"Die Wahrheit" - eine Betrachtung an Beispielen unserer deutschen Geschichte
Alleine die Definition von "Wahrheit" stellt die allermeisten intelligenten Menschen vor ein unlösbares Problem, nahezu identisch mit der unlösbaren Definition von "Gerechtigkeit". Es gab aber Zeiten, da wurde die "Wahrheit" von ganz oben diktiert. Und sie wurde erheblich mißbraucht, um zum Beispiel den Krieg als des "Volkes Wille" in die Köpfe der reichs- deutschen Bevölkerung zu tragen.
Auf den nachfolgenden Seiten lesen Sie viele Artikel aus einer deutschen Wochen- Zeitschrift über den Beginn des ersten Weltkrieges 1914 und den Verlauf dieses Krieges, den das Deutsche Reich samt der österreichischen k&k-Monarchie haushoch verloren hatte. Die besondere Aufmerksamkeit beim Lesen sollte sich auf die heroischen "auschmückenden" Attribute der kriegsverherrlichenden Beschreibungen richten.
Und wie man auch in modernen Zeiten die Wahrheit manipulieren könnte oder kann, lesen Sie in dem Buch des Autors Dr. Eduard Stäuble aus dem Jahr 1979.
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Illustrierte Kriegsberichte.
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Das Gefecht bei Lagarde.
(Hierzu das Bild imHeft 2 auf Seite 35.)
Am 11. August trafen die in Lothringen im Aufmarsche befindlichen Streitkräfte den Feind bei Lagarde, einem ansehnlichen, dicht an der französischen Grenze gelegenen Dorfe. Das gab einem verhältnismäßig kleinen Teil unserer nordwestlich von Straßburg aufmarschierten Truppen zum erstenmal Gelegenheit, die aufopferungsvolle Hingabe an das Vaterland und die Todesverachtung zu erweisen, die in einem Siegeszuge, wie ihn die Weltgeschichte bisher nicht kennt, jetzt so macht- und kraftvoll zum Ausdruck gelangt.
Bei glühender Sonnenhitze wurde das Gefecht gegen einen gut verschanzten und weit überlegenen Gegner eingeleitet und in siebenstündigem Kampfe siegreich durchgeführt. Als unsere Jnfanterie von einem Höhenrande das erste Feuer empfing, nahm sie es sofort auf und ging, unterstützt von mittlerweile eingreifender Artillerie, unaufhaltsam vor, bis dicht an die feindlichen Feldbefestigungen. Hier entspann sich ein heißes Feuergefecht, bis endlich der linke feindliche Flügel ins Wanken geriet.
Mit aller Macht drängten unsere wackeren Streiter nach, und bald konnten die Franzosen in ihren gedeckten Stellungen sich nicht mehr halten; sie wurden auf der ganzen Linie auf das Dorf zurückgeworfen.
Dort gab es erneut einen erbitterten Kampf, bis endlich ein Flankenangriff unserer Kavallerie auch hier die Entscheidung brachte. Um eine Attacke zu behindern, hatten die Franzosen den Wiesengrund vor dem Dorfe mit ausgehobenen Erdhöhlen durchzogen, die sie mit Heu und Gras überdeckten. - Aber unsere umsichtigen Reiter merkten zur rechten Zeit noch die gelegten Fallen und wußten ihnen in ihrem Ansturm auszuweichen. „Es war ein großer Tag für mein Regiment,“ berichtet ein an dieser Attacke beteiligter verwundeter Kavallerieoffizier seiner Gattin. „Er
wird einst in der Geschichte genau so verzeichnet werden wie die Tage von Gravelotte und Mars-la-Tour im Jahre 1870.
Es war ein Todesritt im wahrsten Sinne des Worts, gegen die feuerspeienden Schlünde der Artillerie, gegen Maschinengewehre und intakte Infanterie. Wir haben die Franzosen in die Pfanne gehauen, aber schwer hat unsere Brigade gelitten. Von den 142 Mann meiner Eskadron waren gestern beim Appell 58! Ich der einzige Offizier. Alle anderen tot oder verwundet. Der Brigadekommandeur durch Brust und Hand geschossen ...“
Als das Dorf und die Stellungen in seiner Umgebung unter der Wucht dieser Kavallerieattacke vollends genommen waren, gab es noch eine schneidige Verfolgung des Feindes.
Bemerkenswerte Einzelheiten über den abschließenden Teil des heftigen Kampfes entnehmen wir dem schon oben angeführten Brief eines Teilnehmers: „Nun kommen schon in Scharen die ersten sich ergebenden Franzosen. Wir
mußten sehr vorsichtig sein, denn die Burschen schossen noch, wenn sie verwundet am Boden lagen, aus dem Hinterhalt. Ein Infanterist reichte mir seine Feldflasche; im selben Augenblick, als ich zugreifen will, fährt ihm eine Kugel durch die Finger! Wir ließen nun die Gefangenen alles von sich werfen, bis auf ihre roten Hosen und Hemd, und hatten so schließlich bei unserer Kompanie 150 Stück beisammen. Alle kamen sie mit aufgehobenen Händen auf uns zu.
