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Die patriotischen Kundgebungen in der Reichshauptstadt.

(Hierzu das Bild auf Seite 5.)

Wie in allen Städten des Deutschen Reiches und in Österreich-Ungarn, worüber später noch an besonderer Stelle berichtet wird, so zeugten von der wundervollen Stimmung, die unser Volk von Anfang an beseelte, auch die Kundgebungen in der Reichshauptstadt. Aber es war keine übermütige, leichtfertige Hurrastimmung, hier so wenig wie irgendwo im Reiche. Allenthalben zeigte sich der tiefe Ernst der Lage auf den Gesichtern ausgeprägt, nicht minder aber auch die unbedingte Zuversicht zum Erfolg der guten Sache, für die wir das Schwert ziehen sollten.

Dann kamen Augenblicke, wo dieser zuversichtliche Ernst in Ausbrüche glühender Begeisterung umschlug. Schon der ganze 31. Juli (1914), an dem der Kaiser und die Kaiserin nach Berlin
zurückkehrten, stand im Zeichen dieser Begeisterung. Die Ankunft des Kaisers gab Anlaß zu einer großartigen Kundgebung der ganzen Berliner Bevölkerung. Mit stürmischen Hochrufen, in denen sich die Erregung der letzten Tage Luft machte, begrüßte die Menge den Monarchen, der, in der Uniform der Gardekürassiere tiefernst an der Seite der Kaiserin sitzend, die Grüße erwiderte. Um dreiviertel drei Uhr war der Kaiser im Schloß, auf dem sofort die Kaiserstandarte gehißt wurde. Wenige Minuten später, ehe die Erregung sich gelegt hatte, folgte das Automobil des Kronprinzen, der die Uniform der schwarzen Husaren trug und mit der Kronprinzessin und seinem ältesten Sohn ebenfalls mit begeisterten Huldigungen umjubelt wurde. Jhren Höhepunkt erreichten die patriotischen Kundgebungen, als etwa um sechseinhalb Uhr der Kaiser, die Kaiserin und Prinz Adalbert an dem Fenster des Rittersaales erschienen und der Kaiser, oft von tosenden Zustimmungsrufen unterbrochen, an die vieltausendköpfige Menge die ernste Ansprache richtete:

  • "Eine schwere Stunde ist heute über Deutschland hereingebrochen. Neider überall zwingen uns zu gerechter Verteidigung. Man drückt uns das Schwert in die Hand. Ich hoffe, daß, wenn es nicht in letzter Stunde meinen Bemühungen gelingt, die Gegner zum Einsehen zu bringen und den Frieden zu erhalten, wir das Schwert mit Gottes Segen führen werden, bis wir es mit Ehren wieder in die Scheide stecken können. Enorme Opfer an Gut und Blut würde ein Krieg vom deutschen Volk erfordern. Den Gegnern aber werden wir zeigen, was es heißt, Deutschland anzugreifen. Und nun empfehle ich euch Gott. Jetzt gehet in die Kirche und kniet nieder vor Gott und bittet ihn um Hilfe für unser braves Heer."

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Stürmische Hoch- und Hurrarufe

Stürmische Hoch- und Hurrarufe antworteten dem Kaiser, und dann fluteten noch stundenlang die erregten Massen, vaterländische Lieder singend, durch die Hauptstraßen der Reichshauptstadt. Eine deutsche Fahne wird vorausgetragen. Jung und alt, Arm in Arm, marschieren wohlgeordnet im Gleichschritt heran. Und was sie singen, das braust wirklich gleich einem Ruf wie Donnerhall.

Jn vorgerückter Nachtstunde zieht man vors Reichskanzlerpalais. Kurz vor Mitternacht sind die Massen ins ungeheure geschwollen; und sie harren, bis der Reichskanzler am Mittelfenster des Kongreßsaales erscheint, gleichfalls stürmisch begrüßt. Besser hätte Herr v. Bethmann Hollweg die Stimmung des Augenblicks nicht ausschöpfen können als durch den Hinweis darauf, daß man vor dem Hause Bismarcks stehe, der mit Kaiser Wilhelm dem Großen und Moltke das Reich geschmiedet hat.

