"Recording" - Bereits vor 1990 setzte der Wandel ein
Für mich und die Redaktion war es recht aufwendig, die genauere Entwicklung im professionellen Broadcast-Bereich zeitrichtig darzustellen und auch etwas "treffsicherer" die Jahreszahlen der Einführung neuer Techniken zu ermitteln.
Der Dank geht deshalb an Karl Tetzner, Rainer Bücken, Wilhelm Roth und naürlich an Norbert Bolewski und auch noch an einige andere Autoren. Sie hatten als Redakteure und Chefredakteure die wichtigen Broadcast-Messen besucht und jedes Jahr sowohl von den Fach-Vorträgen wie auch von der jeweiligen Ausstellung zeitnah berichtet.
Eine der damals wichtigsten Messen (= Ausstellungen) war das TV Symposium in Montreux und die NAB Konferenz (oder die "show") in USA. Die IBC und die photokina wie auch die Hannover Messe und diverse gescheiterte Messe-Versuche spielten im Profi-Bereich nur Nebenrollen.
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Gleich vorweg, wir sind hier bei den Profis
Es gab und gibt viele Magnetband- Video-Recorder mit unter- schiedlichsten Aufzeichnungs- Formaten und Qualitäten und die Verwirrung ist oft groß. Im Profibereich ist die Bild-Qualität sehr wichtig und die wird maßgeblich in der Anzahl der am Ende darstellbaren "Linien" (nicht der Norm-"Zeilen") gemessen.
VHS zum Beispiel kann maximal 240 Linien, Betamax kann etwa 300 Linien und S-VHS etwa 330 Linien aufzeichnen. Die großen 2" Recorder kamen auf etwa 450 Linien und die BCN Familie von BTS kam (1974) fast bis an die technologische Grenze von 550 Linien.
Doch alles war von der Qualität des Magnetbandes abhängig, ob da nicht doch noch Aussetzer dabei waren. Es ist eine Frage der Grenzfrequenz und der Speicherdichte.
Die Broadcast-Profis bewegen sich alle am oberen Ende bei deutlich über 500 darstellbaren Linien (von den nominellen 625 Zeilen der PAL Norm). Schon mit den ersten Festplatten- recordern konnte man recht schnell die volle PAL- Profi-Qualität aufzeichnen und noch mehr. Es war einfach nur eine Frage der Festplatten-Kapazität. Und die war anfänglich nicht allzu groß. Später konnte man sogar 1080i und 1080p Clips (Videos) in voller Qualität speichern.
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Die Messe-Berichte aus Montreux und USA sind lang und informativ.
In der FKT Zeitschrift wurden in den Berichten von diesen Broadcast-Ausstellungen die ersten sogenannten Mini- Computer und dann die Workstations und dann die aufkommenden PCs so nach und nach vorgestellt und beschrieben. Vor allem ist in diesen "Reports" mit der zeitlichen Reihenfolge fast immer auch die abgelöste alte Technik nochmal aufgeführt bzw. erwähnt.
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Was kam bzw. kommt nach dem letzten digitalen Videorecorder ?
Nach der sehr erfolgreichen SONY Digital-Betacam Kassettenmaschine ab 1993/94 kamen immer noch ein paar neue Entwicklungen auf den Markt, teilweise gleichzeitig und alle wollten ein Stück von dem (finanziell großen aber dennoch überschaubaren) Kuchen abhaben.
Rückblick : Etwa ab 1986 hatte IBM den IBM-AT vorgestellt. Da gab es schon eine Festplatte mit 20 Megabyte Kapazität. 1989 wird in einem Montreux Bericht ein "Bildspeicher" auf einer 40 Megabyte Festplatte beschrieben.
Noch nicht zufriedenstellend sei die Zugriffszeit auf die Bilder. Weiterhin wird von dem IBM-kompatiblen PC (XT oder AT) und den neuen Möglichkeiten berichtet.
Vorher wurde von den Silicon Grafics Workstations und den Mini-Computern und auch von den PDP-8 und PDP-11 Rechnern (damals von Digital Equipment) berichtet.
Dort gab es die neuen 30 und 60 Megabyte großen 12" und 8" Festplatten - das waren riesige "Trümmer" - zusätzlich mit einem sehr hohen Geräuschpegel.