Schließlich dauerten mich auch die armen Burschen, die zum Teil schwer verwundet um uns herumlagen. Es waren Bürschchen von 16, 17 Jahren dabei. Ich gab ihnen, was ich noch an Verbandspäckchen und Schokolade bei mir
hatte, und ließ Wasser für sie holen. So viel Küsse auf Stiefel und Hände habe ich in meinem Leben noch nicht bekommen. „Nous ne voulons pas le guerre!“ haben sie die ganze Zeit geschrien und: „Vivre l'Alemagne!“
Siebenhundert Gefangene, zwei erstürmte Batterien, vier Maschinengewehre und die erste eroberte französische Fahne waren der Preis des heißen Tages.
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Drei gegen fünfzig.
(Hierzu das Bild im Heft auf Seite 28 + 29)
An der Bahn, die von Lyck im Regierungsbezirk Gumbinnen in südöstlicher Richtung nach Russisch-Polen führt, liegt dicht an der Grenze das Dorf Prostken. Die zweieinhalbtausend Einwohner standen, wie alle Grenzsassen
dort, stündlich in der Gefahr, von den russischen Horden überfallen und grausam mißhandelt zu werden. In der Tat erscholl eines Morgens der Ruf: „Alles flüchten — der Feind kommt!“, und stärkste Erregung bemächtigte sich der Bevölkerung.
Ein beherzter Mann aber wollte sich den Feind zuvor doch mal ansehen und lief zur Grenze. Wirklich kamen an die fünfzig russische Kavalleristen in
rasendem Galopp angestürmt, voran der Offizier mit geschwungenem Säbel. Als sie nun auf etwa achthundert Meter heran waren, krachte seitlich von dem wissbegierigen Zuschauer ein Schuß, dem alsbald mehrere folgten. Beim
vierten sank der Offizier, beim fünften ein Gefreiter tot in den Sand.
Jetzt bekam es die ganze Heldenschar mit der Angst; sie rissen die Gäule herum und verschwanden noch schneller, als sie gekommen waren. Nunmehr erhoben sich aus einem Felde drei — sage drei — deutsche Infanteristen und warfen lachend ihr Gewehr über die Achsel; ihr Feuer hatte genügt, ein halbes Hundert der vielgerühmten russischen Kavallerie ins Bockshorn zu jagen.
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Minensperrung ein der Themse.
(Hierzu die Kunstbeilage.)
Der Geist der rücksichtslosen Selbstaufopferung, der der deutschen Flotte eigen ist, hat sich durch die Minensperrung in der Themse im glänzendsten Lichte gezeigt. Der kleine Bäderdampfer „Königin Luise“, der als Minenleger ausgerüstet war, erhielt unter dem Befehl des Korvetten- kapitäns Biermann den gefahrvollen Auftrag, die Themsemündung durch Minen zu sperren. Leider wurde der Dampfer kurz nach vollzogener Auslegung der Minen von dem englischen geschützten Kreuzer „Amphion“ gesichtet, der die dritte am nördlichen Themseufer in Harwich stationierte Torpedoboot- Zerstörerflottille der sogenannten L-Klasse führte. Mehrere Torpedobootszerstörer gaben auf die „Königin Luise“ Feuer, die, im Heck getroffen, zum Sinken gebracht wurde.
Währenddessen stieß der „Amphion“ Kreuzer auf ein zwischen zwei Minen ausgespanntes Kabel. Durch die Minenexeplosion wurde sein Vorderteil aufgerissen, so daß er nach zwanzig Minuten in der Tiefe verschwand. An eine Gegenwehr des deutschen Minenschiffs gegen eine aus nicht weniger als zwanzig Fahrzeugen bestehende Übermacht war nicht zu denken. So schmerzlich der Untergang der „Königin Luise“ ist, so wird doch der Verlust ausgewogen durch die Vernichtung des englischen Kreuzers und den tiefen Eindruck, den der unvergleichliche Mannesmut der deutschen Seeleute in England hervorgerufen hat. Von der tapferen Besatzung wurden dreißig Matrosen gerettet.
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Die Beschießung von Libau.
(Hierzu das Bild in Heft 2 auf Seite 36.)
Auch in der Ostsee hat sich kurz nach der Kriegserklärung an Rußland die deutsche Flotte erfolgreich betätigt. Ein schwedischer Augenzeuge des Bombardements von Libau schildert dieses in anschaulicher Weise: Bereits am Nachmittag des 2. August gingen in diesem russischen Hafen Gerüchte herum, die deutschen Kriegschiffe seien in so unmittelbarer Nähe, daß ihr Angriff erwartet werden könne.
