Die Lebensbiografie von Curt Riess - geschrieben 1977
Der Schriftsteller Curt Riess (1902-1993 †) hatte 1956/57 und 1958 zwei Bücher über den Deutschen Film geschrieben. Als Emigrant in den USA und dann Auslands-Korrespondent und später als Presseoffizier im besetzten Nachkriegs-Berlin kam er mit den interessantesten Menschen zusammen, also nicht nur mit Filmleuten, auch mit Politikern. Die Biografien und Ereignisse hat er - seit 1952 in der Schweiz lebend - in mehreren Büchern - wie hier auch - in einer umschreibenden - nicht immer historisch korrekten - "Roman-Form" erzählt. Auch in diesem Buch gibt es neben den "Aufzählungen von Tatsachen" jede Menge Hintergrund- Informationen über seinen Werdegang, seine Reisen und das Entstehen der Filme, über die Schauspieler und Stars, das jeweilige politische Umfeld und die politische Einflußnahme. Die einführende Seite finden Sie hier.
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(18) Die Kommunisten und Hollywood
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Der Attache aus der Deutschen Botschaft in Paris kam zu mir
Meine einzige politische „Tat" während meiner Emigrationszeit - wohlverstanden: vor Ausbruch des Krieges - war eine Ohrfeige. Sie hat vermutlich zwei Menschen das Leben gerettet: meinen Eltern.
Ich war immer mal wieder in Paris. Oft drei- oder viermal in einem Jahr. Einmal meldete sich in meinem Hotel, dem „Scribe", unerwarteter Besuch. Der Herr, der in mein Zimmer trat, sagte, er sei Attache an der Deutschen Botschaft in Paris. „Ich komme, um Sie zu warnen."
Es sei kein Geheimnis, daß ich in meinen Berichten aus Amerika immer wieder etwas gegen den Nationalsozialismus einfließen lasse. So ginge das nicht weiter. „Immerhin, Ihre Eltern leben noch in Berlin. Da müßten Sie wohl damit rechnen, daß ..."
Weiter kam er nicht. Ich schlug ihm links und rechts in seine Fresse und sagte: „Passen Sie mal auf, Sie Lümmel! Wenn meinen Eltern nur das Geringste geschieht, stehe ich vor der Deutschen Botschaft hier in Paris. Und wenn Sie herauskommen, schieße ich Sie nieder wie einen tollen Hund. Und das sind Sie ja wohl auch. Und jetzt - raus!"
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Er ging sehr schnell, und meinen Eltern geschah nichts.
Allerdings rief ich sie noch am gleichen Tag an und sagte ihnen, wenn sie nicht in den nächsten Wochen Deutschland verließen, könnte ich nicht mehr für ihren Unterhalt sorgen.
Aus den Wochen wurden Monate. Aber sie kamen doch noch aus Deutschland (lebend) heraus, so Anfang 1939.
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Ich war (bislang) niemals ein politischer Mensch gewesen
Warum schrieb ich eigentlich nicht viel mehr Politisches oder nur der Politik gewidmete Artikel oder Berichte?
Der Grund: Ich war niemals ein politischer Mensch gewesen, auch damals nicht, als ich wohl einer hätte sein sollen. Und wenn ich auch immer wieder in meine Arbeiten antinazistische Bemerkungen einfließen ließ oder doch Hinweise darauf, für wie verwerflich ich das Regime hielt, so war das doch viel zu wenig, als daß ich mich hätte einen politisch aktiven Emigranten nennen können.
Es wäre falsch, zu verschweigen, daß die meisten Emigranten in erster Linie politische Emigranten waren. Es waren vor allem die „Linken" lange Zeit die einzigen, die etwas gegen den Hitlerismus zu unternehmen versuchten.
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Ich traf auch die politischen Emigranten - wie Otto Katz
Ich kam, das lag in der Natur der Sache, mit vielen von ihnen zusammen. Zuerst in Paris und dann in Amerika. Dort geriet ich in eine veritable kommunistische Clique. Ich glaube, der erste, den ich gut kennenlernte, war Otto Katz, der bereits erwähnte Mitverfasser der Braunbücher, der mit seiner bildhübschen Frau eines Tages in New York auftauchte.
Otto Katz war ein gutaussehender Mann, der überzeugen konnte. Er wurde von irgendeiner Organisation - ich interessierte mich vorerst nicht dafür, von welcher - im Lande herumgeschickt, um Reden zu halten.
Nebenbei schrieb er - das war schon 1940 - ein Buch über den Zusammenbruch Frankreichs. Das Buch war so verfaßt, daß man glauben mußte, er habe diesen Zusammenbruch persönlich mitgemacht und sich erst in letzter Minute aus Frankreich gerettet.
In Wirklichkeit schrieb er das Manuskript in New York. Ich fand diese Täuschung der Öffentlichkeit zu gutem Zweck - zur Aufrüttlung des amerikanischen Publikums - durchaus entschuldbar; heute (in 1977) bin ich anderer Ansicht.
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Gelegentlich lieh er sich auch meinen Smoking aus ...
...., wenn er einmal „fein" auftreten mußte. Angeblicher Zweck der Vorträge: Geld zu sammeln für den Bau und die Erhaltung eines Freiheitssenders - gegen Hitler natürlich. Der kam nie zustande, und erst relativ spät erfuhr ich, warum.
Was mir damals an Katz besonders imponierte, war, daß er, obwohl er Tausende sammelte, mit seiner Frau recht spartanisch lebte. Das hätte mir keinen so großen Eindruck gemacht, wäre mir bekannt gewesen, daß Katz, der sich übrigens meist Andre Simone nannte, seine Vorschriften, auch die Ausgaben betreffend, von der Kommunistischen Partei erhielt.
Um es gleich zu sagen: er war ein sowjetischer Agent, aber das ahnte ich damals natürlich nicht.
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Der nächste war Egon Erwin Kisch.
Dieser außerordentlich begabte Mann, Tschechoslowake übrigens, hatte sich mit dem Buch oder besser der Sammlung von Reportagen „Der rasende Reporter" einen Namen gemacht.
Er war als „rasender Reporter" zumindest in die zeitgenössische Publizistik eingegangen. Nicht zu unrecht. Er war in seinem Fach wohl der Beste. Und ich war stolz, als er mir sein Buch „Klassischer Journalismus", in dem immerhin Cäsar, Luther, Swift, Franklin, Kleist, Marx, Bismarck, Lessing und andere mit ihren „Journalistischen Arbeiten" zu Wort kamen, mit dem Satz widmete :
„Kisch gibt den klassischen Journalismus dem Curt Riess, der sicherlich in eine neue Ausgabe aufgenommen wird."
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Erwin Kisch war ein seltsamer Mann.
