3 x 35mm Film, das war 3:1 "Gigantomamie" von 1952
Diese Methode ist eigentlich uralt. Bereits der Franzose Abel Gance hatte 1928 den Film "Napoleon" mit drei Kameras aufgenommen. Das Verfahren nannte er damals Polyvision.
Bei dem "Cinerama" System von 1952 projizieren auch drei (aber im Vergleich zu 1928 sehr lichtstarke 35mm Projektoren) ein gewaltiges Panorama Bild gleichzeitig (und dazu über Kreuz !!) auf eine riesige stark gewölbte (3:1 Format) Bildwand von meist über 20 Metern Breite.
Dazu gab es einen für damals gigantischen 7 Kanal Ton vom einem eigenen 7 Kanal 35mm Magnetfilm-Abspielgerät, das war 1952 wirklich absolut einmalig. Und man brauchte ursprünglich mal 5 Mann für die Bedienung, einen Supervisor, 3 Vorführer und den Ton-Spezialisten.
Das Cinerama System war damals ein Hit. Der erste dem Autor bekannte Film kam hier in Wiesbaden erst etwa 1958 in der großen Halle der "Rhein Main Halle" (ca. 3500 Plätze) an und hieß "Die sieben Weltwunder" und später "Das war der wilde Westen". Dieser Film wurde aber bereits mit nur 3 Mann vorgeführt. Dann kam ein paar Jahre später noch mal "Windjammer" als umkopierte Cinemiracle zu Cinerama Version mit überhaupt noch nennenswertem Erfolg als Nachschuß.
Doch wie bei Todd-AO war es nur noch ein kurzes Aufflackern, Staunen und dann Abwinken, "alles zu teuer". Nach etwa 9 oder 10 Filmen war dann 1962/1963 mit diesem gewaltigen Aufwand (bei der Produktion und der Vorführung) Schluß.
Die drei 35mm Film-Kameras waren über Kreuz angeordnet und in der vorderen Glaskuppel des MG Standes eines alten viermotorigen amerikanischen Weltkriegs-Bombers untergebracht. Damit flog das Cinerama Team um die ägyptischen Pyramiden und auch unter der Golden Gate Brücke durch. Phantastische beeindruckende Bilder wurden gedreht. Der 7 Kanal Sound wurde später hinzugefügt.
Die umkopierten (lowcost) Varianten in 70mm Todd-AO oder später "nur noch" 35mm Cinemascope hatten ganz deutlich sichtbar 2 senkrechte (flackernde) Streifen im Bild.
Auch hier gab es noch spezielle Abwandlungen mit 3 x 35mm Kameras mit einer Nicht-über-Kreuz Anordnung, sondern mit einer Spiegelablenkung und einem etwas anderen Bildformat. Auch diese Varianten konnten sich nie durchsetzen, es war einfach viel zu aufwendig, vor allem beim Schnitt.
Nachtrag des Vaters vom Autor gr (der damals für die UFA Handel gearbeitet hatte): In der Rhein Main Halle wurden mehr als 3 Tage vorher mit großer Mannschaft das Projektionssystem und die Riesenbildwand aufgebaut und der Ton verkabelt. Für die Projektoren wurden extra spezielle (Massivholz-) Sockel angefertigt, damit sie auf dem "Balkon" stabil stehen würden und auch über die "Brüstung" dieser Empore projizieren konnten.
Abgesehen davon, daß es sowieso "fast" keine Kopierwerke mehr gibt, sind die Cinerama und 70mm Kopien nicht mehr reproduzierbar, weil nicht bezahlbar.
Und so steht es 1955 im Kinotechnischen Taschenbuch
CINERAMA
Das Cinerama-Verfahren benützt zur Erzielung eines großen Bildwinkels zur Aufnahme drei gegenseitig zueinander geneigte Kameras. Der von allen drei Aufnahme-Kameras erfaßte Bildwinkel beträgt ca. 140°.
Die drei zueinandergehörenden Filme werden von drei synchron laufenden Projektoren auf eine sehr große gewölbte Leinwand projiziert, so daß jeder Projektor ein Drittel der Bildwand ausfüllt. Durch den großen Bildwinkel erreicht dieses Verfahren eine beachtliche Wirkung auf den Zuschauer.
Unterstützt von 6 Tonspuren, die von einem getrennten, synchron laufenden Magnetbandspieler abgenommen werden, erlebt der Zuschauer die Film-Vorführung fast so, als ob er sich selbst mitten in der Handlung befände.