Im Hafen versammelten sich törichterweise bald große Menschenmassen, um sich „den Krieg“ anzusehen. Am Abend um 10 1/2 Uhr fiel der erste Schuß. Andere folgten in kurzer Zeit. Die Erde erdröhnte unter der heftigen Kanonade. Die Granaten fielen massenweise in die Stadt. Eine Panik ergriff die Bevölkerung. Überall sah man Menschen schreiend und planlos umherlaufen. Viele Granaten richteten eine furchtbare Zerstörung an. Ein Petroleumbehälter wurde von einer Bombe getroffen und explodierte. Die Kanonade wurde immer furchtbarer.
Man hörte wiederholt gewaltiges Dröhnen. Es hieß, daß die Russen den Kriegshafen und die öffentlichen Gebäude zerstörten. An mehreren Stellen der Stadt brach ein Brand aus; niemand dachte daran, zu löschen. Der Schrecken hatte jede Willensäußerung gelähmt. Erst gegen Morgen hörte die Beschießung auf. Die Stadt sah, namentlich am Hafen, schrecklich aus. Alle Kais waren zerstört, die großen Warenspeicher waren in rauchende Schutthaufen verwandelt.
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Auf dem Weg zur Grenze.
Ein paar Augenblicksbilder aus den ersten Mobilmachungstagen — von einem, der dabei war. - (Hierzu die Bilder im Heft 2 Seite 40 und 41.)
Die Festung N. wimmelt von Militär, und jeder Zug, der ankommt, entläßt Scharen von Einberufenen, die teils hier ihre Einkleidung erhalten, teils die nächste Fahrgelegenheit abwarten, um möglichst rasch zu ihrem Meldeort zu gelangen. Man sieht nur frohe, tatbereite Mienen, Entschlossenheit und Siegeszuversicht allüberall. Die öffentlichen Gebäude, wie Schulen und sonstige verfügbare Räume, desgleichen die Gasthofsäle und ähnliche große Baulichkeiten sind der Mobilisierung dienstbar gemacht. Während Wagen nach Wagen herbeiknarrt, hochgetürmt mit Bekleidungs- und anderen Ausrüstungsgegenständen, sieht man in den angrenzenden Straßen lange Reihen von Mannschaften damit beschäftigt, die Umwandlung vom Zivilisten in den Streiter fürs Vaterland zu vollziehen.
In der Nähe des Bahnhofs aber harren die schon Marschbereiten der Stunde der Abfahrt. Noch dürfen sie sich’s bequem machen. Die Gewehre stehen in Pyramiden beisammen; Tornister, Feldflasche und Brotbeutel liegen daneben. Man reckt und streckt die Glieder noch einmal, ehe man zum vielstundenlangen Stillsitzen im dichtbesetzten Wagen gezwungen ist. Auch Frauen und Kinder sind zahlreich herbeigeeilt, Verwandte und Bekannte, noch ein letztes Wort mit den Tapferen zu wechseln, die vielleicht in wenigen Tagen schon auf dem grünen Rasen Verbluten, kostbare Opfer für des Vaterlandes Ehre und Freiheit
Halb zwölf Uhr nachts. Dichtes Gewölk hat sich über der Festung geballt und erfüllt die Straßen, die Plätze mit feinem, nebelhaftem Regen, der trotzdem sehr rasch bis auf die Haut dringt. Auf dem weitläufigen Bahnhof brennen nur die notwendigsten Lichter, um den befürchteten Versuchen feindlicher Flieger, Bomben abzuwerfen, keine Gelegenheit zum Zielen zu geben.
Auf dem Bahnsteig stehen marschbereit zwei kriegsstarke Bataillone, grau im Grau der nebligen Finsternis, daß man schon die achte, zehnte Reihe nicht mehr unterscheiden kann. Eben fährt ein Zug ein; einige mit viel Grün verzierte Wagen verraten, daß sie Reservisten bringen. Richtig, da winden sie sich schon in langer Doppelreihe durch das Gedränge der übrigen Ankömmlinge dem Ausgang zu, jeder ein Paket oder Köfferlein mit dem Notwendigsten tragend. „Wo müßt ihr euch stellen?“ ruft der vorderste Leutnant des einen Bataillons. Ein Wirrwarr von Namen ertönt als Antwort, darunter zumeist „Wien - Prag — Galizien“, und ein besonders Kecker schreit mit krähender Stimme: „In St. Petersburg — beim Nikolaus !“ „Aha — Österreicher !“ Ein Lächeln zeigt sich für einige Minuten auf den ehernen Gesichtern der Feldgrauen, und immer wieder tönt’s: „Macht eure Sache gut !“ — „Nur ka Angst net!“ Und während ein Herr vom Quartierausschuß die Angehörigen der Verbündeten Armee zu Labung und kurzer Nachtruhe in eine Kaserne geleitet, straffen sich wieder die 2400 Mann in Ernst und Entschlossenheit.
