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typische historische Kamera

Zum Auffrischen und Erinnern . . . .

. . . sind diese Seiten hier gedacht, denn viele wissen nicht mehr oder noch nicht, wie es damals angefangen hat und wie das wirklich funktioniert mit dem Fernsehen, den Kameras, den Videorecordern, den Tonband- und den Magnetband- geräten aus alter Zeit. Viele Bilder können Sie durch Anklicken vergrößern.

Der Schotte John Logie Baird

Wer würde zum erstenmal der Öffentlichkeit beweisen können, daß Fernsehen in der Praxis möglich war? Eine völlige Ungebundenheit gegenüber einer «Schule» oder Laufbahn kennzeichnete nicht zuletzt den Mann, mit dem das Fernsehen in seine endgültige Entwicklungsstufe eintrat: den Schotten John Logie Baird (1888-1946). Von ihm bis zum heutigen Fernsehen ist es nur noch ein kleiner Schritt. Man sagt den Schotten mancherlei Eigenschaften nach. In erster Linie den Geiz und den Familiensinn. Mit gutem Recht aber auch die Zähigkeit. Bei Baird, Sohn eines Pfarrers aus Helensburgh in Schottland, stand diese letztere Eigenschaft unzweideutig im Vordergrund. Wenn er jedoch nicht «geizig» und hart gegen sich selbst gewesen wäre und wenn seine Familie nicht zu ihm gehalten hätte, würde man ihn heute nicht unter die Erfinder des Fernsehens rechnen können.

 

Seit Baird als Schüler des Königlichen Technischen College in Glasgow mit knapp sechzehn Jahren zum erstenmal etwas von der Idee des Fernsehens vernahm, ließ ihn der Gedanke daran nicht mehr los. Kaum wurde ihm deutlich, worum es ging, da wühlte er sich förmlich in die Literatur hinein, die es zu diesem Zeitpunkt bereits über das Fernsehen gab. Noch nahm er nur auf und entwickelte nichts selbst. Das trieb er so rund ein Jahrzehnt lang.

 

Als Baird, nun schon allmählich sich den Dreißigern nähernd, während des ersten Weltkrieges Angestellter eines Elektrizitätswerkes im Tal des Clyde geworden war, widmete er sich in seiner Freizeit immer mehr den Fernsehexperimenten. Es waren nur Experimente. Nachahmungen dessen, was seine Vorgänger bereits versucht hatten. Er machte Ansätze, sie zu verbessern. Aber er gelangte noch zu keinem neuen Ergebnis. Andere hätten jetzt schnell die Flinte ins Korn geworfen. Baird jedoch verbiß sich nun erst recht in die Aufgabe. Es dauerte nicht lange, da war ihm klargeworden, daß die Freizeit eines Elektroingenieurs einfach nicht ausreichte, um das erstrebte Ziel zu erreichen.

Der verrückte Traum vom Fernsehen - ein Irrer ?

Was sollte er tun? Wie schon mancher Andere vor ihm begriff er, daß er erst einmal wirtschaftlich unabhängig sein mußte, um jede Stunde des Tages für das Fernsehen nutzen zu können. Also kündigte er und machte sich als Geschäftsmann selbständig. Aber obwohl er verzweifelt schuftete, kam er dem ersehnten Wohlstand kaum näher. Zu wenige Käufer fand er für die von ihm vertriebenen Socken, die bei Hitze kühlen und bei Kälte wärmen sollten.

Auch als Marmeladenhersteller und Seifenmacher war ihm kein großer Erfolg beschieden. Mit vierunddreißig Jahren hatte er zwar als Folge der ständigen, sich selbst auferlegten Entbehrungen seine Gesundheit nahezu ruiniert, aber die Mittel, die er erworben hatte, waren noch immer allzu bescheiden.

Er hatte sich nach Hastings zurückgezogen, um dort sowohl Erholung zu finden als auch endlich seine Pläne auszuführen. Jeden Penny drehte er mehrfach um, damit er möglichst viel Geld für seine Experimente aufwenden konnte. Aber es langte nicht hinten und vorn. Einer seiner Freunde, Ronald F. Tiltman, hat geschildert, mit welchen Hilfsmitteln Baird die Erfindung des Fernsehens erreichen wollte - es klingt wie eine Groteske: «Der erste primitive Fernsehapparat stand auf Bairds Waschtisch, der gleichzeitig als Laboratoriumstisch dienen mußte.