Die dann folgenden Innovationen auf dieser PC-Basis kamen von den kleinen Add-On Anbietern. Die "Großen" entwickelten weiter an den D1 und D2 und D3 und MII Kassetten-Bandmaschinen. Auch einige Japaner hatten den Zug der Zeit verkannt oder verschlafen.
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1994 wurde (auch) bei der BTS ein neues Speichersystem entwickelt "Media-Pool"
Dieses "Media-Pool" benannte digitale bandlose Speichersystem auf der Basis von vielen Festplatten wurde erstmalig auf der NAB (in USA) im Herbst 1994 und dann im Sommer 1995 in Montreux (Schweiz) vorgestellt.
Das in dieser Dimension (im Gegensatz zu den ersten PCs) konzipierte Speichersystem war völlig neu und deshalb so besonders auffällig. Der "Media-Pool" sollte also ein "pool" der Filme oder der Film-Schnipsel für einen großen Sender sein oder werden.
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Da kommt sofort die Frage nach der Stabilität dieses Systems und der absoluten Verfügbarkeit im täglichen Sendebetrieb auf den Tisch und dafür sollte es ja geeignet sein.
Die normalen Festplatten genossen (damals) kein so geniales Vertrauen, die Ausfallraten waren (zu) hoch. Sie gaben wahllos und zufällig ihren "Geist" auf und die Daten waren "dann mal weg". Das ging damals schon nicht und das geht heute immer noch nicht.
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Die Technik des Media-Pool mit den damaligen 9 Gigabyte Fest-Platten - mehr über die Platten kommt weiter unten
Wir sind noch in 1993 und der "Pentium Pro" Prozessor ist gerade am PC-Markt eingeführt worden. Eine 120 Megabyte Festplatte war für die Normalos mit ihren IBM kompatiblen AT-PCs schon eine Menge Speicherplatz. Von den ersten Gigabyte-Platten träumten wir noch.
Doch für die Filmbearbeitung brauchte man mehr, viel mehr. Man "mußte" die zu der Zeit größten Festplattenlaufwerke einkaufen, die am Markt verfügbar waren.
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Wir hatten bei uns in der EDV-Firma in unserem Novell-Server 1989 das erste 382 MB große 5-1/4" Laufwerk (volle Bauhöhe und über 6 Kilo schwer mit ESDI Interface) von Micropolis, später dann 700 MB von PRIAM. Ich habe es heute in 2020 immer noch (aufgehoben). Doch auch die allerersten halbhogen 1GB Platten von IBM waren damals 1993 immer noch zu klein oder in der benötigten Menge zu anfällig und nicht schnell genug. Auf dem Bild lesen Sie auch, daß solch eine große 380 MB Platte 32 Watt verkonsumierte.
Da bot Seagate die damals größte Festplatte mit 9-Gigabyte an und zwar im 5 1/4" Format mit dem schnellen SCSI Interface. Das war deutlich schneller als die anderen PC-Interfaces. Der klitzekleine Nachteil war nur, Seagate ließ sich dieses Hightech- Wunderwerk mit 3.500 Dollar (Einkaufspreis in USA - und das entsprach über 6000 DM) wirklich gut bezahlen.
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Wir haben den letzten ausgesonderten "Media-Pool" geerbt
Vermutlich "Keiner" bei BTS und auch bei den anderen kleineren Firmen und Entwicklern konnte sich wirklich ernsthaft vorstellen, wie schnell die Technik voran schritt und auch heute noch voran schreitet. Damals war das sogenannte "RAID 5" Konstrukt ein tolles ausfallsicheres Festplatten-Konzept, heute nutzt es fast keiner mehr.
Bei einem RAID-5 Platten-System kann eine der Platten (bei mindestens 3 Stück) ausfallen und es geht (erstmal) ganz normal weiter, natürlich mit dem Pieps- oder Sirenen- Alarm.
Wir wissen in 2021, daß (heutzutage) eine 18 Terabyte Platte auch nur eine Fest-Platte ist, die irgendwann veraltet sein wird. Bei uns in der Redaktion laufen in den NAS zur Zeit 4 x 4 Terabyte Server/NAS-Platten - und man beachte : je 98.- Euro !!!!! - also nicht mehr 3.500.- Euro pro Platte. Die Preise sind exorbitant verfallen. Die aktuellen Prozessoren haben bis zu 64 Kerne mit je 3,8 GHz und dazu noch Hyperthreading, also beinahe 128 Prozessorkerne. Ein 512 Gigabyte USB 3.0 Chip für 60.- Euro ist auch nichts Besonderes mehr.