Inzwischen ist vom eben eingelaufenen Zug die Maschine abgestoßen; zwei starke Schnellzugslokomotiven legen sich ans andere Ende. Dann tönen kurz und scharf einige Kommandoworte, und wenige Minuten später sind die beiden Bataillone in der endlos scheinenden Wagenreihe verschwunden. Alle Lampen im Zug werden verdunkelt, die Vorhänge heruntergelassen, denn die Lichterschlange könnte unterwegs feindlichen Fliegern ein willkommenes
Ziel bieten.
Noch einmal tönt brausend „Die Wacht am Rhein“, und darauf begeistertes Hurra der Tausende, die trotz Nacht und Nebel jenseits der Bahnsperre harrten, um den Scheidenden noch ein Lebewohl zuzurufen. Dann einige Pfiffe, und langsam verschlingt die Finsternis den langen, langen Zug. Wohin? Niemand weiß es, nicht einmal die Fahrenden selber ....
Unterwegs, jenseits des Rheins! Schon hat man in der Ferne Kanonendonner gehört. Nun hält der Zug auf einem Nebengleis, weil ein anderer mit Feldartillerie vorher durchfahren soll. Alles enteilt den dumpfen Abteilen. Wie wohl tut die frische Luft, das unbehinderte Recken und Regen den steifen Gliedern! Auch der Magen verlangt wieder einmal sein Recht. Man holt heraus, was man gerade zur Hand hat, und wahrhaft brüderlich wird geteilt.
Plötzlich lebhafte Unruhe und Kommandorufe in einiger Entfernung. „Feindliche Flieger!“ Jeder langt nach seinem Gewehr. „Laden und sichern!“ Da knarrt es schon jenseits des Bahnhofs, jenes nervenzerrüttende Geräusch, das man nie vergißt, wenn man es einmal gehört hat: Maschinengewehre!
Und von den zwei graugelben Vögeln, die man zwischen dem leichten Gewölk über der Stadt entdeckte, kann sich nur einer heimwärts retten; mit gebrochenen Schwingen stürzt der andere nieder. Fliegerlos ...
Und nun am Feind! Je näher das Krachen der Geschütze tönt, um so glühender werden die Gesichter, um so fester schließen sich die Fäuste um die Waffe. Plötzlich hält der Zug auf offener Strecke, und in das Knattern der Gewehre, das jetzt auch deutlich jenseits eines Dorfes zu hören ist, klingen helle Befehle. Offiziere eilen hin und her, Radfahrer und Motorfahrer. Die lange Reihe derer entlang, die hastig dem Zug entströmen, läuft das Knacken der Gewehrschlösser. Wieder Kommandorufe — und wieder — und mit Hurra geht's querfeldein, durch dick und dünn, was die Beine leisten können — immer ’ran an den Feind — den Brüdern zu Hilfe, die sich schon seit Stunden mit ihm herumbeißen - 'ran an die Franzosen — für König und Vaterland!
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Zur Schlacht bei Metz.
(Hierzu das Bild in Heft 2 auf Seite 27.)
Durch den am 20. August von deutscher Seite zwischen Metz und den Vogesen geführten Hauptschlag sind acht französische Armeekorps zurückgeworfen und in unermüdlicher Verfolgung gezwungen worden, auf ihre Hauptstützpunkte zurückzufluten.
Ein in der Schlacht verwundeter Offizier berichtet darüber u. a. folgende Einzelheiten: „Schon bei der Einnahme der französischen Vorstellung hatten wir Maulesel gefunden, die noch mit Maschinengewehren und anderem Material bepackt waren, und auch in der Hauptstellung des Feindes fielen uns Batterien, darunter solche allerschwersten Kalibers, in die Hände, deren Pferde noch nicht einmal ausgespannt waren, sondern erschossen im Geschirr an der Erde lagen.
Auch der ganze Weg von Vergaville bis Gebling war mit Rothosen bedeckt, ein Zeichen, daß dem Gegner auch auf seinem Rückzuge mörderische Verluste beigebracht worden sind. Ein französischer Major, der sein Bataillon davonlaufen sah, stellte sich auf die Böschung eines Grabens und gab sich selbst den Tod. Zu Hunderten ließen sich die Franzosen gefangen nehmen und baten flehentlich um ihr Leben. Allenthalben wimmelte es von französischen Gefangenen.