Ich unterhielt mich oft mit ihm -und hatte bald das Gefühl, nein, die Gewißheit: Einer, der politisch so engagiert war wie Kisch - und daran, daß er Kommunist war, ließ er nie einen Zweifel -, kann eigentlich kein echter Reporter sein.
Er muß ja alles durch seine Brille sehen, und wenn nötig, undeutlich. Das gab er übrigens auch zu. „Warum nicht? Die Partei ist wichtiger!"
Später, schon im Krieg, saß ich mit Freunden zusammen - dem Komponisten Eisler und seiner Frau -, bei denen Erwin Kisch wohnte und die ihn schätzten. Aber sie konnten sich und mir nicht verhehlen, daß er immer seltsamer wurde. Und das war noch gelinde ausgedrückt. Eine oder zwei Stunden später kam er recht angeregt von einer Party zurück.
Er erzählte, dort sei ein Graphologe gewesen und habe sich bereit erklärt, nach den Schriftproben des jeweiligen Schreibers, der ihm natürlich unbekannt war, etwas über dessen Charakter zu äußern.
„Stellt euch vor, was er sagte, als er meine Schrift sah! Er sagte, der Schreiber ist entweder verrückt oder wird es bald werden!" Kisch wollte sich totlachen. Uns war nicht nach Lachen zumute.
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Hanns Eisler war ein ungewöhnlich liebenswerter Mensch.
Dick, behäbig, sehr gescheit. Von seiner atonalen Musik verstand ich nicht allzu viel. Sie war das, was ich und andere damals als hochmodern und höchst überflüssig empfanden.
Das Nette an ihm war sein völliger Mangel an Erfolgsbedürfnis. Er lebte kümmerlich von Klavier- und Kompositionsstunden und in der Hoffnung, früher oder später vorzustoßen. Das gelang ihm auf dem Umweg über eine sehr linksgerichtete New Yorker Theatergruppe, der übrigens auch Eliah Kazan, damals noch ein junger Schauspieler, angehörte.
Bert Brecht sollte 1936 von Dänemark nach New York kommen
Durch Eisler kam ich wieder in Kontakt mit Bert Brecht. Eisler erzählte mir eines Tages, ich glaube es war Mitte 1936, Brecht käme von Dänemark nach New York. Man hatte übrigens berechtigte Besorgnis, daß er bei der Landung in Schwierigkeiten geraten würde.
Ich fuhr also - wieder einmal - in die Quarantäne hinaus, redete mit dem Einwanderungsbeamten, und Bert Brecht hatte keine unangenehmen Verhöre zu bestehen. Vielleicht wäre aber auch ohne meine Hilfestellung alles in Ordnung gegangen.
Denn er war ja eingeladen worden. Das Union's Theater, ein gewerkschaftliches Unternehmen, wollte seine „Mutter", frei nach Gorki, aufführen.
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Bert Brechts „Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui"
Ich sah ihn oft. Er unterhielt sich mit mir über die Arbeiten, die er in der Emigration geschrieben hatte, und schenkte mir einige hektographierte Exemplare mit persönlicher Widmung.
Er hatte den Plan, ein Stück über Hitlers Aufstieg zu drehen, und wollte ihn und die Seinen in Vergleich bringen mit den amerikanischen Gangstern.
Er war entzückt, daß ich durch meine Arbeit soviel über die Gangster wußte, und ich lieferte ihm dann auch Material zu dem, was später „Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui" werden sollte.
Wir gingen oft zu Boxkämpfen, die ihn faszinierten, und zu Sechstagerennen, die er liebte - wie schon in Berlin.
Er wollte partout den Sechstagefahrer Reggio McNamara kennenlernen, der in den zwanziger Jahren in Berlin alles in Grund und Boden fuhr und über den ein Bekannter Brechts sogar ein Gedicht geschrieben hatte.
Wir fuhren eigens, um ihn zu treffen, nach New Jersey hinaus, aber das Zusammentreffen wurde eher eine Anti-Klimax. Denn McNamara war eben ein Sechstagefahrer und sonst gar nichts und wußte nicht, wer Brecht war, noch was der von ihm wollte.
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Als Brecht das Wort „Scheiße!" in den Raum brüllte.
Die Proben im Union's Theater wurden immer schwieriger. Ein Grund: Die Leute dort hatten keine Ahnung von dem Brecht-Stil.
Der andere Grund: Weder Brecht noch Eisler vermochten den Schauspielern und dem Regisseur zu erklären, was nach ihrer Ansicht falsch war und warum. Sie konnten einfach nicht genug Englisch. Brecht bebte vor Wut und Entsetzen, während die Amerikaner glaubten, ihr Bestes zu tun, und es wohl auch taten.
Sie bemerkten zwar, daß Brecht mißgelaunt war, ahnten aber nicht einmal annähernd, wie sehr ihre Arbeit ihm gegen den Strich ging.
Bis Brecht plötzlich aufschnellte und das Wort „Scheiße!" in den Raum brüllte. Das verstanden nun alle. Leise Beratung auf der Bühne. Und das unter den gegebenen Umständen immer noch höfliche Ersuchen des Regisseurs an Brecht, das Theater zu verlassen. Ich hatte die Aufgabe, ihm zu übersetzen, was beschlossen worden war. Brecht stürzte hinaus, Eisler schloß sich ihm an.
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Brecht fluchte und fuhr zurück nach Europa
Die Premiere wurde dann von keinem der beiden besucht. Sie saßen vielmehr in einer Cafeteria auf der anderen Seite der Straße. Als Spione anwesend waren Lou Eisler und ich, die in jeder der zwei Pausen hinüberflitzten und Bericht erstatteten. Ich weiß nicht mehr, was ich erzählte.
Ich weiß nur noch, wie Brecht fluchte. Ein paar Tage später schiffte er sich wieder nach Europa ein. Ich sollte ihn erst viele Jahre später - ausgerechnet in Hollywood - wiedersehen.
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Hollywood. Ich mußte oft dorthin fahren oder fliegen.
Und ich tat es gern. Jedesmal, wenn ich dem Zug oder dem Flugzeug entstieg, fragte ich mich oft: Warum lebst du eigentlich nicht hier? Der Duft der Blüten, wohl vor allem der Orangenblüten, war betäubend. Freilich, die Faszination dauerte nie allzu lange. Aber das begriff ich erst später.
Denn in den ersten Jahren, so zwischen 1935 und 1939, war ich meist nur kurz an der Pazifischen Küste. Und fand es eigentlich immer schön. Der Himmel stets blau, die Häuser - fast - immer neu, alles wie frisch gewaschen (Anmkerung : das ist wirklich typisch Deutsch), und alle schienen dort glücklich oder fast glücklich zu sein.
Übrigens schrieb ich nach meinem ersten oder zweiten Besuch in Hollywood eine Reihe von Artikeln für den „Paris-soir", die unter dem Titel „Hollywood inconnu" erschienen und begierig gelesen wurden. Sie kamen dann auch gesammelt als Buch heraus.