Apparat war eigentlich ein zu anspruchsvoller Begriff für die wenig erfolgversprechend aussehende Anhäufung von Gerümpel und plumpen Zubehörteilen. Zuerst eine alte Teekiste, die er für ein paar Pennies gekauft und selbst durch die Straßen von Hastings geschleppt hatte. Sie trug den Motor, der die Nipkowsche Scheibe rotieren ließ, während in einem leeren Biskuitkarton die Projektionslampe stand. Weitere Scheiben bestanden aus alten Pappdeckeln; Stopfnadeln sowie halb zerknittertes und sorgsam geglättetes Stanniol bildeten weitere wichtige Bestandteile.

 

Die notwendigen Linsen auf der optischen Seite der Apparatur hatte sich Baird für ein paar Sixpence aus Fahrradgeschäften be-sorgt. Elektrische Motoren, die eigentlich schon für den Mülleimer reif waren, mußten Dienste leisten, für die sie weder gebaut noch geeignet waren. Übrigens befand sich in dem ganzen Gerumpel eine Menge ehemaliges Militärgerät, das damals für ein Butterbrot zu kaufen war. Niemand war genialer als Baird, solche Apparateteile irgendwo aufzustöbern und einzuhandeln. Schließlich krönten ein oder zwei alte Hutschachteln das Ganze, das mühsam durch Leim, Siegellack und Bindfaden zusammengehalten wurde.

Durch dieses ganze wirre Durcheinander liefen scheinbar endlose Drähte aller Stärken, Typen und Farben ...» So sah das primitive Rüstzeug aus, mit dem Baird das Problem des Fernsehens lösen wollte. Der Biograph Bairds, der Engländer John Swift, sagt nicht zu Unrecht über das Mißverhältnis zwischen der Aufgabe und den vorhandenen Mitteln: «Es ist, als wollte man mit einem simplen Märklin-Baukasten einen neuen Maschinengewehrtyp konstruieren.» Und trotzdem - Baird schaffte es! Schottische Zähigkeit triumphierte schließlich doch über die Unzulänglichkeit der Realitäten.

Baird war weltweit nicht alleine, es gab noch mehr "Verrückte"

Vergessen wir nicht: Zur gleichen Zeit wie Baird arbeiteten in mindestens drei Ländern andere Forscher am gleichen Problem. Als er in Hastings begann, waren sie bereits weiter als er. Welche Ergebnisse sie erzielt hatten, wußte er nicht. Welche Hilfsmittel standen ihnen zur Verfügung? Baird konnte nur vermuten, daß sie den seinen überlegen waren. Er schien von vornherein hoffnungslos im Rennen zu liegen. Aber das Unmögliche gelang: in erstaunlich kurzer Zeit erreichte es Baird, mit Charles F. Jenkins in Amerika, Edouard Belln in Frankreich und Denes von Mihäly in Deutschland auf gleiche Höhe zu kommen.

Er schaffte es nämlich - wie armselig klingt es heute angesichts der Leistungen des jetzigen Fernsehens -, die Silhouette eines Malteserkreuzes über eine Entfernung von zwei bis drei Metern drahtlos zu übertragen. Ein gewaltiger Erfolg! Und doch war es nur der allerbescheidenste Anfang. Konnte in diesem Jahr 1923 selbst der phantasievolle Baird ahnen, daß nur wenige Jahrzehnte später das Fernsehen eine Weltmacht sein würde? Der Romanschriftsteller William Le Queux, der Baird in Hastings besuchte, machte sich vielleicht als erster ein Bild davon, was Bairds Experimente eines Tages bedeuten würden. So ermutigte er ihn, seine Fernsehversuche der Presse vorzuführen.