Der hohe technische Aufwand beschränkt dieses Verfahren auf einzelne besonders dafür errichtete Cinerama-Theater.
Die anderen Verfahren sind weitgehend ausgestorben und leben nur noch in den verklärten Träumen der damals Beteiligten weiter.
.
Kommentar von LB im Nov 2010
Cinerama (Die sieben Weltwunder) sowie auch Cinemiracle (Windjammer) waren drei 35mm Filmstreifen mit 6 Perforationslöchern pro Bild und einer separaten synchronen Tonmaschine mit einem 35mm-Magnetfilm mit 6 oder 7 Ton-Spuren.
Über die Historie von "Cinerama"
Per E-Mail von "unbekannt" ?? eingetroffen:
.
Kino gegen Fernsehen
Das Zeitalter der digitalen Soundtechnologie definiert sich durch den differenzierten und von allen Seiten einsetzbaren Klang der Multiplexkinos mit ihren überdimensionalen Leinwänden. Die Zeit der kleinen Schachtelkinos mit überholter technischer Ausstattung ist gerade dabei, ihrem Ende entgegenzugehen. Die heutigen technischen Neuerungen gehen jedoch nicht völlig auf das Konto einer digitalen Wende. Die Perfektionierung der technischen Apparatur des Kinos, wie wir sie heute kennen, geht vielmehr auf eine Geschichte zurück, die sich besonders gut an den 1950er Jahren aufrollen läßt. Als der Fernseher seinen Einzug in die privaten Haushalte nahm, mußten sich die Kinobetreiber etwas einfallen lassen, um das Publikum weiterhin in die Kinos zu locken. Was lag da näher, als genau jene Aspekte zu verändern, die den Fernseher definierten und zugleich seine Grenzen offensichtlich machten. Die Kinoleinwand wurde enorm vergrößert und vor und hinter ihr eine Soundtechnologie installiert, die für eine so nie zuvor erfahrene Akustik sorgte. Um die Hintergründe dieses neuen Kinoformats und seiner eindrucksvollen Soundtechnologie wird es in diesem Beitrag gehen.
Auf der New Yorker Weltausstellung von 1939
Als Fred Waller, der Leiter von Paramounts Special Effects Abteilung, von dem bekannten Architekten Ralph Walker beauftragt wurde, auf der New Yorker Weltausstellung von 1939 die technische Ausstattung zur Repräsentation seines mit einer Rundkuppel ausgestatteten Raumes zu übernehmen, ließ er sich etwas besonders Augen(ge)fälliges einfallen: Elf Projektoren warfen Bilder auf die der Kuppel angepaßte halbkugelförmige Leinwand. Ein Multi-Film-System war begründet und zugleich unter dem Namen ‘Vitarama‘ patentiert. Da aber die Filmindustrie kein Interesse an dieser Technik zeigte und auch die bisherigen Sponsoren nicht zu überzeugen waren, mußten 13 weitere Jahre vergehen, bis das Kinoformat Einzug halten konnte.
Flugzeuge abschiessen üben
Dazwischen lag der Zweite Weltkrieg und Waller konnte, wie so häufig in der Geschichte der Medien, zunächst in der Kriegstechnologie seine Erfindung anwenden. Die Projektoren, statt elf nun fünf, wurden jetzt zum Schießübungsgerät umfunktioniert und zeigten Flugzeuge auf der gekrümmten Leinwand, die es mithilfe eines simulierten Maschinengewehrs zu treffen galt. Soldaten konnten damit ihre Trefferquoten überprüfen und gleichzeitig Zielsicherheit trainieren. Unter dem Namen ‘Waller Flexible Gunnery Trainer‘ ist diese Apparatur in die Militärgeschichte eingegangen und schaffte von dort endlich den von Waller erhofften Sprung in die Kinos.
Zum Superbild einen super Ton machen
Doch bevor der Vorhang im Filmtheater geöffnet werden konnte, mußten noch ein paar Verfeinerungen am System vorgenommen werden. Es war Waller bewußt, daß zu einer riesigen Leinwand ein anderes Tonsystem gehörte als das in den Kinos seiner Zeit bestehende. Zusammen mit dem Toningenieur Hazard E. Reeves entwickelte er für sein inzwischen auf drei 35mm Projektoren reduziertes Verfahren ein Mehrkanal-Soundsystem mit direktionalem Ton. Der Name des Verfahrens und der Produktionsfirma lautete jetzt: Cinerama.