Dies war, sehe ich von dem amerikanischen Sportbuch ab, mein zweites Buch, und wenn ich das erste auf deutsch geschrieben hatte, so schrieb ich das zweite auf französisch. Es erschien auch in Finnland, in Polen, in der Tschechoslowakei - nicht auf deutsch, sondern auf finnisch, polnisch und tschechisch - und in verschiedenen südamerikanischen Staaten, die übrigens auch in der Folgezeit viele meiner Bücher herausbrachten, freilich ohne je korrekt abzurechnen. - Dies war so eine südamerikanische "Besonderheit".
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Der allmächtige Pressechef der MGM war sauer
„Hollywood inconnu" war ziemlich kritisch. Ich sage ziemlich, denn verglichen mit dem, was seit jener Zeit über Hollywood geschrieben worden ist, war es eigentlich noch mild. Aber es erzürnte den allmächtigen Pressechef der MGM. Er saß in New York und bat mich dort um meinen Besuch. Als ich kam, überhäufte er mich mit Schimpfworten.
Wenn man ihm glauben durfte, war ich eigentlich nur durch MGM etwas geworden. Aber das würde jetzt anders werden. Ich hätte Atelierverbot, und er werde dafür sorgen, daß auch keine andere Firma mich je wieder auf ihr Gelände lassen würde.
Mein aufsehenerregender Artikel im „Paris-soir" mit Folgen
Ich war bestürzt, aber ich beschloß, mich nicht einschüchtern zu lassen. Ich schrieb einen wirklich aufsehenerregenden Artikel im „Paris-soir", der von dieser Vorzensur einer mächtigen Filmfirma berichtete.
Einer der ganz Großen von Hollywood, nämlich Louis B. Mayer selbst sah den Artikel während eines Europabesuchs oder hörte davon und pfiff den indignierten Pressechef zurück. Zweite Konferenz in dessen New Yorker Büro. Er sagte, ich hätte ihn wohl mißverstanden.
Und jedenfalls könnte ich jederzeit wieder auf seine Unterstützung rechnen, und das gleiche gelte für die anderen Filmgesellschaften. Er machte auch die Bemerkung, daß man ihm von „oben" nahegelegt hätte, mich „nett" zu behandeln. „Ich weiß freilich nicht, warum. Immerhin kann ich Ihnen mitteilen: Wir machen mehr als neunzig Prozent unseres Umsatzes im Land selbst. Europa, Afrika, Asien, Australien zusammen bringen nicht einmal zehn Prozent unseres Verdienstes."
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Hollywood war keine Stadt, keine Filmstadt
Das seltsame, ich möchte sagen das einzigartige an Hollywood war, daß diese Filmstadt keine Stadt war, nicht einmal ein Dorf.
Es handelte sich um Siedlungen, die Hollywood, Beverly Hills, Santa Monica, Brentwood oder Bei Air hießen. Von den wenigen Boulevards abgesehen, lagen die Häuser der im Film Beschäftigten meilenweit auseinander. Und es gab keine öffentlichen Verkehrsmittel. Ohne Auto war man verloren.
Das war für Amerika ganz selbstverständlich. Für einen, der aus Europa kam, war das Auto damals noch ein Luxus. Die Folge der Tatsache, daß Häuser und Filmateliers meilenweit verstreut standen: es gab wenig persönliche Kontakte.
Ich habe nie begriffen, warum die Familie Mann nach Kalifornien zog, denn eigentlich paßte der Osten mit seinem Europa ähnliehen Klima viel besser zu Thomas Mann, nicht zu reden von der Nähe der New Yorker Theater und Konzerte.
In Kalifornien lebte man, zumindest damals, ja auf dem Land.
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Gleiches galt für Arnold Schönberg, Strawinsky, Feuchtwanger
Ich verstand auch nicht, warum Arnold Schönberg sich dort niederließ oder Strawinsky oder Lion Feuchtwanger oder später Franz Werfel. Ich sah sie alle gelegentlich meiner vielen Reisen nach Hollywood.
Ich kann nicht behaupten, daß gerade sie eine Gemeinschaft bildeten, sagen wir eine, die den verbannten deutschen Geist repräsentiert hätte. Weit gefehlt. Sie verkehrten kaum miteinander.
Und sie sagten nicht immer Gutes voneinander. Übrigens bildete Thomas Mann hier eine Ausnahme. Wenn er jemanden nicht mochte, sagte er gar nichts über ihn.
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Kommen wir zu Marlene Dietrich ...
Die im Film beschäftigten Emigranten hingen mehr aneinander. Das Zentrum dieser Gemeinschaft bildete ohne Zweifel Marlene Dietrich, die ja vor Hitler herübergekommen war und schon deshalb nicht als Emigrantin gelten konnte, weil sie Deutschland nicht hatte verlassen müssen - ganz zu schweigen davon, daß Goebbels viel darum gegeben hätte, sie zurückzubekommen.
Sie erhielt laufend Anträge von ihm, die sie nicht einmal beantwortete. Schließlich waren die Männer, die sie „gemacht" hatten, Josef von Sternberg und Erich Pommer, als „rassisch indiskutabel" in Deutschland nicht mehr erlaubt, geschweige denn erwünscht.
Und sie fand, sie müsse diesen beiden die Treue halten und auch dem amerikanischen Publikum, das für sie viel mehr getan hatte als das deutsche.
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Marlene war eine erfolgreiche Filmschauspielerin .....
....., vielleicht um diese Zeit die erfolgreichste der Welt. Und sie nahm diesen Status als Filmstar, den sie gar nicht gewählt hatte - sie wäre 1929 viel lieber in Berlin geblieben und hätte dort bescheidene Rollen am Theater gespielt -, sehr ernst.
Ich erinnere mich eines Besuches bei ihr im „Waldorf Astoria" in New York. Sie war im Begriff, nach Hollywood abzureisen - noch per Zug.
Es war damals üblich, daß bekannte Persönlichkeiten nicht bis Los Angeles fuhren, sondern in Pasadena, der letzten Station vor Los Angeles, ausstiegen.
Dort wartete die Presse, und dort warteten die Photographen. Marlene telephonierte empört mit ihrem Schneider oder Schuster: sie würde in zwei Stunden abfahren und müßte dieses Kleid oder jene Schuhe haben, zum - ich zitiere wörtlich - „Aussteigen in Pasadena" ! - Sie kannte die Spielregeln und hielt sie ein.
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Marlene war immer bereit zu helfen.
Niemand vermag zu sagen, wieviel Geld sie an bedürftige Emigranten verlieh, will sagen verschenkte. Die Tatsache, daß sie heute, in den siebziger Jahren, keine schwerreiche Frau ist, hat wohl mit ihrer unbegrenzten Großzügigkeit in jenen Tagen zu tun.