Wie wenig Widerstandskraft der Feind trotz seines Viel gerühmten Elans besaß, kann mit mancher Episode bewiesen werden. Aus einem Bahnhofsgebäude z. B. haben drei Gruppen unserer Leute eine französische Besatzung von etwa hundert Mann herausgeholt. Diese eröffneten zwar auf die wenigen anrückenden Deutschen das Feuer, steckten aber, als unsere Leute sich dadurch nicht abschrecken ließen und bis auf hundert Meter herangerückt waren, eine weiße Fahne heraus, um Leben und Gesundheit in Sicherheit zu bringen. Demgegenüber waren die deutschen Truppen von einem Heldenmute beseelt, der die glänzendsten Leistungen erzeugte.“.
Mächtig wie der Kampf, groß wie der Erfolg war auch der Jubel, als die ersten Nachrichten kamen. Alles drängte sich um die angeschlagenen Ertrablätter, deren glorreicher Inhalt überall helle Begeisterung weckte. In Berlin fand die Siegesstimmung in einer Huldigung vor Kaiserin und Kronprinzessin erhebenden Ausdruck. Es war eine gewaltige Menge, die sich in Bewegung setzte, erst zum Königlichen Schloß, dann zum Kronprinzlichen Palais, wo sich jedesmal stürmische Kundgebungen abspielten. Und je weiter der Tag schritt, desto größer wurde der Jubel, bis es gegen zehn Uhr abends Unter den Linden plötzlich hieß: „Die Kaiserin kommt!“
Nun gab’s kein Halten mehr. Alles ballte sich zu einer unlösbaren Masse zusammen, und ein einziger Schrei stürmischer Freude löste sich aus den Tausenden von Kehlen. Man umringte das Automobil, das nur schrittweise fahren konnte, kletterte auf die Trittbretter, warf Blumensträuße, schwenkte Hüte, wehte mit Tüchern, so allgemein war der Jubel über den großen Erfolg.
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Belgische Ausschreitungen gegen die Deutschen.
(Hierzu das Bild in Heft 2 auf Seite 37.)
Die verabscheuungswürdigen Ausschreitungen, die sich die Belgier gegen die Deutschen haben zuschulden kommen lassen, sprechen aller Gesittung Hohn und werden für alle Zeiten ein schändendes Brandmal für das belgische Volk bleiben. In ihrem blindwütigen Haß fehlte den Belgiern jedes Urteil, welchen Schaden sie sich selbst durch die unmenschliche Austreibung der Deutschen zufügten. Denn unter den 532.454 ansässigen Fremden waren 57.010 deutscher Abstammung.
In dem Welthandelshafen Antwerpen sprach man in allen besseren Gasthöfen und Geschäften Deutsch; es gab dort mehr als ein Dutzend deutscher
Vereine, und die deutsche Kolonie zählte gegen 9.000 meist sehr wohlhabende Mitglieder.
In Brüssel wurden schon am Sonntag vor der Kriegserklärung an Frankreich Deutsche aus ihren Autos gerissen und aufs schwerste mißhandelt. Der Pöbel verwüstete alle deutschen Geschäfte, zertrümmerte die Schaufenster, riß die Waren heraus und plünderte die Läden. Zahlreiche Deutsche wurden verhaftet, man legte ihnen Handschellen an und führte sie unter den Berwünschungen der Menge nach der Hauptpolizeiwache. Dort erhob man gegen sie die Beschuldigung der Spionage. Zwecks gründlichster Durchsuchung mußten sie ihre Kleidungsstücke ablegen, und dann stellte man die Verdächtigten, denen die Hände auf dem Rücken zusammengebunden wurden, mit dem Gesicht gegen die Wand. — Wo Deutsche auf den Straßen erblickt wurden, fiel der Mob über sie her. Selbst Kinder verschonte man nicht.
Unglaublich gefühllos verfuhr man gegen die Deutschen in Brügge. Wir folgen bei dieser Schilderung den Mitteilungen eines mitverhaftetcn Deutschen: „Ungefähr fünfzig Flüchtlinge, Männer, Frauen und Kinder, die Holland erreichen wollten, wurden nach der Kaserne verbracht und unter strenger Bewachung zehn Tage in Haft behalten.
Die Beköstigung bestand nur in Brot und Wasser; an zwei Tagen ließ man die Gefangenen sogar ganz fasten. Am zehnten Tag wurden von einer Militärkommission die Personalien aufgenommen, woran sich die Erklärung
schloß, daß sämtliche Männer erschossen werden würden.
Unter den Verzweiflungsrufen der Frauen und Kinder versuchte einer der Gefangenen in seiner furchtbaren Erregung auf einen der Bedeckungsposten zu stürzen, der ihm das aufgepflanzte Seitengewehr entgegenstreckte.
Nachdem man den Männern schwarze Binden um die Augen gelegt hatte, wurden sie von einer Soldatenabteilung auf einen Platz geführt. Hier wurde der Befehl zum Feuern gegeben, aber die gefürchtete Salve erfolgte nicht.
