspielerin Ruth Niehaus, verriet er, daß er täglich mindestens eine Stunde unter der Abschirmung sitze. Er riet ihnen dringend, sich auch eine solche Entstrahlungsapparatur anlegen zu lassen. Lissner rang heimlich die Hände.
Eines Tages lud er Lissner sogar zu einer der von ihm ab und zu heimlich veranstalteten spiritistischen Sitzungen mit >Tischrücken< ein: »Das wäre doch ein ideales Thema für KRISTALL!«
Ausgerechnet für KRISTALL, die Zeitschrift, in der ich Jahre vorher zum Ärger Springers und seiner Wahrsager unter der Überschrift >Wir kennen ihre Tricks < den Berliner Hanussen und Genossen in einer großen Aufsatzreihe als Schwindler entlarvt hatte.
Was blieb Lissner anderes übrig, als hinzugehen.
Die glitzernde Kugel in der Mitte der schwarzglänzenden Platte
Mystisches Geflüster, ein paar Kerzen im verdunkelten Fenster. Man saß im Kreis um den Tisch, die gespreizten Hände darauf. Springer und seine Gäste starrten mit verhaltenem Atem auf die glitzernde Kugel in der Mitte der schwarzglänzenden Platte ... Beklemmende Stille.
Aber auch ein anderer starrte. Und der sah ... daß der Spiritist den Tisch heimlich mit einem Fleischerhaken anhob, den er in seinem Ärmel versteckt hatte. Entlarvung! - Entrüstung und verhaltenes Hohngelächter der Gäste. - Skandal! - Springer wurde blaß und zitterte vor Erregung.
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Und dann hatte er geweint - peinlich
»Springer hat aus Enttäuschung über diesen äußerst peinlichen Ausgang seiner Geisterbeschwörung bitter geweint! Ich war entsetzt. Ich sah es und traute meinen Augen nicht.
Für ihn müssen in diesem Augenblick alle Sterne vom Himmel gefallen sein«, berichtete Dr. Lissner anschließend seiner Frau und mir.
Springers Abhängigkeit von >überirdischen< Dingen und von den Einflüsterungen seiner Sterndeuterin machte mir manchmal erhebliche Sorgen. Mochte er sich aus meiner Handschrift, aus Ort, Jahr, Tag und Stunde meiner Geburt soviel Unsinn wahrsagen lassen, wie er wollte - gefährlich wurde dieser Irrglaube aber, wenn er ihn zu Entscheidungen verleitete, die das ganze Unternehmen betrafen.
In letzter Stunde Abbruch aller Verhandlungen
So stand er einmal vor einem Zusammenschluß mit dem großen Hamburger Verleger Jon Jahr. Alles war bis ins letzte vereinbart und vertragsbereit. Da überraschte er Jon Jahr in letzter Stunde mit dem Abbruch aller Verhandlungen, weil >die Sterne für ein solches Unternehmen ungünstig standen<.
Mir das zu erzählen, obwohl er wußte, was ich über diesen Hokuspokus dachte, konnte nur einen Sinn haben: Mich zu warnen, mir zu zeigen, welch ungeheuren Einfluß das >Walten der Sterne< auf die Schicksale der Menschen hätte. Frau Jahr hat mir diese fast unglaubliche Geschichte 1987 bestätigt.
Peinlicher Auftritt in Paris
Lissner hatte besonders enge Beziehungen zu dem großen französischen Verleger Prevost (PARIS MATCH usw.). Springer bat ihn, die Bekanntschaft zu vermitteln, und erhielt daraufhin zusammen mit Lissner eine Einladung nach Paris.
Sie endete mit einem Eklat. Springer hatte nach dem Abendessen seine übliche Zeremonie absolviert: Er hatte sich nach den Lehren seiner Astrologin mit einem gymnastischen Bewegungsablauf auf den Kopf gestellt, um eine bessere >magnetische Durchflutung seines Gehirns< zu erreichen ... Fassungsloses Staunen der Pariser:
»Impossible! Diesen Monsieur kann man nicht noch einmal einladen!«
Ina Hetzel starb Ende der fünfziger Jahre - ein Autounfall
. . . nicht ohne - wie Springer immer wieder behauptet hat - vorher ihren und Zehrers Tod für dasselbe Jahr und denselben Monat (!) vorauszusagen. Daß Zehrer erst ein Jahr später gestorben ist, stört große Geister nicht. Sie wurde überfahren. Über ihn gleich mehr.
Ob einer von den beiden ihm Glück gebracht hat, wissen nur die Sterne - und in einem Punkt auch ich: Hätte es diese >Berater< schon früher gegeben, dann hätte er mich schon viele Jahre vorher gefeuert.
Was dann wohl aus HÖR ZU und seinem Verleger geworden wäre?
Sterne lügen nicht
Das steht in den Sternen. Und >die Sterne lügen nicht<. Wie sollten sie auch, denn selbst zum Lügen sind sie zu dumm. Das besorgen für sie ihre selbsternannten listenreichen irdischen Stellvertreter, die Astrologen.
Nach dem Tod der Hetzel wurde Springer von wachsender Unruhe und Unsicherheit gequält. Eine zweite Hetzel gab es nicht. Alle streng geheimgehaltenen Versuche mit anderen Sterndeutern, Scharlatanen, Rutengängern und Entstrahlungskünstlern -unter anderem mit einem bekannten bayerischen Sterndeuter, der ihn sogar aus der Ferne durch seine Heilsstrahlen drahtlos zu überwachen, zu schützen und zu behandeln versprach - gingen daneben.
Selbst seine persönliche Behandlung, zu der Springer eigens für einige Tage nach Bayern flog (!) - wurde eine Enttäuschung. Er mußte schließlich froh sein, diesen geldgierigen Schwindler ohne peinliches Aufsehen wieder loszuwerden ...
Und dann "berichtete" die BILD Zeitung
Springers verlegerische, aber umstrittene journalistische Meisterschöpfung BILD berichtete zum Ärger der Ärzteschaft trotzdem unbeirrbar weiterhin von märchenhaften Wunderheilern und Sternenkiekern in aller Welt.
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