Ich lernte sie durch Fritz Lang kennen, der einige Zeit mit ihr liiert war. Was mir an ihr fast noch mehr imponierte als ihre stete Bereitwilligkeit, ihr Scheckbuch zu zücken: Sie stand immer persönlich zur Verfügung.
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Da gibt es eine sehr lustige Geschichte von Marlene.
Es war kein Geheimnis, daß sie mit ihrem Regisseur Josef von Sternberg, der den „Blauen Engel" und dann ihre ersten amerikanischen Filme machte, mehr als gut befreundet war.
Das war 1930, als sie nach Hollywood kam. Frau von Sternberg drohte, Alarm zu schlagen, und dies hätte möglicherweise die amerikanischen Frauenvereine auf den Plan gerufen, die sowieso etwas an den schönen Beinen Marlenes und ihrer Gewohnheit, viel davon zu zeigen, auszusetzen hatten.
Ein Skandal hätte der Paramount, die auf Marlene setzte, schlecht in den Kram gepaßt. Man holte also eilends Marlenes Mann aus Berlin und schärfte ihm ein, bei den unumgänglichen und in diesem Fall sogar erwünschten Pressekonferenzen auf die häuslichen Tugenden seiner Frau hinzuweisen.
Noch an Bord wurde er gefragt: „Was schätzen Sie an Ihrer Frau am meisten?" Wohlgemerkt, damals war Marlene das Sexidol schlechthin. Und er antwortete: „Sie bäckt so vorzügliche Pfannkuchen!"
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Nun, ich bin dafür Zeuge: das tat sie wirklich.
Und sie war sich nicht zu schade, es für die Emigranten zu tun, und auch sonst deutsche, vor allem Berliner Spezialitäten höchstpersönlich zu bereiten - in ihrer Prunkvilla mit Swimmingpool, privatem Tennisplatz und vielen Bediensteten.
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Sie war eben eine großartige Frau.
Sie ist es noch immer. Es ist in den 1970er Jahren Mode geworden, darüber zu spotten, daß sie als alternde Frau noch immer auftritt. Alle ärgern sich darüber, daß sie, wie man so schön sagt, „nicht vernünftig genug ist, abzutreten".
Sie ist es, aber sie kann es sich nicht leisten. Sie, die Millionen verdient hat, ist heute (in 1977) eine arme Frau. Sie mußte zu viele Menschen ernähren. Ihren Mann, von dem sie sich nie scheiden ließ, und seine Freundin. Ihre Tochter, ihren Schwiegersohn und ihr Enkelkind.
Und viele Freunde. Und viele, die einfach zu ihr kamen, weil sie wußten, sie würden nicht abschlägig beschieden werden. Noch einmal: eine großartige Frau.
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Eine Mittelpunktsfigur der Hollywooder Emigrantengemeinschaft
Auch die andere Mittelpunktsfigur der Hollywooder Emigrantengemeinschaft war kein echter Emigrant: Ernst Lubitsch, immerhin schon 1923 nach Hollywood gekommen, hatte allerdings seine deutsche Staatsbürgerschaft beibehalten. Erst an dem Tag, als die Zeitungen meldeten, Hitler sei Reichskanzler geworden, also 1933, suchte er um die amerikanische Staatsbürgerschaft nach.
Er galt, als ich Hollywood regelmäßig zu besuchen begann, wohl schon als der bedeutendste Filmregisseur der Welt. Aber er machte, als einziger vermutlich, keinen Gebrauch von seinem Status.
Er verkehrte, mit wem er Lust hatte, und kümmerte sich nicht um dessen Gage. Über ihn, über seine Bedeutung, über seine Spezialität, den Lubitsch-Touch, die Kunst der leisen Andeutung gebührend zu berichten, bedürfte es wohl eines ganzen Buches.
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Ich beschränke mich daher auf eine einzige Lubitsch Anekdote.
Es war kurz vor Weihnachten oder vor Ostern. Wir aßen zusammen im „Brown Derby" am Wilshire Boulevard, und er zeigte sich verärgert.
„Da hat mich der ,Hollywood Reporter* gefragt, ob ich nicht ein Inserat im Umfang einer Seite nehmen wolle. Um meinen Freunden ,Fröhliche Feiertage' zu wünschen!"
„Sie brauchen doch nicht zu inserieren."
„Vergessen Sie nicht, in acht Wochen kommt mein neuer Film heraus. Die würden ihn verreißen."
„Und wenn schon!"
Er gab keine Antwort.
Etwa zehn Wochen später: die Premiere war längst vorbei. Ich sah Lubitsch im „Trocadero", einem Nachtlokal am Sunset Boulevard. Er winkte mich heran: „Wie hat Ihnen mein letzter Film gefallen?"
Ich mußte nicht einmal lügen, als ich mich begeistert zeigte. Lubitsch strahlte. „Haben Sie den ,Hollywood Reporter' gelesen? Eine Hymne!"
Ich: „Das war doch zu erwarten, nachdem Sie das Inserat aufgegeben und viel Geld gezahlt haben."
Er überlegte einen Augenblick. „Aber es freut einen eben doch!"
Das war Lubitsch. Und das hätte in einem Lubitsch-Film vorkommen können.
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Der Deutsche Billy Wilder fing in Hollywood klein an
Billy Wilder holte mich bei meinem ersten Hollywood-Besuch vom Flugplatz ab. Er hatte anfangs eine nicht eben große Stellung bei der Paramount ergattert, als Verfasser von Drehbüchern. Er wußte mit tausend Ideen aufzuwarten.
Eine, die er mir - und vermutlich auch anderen - immer wieder erzählte: „Ein junger Mann kommt in ein Kaufhaus. Er will einen Pyjama, aber nur den Oberteil. Darauf besteht er. Es trifft sich gut, daß eine junge Dame nur die Hosen eines Pyjamas kaufen will. So lernen sie sich kennen. Wie findest Du das?"
Ich fand es nicht so toll. Lubitsch aber war anderer Meinung. Sein Film „Blaubarts achte Frau" begann mit dieser Anekdote. Ich glaube, das war das erste Mal, daß Billy Wilder als Autor eines Films Aufsehen erregte.
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Ich traf den hochbegabten Musiker Franz Waxmann ....
....., den ich aus Paris flüchtig kannte und der sich in Hollywood bereits einen Namen machte. Und durch ihn, in seinem Haus, Friedrich Holländer, der in Berlin bezauberndes und, wie man heute sagen würde, gesellschaftskritisches Kabarett gemacht hatte.
Er hatte auch die Musik zum „Blauen Engel" und zu anderen Filmen geschrieben. Er besaß damals auch einen kleinen Kontrakt mit irgendeiner Filmfirma, aber er sollte in Hollywood große Karriere machen. Bald gab es kaum noch einen Film, zu dem er nicht die musikalische Illustration geliefert hätte.