»Wir wollten,« so fuhr der Reichskanzler fort, »in dem Reich, das wir in vierundvierzigjähriger Friedensarbeit ausgebaut haben, auch ferner im Frieden leben. Das große Werk unseres Kaisers war der Erhaltung des Friedens gewidmet. Bis in die letzten Stunden hat er für den Frieden Europas gewirkt, und er wirkt noch für ihn. Sollte all sein Bemühen vergeblich sein, sollte uns das Schwert in die Hand gezwungen werden, so werden wir ins Feld ziehen mit gutem Gewissen und dem Bewußtsein, daß nicht wir den Krieg gewollt haben. Wir werden dann den Kampf um unsere Existenz und unsere nationale Ehre mit Einsetzung des letzten Blutstropfens fuhren. Im Ernst dieser Stunde erinnere ich Sie an das Wort, das einst Prinz Friedrich Karl den Brandenburgern zurief:

  • "Laßt eure Herzen schlagen zu Gott und eure Fäuste auf den Feind!"



Unter erneuten stürmischen Hochrufen setzte der Zug seinen Weg durch die Wilhelmstraße fort. Auch vor das königliche Schloß zog man noch einmal. Aber dort bestieg ein Herr die Rampe des Schlosses und wies die huldigende Menge mit Nachdruck darauf hin, daß der Kaiser jetzt der Ruhe bedürfe.

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Einen historischen Moment von tiefergreifender Weihestimmung brachte dann der Sonntag (2. August 1914) in dem Feldgottesdienst beim Bismarckdenkmal vor dem Reichstagsgebäude. Unser Bild Seite 5 veranschaulicht ihn. Ein instinktives Gefühl hatte die gewaltigen Massen zu dieser bedeutsamen Stelle geleitet. Wohl dreißigtausend Menschen füllten den weiten Platz, die Terrassen und Treppen und sangen ergriffen das niederländische Dankgebet. Hofprediger Döring fand die rechten Worte von der schweren Schickung, die Gott über die Völker verhängt habe, von der gerechten Sache Deutschlands und von der Hoffnung auf den Sieg.

Entblößten Hauptes hören die Tausende die erschütternden und erhebenden Worte des Geistlichen angesichts des ehernen Riesenstandbildes unseres großen Staatsmannes, dessen Geist über der tiefernsten Menge schwebt, die zum Schluß gemeinsam das Vaterunser betet.

Die kleinen Jungen auf unserm Bilde, die an die Säule der Reichstagstreppe geschmiegt den Worten des Predigers lauschen, werden den großen historischen Augenblick wohl in ihrem Alter noch in unauslöschlicher Erinnerung bewahren.
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Kriegszustand und Mobilmachung.

(Hierzu die Bilder auf Seite 10 und 11.)

Eine ungeheure Spannung bemächtigte sich in den Tagen der Entscheidung der Gemüter. Am 31. Juli, um die Mittagstunde, erschienen die ersten EXtrablätter, welche die Verhängung des Kriegszustandes verkündeten und schon am Tage darauf wurde der Befehl zur Mobilmachung gegeben.

Nun ging es an die Arbeit, und hierbei trat in hohem Maße die kernige Kraft des deutschen Wesens hervor. In allen Städten und Gemeinden wurde der Mobilisierungsbefehl öffentlich angeschlagen, alsbald überall umlagert von den wackeren Streitern, die nun zu den Fahnen gerufen wurden, und fast plötzlich veränderte sich in den Garnisonstädten das alltägliche Straßenbild. Die kleidsame nagelneue Felduniform tauchte auf, und Feldgrau wurde in den Stadtteilen, wo die Kasernen liegen, schnell vorherrschend.

Schon am ersten Mobilmachungstage sah man ganze Kolonnen städtischer Reservisten zu den Meldeämtern ziehen, die sofort ärztlich untersucht, eingekleidet und mit Waffen und Munition versehen wurden. Alles ging wie bei einem Uhrwerk; glatt, wie am Schnürchen.
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Dann ein ununterbrochener Zufluß strammer, sonnenverbrannter Landleute, die ersichtlich soeben erst ihre Erntearbeiten im Stiche gelassen hatten, um dem Rufe des Vaterlandes Folge zu leisten. Mächtig dröhnte ihr wuchtiger Schritt auf dem ungewohnten Straßenpflaster, kraftvoll erklangen aus ihren frischen Kehlen patriotische Lieder. Ging es doch in den Kampf, in den Krieg, der den gewissenlosen, selbst vor dem Meuchelmord nicht zurückschreckenden Urhebern endloser politischer Ränke galt; ging es doch gegen Heuchelei und Verlogenheit, gegen den ganzen sittlichen Tiefstand, der um eigennütziger Zwecke willen die Früchte deutscher Arbeit und die Größe des Vaterlandes anzutasten wagte.

Mittlerweile hatte man auch schon aus Stadt und Land eine große Zahl Pferde eingebracht, die in endlosen Reihen in den weniger verkehrsreichen Straßen standen und sofort der Ausmusterung unterzogen wurden. Die Bahnhöfe waren für den alltäglichen Personen- und Güterverkehr längst gesperrt, die Maschinen dennoch unter Dampf. In aller Stille, teilweise sogar nächtlicherweile, wurden die ersten Frontregimenter einwaggoniert.