 

Aber die Reaktion der Pressevertreter war bescheiden. Ihre Phantasie entzündete sich nicht an dem dürftigen ersten Erfolg. Sie sahen nur die Realität von heute, nicht die Möglichkeiten von morgen. Trotzdem war ihr Kommen nicht vergebens gewesen. Denn die spärlichen Berichte vermochten immerhin, einige Geldleute für seine Ziele zu interessieren. Er gründete mit dem mageren Betriebskapital von knapp 200 Pfund - nach damaliger Währung nicht mehr als viertausend Mark - eine kleine Fernsehgesellschaft und siedelte nach London über. Nicht etwa in einen der Stadtteile, in denen die großen Firmen und Industrien ihren Sitz haben.

Nein - nach Soho, an den Rand von Londons zwielichtiger Unterwelt, in dem die kleinen Händler aus allen Teilen der Welt zu Hause sind und die bereitwilligen Damen in den Haustüren stehen. In der Frith Street mietete er eine Mansarde und baute dort seine Apparaturen auf. Aber wer nahm schon von ihm Notiz? Nur ganz gelegentlich einmal stapfte ein Besucher die steile Treppe des bescheidenen Hauses zu Baird hinauf, um kurz darauf, nicht sonderlich beeindruckt, wieder Abschied zu nehmen. Kein Wunder, daß Bairds spärliches Betriebskapital bald erschöpft war.

 

Eines Tages im März 1925 klopfte wieder ein solcher Besucher bei ihm an. Ohne viel Optimismus öffnete der Erfinder - er hatte zu viele Enttäuschungen erlebt. Aber als der Gast seinen Namen nannte, horchte Baird auf. «Ich bin Gordon Selfridge jun. Habe ich die Ehre mit Mr.Baird?» Selfridge - dieser Name öffnet viele Türen. Er gehört zu einem großen Kaufhaus in Westend. Selfridge hatte durch einen Zufall von Bairds Experimenten gehört und wollte sich selbst an Ort und Stelle überzeugen, ob etwas daran war.

Mit zitternden Händen setzte Baird die Nipkowscheibe in Bewegung, erläuterte eifrig, was der Besucher wissen mußte. Würde er enttäuscht sein - wie die Anderen zuvor? Interessiert ließ sich Selfridge alles zeigen. Dann nickte er befriedigt. «Ich möchte Ihnen ein Angebot machen, Mr. Baird. Führen Sie Ihre Apparatur in meinem Kaufhaus vor. Zeigen Sie der Öffentlichkeit, daß das Fernsehen Wirklichkeit ist, keine Phantasie. Ich zahle Ihnen ...» - er dachte einen Augenblick nach - «25 Pfund für die Woche.» Baird zögerte nicht eine Sekunde und nahm das Angebot an.

 

Eine der größten Erfindungen dieses Jahrhunderts

Ein paar Tage später baute er in stillen Nachtstunden seine Apparate bei Selfridge auf. Irgendwo zwischen Haushaltsartikeln, Seife und Kinderspielzeug. Und obwohl der Transport der wackligen Geräte von Soho nach Westend schon ein Problem für sich war, gelang es Baird, in dem Kaufhaus ein bescheidenes Bild drahtlos zu übertragen.

 

In den ersten Apriltagen des Jahres 1925 verteilten Laufjungen in ganz London Flugblätter, die auf die neue Sensation des Kaufhauses Selfridge aufmerksam machten. «Fernsehen ist für das Auge, was das Telefon fürs Ohr ist. Es bedeutet die augenblickliche Übertragung eines Bildes, wobei der Betrachter auf der Empfangsseite nach Art des Kinos in jeder Weise verfolgen kann, was auf der Sendeseite geschieht. Der Apparat, den Sie bei uns sehen, ist natürlich noch völlig im Rohbau - der Erfinder hatte ständig mit allerlei finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen. Trotzdem aber überträgt die Apparatur ein Bild. Es flimmert noch und hat Mängel, und zunächst kann man nur einfache Bilder mit Erfolg übertragen.

Aber als Edison zum erstenmal den Phonographen vorführte mit dem Lied <Mary hatte ein kleines Lamm>, konnten auch nur die eingeweihten Zuhörer etwas verstehen. Aus so bescheidenen Anfängen entwickelte sich das heute so selbstverständliche Grammophon. Wir fühlen uns verpflichtet, darauf hinzuweisen, daß wir in keiner Weise an dieser bemerkenswerten Erfindung finanziell beteiligt sind. Die Vorführungen finden lediglich statt, weil wir wissen, daß unsere Kunden zweifellos höchst interessiert sind an einer Entwicklung, die einmal eine der größten Erfindungen dieses Jahrhunderts werden könnte. - Selfridge und Co.»