Ich traf - natürlich - immer wieder Peter Lorre, der über einen Hitchcock-Film in London nach Hollywood gekommen war, wo er in unzähligen Kriminalfilmen den Bösewicht spielte, sozusagen am laufenden Band, und später auch einen sehr geschickten und sympathischen japanischen Detektiv.
Dem wurde freilich, als der Krieg ausbrach, sehr schnell der Garaus gemacht, will sagen er wurde abgesetzt. Denn wenn auch bis zum japanischen Überfall auf Pearl Harbour kein Grund vorlag, warum ein japanischer Detektiv nicht tüchtig und sympathisch sein sollte - danach war eben alles anders.
Aber ich eile den Tatsachen voraus. Noch lebten wir ja im sogenannten Frieden.
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Inzwischen war ich ein Pressemann - wenn auch nur aus Paris ....
Da ich als Pressemann, wenn auch „nur" aus Paris, mich unter den Fittichen der Publicity-Abteilungen oder der Pressechefs der großen Firmen befand, konnte ich eigentlich alle kennenlernen, die mich interessierten. Alle - im Atelier oder beim Cocktail, vielleicht mit Ausnahme von Greta Garbo, die dergleichen nicht mitmachte.
Man könnte nun sagen, Metro-Goldwyn-Mayer respektierte ihre Wünsche. Aber es war anders. Hollywood respektierte prinzipiell nie Wünsche eines Stars, etwa am Morgen später mit dem Drehen anzufangen oder sich zu bestimmten Zeiten nicht photographieren zu lassen.
Louis B. Mayer, der Produktionschef der MGM, wiederholte es stets: „Bei der Arbeit" - und damit meinte er das Leben in Hollywood schlechthin - „gibt's keine Stars. Stars gibt es nur an der Kasse."
Stars gibt es nur an der Kasse
Und das galt natürlich auch für die Wünsche der Garbo, die übrigens in Hollywood keineswegs so wichtig genommen wurde, wie man sich das in Europa vorstellte. Man nahm ihre Wünsche zwar nicht ernst, aber man machte aus ihnen einen Publicity-Gag. Sie war eben nicht zu interviewen, sie war nicht privat zu photographieren. Das war etwas, worüber die Reporter schreiben konnten und auch schrieben.
Vicki Baum machte mich mit Greta Garbo bekannt
Übrigens lernte ich die Garbo schon in Berlin kennen, und dann wieder in Hollywood, aber nicht durch die Publicity-Abteilung der MGM, sondern durch die Schriftstellerin und jetzt in Hollywood Verfasserin von Drehbüchern, Vicki Baum, in deren Film „Menschen im Hotel" die Garbo die Hauptrolle gespielt hatte.
Ich kannte Vicki Baum auch von Berlin her. Wir hatten uns besser in New York kennengelernt, aber in Hollywood wurden wir Freunde. Auch sie war, wenn man so sagen darf, eine Voremigrantin.
Sie hatte 1931 die USA besucht, kam auch nach Hollywood, wo gerade ihr Roman verfilmt wurde, und man machte ihr das Angebot, dort zu bleiben und für den Film zu schreiben. Sie erbat sich Bedenkzeit und kehrte nach Berlin zurück, zu Ullstein, dort arbeitete sie als Redakteurin der „Dame".
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Vicki Baum hatte die Nazis schnell durchschaut ....
„Ich war nur ein paar Monate fortgewesen. Aber in dieser Zeit hatte ich fleißig amerikanische Zeitungen gelesen. Und sie waren ganz offen, was die Nazi-Gefahr in Deutschland anging.
Sie meldeten Dinge, die von der deutschen Presse heruntergespielt wurden. Noch in den Vereinigten Staaten begriff ich, daß Hitler sehr bald an die Macht kommen würde. Und nach Deutschland zurückgekehrt, sah ich die dortige Wirklichkeit nun mit anderen Augen.
Nämlich mit offenen Augen. Warum ich Hitlers Marsch in Richtung Macht nicht früher hatte kommen sehen?
Vermutlich, weil ich zu sehr ,drin' war. Nun sagte ich der MGM telephonisch zu, packte meine Koffer und meine Familie zusammen, und ein paar Monate später waren wir schon hier."
Vicki Baum gehörte zu den besten Freunden, die ich je hatte
Vicki Baum, klein, blond, ungemein anziehend, war eine der Frauen, die man nie vergessen kann. Sie gehörte zu den besten Freunden, die ich je hatte. Sie war, obwohl nie ganz gesund, immer guter Laune, immer an dem Schicksal oder auch nur an den kleinen oder großen Sorgen der anderen interessiert und auch immer bereit zu helfen, wo es not tat.
Sie war zumindest eine Zeitlang eine der berühmtesten Schriftstellerinnen ihrer Zeit, sicher eine der erfolgreichsten. Aber das machte sie einen vergessen, wenn man mit ihr zusammenkam. Sie war das, was man einen „Kumpel" nennt. Und stets voller Ideen und Einfälle.
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Wo kamen alle ihre Einfälle her?
„Ich weiß auch nicht. Ich sitze in der Untergrundbahn oder in einem Omnibus und betrachte die Menschen. Und ich stelle mir die Frage :
Wie mag es wohl bei denen zu Hause aussehen? Hat er eine Frau? Hat sie einen Freund? Was reden sie miteinander? Betrügt sie ihn? Oder er sie? Was denkt sie? Was denkt er?
Aber hier in Hollywood gibt es ja keine Untergrundbahn und keinen Omnibus. Man fährt immer im eigenen Wagen. Man trifft keine fremden Menschen. Man trifft immer nur dieselben, immer nur auf Parties, wo immer das gleiche geredet wird. Natürlich bin ich auch mal spazierengegangen, abends, vielleicht zehn Minuten lang.
Dann hielt auch schon ein Polizeiauto. Die Polizisten wollten wissen, was ich auf der Straße zu suchen hätte. Spazierengehen? Sie glaubten mir nicht. Sie hielten das für verdächtig. Ich mußte mit ihnen nach Hause fahren und ihnen meine Papiere vorzeigen.
Ja, sehen Sie, Curt, das ist vielleicht der Grund dafür, daß mir hier so wenig einfällt. In New York fällt mir sofort etwas ein. Ich meine eben, daß ich mit meinen paar Bekannten hier doch recht isoliert bin.
Das ist vielleicht der Grund dafür, daß die meisten von uns Schriftstellern so nach zwei oder drei Jahren Hollywood wieder verlassen. Sie langweilen sich, und es fällt ihnen nichts mehr ein."
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Wenn man tausend Dollar pro Woche verdient ......
Was Kontakte angeht oder vielmehr den Mangel an Kontakten - Vicki Baum formulierte es so:
„Wenn man tausend Dollar pro Woche verdient, ist es kaum möglich, mit jemandem zusammenzukommen, der dreitausend kassiert. Und der wiederum wird niemals in den Zirkel derjenigen gelangen, die fünftausend oder gar zehntausend verdienen."