Aber damals in 1994, da war das alles Hightech vom Feinsten und vom Teuersten ... und damit fast unerschwinglich.
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Diese 9-Giga Seagate Platte ist ein (historisches) Wunderwerk
Und endlich dürfen wir sie aufschrauben und rein schaun. In dem schwarzen Alu-Gehäuse drehen 14 (5 1/4") Scheiben mit 28 Magnetköpfen. Das ist für damalige amerikanische Verhältnisse eine mechanische Meisterleistung.
In dem Linearmotor zu Bewegung der 15 Arme mit den Magnetköpfen vorne dran kommen extrem starke Neodyn- Magnete zum Einsatz. Solche Magnete hatte ich vorher noch nie in der Hand gehabt. "Kleben" diese Magnete zum Beispiel an der Metalltür eines Stahlschrankes, bekommt man sie nur mit absolut roher Gewalt wieder los.
Diese Platten verbrauchen (jede einzelne) bis zu 40 Watt und darum werden wir die nie wieder in Betrieb nehmen.
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Ein voll ausgebauter Media-Pool sollte deutlich über 1 Stunde Programm in PAL Studioqualität speichern können
Und dafür baute man im BTS-Labor natürlich eine recht große Konfiguration zusammen. Es mußten alle Eventualitäten und Eigenschaften der Software "vorher" ausprobiert werden (können). In unserer Konfiguration waren es über 48 Platten je 9 Gigabyte (mal 3.500 Dollar pro Platte).
Wir haben die eigentlichen Platten aus ihren aufwendigen "Hotplug"- Einschüben "entkleídet", weil wir sie sowieso nicht mehr betreiben wollen. Der Stromverbrauch ist (heutzutage) immens. Denn zu den Platten kommt ja noch die CPU dazu und zwar doppelt - sowie die RAÌD Controller.
"Hotplug" bedeutet, daß man in diesem RAID 5 Platten-Verbund-System eine defekte Platte mitten im Betrieb herausnehmen kann und durch eine neue leere Platte ersetzen kann. Die Software erkennt das und füllt dann diese neue Platte mit den benötigten Daten von ganz alleine.
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Es sind 14 Scheiben (sogenannte Platter) mit 28 Köpfen
Man brauchte damals 14 Scheiben wegen der schnellen Zugriffszeit auf die Daten. Das war nämlich ein grundlegendes Problem der ersten Festplatten, sie waren nicht besonders schnell. So konnte und kann man die Film-Daten von den 28 Obeflächen der Platter nahezu gleichzeitig (und in Echtzeit) auslesen und per SCSI- Interface und das Compter-Netzwerk an den oder die Nutzer weiterleiten.
Diese 14 Scheiben dürfen nicht vibrieren oder "eiern" oder sonstwie unrund "laufen".
Weiterhin müssen sie absolut plan drehen, denn die Köpfe schweben auf einem Luftpolster. Das schaun wir uns weiter unten auch noch an.
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13 Arme müssen zwischen die Platten + 2 Arme außen
Es sind für diese 14 Scheiben insgesamt 15 Arme, 2 Einzelarme außen und 13 Arme mit je zwei Magnetköpfen. Dabei dürfen die einzelnen Arme schon mal gar keine Eigenbewegung ausführen und alle müssen im Gleichschritt marschieren.
Und das müssen sie sehr sehr schnell. Die Form und Konstruktion der Arme war zu dieser Zeit um 1994 schon ausgereift, nicht jedoch diese Dichte und die Enge.
Die Köpfe schwimmen oder schweben auf einem Luftpolster
Die Oberflächen der 28 Magentköpfe sind leicht angewinkelt, sodaß sie ab einer gewissen Drehzahl der Scheiben (Platter) (irgendwo um 2000 U/min) anfangen, auf dem sich drehenden Luftpolster über der Oberfläche zu schweben. Jedes Staubkörnchen wäre da wie ein Felsbrocken auf der Autobahn - mit verheerenden Folgen.
Im Bild rechts : Zwischen den roten Pfeilen befindet sich im eingebauten Zustand der Platter (die Scheibe), die Köpfe schleifen bei geringen Drehzahlen auf der polierten Oberfläche (auf dem sogannten Parkstreifen ganz innen) und im Stand liegen sie fest auf der Scheibe auf.