 

Eine der größten Erfindungen dieses Jahrhunderts - da standen diese Worte, und sicher hatte der Werbechef von Selfridge sich nicht träumen lassen, wie groß in Wahrheit die Worte waren, die er so gelassen niederschrieb. Und es ist schwer zu sagen, ob ohne den seelischen und materiellen Auftrieb, den die Vorführung bei Selfridge dem Erfinder Baird gab, der letzte Schritt gelungen wäre, der noch notwendig war. Drei Wochen lang für insgesamt 75 Pfund führte Baird seine Erfindung bei Selfridge vor. Als dieses Geld auch wieder verbraucht war, mietete er das Schaufenster eines kleinen Ladens in der Westminster Bridge Street und zeigte dort gegen eine kleine Gebühr seine Experimente. Aber auch das war nur ein Tropfen auf einen heißen Stein. Er kam und kam nicht weiter.

 

Es blieb dabei: Sein Bild war auf grobe Umrisse beschränkt, und nur wenige Meter konnte er drahtlos mit seinem Gerät überbrücken, weil er nur einen Miniatursender besaß. In diesem kritischen Augenblick stellte sich seine Familie hinter ihn. Obgleich er dem äußeren Anschein nach ein «Versager» war, der kaum seinen Lebensunterhalt selbst bestreiten konnte, brachten diese «geizigen» Schotten die Summe von 500 Pfund auf: Baird konnte unbesorgt weiterarbeiten! Und die Zeit drängte. Zwei Monate nach Baird war auch dem Amerikaner Jenkins eine drahtlose Fernsehübertragung gelungen. In Deutschland machte Denes von Mihaly von sich reden. Wer würde als erster in der Lage sein, nicht nur schattenhafte flache Umrisse zu übertragen, sondern Bilder mit Licht und Schatten, die auch plastisch wirkten?

An einem Oktobermorgen des Jahres 1925

Tag und Nacht experimentierte der Schotte. Er probierte immer neue Schaltungen und Anordnungen aus. Vor der Linse seines Senders befestigte er die kleine Puppe eines Bauchredners, der er den Namen Bill gegeben hatte und deren Bild er übertragen wollte. Aber sooft er auch auf den winzigen Bildschirm seines Empfängers blickte - immer und ewig waren es nur Schattenbilder, keine echten konturierten Wiedergaben.

 

An einem Oktobermorgen des Jahres 1925 war endlich der Bann gebrochen. Wieder hatte Baird eine neue Versuchsanordnung vorbereitet. Er stellte die Puppe vor die Linse und schaltete ein. Da sah er, worauf er Monate gewartet hatte: Licht und nuancierten Schatten! Täuschte er sich auch nicht? Spielte ihm der Wunsch, endlich Erfolg zu haben, einen Streich? Baird kniff die Lippen zusammen. Jetzt mußte er ein lebendes Modell haben, um endgültig Gewißheit zu erhalten. Er riß die Tür seiner Wohnung auf, stürzte die Treppe hinunter. Wo fand er jetzt am schnellsten einen Menschen, der sich vor die Linse des Senders setzte? Ein Stockwerk tiefer stieß Baird auf den Laufjungen William Taynton. Ohne zu zögern, packte er ihn bei den Schultern. «Bill», rief er aufgeregt, «komm mit mir herauf, ich brauche dich - als Modell.» - «Ich hab' keine Zeit, Sir», wehrte der Junge ab. Der fanatisch blickende Baird flößte ihm Furcht ein. Er dachte an die Schauer-geschichten in den Sixpence-Schmökern, die er zu lesen pflegte. «Du mußt Zeit haben, Bill», beschwor ihn Baird. «Kein Mensch ist bisher über Fernsehen übertragen worden. Du wirst der erste sein.» Aber auch das lockte den Jungen nicht. Mit Gewalt mußte ihn Baird die Treppe hinaufziehen.