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- Anmerkung : Wir sind immer noch in USA in den goldenen Friedens-Jahren vor 1940 und ein amerikanischer Luxusschlitten kostete neu etwa 2.000 Dollar und war über 7 Meter lang und hatte einen 5 Liter 250 PS Achtzylinder Motor. Das nur als Information, was es bedeutete, 1.000 Dollar pro Woche !!! zu bekommen.
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Tausend Dollar war die untere Grenze .......
Diese Zahlen scheinen übertrieben zu sein, sind es aber nicht.
Tausend Dollar war die untere Grenze, die ein Script-Verfasser verdienen konnte oder durfte. Die besseren oder diejenigen, die man für zugkräftiger hielt, kassierten so um dreitausend oder bis fünftausend herum.
Ein Star, gleichgültig ob Schauspieler oder Regisseur, dürfte wohl zehntausend oder mehr beansprucht haben. Und die Einkommen oder Einkommensgrenzen stellten eben auch Grenzen des Verkehrs oder der Verkehrsmöglichkeiten dar.
Vicki nahm mich auf eine dieser Promi-Partys mit.
Ich lernte dort viele Berühmtheiten kennen, zum Beispiel Gary Cooper, Clark Gable und Claudette Colbert, und Anita Loos, die Gastgeberin.
Es war eine tolle Party, das heißt, es wurde unheimlich viel getrunken. Und dann saß man im Garten und starrte in den kalifornischen Himmel und wußte eigentlich nicht, wovon man sprechen sollte. Man einigte sich schließlich auf Gesellschaftsspiele.
Jemand, ich glaube, es war Marion Davies, hatte den glorreichen Einfall, jeder solle auf ein Stück Papier schreiben, mit wem er am liebsten schlafen würde. Die Abstimmung mußte geheim und nach Geschlechtern getrennt sein.
Das Ergebnis: Die meisten Damen bevorzugten Gary Cooper. Und die Herren? Sie bevorzugten ebenfalls Gary Cooper!
Als man dem „Sieger" diese doch erfreuliche Neuigkeit überbringen wollte, stellte sich heraus, daß er in seinem Liegestuhl eingeschlafen war.
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Da war auch Anita Loos
Anita Loos: eine winzige Frau mit kohlrabenschwarzem Haar im Herrenschnitt, mit riesengroßen schwarzen Augen. Mit einem - inzwischen längst verstorbenen - in Stummfilmkreisen recht bekannten Produzenten verheiratet, Autorin eines - nein, wirklich des Bestsellers der damaligen Zeit: „Gentlemen prefer Blondes", der in den 1950er Jahren noch mit der Monroe verfilmt wurde. Zum vierten, zum sechsten Mal?
Anita war sehr gescheit und ein Profi. Um diese Zeit arbeitete sie nur für den Film, über den sie sich beständig lustig machte. Zahlreiche Erfolgsfilme stammten aus ihrer Feder, zum Beispiel „San Francisco".
Sie war der amüsanteste Mensch, den man sich vorstellen kann. Man mußte immer mit ihr lachen. Es ist schwer, eigentlich unmöglich, ihre Persönlichkeit denen deutlichzumachen, die jenes Hollywood nicht gekannt haben.
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Sogenannte "Gagmen" wurden Spezialisten engagiert
Man erinnert sich wohl noch der Filme, in denen ein Gag den anderen jagte. Dazu wurden seinerzeit Spezialisten engagiert, sogenannte Gagmen, die nichts weiter zu tun hatten, als sich dergleichen auszudenken.
Anita brauchte keinen. Sie war wie die lustigen Filme, die mit so viel Mühe und Schweiß fabriziert wurden, nur daß bei ihr alles mühelos kam. Man konnte mit ihr reden, worüber man wollte - im nächsten Augenblick kam eine Pointe, und die saß.
Der tiefere Grund für ihren Humor war wohl eine Respektlosigkeit, die in Hollywood trotz oder eben wegen der hohen Gagen eine Seltenheit war. Je höher jemand bewertet wurde, um so mehr zitterte er.
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Anita Loos zitterte nie. Auch nicht, wenn sie mit ihrer Freundin Marion Davies sprach.
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Marion Davies - Freundin des Zeitungskönigs Hearst
Marion Davies war eine Schauspielerin mit sehr viel Talent zur Komik, die eine Sonderstellung in Hollywood einnahm.
Aus ihr hätte wohl viel mehr werden können, wenn sie nicht die Freundin und jahrelange Lebensgefährtin des allmächtigen Zeitungskönigs Hearst gewesen wäre.
Der konnte zwar viel - er herrschte immerhin über dreißig Zeitungen oder mehr und zahlreiche Zeitschriften und einen Nachrichtendienst, und hatte Aktienmehrheiten in zumindest zwei großen Filmgesellschaften - aber eines vermochte auch er nicht: Marion Davies stets um sich zu haben und ihr gleichzeitig eine ganz große Filmkarriere zu ermöglichen.
Sie machte eine gewisse Karriere, aber das hätte sie vielleicht auch ohne ihn geschafft: Hollywood war - unter anderem - auch eifersüchtig.
Ich lernte die Davies kennen und schrieb natürlich auch über sie. Und so wollte Hearst mich kennenlernen - oder wollte sie, daß er mich kennenlernte?
Ich wurde zu Hearst eingeladen ....
Ich wurde zu ihm eingeladen - er wohnte gerade in seiner sehr geräumigen Villa am Strand von Santa Monica, nicht in seinem ungeheuren Palast in San Simeon, von dem man sich die unglaublichsten Dinge erzählte:
Von der Ausdehnung des Grundstücks, einem kleinen europäischen Land entsprechend; von dem Wildpark mit Löwen und Tigern und allem, was dazu gehört; von dem unbeschreiblichen Luxus, der im Palast und den zahlreichen Nebenpalais getrieben würde; von den alten Bildern und alten Gebäuden, die Stein für Stein aus Europa herübertransportiert und wieder zusammengesetzt worden waren.
Was in San Simeon geschah, stellte alles in den Schatten, was Hollywood zu bieten hatte, und das wollte wohl etwas sagen.
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„Sie wollen für mich arbeiten?"
Hearst war damals schon ein sehr alter Herr und in jeder Beziehung imposant. Er besah mich, als sei ich ein altes Bild oder ein altes Palais, das er zu erwerben gedachte. Er fragte mich nach einer Weile: „Sie wollen für mich arbeiten?"
Ich zögerte. Nicht, weil ich ihn, dessen Art von Journalismus keineswegs von allen geschätzt wurde, ablehnte, sondern weil ich keine amerikanische Karriere im Auge hatte - vorläufig noch nicht. Der Gedanke war mir überhaupt noch nicht gekommen.