Cinerama war geboren
1952 war es dann endlich so weit. Mit ‘This is Cinerama‘, dem Titel der ersten Produktion, eröffnete am New Yorker Broadwaytheater eine audio-visuelle Neuheit. Zum einen waren auf der riesigen Leinwand die durch drei Projektoren produzierten Bilder zu sehen, zum andern dröhnte von allen Seiten der Sound in den Kinosaal. Die Reaktionen von Publikum und Presse spiegeln den revolutionären Angriff auf die Sinne wider und geben uns eine Vorstellung vom Eindruck dieses Kinoformats.
Es ist daher auch kein Zufall, daß damals in einem Artikel der Zeitschrift ‘Kino-Technik‘ Cinerama mit der historischen Wende vom Stumm- zum Tonfilm gleichgesetzt wird (Kino-Technik 1953). Als in den 20er Jahren die Töne und Stimmen vom Phonographen oder vom optischen Lichtton auf dem Filmstreifen kamen und ein Live-Orchester überflüssig machten, bestand die Faszination für das Publikum in der knisternden und rauschenden Bilduntermalung mit Ton.
.
Sound war wichtiger als Bild
Mit Cinerama kehrt sich dieses Verhältnis plötzlich radikal um: Die akustische Dimension des Films hat ihre bilduntermalende Funktion aufgegeben und stellt sich vielmehr über das Bild, indem sie über die verschiedenen Kanäle und den Surroundeffekt das Publikum einhüllt, sich also völlig aus der zweidimensionalen Bildebene befreit. Innerhalb der Geschichte des Kinos verweist Cinerama auf die Verselbständigung des Tons im Raum, seine Flexibilität und Dynamik als einer entscheidenden Veränderung im Erleben von Filmen. An die Stelle des Monotons, der regelrecht hinter der Bildmitte verklebt war, tritt nun ein Stereoton, der die Raumrichtungen einbezieht und sich damit von der Bildmitte löst. Schließlich lockert sich die Bildfixierung des Zuschauers und nicht mehr nur dessen Auge, sondern auch sein Ohr wird berauscht.
Absolut beeindruckend, die Niagarafälle
Ein Blick auf das filmische Programm von ‘This is Cinerama‘ enthüllt das enorme audio-visuelle Anliegen dieses Kinoformats und gibt Aufschluß über dessen Repräsentationscodices. Die in zwei Akte eingeteilte Filmvorführung stellt ein Aufgebot an Kulturgeschichte vor, das zunächst mit der Geschichte der optischen Medien beginnt, sich dann aber scheinbar wahllos anderen kulturellen Erzeugnissen zuwendet, wie etwa der Achterbahn des New York Rockaways Playland oder dem Ballett der Mailänder Scala, den Niagarafällen und Händels Messias. Zu letzterem äußert sich das Programmheft von Cinerama ‘ folgendermaßen: „ … as you sit in the theater, the music of the thrilling Hallelujah chorus comes to you from every direction … first, behind you … then, on both sides of you, as the singers approach the stage pictured on screen … and finally, from the great stage itself.“ (Belton 1992, S. 161)
Die Besetzung des Raumes
Der von Waller und Reeves geprägte akustische Code zielt auf die Besetzung des Raumes und auf die Neuverortung des Zuhörers innerhalb des Mediums Kino. Als ‘travelling sound‘ – eine Bezeichnung, die schon auf die Eigenheiten dieser Tontechnik hinweist – wandert das Geräusch von links nach rechts über die fünf hinter der Leinwand befestigten Lautsprecher oder wechselt komplett die Richtung und umhüllt von hinten als Surround-Sound den Zuhörer. Die Verschaltung des Tons an den verschiedenen Punkten im Raum hängt ganz vom gewünschten Effekt ab, den der Bildausschnitt natürlich mitbestimmt. Entscheidend ist jedoch, daß nicht mehr das Bild oder vielmehr Visualität überhaupt die Vogabe für eine akustische Dimension bereitstellt, sondern sich Sound auch dann im Raum ausbreitet, wenn das dazugehörige Bild noch fehlt. „Thus, in the Cypress Gardens sequence of ‘This is Cinerama’, the sound of a motorboat can first be heard dimly from the rear of the auditorium, then somewhat louder from the right surround speakers, then, as the image of the boat appears on the screen, the sound follows its movement from right to left across the fiftyone-foot-wide screen.“ (Belton 1992, S.161)
Cinerama kostete sehr viel Geld
Cinerama brachte als erstes Format den Stereoton in die Kinos – ursprünglich gab die Firma Bell Telephone 1930 eine Vorführung in ‘auditory perspective‘, die Stereotontechnik demonstrierte – und trug zu einer Veränderung der akustischen Konventionen bei. Der Grund, warum aber doch mit der Einführung des Fernsehers die Schachtelkinos die Kinolandschaft beherrschten, liegt in den hohen Kosten von Cinerama begründet. Egal an welcher Schwelle sich die Kinotechnik gerade befindet, die Kinobetreiber laßen sich nur ungern von neuer Technik überzeugen und setzen lieber auf den alten Standard. Cinerama sowie verschiedene nachfolgende Formate konnten sich nicht auf dem Markt durchsetzen und blieben vereinzelte Ereignisse in der Kinogeschichte.