Oftmals wußte nur eine kleine Gemeine davon; sie, die Väter, Frauen und Schwestern, ließen es sich nicht nehmen, den Scheidenden das Geleite zu geben. Schweren Herzens mögen sie den Weg zu den streng bewachten Bahnhofschranken zurückgelegt haben. Aber in den letzten Augenblicken gab es doch noch da und dort eine ergreifende Szene, eine anfeuernde Rede, und als die Lokomotive zu schnauben begann, hüben wie drüben, solange man sich noch nahe wußte, begeisterte Hochrufe. Hoffen wir, daß sie alle, die da ausziehen, den Sieg in West und Ost erstreiten und durch neue Heldentaten den Ruhm des deutschen Heeres mehren!
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Sicherung der Wege und Bahnen.

(Hierzu die Bilder auf Seite 14, 15, 17.)
Schon in den Tagen vor der Mobilmachung lag es auf uns allen wie eine dumpfe Ahnung: »Gebt acht - seid auf der Hut!« Hatten doch erst kurz zuvor einige aufsehenerregende Spionageprozesse bewiesen, wie eifrig allerorten der Frank und der Rubel an der Arbeit waren, bedauernswerte Schwächlinge zum scheußlichsten Verbrechen, zum Landes-Verrat, zu verleiten. So wurde unwillkürlich, als der Krieg nicht mehr vermeidbar schien, jedes deutsche Auge mißtrauisch; man besah sich jeden genauer, der ungewohntes Wesen zur Schau trug. Und wenn es in der allgemeinen Aufregung auch zu manchen Fehlgriffen kam, wenn sich im heiligen Zorn über die Heimtücke und Hinterhältigkeit unserer Feinde der Eifer des öfteren in Übereifer verwandelte: mit Befriedigung können wir feststellen, daß es an keiner einzigen Stelle gelang, die deutsche Mobilisierung auch nur für Stunden zu stören oder aufzuhalten.

Wie jedem anderen Zweig der Mobilmachung, so galt in all den Friedensjahren die gleiche Sorgfalt unserer militärischen Behörden auch dem Schutz unserer Straßen und Bahnanlagen. Sie und den folgenden Aufmarsch vor feindlichen Störungen zu bewahren, ist in Grenzgebieten Sache des Grenzschutzes. Er arbeitet um so schneller, je bedrohter das betreffende Gebiet erscheint. Alle damit Beauftragten - Reservisten, Landwehr- und Landsturmmänner - wissen
genau, was sie zu tun haben. Wenige Stunden, nachdem der Mobilmachungsbefehl eingelangt ist, sind die Einberufenen eingekleidet und bewaffnet und eilen an die ihnen zugewiesenen Posten, sei es Bewachung von Brücken, Bahnhöfen, Tunnel- und sonstigen Kunstbauten, seien es Aufklärungs- und Meldedienste, innerhalb und jenseits der Grenzen.

Wer in den Tagen der Mobilmachung die Bahn benützen mußte, sah denn auch an jeder Weiche, an jedem Bahnübergang, Brückenkopf, kurz an jeder wichtigen Stelle die erforderlichen Bedeckungsmannschaften. Mit gleicher Genauigkeit wie die Beförderungsmittel wurden auch die Straßen beaufsichtigt, besonders die auf ihnen verkehrenden Automobile. Denn man sagte sich sofort, daß böswillige Feinde, denen die strenge Überwachung der Bahnhöfe bekannt war, es versuchen würden, dies modernste Fahrzeug ihren dunklen Plänen dienstbar zu machen. Was man da alles fing und unschädlich machte, wird man erst in späterer Zeit, nach dem Kriege, erfahren.

Aber auch hier hatten wir jedenfalls vollen Erfolg, denn schon nach wenigen Tagen konnten die Behörden verkünden, daß sich kein fremdes Automobil mehr auf deutschem Boden befinde.

Das feindliche Ausland hatte natürlich gleichfalls einen militärischen Überwachungsdienst seiner Bahnen eingerichtet. Aber wenn das nicht gegen Übeltäter aus dem eigenen Lager geschah, gegen uns hätten sie es sich wenigstens im inneren Lande ersparen können. Denn es ist nicht deutsche Art, von Amts wegen Schurken auszusenden, die unter dem Schutz der Gastfreundschaft Bomben herstellen, um sie aus dem Hinterhalt auf Brücken und fahrende Züge zu schleudern.
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Unsere Gegner.

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