Vielmehr wurden den auf den Tod Gefaßten die Binden abgenommen und ihnen mitgeteilt, daß es sich nur um ein Scheinmanöver gehandelt habe! Nach der Zurückführung in die Kaserne wurde dann die Freilassung verfügt. Das Gepäck der deutschen Familien wurde eingezogen, dagegen durften sie ihre Geldmittel behalten, sodaß sie wenigstens die Weiterfahrt nach Holland fortsetzen konnten.“
Am schlimmsten aber hauste der Pöbel in Antwerpen. Man zertrümmerte nicht nur die deutschen Geschäfte, Gasthäuser, Schulen und das Seemannsheim, sondern drang auch in die Privatwohnungen ein. Die Möbel wurden auf die Straße geworfen, zerstört oder weggeschleppt. Die Villen in den Vororten wurden eingeäschert.
Die Frauen zerrte man an den Haaren auf die Straße, spie sie an, hieb auf sie mit Messern ein und trat sie mit Füßen. Vor den im Hafen liegenden Schiffen schrie die zusammengeströmte Menge, wie ein Augenzeuge berichtet: „Werft die Deutschen ins Wasser oder schneidet ihnen die Kehlen ab!“ Zahlreiche Männer wurden niedergemetzelt.
Von dem bekannten Hotel Weber am Boulevard schoß man Frauen und Kinder herunter. Der Besitzer des Gasthofs, der sich im Innern verborgen hatte, wurde durch Schwefeldämpfe aus seinem Versteck herausgetrieben und sodann
ermordet. Und alle diese Greuel geschahen, ohne daß die Gendarmerie und Bürgergarde die Unglücklichen schützte, ja, es ist sogar erwiesen, daß der franzosenfreundliche Bürgermeister durch verhetzende Falschmeldungen den barbarischen Aufruhr begünstigt hat.
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Vom Roten Kreuz
Eine auf der Fahrt zum Kriegsschauplatz befindliche Truppe hält auf freier Strecke.
(Hierzu die Bilder in Heft 2 auf Seite 31, 32 und 33.)
Nun lohnt sich auch die langjährige treue Friedensarbeit derer, die berufen sind, die vom Krieg geschlagenen Wunden zu heilen. Schon haben sie schwere, strenge Arbeit, die Männer vom Roten Kreuz, die Angehörigen der freiwilligen Sanitätskolonnen. Und was sogar der Feind an unserem Heere anerkennen muß, die straffe Ordnung, die unbedingte Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit des Aufmarsches und des Eingreifens — das trifft in vollem Umfang auch auf unsere Sanitätskolonnen zu.
Man muß sie gesehen haben, diese Streiter der Barmherzigkeit und der Nächstenliebe, wenn ein Eisenbahnzug mit Verwundeten im Bahnhof einläuft. Den ganzen Bahnsteig entlang, in langer Reihe, militärisch ausgerichtet, stehen die Tragbahren da, ihnen zur Seite die aus vier Mann bestehende „Gruppe“ mit ihrem Gruppenführer. Fast lautlos vollzieht sich die Entleerung der Wagen; mit rührender Sorgfalt werden die Verwundeten auf die Bahren gebettet; nur dann und wann ein halblautes Kommandowort, nach dem die „Gruppe“ wie ein gut geregeltes Uhrwerk arbeitet. Und lautlos eilen die „Helferinnen“ herzu, aus deren milder Hand der Verwundete die auf den Bahnhöfen bereitgestellte Labung erhält.
Mustergültig wie bei unserem Heer ist auch bei den Sanitätskolonnen die Ausrüstung. Sie sind in völlig neue, ebenso schmucke wie zweckmäßige Uniformen gekleidet. Die norddeutschen Mannschaften sind mit Rucksäcken ausgerüstet, während die württembergischen Sanitätskolonnen Tornister tragen. Zur Ausrüstung gehören ferner Verbandtasche, Brotbeutel, Labeflasche, und je ein Mann der Gruppe ist mit Beil oder Säge oder Rettungsseil ausgerüstet. Tornister oder Rucksack enthalten Kochgeschirr. Außer Litewka, Tuchhose und Mantel hat jeder Mann noch einen Drilchanzug, neben der Schirmmütze noch eine Feldmütze. Zur Ausrüstung gehört endlich ein „eiserner“ Verpflegungsbedarf für drei Tage.