 

«Da - setz dich hin», kommandierte er. Dann stellte er die Linse ein. Der junge Taynton ließ alles mit sich geschehen. Aber kaum war Baird im Nebenzimmer verschwunden, um das Bild auf dem Empfänger zu betrachten, da machte sich Bill heimlich davon. Baird erlebte jedoch vor dem Empfänger die große Enttäuschung:

Es war kein Bild darauf zu sehen! Der Bildschirm zeigte nichts, gar nichts. Baird drehte an den Knöpfen - vergeblich. Plötzlich kam ihm ein Verdacht. Er sauste in den Nebenraum. Da konnte er gerade noch beobachten, wie Taynton über die Treppe verschwinden wollte.

«Halt!» schrie er, und William Taynton zögerte einen Augenblick. Da gab Baird seinem Herzen einen Stoß. Er, der sich kaum ein warmes Mittagessen leistete, der stets jeden Penny für seine Erfindung verwendete, faßte in die Tasche und hielt dem Jungen eine Krone hin - fünf Mark! Sie überwand Bills Hemmungen. Wie ein Lamm zur Schlachtbank, so ließ sich der Junge abermals vor die Linse führen und blieb dort auch ruhig und auf alles gefaßt sitzen. Baird eilte ins Nebenzimmer.

Ein Traum wurde Wirklichkeit - Endlich Lob und Ehre

Und dort erblickte er, was er im Traum nicht zu hoffen gewagt hatte: ein klares Bild des Jungen mit Licht und Schatten, wie er es bei all seinen Experimenten noch nie gesehen hatte. Die Knie begannen ihm zu zittern. Er setzte sich hin. Stumm blickte er auf den Bildschirm und betrachtete das Gesicht des Jungen, der sich nicht zu rühren traute. Minutenlang saß Baird so: Er wußte, daß er am Ziele war. Es war ein Freitag. Aber Baird brauchte nicht abergläubisch zu sein.

 

Dann fiel ihm ein, daß er den Jungen endlich erlösen könnte. Dankbar trollte sich dieser davon. Und nun mußte Baird lachen, als er sich überlegte, daß der erste Mensch in der Welt, dessen Gesicht durch Fernsehen übertragen worden war und dessen Name - so unwichtig er sonst sein mochte - in der Geschichte fortleben würde, nur durch Geld zu gewinnen gewesen war. Drei Monate später, am 27. Januar 1926, stiegen die Mitglieder der Royal Institution, einer altangesehenen naturwissenschaftlichen Gesellschaft, die steile Treppe zu Bairds Wohnung empor.

 

Ihnen wollte der Erfinder demonstrieren, was er erreicht hatte. Baird bat eines der Mitglieder, sich vor die Senderlinse zu setzen. Die Kollegen im Nebenraum sollten ihn über den Bildschirm identifizieren. Das Experiment gelang. - Das Fernsehen war Wirklichkeit geworden. Obwohl das Bild nur 30 Zeilen -gegenüber den heute üblichen 625 - aufwies, stand Bairds Erfolg fest. Auch die Presse berichtete darüber. Und kein Geringerer als Dr. Alexander Russell, der Präsident des Faraday-Hauses, sprach Baird seine Anerkennung aus.

 

Der zähe Schotte hatte den großen Wettlauf gegen die Forscher und Wissenschaftler der ganzen Welt gewonnen, obwohl alle Chancen gegen ihn standen. Von jetzt ab war das Fernsehen eine Tatsache. Morgen schon würde Baird in einem modernen Laboratorium stehen und das weiterentwickeln, wozu er jetzt den Grundstein gelegt hatte. Denn nun blieb nicht aus, was Baird Jahre hindurch vergeblich erhofft hatte: Die finanziellen Mittel begannen zu fließen. Es klingt fast wie ein Märchen, daß er bereits zwei Jahre nach der Vorführung vor der Royal Institution in der Baird-Fernsehgesellschaft über ein Kapital von 700 000 Pfund verfügen konnte - nach damaliger Währung 14 Millionen Mark.

