Deutschlands höchster Sender strahlt ins bayerische Land
Der auf dem Wendelstein errichtete erste bayerische Fernsehsender, der höchstgelegene Sender in der Bundesrepublik, hat am 30. Oktober 1954 offiziell seinen Betrieb aufgenommen und mit der regulären Ausstrahlung des deutschen Gemeinschaftsprogramms begonnen.
Dem schlichten offiziellen Auftakt waren seit dem 9. September d. Jahres Versuchssendungen mit stehenden Bildern und, nachdem die große Dezi-Strecke der Bundespost bis München durchgeschaltet werden konnte, ab 13. Oktober Versuchssendungen mit bewegten Bildern vom westdeutschen Gemeinschaftsprogramm vorausgegangen.
Das neue Sendergebäude auf dem Wendelstein liegt in ca. 1740m Höhe die Senderantennen für den FS-Sender und den hier ebenfalls untergebrachten UKW-Sender und die Post-Empfangsantennen für die drahtlose Zubringung von Bild und Ton befinden sich auf dem Berggipfel in 1838m Höhe.
Die für die Verbindung von Sender und Antennen erforderlichen Kabel sind zum Schutz gegen Steinschlag und Witterungseinflüsse in einem 180m langen, betonierten Kabelkanal untergebracht, der im steilen Fels verläuft.
Wohl kaum waren jemals beim Bau eines Fernsehsenders so große Schwierigkeiten zu überwinden, wie auf dem Wendelstein. Dicht unter dem Gipfel, eng an den Fels angelehnt, entstand in mehrmonatiger Arbeit bei Schneestürmen, Regen und Kälte das zweigeschossige Sendehaus. Umfangreiche Felssprengungen mußten durchgeführt werden, um den Platz für das Gebäude zu schaffen. Der Bau ist im Stil dem Charakter der Landschaft angepaßt.
Im Obergeschoß des Sendergebäudes stehen Fernseh- und UKW-Sender je in einem Raum. Ferner sind dort die dazugehörigen Überwachungs- und Nebenräume, wie Werkstätten und Lagerraum, vorhanden. Das Erdgeschoß enthält die Lüfteranlage zur Röhrenkühlung und die Zentralheizung sowie die Aufenhalts- und Übernachtungsräume für das Senderpersonal. Im Kellergeschoß befinden sich das Diesel-Notstromaggregat, ein Schaltraum für die Hoch- und Niederspannungszentrale und die Trafostation. Diese Anlagen lassen sich vom Kontrollraum des Senders aus fernbedienen. Das Sender-Personal überblickt vom Kontrollraum aus den ganzen, in Schrankbauweise ausgeführten Fernsehsender modernster Bauart und kann mit Hilfe der zahlreichen im Kontrollpult angeordneten Überwachungseinrichtungen den Betriebsablauf in jeder erforderlichen Weise überprüfen und steuern.
Die Fernseh-Antenne besteht zur Zeit aus zwei Achterfeldern. Jedes Feld wird aus vier Ganzwellendipolen gebildet, die auf einer gemeinsamen Reflektorwand befestigt sind. Die endgültige Antenne wird sich aus insgesamt vier Achterfeldern zusammensetzen und durch ihre Bündelungseigenschaften eine Konzentration der Senderstrahlung auf das eigentliche Versorgungsgebiet und somit einen weiteren Leistungsgewinn bringen.
Die Leistung des Fernseh-Bildsenders beträgt 10kW, die Leistung des Fernseh-Tonsenders 2kW. Die Ausstrahlung erfolgt im Kanal 10 (Bild 210,25 MHz, Ton 215,75 MHz). Der alpine Großsender erreicht mit Sicherheit etwa 20% des gesamten bayerischen Fernseh-Versorgungsgebietes.
Dieses Gebiet reicht im Westen ungefähr bis zum Lech, im Nordwesten über Augsburg hinaus, im Norden etwa bis zur Donau, im Nordosten etwas weiter als Landshut und im Osten etwa bis Burghausen, wobei für den Empfang die lokalen Empfangsbedingungen und die Einrichtung einer entsprechenden Antenne maßgebend sind.
Die Versuchssendungen ergaben jedoch beträchtliche Überreichweiten, so daß auch über das eigentliche Empfangsgebiet hinaus bei entsprechender Antennenvorsorge mehr oder minder gute Empfangsmöglichkeiten bestehen.
Die Errichtung des höchsten deutschen Fernsehsenders stellte technische Probleme besonderer Art. Als man begann, die 9.000kg schweren Spezialkabel, die den Sender mit der rund 100m höher liegenden Antenne verbinden, auf den Wendelstein zu transportieren, schien sich der Berg gegen die Techniker verschworen zu haben. Da die fast fünf Meter hohen Kabeltrommeln, auf Wagen verladen, die zahlreichen Tunnel der Wendelsteinbahn nicht passieren konnten, mußte jedes der Hochfrequenzkabel, von denen die beiden stärksten je einen Durchmesser von 11,5 cm aufweisen, auf seine Länge von 220m ausgerollt werden. Man schnallte sie dann auf vierzig hölzerne Schienengleitschlitten und hängte diese an ein Doppelgespann von zwei Lokomotiven der Wendelstein-Zahnradbahn.
Der ungewöhnliche Transport im Schneckentempo gestaltete sich infolge der vielen Kurven und Steigungsunterschiede äußerst kompliziert, zumal nur während der Nacht gearbeitet werden konnte, um den normalen Betrieb der Bergbahn nicht zu stören.
Nachdem die gewaltige Kabellast zur Sendestation heraufgebracht worden war, begann der nicht minder schwierige Abschnitt der Kabel-Verlegung, das Einziehen in den Kabelkanal, der sich in einer unwegsamen alpinen Umgebung am Berghang bei einer Höhendifferenz von fast 100m über eine Länge von 180m bis zum Gipfel erstreckt. Für den Transport des gesamten Baumaterials waren nicht weniger als 400 Güterzüge der Wendelsteinbahn erforderlich.
Das Sendergebäude ist mit der Bergstation der Wendelsteinbahn durch einen Lastenaufzug im Fels verbunden, der den Zugang zur Station bei jeder Wetterlage sichert und verhindert, daß bei starken Schneestürmen die Sender-Besatzung von der Außenwelt abgeschnitten wird.