Aber dann dachte ich: Warum eigentlich nicht? Und genau das antwortete ich auch: „Warum nicht?"
„Sie scheinen nicht gerade begeistert zu sein."
Was sollte ich ihm antworten? Daß ich natürlich daran interessiert sein konnte, für einen so bedeutenden Konzern wie den von Hearst tätig zu werden, wenngleich Hearst als hoffnungslos reaktionär galt.
Er machte zum Beispiel alle seine Zeitungen gegen Roosevelt mobil, auf dessen Seite er 1932 noch gestanden hatte; allerdings vermochte er Roosevelt nicht zu schaden.
Er sagte: „Wir könnten so einen - someone like you - brauchen ..." und fügte hinzu: „Ich werde Sie also engagieren."
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Hearst ließ alles schriftlich machen .... nicht immer
Als ich ins Hotel zurückkam, lag schon eine entsprechende Depesche vor - Hearst schrieb nie, er telegraphierte stets. Das Telegramm besagte, ein Vertrag, durch die zentrale Verwaltung in New York ausgestellt, würde in Kürze folgen. Er folgte nie.
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Fritz Lang hatte es anfangs schwer.
MGM engagierte ihn noch in Paris, aber im Verhältnis zu anderen Regisseuren war seine Gage läppisch. Schlimmer: das Budget, das man ihm für seinen ersten Film zubilligte, war völlig ungenügend, und der Film wurde als ein sogenannter B-Film klassifiziert, im Gegensatz zu den A-Filmen, für die fast unbegrenzte Mittel zur Verfügung standen.
Trotzdem entstand ein Meisterwerk: „Fury". Der Film brachte auch die Entdeckung Spencer Tracys. Als MGM nun, da Lang mit wenig Geld mehr Geld für die Firma einspielte als die viel höher dotierten Regisseure, ihm bessere Angebote machte, fand man ihn, um es milde auszudrücken, höchst unzugänglich.
Er hatte nämlich, während er seinen Film drehte, gar nicht gewußt, daß er eigentlich einen B-Film machte, und es erst nachträglich erfahren. Das erzürnte ihn über alle Maßen.
Es gab einen solchen Krach mit der Firma, daß Louis B. Mayer erklärte, er würde lieber ein paar Millionen Dollar weniger verdienen, als noch etwas mit diesem schrecklichen „Preußen" zu tun haben. Lang war übrigens gar kein Preuße, er stammte nämlich aus Wien.
- Anmerkung von Gert Redlich : Bei meinen Besuchen in USA 1986 und 1987 wurde sogar die Schweiz immer noch als Provinz von Bayern betrachtet (das bezog sich auf die schweizer Revox A77 Tonbandgeräte, die ein Made in Germany drauf hatten) - und das war in 1986. Deshalb die Pointe mit dem MGM Chef.
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Ich war damals zu Gast in Fritz Langs Haus
Ich lebte damals gerade in seinem Haus. Wir sahen uns also täglich, um nicht zu sagen stündlich. Es dauerte einige Zeit, bis ihm andere große Filmgesellschaften Angebote machten. Aber sie kamen schließlich doch.
Man kam an ihm nicht vorbei, nicht nur, weil er ein großer Könner war, sondern weil er soviel Geld einspielte.
Ich lernte den berühmten Operettenkomponisten Emmerich Kálmán kennen, der in Hollywood nichts erreichen konnte. Man hatte zwar die Rechte für seine Operette „Gräfin Mariza" für dreihunderttausend Dollar gekauft, aber man verspürte wenig Lust, die Sache zu verfilmen.
Wer sollte denn das Drehbuch schreiben? Mr. Mayer schlug Kaiman - logisch genug - verschiedene Ungarn vor, die sich in Hollywood befanden. Bei jedem Namen - ich will sie aus Gutmütigkeit nicht nennen - antwortete Kálmán ungefähr: „Ist sähr gutter Freind von mir. Ist sähr gutter Mann."
Schließlich wurde ihm noch der Name eines Drehbuchherstellers genannt, der nicht Ungar war und der, sagen wir, Smith hieß. Kálmán : „Smith? Kenne ich nicht, weiß ich nichts von ihm."
Und als nun Mayer fragte, wen er sich denn als Drehbuchautor wünsche, antwortete er prompt: „Smith!"
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Zurück in Neww York begann Emmerich Kálmán zu spekulieren
Aber der Film kam nicht zustande, und Kálmán kehrte mit Familie nach New York zurück. Dort besuchte ich ihn oft. Es saßen immer ein halbes Dutzend Ungarn um seinen Tisch herum; sie mästeten sich auf seine Kosten und unterbrachen sich dabei nur, um ihrem Gastgeber zu versichern, daß er und seine Musik völlig veraltet seien und in Amerika keine Chance hätten.
Kálmán, die Bescheidenheit selbst, lächelte zu allem verbindlich.
Inzwischen spekulierte er mit den dreihunderttausend Dollar - er hatte sich in seiner Wohnung an der Park Avenue ein Büro eingerichtet mit einer veritablen Radiostation, durch die er Tag und Nacht in Erfahrung bringen konnte, wie dieses oder jenes Papier, diese oder jene Valuta in Buenos Aires oder Zürich gerade gehandelt wurde.
Kurz: er machte aus den dreihunderttausend Dollar etwa zwanzig Millionen Dollar.
Ich sagte einmal zu ihm: „Für einen Komponisten verstehen Sie aber viel von der Börse!" Und er antwortete: „Sagen Sie lieber: für einen Börsianer kann ich ganz gut komponieren!"
Er war, wie gesagt, nett und gutmütig und hatte eine bezaubernde Frau, so schön wie die Garbo und in jedem Sinne unverwüstlich.
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Ich begegnete in Hollywood auch Fritzi Massary.
Ich hatte sie schon oft in New York getroffen, dort lebte sie, bevor sie nach Kalifornien übersiedelte. Fritzi Massary! Der Star Berlins schlechthin von 1902 bis 1932. Ich erzählte ja schon kurz von ihr.
Sie, die immer Erfolgreiche, hatte ein grausames Schicksal erleiden müssen. Als 1933 Hitler kam, waren sie und ihr Mann, Max Pallenberg, beide jüdisch, aus Deutschland fortgegangen.
Sie waren noch einige Zeit in Wien aufgetreten, und Pallenberg machte immer mal wieder kurze Gastspiele in der Tschechoslowakei. Bei dem Flug Prag-Karlsbad, wo er am Abend auftreten sollte, kam er um.
Fritzis Leben war in doppeltem Sinne zu Ende. Sie hatte keine Lust mehr zu spielen - obwohl Noel Coward sie noch einmal dazu überredete, es in London zu versuchen, und für sie ein Stück namens „Operette" schrieb, das freilich wenig Erfolg hatte.