In den 70er Jahren brachte Ray Dolby den Durchbruch
Und doch war die Eroberung des Kinoraumes durch den Ton nicht mehr aufzuhalten. Cinerama und alle anderen Breitwandverfahren gaben schließlich den Anstoß, den Ton auch für das gängige Kinoformat zu verbessern. Der Physiker Ray M. Dolby spielt bei dieser Entwicklung eine bedeutende Rolle, wenn man bedenkt, daß Dolby Digital heute der führende Lieferant von Kino-Soundtechnologie ist. Anfang der 60er Jahre beschäftigte er sich mit einem Verfahren zur Unterdrückung des störenden Rauschens bei Tonwiedergaben und veränderte damit die akustischen Verhältnisse im Kinosaal entscheidend. Der ehemals durch Knistern und Rauschen gekennzeichnete Ton war jetzt wesentlich klarer und somit auch dynamischer in Relation zum Raum. In den 70er Jahren revolutionierte Dolby schließlich den Lichtton, indem er ein stereophones, optisches Tonverfahren schaffte, das die zwei auf dem Film befindlichen, ehemals identischen Lichtspuren nicht nur für verschiedene Toninformationen nutzte, sondern auch noch vier verschiedene Kanäle von diesen beiden Spuren ableitete. Ton und Geräusche kamen jetzt von links, rechts und surround; eine Errungenschaft, die Fred Waller und sein Toningenieur Reeves lange zuvor für den Magnetton entwickelt hatten. Dolbys Verfahren jedoch war für den gängigen Kinosaal geschaffen und damit wesentlich "kompatibler ????" als jedes aufwendige Breitwandsystem.
Ist der Kinosaal zu klein . . . . klingt auch THX nicht.
Die digitale Wende hat im Bereich der Kinotechnologie viele Veränderungen mit sich gebracht, die neben visuellen technischen Effekten besonders den Ton betreffen. Was zu Wallers Zeiten mit hohem Aufwand verbunden war, ist heute völlig unkompliziert. So geht z.B. das Kopieren digital aufgenommener Tonspuren ohne Datenverlust vonstatten, und jede Kopie entspricht der Qualität des Originals. Ebenso spielt die Finanzierbarkeit neuer Technologien eine wichtige Rolle; in der Geschichte des Kinos nimmt sie neben den erstaunlichen Erfindungen einen großen Platz ein. Fred Waller ist mit seinem Cinerama genau an diesem Punkt gescheitert. Sein Kinosystem war für die meisten Kinobetreiber ein zu großes finanzielles Risiko. Ganz anders hingegen steht die Bilanz für die digitalen Systeme. Sie sind, was ihre Herstellung betrifft, äußerst günstig und stellen für den Kinobetreiber kein Problem dar. Hingegen scheint heute die Größe des Kinos das viel wesentlichere Problem zu sein. Ein Schachtelkino kann heute kaum neben den gigantischen Multiplexkinos bestehen. Denn schließlich kommt ein ‘travelling sound‘ erst dann zur Geltung, wenn Raumgröße und Raumwände die Bedingungen für eine gute Akustik erfüllen. Das Kürzel THX von George Lucas steht und wirbt seit 1983 für diesen Qualitätsstandard. Ist der Kinosaal zu klein, schwindet gleichzeitig der Hörgenuß.