Selbstverständlich kommen die Sanitätskolonnen nicht nur für den Dienst in der Heimat, sondern auch für den Außendienst in Betracht. Es war ein weihevoller Augenblick, als am Mittwoch den 19. August 1914 die erste Lazarettruppe des Württembergischen Landesvereins vom Roten Kreuz durch die Königin von Württemberg in Gegenwart von Direktor Dr. v. Gener und Geheimem Hofrat Herrmann, den beiden obersten Leitern des württembergischen freiwilligen Sanitätsdienstes, im Hof der Schwabschule verabschiedet wurde. Es waren 41 Mann und 41 Pflegeschwestern, die für das Etappengebiet bestimmt sind.
Lebhaftes Interesse widmete unser Königspaar auch dem vom Württembergischen Landesverein vom Roten Kreuz ausgerüsteten Lazarettzug, der nun wohl auch schon seit mehreren Tagen seinen Dienst versieht. Er ist dazu bestimmt, ständig dem Verwundetentransport zwischen der Grenze und den heimischen Lazaretten zu dienen. Er besteht aus 30 Eisenbahnwagen. Die große Mehrzahl von ihnen ist zur Aufnahme von Verwundeten eingerichtet, jeder Wagen zu 16 Betten, die in zwei Stockwerken übereinander an den Längswänden angebracht sind. Genau in der Mitte des Zugs befindet sich der Wagen des Chefarztes mit Operationsraum, links und rechts davon die Wagen der Verwaltung, der assistierenden Ärzte und des Pflegepersonals. Je am Ende des Zuges befinden sich die Küchenwagen. Was an weiser Voraussicht aller möglichen Fälle geleistet werden kann, ist geschehen; allenthalben herrscht der Grundsatz höchster Zweckmäßigkeit; und doch liegt über dem Ganzen ein Hauch von Behaglichkeit. Jeder Wagen trägt das Zeichen des Roten Kreuzes, nicht nur an den Seitenwänden, sondern auch in größtem Format auf dem Dach zur Abwehr von Fliegerbomben; Die Erfahrungen der letzten Zeit haben allerdings dazu geführt, daß die Lazarettzüge und ihre Begleitmannschaften auch mit minder friedlichen Abwehrmitteln ausgerüstet sind.
Ein lebendiges Bild von der Arbeit im Feld gibt schließlich noch die Darstellung einer von Helferinnen des Roten Kreuzes geleiteten Feldküche. Vor dem Feind geht es freilich vielleicht etwas weniger „geleckt“ zu. — Seinen in fünfzigjährigem Wirken betätigten Grundsätzen getreu wendet das Rote Kreuz seine Hilfe auch diesmal Freunden wie Feinden ohne Unterschied zu. Die Gelegenheit dazu bot sich sehr bald: es waren erst wenige Tage seit Eröffnung der Feindseligkeiten vergangen, als schon die ersten deutschen und französischen Verwundeten und Gefangenen vom westlichen Kriegschauplatz in Stuttgart eintrafen.
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Der Sturm auf Sehabatz.
(Hierzu das Bild in Heft 2 auf Seite 43.)
Die tapferen österreichisch-ungarischen Truppen haben vom 28. bis 25. August auf russischem Gebiete bei Krasnik eine dreitägige siegreiche Schlacht geschlagen, die für die Entwicklung der Dinge auf den östlichen Kriegschauplätzen von größter Bedeutung ist. In Voraussicht der auch in Galizien, nördlich und östlich von Lemberg, folgenden gewaltigen Kämpfe hatte die Kriegsleitung kurz zuvor noch erklärt, daß sie angesichts der Aufgabe, die ihr gestellt werden wird, die Züchtigung der Serben vorläufig nur als eine Nebenaktion in Rechnung stellen und sich daher eine durch die Umstände gebotene Zurückhaltung auferlegen werde. Es entspricht dies, sobald sich die Notwendigkeit ergibt, nach zwei Fronten zu kämpfen, dem militärisch als richtig anerkannten Satz, zuerst den stärkeren Gegner niederzuringen und dann erst dem schwächeren mit voller Kraft auf den Leib zu rücken.
Nichtsdestoweniger erachtete man einen Vorstoß gegen die serbischen Stellungen als geboten und hat diesen auch aus Nord und West mit großer Energie durchgeführt. Unter den blutigen Zusammenstößen, die dadurch herbeigeführt wurden, spielte der Übergang über die Save und der Sturm auf Schabatz eine wichtige Rolle, weil letzteres eine strategisch bedeutsame Eingangspforte darstellt. Man wußte, daß das serbische Ufergebiet von sehr starken feindlichen Streitkräften besetzt war, die durch Infanterie- und Artilleriefeuer den Ubergang der Truppen verhindern sollten, entschloß sich daher, trotz der Scheinwerfer den Ubergang nächtlicherweile durchzuführen, wozu zur bestimmten Stunde mehrere große Kähne, Fähren und eine Anzahl Schiffbrücken bereitlagen.