In England hatte man begriffen

In England hatte man begriffen, worum es ging. Und das sozusagen in der «Steinzeit des Fernsehens»! Alles war unendlich primitiv. Wer mit der Vorstellung der Qualität des heutigen Fernsehbildes die Berichte aus der damaligen Zeit liest, der findet als Sensation bezeichnet, daß die Zuschauer tatsäch-lich ein Gesicht oder einen Gegenstand erkannt haben. Wer in jenen Tagen Gelegenheit hatte, an einer Fernsehvorführung teil-zunehmen, war ja bereits froh und empfand es als Wunder, daß er «fernsehen» konnte. Daß man Gegenstände erblickte, die sich in Wirklichkeit woanders befanden - wenn auch nur in vagen Umrissen, wenn auch nur als Licht und Schatten. Man war ja so gern bereit, sich begeistern zu lassen!

 

Bairds erste Bilder wiesen lediglich eine Bildauflösung von dreißig Zeilen auf: sie waren zwanzigmal so grob wie das heutige Bild von 625 Zeilen. Man braucht sich nur vorzustellen, daß auf unserem Bildschirm jeweils zwanzig Zeilen fortfielen und nur jede einundzwanzigste bliebe! Dann vermag man zu erahnen, wie unvollkommen diese ersten Bilder in Wahrheit gewesen sein müssen. Den Zeitgenossen freilich erschienen sie wie eine Offenbarung: Sie erlebten, daß eine Utopie Wirklichkeit wurde.

Ein Wettrennen um die ganze Welt

In den Jahren von 1926 an setzte erst einmal ein Wettrennen um die Führung in der Fernsehtechnik zwischen England und den Vereinigten Staaten ein. Auch in Deutschland blieben die Forscher nicht müßig. Die ins Auge fallenden Erfolge gab es jedoch zunächst in der angelsächsischen Welt. Nachdem das Prinzip der Fernsehübertragung grundsätzlich gelöst war, kam es darauf an, bei den Übertragungen auch größere Entfernungen zu überbrücken - zuerst über Draht, dann drahtlos. Im April 1927 gelang der amerikanischen Bell-Telefongesellschaft eine drahtlose Fernsehübertragung über 50 Kilometer. Und über Drahtleitungen überbrückten die Amerikaner die 450 Kilometer von New York nach Washington, während Baird im Mai des gleichen Jahres zwischen London und Glasgow sogar einen Sprung über 550 Kilometer schaffte. In aller Stille ging er nun daran, ein nicht nur für damalige Verhältnisse gigantisches Experiment zu wagen.

 

Er wollte ein Fernsehbild von England über den Atlantik nach New York übertragen. Von London lief das Bild über Telefonleitungen zum Kurzwellensender in Coulsdon. Dort wurde es auf einer Welle von 45 Meter über den Atlantik gestrahlt. In Hartsdale, einer Vorstadt von New York, stand eine Amateurstation bereit, die das Bild aufnehmen, verstärken und auf dem Bildschirm eines Empfängers zeigen sollte. Am 8. Februar 1928 gelang der große Versuch. Zuerst schickte Baird das alte Bild seiner unvermeidlichen Bauchrednerpuppe Bill nach drüben. Dort saß neben zwei Mitarbeitern Bairds und dem Besitzer der Empfangsstation der New Yorker Vertreter der Nachrichtenagentur Reuter vor dem Bildschirm. Sie waren die Augenzeugen eines wahrhaft historischen Augenblicks in der Fernsehgeschichte.

 

Durch Funk kam über den Ozean die Bestätigung, daß die Puppe in New York gesehen worden war. Nunmehr setzte Baird sich selbst vor den Sender und drehte den Kopf langsam hin und her, um auch den Eindruck der Bewegung zu vermitteln. Endlos lang dehnten sich von jetzt ab die Minuten. Würde man in dieser Nacht zum erstenmal einen Menschen, der in London saß, mit Hilfe des Fernsehens in New York erblicken können? Endlich traf die ersehnte Bestätigung ein. Vier Männer in New York hatten Bairds Kopf aus London gesehen: 3500 Meilen-fast 6000 Kilometer - waren vom Fernsehen überbrückt worden.

Es war eine Sensation, die die Schlagzeilen der Zeitungen im Februar 1928 füllte: vergleichbar etwa mit der Nachricht über den russischen Sputnik des Jahres 1957.

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