Zum Auffrischen und Erinnern . . . .
. . . sind diese Seiten hier gedacht, denn viele wissen nicht mehr oder noch nicht, wie es damals angefangen hat und wie das wirklich funktioniert mit dem Fernsehen, den Kameras, den Videorecordern, den Tonband- und den Magnetband- geräten aus alter Zeit. Viele Bilder können Sie durch Anklicken vergrößern.
Die Entdeckung der Eigenschaften des Selens
Eines der Grundprinzipien des Fernsehens hatte sich auch Paul Nipkow ausgedacht und dann aber patentieren lassen: die Zerlegung eines Bildes in Punkte und Zeilen, die es ermöglichte, das Bild auf elektrischem Wege zu übertragen. Nipkow konnte dabei eine Entdeckung voraussetzen, die bereits zehn Jahre früher gemacht worden war. In seiner Patentschrift hieß es nämlich: "Die im Hintergrunde von J angebrachte Selenzelle L..."
Das Selenium - kurz Selen genannt (sprich Selen) - war im Jahre 1816 von dem schwedischen Chemiker Berzelius als neues Element entdeckt worden.
Später fand es als Widerstand in Telegrafenapparaten Verwendung. Ein solcher Apparat stand im Jahre 1873 in dem irischen Küstenort Valentia an einem Endpunkt der transatlantischen Kabelverbindung. Hier gelang dem irischen Telegrafenbeamten May eine bedeutsame Entdeckung. An einem sonnigen Januartag dieses Jahres beobachtete er überrascht, daß seine Instrumente ausschlugen. Er vermutete einen Fehler und prüfte die Leitungen durch, vergeblich. Zum Glück war May kein Dummkopf. Er behielt die Apparate genau im Auge und hatte bald herausgefunden, wann diese unerwarteten Ausschläge erfolgten, nämlich immer dann, wenn zwischen den Wolkenfetzen, die über die irische Küste dahinjagten, die Sonne heraustrat. Der Telegrafenverkehr wurde durch die Schwankungen nicht betroffen. Also konnte die Ursache nur in dem als Widerstand verwendeten Selen liegen.
Mr. May und Willoughby Smith
May tat, was ein ordentlicher Beamter in einem solchen Fall zu tun hat: Er machte eine Meldung an seinen Vorgesetzten Willoughby Smith. Dieser ging der Sache auf den Grund und machte eine Reihe von Experimenten. Sie ergaben etwas sehr Wichtiges. Unter Lichteinwirkung verringerte sich der Widerstand des Selens im Stromkreis. Das heißt: Man konnte aus sichtbaren Lichtschwankungen unsichtbare Stromschwankungen machen und umgekehrt.
Man konnte also das Licht auf dem Umweg über den Strom an einen anderen Ort übertragen. Was aber ist Fernsehen anderes, als die Übertragung oder Ausstrahlung eines in elektrische Impulse verwandelten optischen Eindrucks? Licht wird Strom, Lichtschwingung wird elektrische Schwingung - das ist das ganze Geheimnis. In einem Brief teilte Smith am 4. Februar 1873 seine Entdeckung dem Vizepräsidenten der Gesellschaft der Telegrafeningenieure, Latimer Clark, mit. Das Schreiben klingt heute nüchtern und bedeutungslos, aber Clark erkannte sofort den großen Wert der Entdeckung. Bei der zwölften ordentlichen Generalversammlung der Gesellschaft der Telegrafeningenieure am 12. Februar 1873 verlas er diesen Brief. In kürzester Zeit wanderte die Nachricht über die ganze Erde. Schon bald versuchten Forscher und Wissenschaftler, sich die überraschenden fotoelektrischen Eigenschaften des Selens nutzbar zu machen.
Zehn Jahre später stand in Nipkows Patentschrift wie selbstverständlich der Hinweis auf die Selenzelle, in der das Selen durch eine besondere Anordnung nutzbar gemacht ist. Er war nicht einmal der erste, der in diese Richtung wies, wenn es auch fünf Jahre gedauert hat, bis die Gedankenverbindung zwischen Fernsehen und Selen endgültig zustande kam. Das klingt heute überraschend, denn die Nutzanwendung, die das Selenium ermöglicht, lag greifbar nahe.
Warum zog sie niemand? Dazu muß man allerdings eines wissen. Wer das Fernsehen von heute als Maßstab nimmt, kann schwerlich ermessen, welche Rolle es im 19. Jahrhundert in den Augen "ernsthafter" Männer gespielt hat. Der Gedanke an die Erfindung des Fernsehens war nicht so sehr eine Sache der erfahrenen Fachwissenschaftler und Physiker, sondern eher der Tummelplatz tollkühner Bastler und wirrköpfiger Spekulanten. Es war damals geradezu üblich, die Idee des Fernsehens in einem Atem mit dem Perpetuum mobile zu nennen. Das eine galt als ebenso unmöglich wie das andere. Kein Wunder, daß die ernsthaften Forscher, die von den Wundereigenschaften des Selens hörten, gar nicht daran dachten, mit seiner Hilfe die Lösung des Fernsehens anzustreben.