In aller Stille wurden die Mannschaften, die übergesetzt werden sollten, geweckt. „Wir erkannten sofort,“ so berichtet ein südungarischer Infanterist, der wacker mitgekämpft hat, „daß es jetzt galt, über den Fluß zu gehen, und eilten flink ans Ufer zu den vertauten Booten, die bereits mit Pionieren bemannt waren. Ich befand mich mit etwa fünfzig Kameraden rasch in einem dieser Fahrzeuge.
Während der Überfahrt wunderten wir uns alle, vom feindlichen Ufer
keine Schüsse zu bekommen. Kaum wollten wir indessen jenseits anlegen, so begann es aus den Schützengräben der Serben zu krachen, und gleich bei der ersten Salve brachen in unserem Kahn der Zugführer und sieben Soldaten zusammen. Wir anderen sprangen ans Ufer und stürzten uns auf die serbischen Feldbefestigungen, die durch einen Bajonettangriff genommen wurden. Wir sahen reguläres Militär und Komitatschis (Freischärler) vor uns her fliehen und eilten ihnen durch dick und dünn bis nach Schabatz nach.
Dort kam es zu einem verzweifelten, blutigen Straßenkampf, bei dem auch aus den verrammelten Fenstern und von den Kirchtürmen auf uns geschossen wurde. Da kamen von rückwärts nach und nach Verstärkungen an, und nach einstündigem Kampfe hatten wir den Ort vollends genommen.“
Nach diesem Siege zeigte sich auch in Schabatz wie in Belgien und Frankreich das Frankti"reurwesen" in seiner ganzen Scheußlichkeit und Verwerflichkeit. Auch hier wurde teils von serbischen Soldaten, die sich in Keller und auf Dachböden geflüchtet hatten, teils von der Einwohnerschaft hinterrücks auf die braven Truppen geschossen. Selbstverständlich wurden nicht viele Umstände gemacht und alles, was auf der Tat ertappt wurde, auf der Stelle niedergemacht. Die serbische Regierung, die ihre Pappenheimer eigentlich kennen sollte, hatte die Dreistigkeit, sich auf dem Wege über eine neutrale Macht darüber zu beschweren. Das österreichisch-ungarische Armeeoberkommando ordnete Erhebungen an, und es ergab sich über den nächsten Tatbestand hinaus, daß sich die Serben sogar die scheußlichsten Massakrierungen hatten zuschulden kommen lassen.
Wiederholt wurden Leichen verstümmelter Soldaten gefunden, so ein Mann mit ausgestochenen Augen, in deren Höhlen Uniformknöpfe eingepreßt waren; an einem Baum hängend ein Infanterist, dem Kopf und Arme fehlten. Ein Leutnant, dem die Gefangenen vorgeführt wurden, verfügte aus Menschlichkeit die Freilassung einer schwangeren Frau. Kaum freigegeben, zog das Weib einen Revolver und erschoß den Leutnant von hinten. Selbst serbische Kinder beteiligten sich an diesen Unmenschlichkeiten.
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Belfort.
(Hierzu Bild und Plan in Heft 2 auf Seite 44.) E
Die frarzösische Festung Belfort hat uns 1870-71 erfolgreich Widerstand geleistet — allerdings weniger energischen Belagerungsmitteln gegenüber, als wir heute haben — und ist seither durch Erweiterung der Stadtumwallung, Umbau der alten Forts und Bau von neun vorgeschobenen
großen Forts mit Anschlußbatterien und fünfzehn selbständigen Batterien ein starker Waffenplatz geworden, mit einem Umfang von etwa 40 Kilometern.
Der Ubersichtlichkeit wegen sind weder die Anschlußbatterien noch die Redouten und Infanteriewerke, die zum Beispiel das Fort Salbert (XV) verstärken, in unsere Skizze aufgenommen. Auch die Geländeunterschiede, die zum Teil recht erheblich sind und die Bedeutung der Werke erhöhen, konnten nur durch einige Höhenzahlen angedeutet werden. Unterhalb Belfort zum Beispiel fließt die Savoureuse in 851 Meter über Meereshöhe, das Fort Noppe (1) liegt in 489 Meter, das Fort Bezeloizz (IV) in 889 Meter,
die Batterie Seoenanz (VI) in 868, die Batterie Doranz (VIII) in 429 Metern Höhe. Östlich von dieser ist aber der Wasserspiegel der Savoureuse schon auf 841 Meter, also auf wenig mehr als 4 Kilometer Luftlinie um 10 Meter gesunken.
Ungefähr die gleiche Höhe hat der Rhein-Rhone-Kanal, wo die Straße Altkirch-Belfort, halbwegs zwischen beiden, ihn kreuzt und in südwestlicher Richtung, von der Stadt Belfort 10 Kilometer entfernt, weiterführt. Wir haben es hier mit den südlichsten Ausläufern der
Vogesen zu tun.
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