Was sie nicht verwinden konnte, war der Tod von „Bulli"
Das war für Fritzi nicht so schlimm. Was sie nicht verwinden konnte, war der Tod von „Bulli", wie sie und eigentlich wir alle Pallenberg nannten. In New York ging ich manchmal, nein, eigentlich oft mit ihr ins Theater. Und immer wieder kam die Frage von ihr: „Wäre das nicht eine Rolle für Bulli gewesen?"
Übrigens: Über diese bemerkenswerte Frau wird später noch berichtet werden, und auch über die seltsame Geschichte des Todes von Bulli.
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Mein Wiedersehen mit Max Reinhardt in Hollywood
Vielleicht mein traurigstes Erlebnis in Kalifornien war das Wiedersehen mit Max Reinhardt. Er hatte einen Film „Sommernachtstraum" gedreht, der kein wirklicher Erfolg gewesen war - nach dreißig, vierzig Jahren wird er freilich immer besser.
Er hatte in New York keine Erfolge erzielt und sich auf die Versprechungen von Hollywood-Filmproduzenten verlassen, weitere Filme mit ihm zu machen. Diese Versprechen waren nicht eingelöst worden.
Er eröffnete eine Schauspielschule in Hollywood - einen sogenannten Work Shop, und obgleich seine Produktionen mit jungen und jüngsten amerikanischen Schauspielschülern höchst bemerkenswert waren - der Erfolg der Aufführungen blieb aus, und damit auch das Geld.
Als ich ihn besuchte, hatte er gerade wieder Anfragen aus New York.
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Er wollte meinen Rat, zumindest fragte er danach.
Ich sagte so ungefähr: „Sie haben in New York Werfels Monsterstück über die biblische Geschichte und das ewige Schicksal der Juden inszeniert, ein Stück mit ungeheurem Aufwand an Dekorationen und Personal - und es interessierte nicht sonderlich.
Sie haben andere aufwendige Stücke inszeniert, und der Erfolg hat sich nicht eingestellt. Warum immer so aufwendig? Ich glaube, Sie unterschätzen das New Yorker Publikum. In New York muß man nicht unbedingt imponieren.
Die Leute wollen nicht nur Shows. Wie wäre es mit einem Kammerspiel? Kleine Stücke mit wenig Personen. Die waren doch in Berlin Ihre größten Erfolge. Ich denke an ,Clavigo', an ,Stella', an ,Gespenster'. Warum nicht einmal so etwas?"
Er sah mich lange an. Und dann sagte er: „Was würden Sie davon halten, wenn ich noch einmal ,Das Mirakel' machen würde?" Das „Mirakel" war eine Pantomime, die er seit 1912 - damals zuerst in London - immer wieder produziert hatte, auch in New York im Jahre 1924, wenn ich nicht irre.
Das war eine sehr aufwendige Geschichte mit unzähligen Rollen und ungefähr hundert Statisten oder vielleicht auch mehr: eine Super-Show. „Was würden Sie davon halten . . .?" Und das nach meinem Vorschlag, etwas Intimes zu machen, ein Kammerspiel, etwas, das auf leise Wirkungen gestellt war. Und das nach dem, was ich ihm über das New Yorker Publikum gesagt und was er ja auch am eigenen Leib erfahren hatte ...
Ich schwieg. Ich dachte: Vielleicht hat er recht. Aber ich wußte es wohl besser.
Durch Zufall traf ich Charlie Chaplin in Hollywood .....
.... , auf einer kleinen Gesellschaft von Marion Davies. Zufall, denn er besuchte Gesellschaften nur selten. Zufall auch, daß er an diesem Abend besonders zugänglich war, und „Paris-soir" konnte sich vor Entzücken gar nicht fassen, daß ich eines der wenigen Interviews, die er gab, kabeln konnte. Genaugenommen war es nicht einmal ein Interview. Wir hatten nur geplaudert.
„Paris-soir" telegraphierte zurück, ob ich nicht etwas über Edna Purviance in Erfahrung bringen könne. Edna Purviance - der Name dürfte heute nur noch wenigen in Erinnerung sein - war das schöne, vielleicht etwas zu üppige Mädchen, das in allen Filmen Chaplins bis zum Anfang der zwanziger Jahre - also in allen seinen kürzeren Filmen - seine Partnerin gewesen war.
Dann hatte er mit ihr in der Hauptrolle einen ernsten Film gedreht, „A Woman of Paris", in dem er selbst nur für Sekunden als Statist zu sehen war, und dann war sie von der Bildfläche verschwunden.
Die Suche nach Edna Purviance, Chaplins Partnerein
Ich fragte bei den großen Filmgesellschaften nach. Sie stand auf keiner ihrer Listen als Darstellerin. Ich telephonierte mit der großen Organisation General Casting, die Kleindarsteller oder Statisten vermittelte. Mindestens ein halbes Dutzend Pressechefs und Publicity-Agenten bemühten sich für mich. Nichts.
Schließlich meinten sie unisono: „Entweder ist sie gestorben oder woanders hingezogen, oder sie hat geheiratet und lebt unter einem anderen Namen. Sonst wüßten wir, wo sie steckt!"
Das leuchtete mir ein. Trotzdem tat ich etwas Absonderliches. Zumindest hätten es alle Filmfachleute so genannt.
Ich sah im Telephonbuch von Los Angeles nach, und da stand: Purviance, Edna. Ich rief sie an. Sie war am Telephon. Aber natürlich würde sie gern in mein Hotel zum Interview kommen, sie hätte ja eigentlich gar nichts zu tun. Es seien außerdem nur ein paar Schritte.
Sie kam. Sie war reizend. Freilich, ein bißchen voller als damals - ein bißchen zu aufgebläht. Daß sie trank, war nicht zu übersehen, und sie gab es auch ungefragt zu.
Das erwähnte ich freilich nicht in dem Artikel, den ich über sie schrieb. Auch nicht, daß sie keinen besonderen Ehrgeiz zu filmen mehr verspürte. Sorgen? Nein, Sorgen hatte sie keine. (Doch - Ihr Mann John P. Squire war im Juni 1945 in San Francisco gestorben) Chaplin schickte ihr jeden Monat einen Scheck in der gleichen Höhe wie damals, als sie noch mit ihm arbeitete. Heute kann ich das schreiben. Sie ist vor einigen Jahren (Jan 1958) an Krebs gestorben.
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Edna Purviance's Geschichte erscheint mir typisch für Hollywood
Die Geschichte mit Edna Purviance erscheint mir ungemein typisch für Hollywood. Das ist ein Ort, in dem Organisation groß geschrieben wird. Das ist ein Ort, in dem man für Stars quantitativ wie kostenmäßig eine unglaubliche Propaganda betreibt.
Freilich - nur für die Stars von heute. Die Stars von gestern sind schnell vergessen. So vergessen, daß nicht einmal jemand auf die Idee kommt, sie könnten noch im Telephonbuch stehen.
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