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Ein ganz diffiziles Gleichgewicht
Ab einer je nach Platte unterschiedlichen Mindestdrehzahl sollen und müssen die Magnet-Köpfe am Ende dieses Arms von der Oberfläche des Platters (das ist die Park-Spur ganz innen) abheben und auf dem Luftposer schweben. Dann erst dürfen sich die schwebenden Köpfe über die Oberfläche bewegen.
Dazu muß natürlich der Gegendruck (also der Anpress-Druck des letzen Teils des Arms) ziemlich genau definiert sein. Im Bild sehen Sie, daß das Ende des Arms nicht mehr aus festem Aluminium besteht sondern ein Federblech aus nichtmagentischem Material ist.
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Die "Strom-"Zuführung zu den Köpfen
Es sind zwar nur "Strömchen", die da fließen, aber sie müssen (beim Schreiben) bis ganz nach vorne zu den Köpfen - und beim Lesen auch wieder zurück. Und die Leitungen dorthin dürfen nichts (oder fast nichts) wiegen. Denn jedes Milligramm Gewicht macht das System langsamer.
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Der gesamte Kopfträger ist kugelgelagert
Auch das ist eine Meisterleistung, denn der Kopfträger ist zwar recht filigran, aber es wiegt trotzdem etwas. Und es wird ja "nur" blitzschnell hin und her bewegt, weiter (eigentlich) nichts.
Die beiden gekapselten Kugellager dürfen (theoretisch) aber weder Spiel noch Reibung haben, jedenfalls muß das im (fast) nicht mehr messbaren Bereich liegen.
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Beim Drehen wird die Luft mitgerissen
.... und das bremst den Antrieb natürlich aus. Also muß der Motor genügend Kraft (Drehmoment) haben, um die 14 Platter auf die Nenndrehzahl hochzufahren. Dennoch darf der Motor im Dauerbetrieb das Innenleben des gesamten Plattengehäuses nicht merklich aufheizen, denn dann dehnen sich die Scheiben und die Arme und wer weiß noch was. Bei der Bewegung der Magnetköpfe von Spur zu Spur sind wir im "müh" (das sind Tausendstel Millimeter) Bereich. Das ist sehr sehr wenig.
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Der Motor ist ein sogenannter innenliegender Spindelmotor, im Bild ist nur die obere Verschraubung zu sehen. Und das massive ALU-Druckgußgehäuse ist innen und außen schwarz lackiert, damit es die innen erzeugte Wärme so gut wie möglich nach außen abführt.
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Jetzt kommt das Bild einer geöffneten Platte : der Staub
Auf dem Bild rechts sehen Sie lauter kleine Staubkörnchen, die ich extra so angeleuchtet hatte, daß sie deutlich zu sehen sind.
Solch ein einziges Staubkörnchen wäre wie ein 1 Meter großer Felsbrocken auf der Autobahn bei mindestens Tempo 350. Sie können sie leicht vorstellen, was das bei 5.000 oder 7.200 oder gar 10.000 Umdrehungen/min für katastrophale Folgen für Ihre Daten hätte. Das (oder die) Staubkörnchen würde(n) die Magnetschicht der Oberfläche des Platters abschaben (oder wegkratzen) und dann wäre diese Oberfläche dieses Platters einfürallemale hin.
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Noch ein Blick auf den Linearmotor
Der Kopfträger mit den 15 Armen muß schnell bewegt werden. Natürlich ist das Attribut "schnell" relativ, weil es "sehr sehr sehr" schnell gegen muß. Das geht nur mit gewaltigen Antriebskräften, die dennoch feinst dosiert erfolgen müssen. Soetwas geht (in der gefordeten Gechwindigkeit) nicht mehr mit einem normalen Elektromotor. Ein Linear-Antrieb kann das aber. Dieser Antrieb dreht den Kopfträger nicht mal um eine viertel Umdehung, braucht dafür aber enorm viel Kraft.
In dem Bild rechts sehen Sie unter dem roten Pfeil die Spule und unten drunter zwei sehr starke Magneten. Es sind die stärksten, die ich jemals in den Händen gehabt hatte.
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Für Schulungs- oder Demonstrationszwecke ....
stehen bei uns im Lager noch mehrere solcher 9 GB Platten, die aber abgeholt werden müssen. Ein Versand ist nicht möglich.
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