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Kleine Geschichte des deutschen Fernsehens aus 1969

Ein Buch von Dr.-Ing. E. h. Walter Bruch aus dem Jahr 1969 aus dem Fundus des ehemaligen "Vereins zur Errichtung eines Fernsehmuseums" in Wiesbaden. Mehr über die Glorie, die Publikationen und das Vermächtnis des Ehrenmitgliedes dieses Vereins lesen Sie hier.

Die Geburt der Fernsehelektronik

Geräuschvoll surren die Nipkowscheiben und Spiegelräder. Unsere Wohnung scheint sich in ein Laboratorium zu verwandeln. Mit schwachem Leuchten flimmert das von einer Neonglimmlampe erzeugte rötliche Bild hinter der Vergrößerungslupe. Gewiß, das erste Fernsehen ist da. Wir erkennen es dankbar an, aber wir wollen hellere und größere Bilder sehen und den Ton in Zimmerlautstärke ungestört von Maschinengeräuschen hören. Das vermag nur ein geräuschloses Bildschreiborgan ohne bewegte Massen zu leisten, bei dem der Lichtpunkt trägheitslos hin- und hergelenkt und auch trägheitslos in seiner Leuchtdichte gesteuert werden kann.

Die Braunsche Röhre von Ferdinand Braun

Dazu bot sich die Braunsche Röhre an. Sie war 30 Jahre zuvor von Ferdinand Braun erfunden worden. Er hatte sich mit Röntgenstrahlen beschäftigt, die durch Abbremsen von Kathodenstrahlen, zum Beispiel an der Glaswand, in einer luftleeren Röhre entstehen. Braun hatte bei diesen Versuchen erkannt, daß Kathodenstrahlen auch zum Zeichnen der Kurvenform eines Wechselstromes geeignet sind, wenn man sie auf einen Leuchtphosphorschirm fallen und durch ein von dem Wechselstrom gesteuertes Magnetfeld oder durch ein elektrostatisches Wechselfeld ablenken läßt.

Ferdinand Brauns Biograph Friedrich Kurylo schreibt:

.„Als Braun seine Röhre am 15. Februar 1897 vorstellte, war das Neue daran ihre Idee. Was ihr Schöpfer Ferdinand Braun an 'Bauteilen' verwendet hatte, war lange bekannt, insbesondere die Kathodenstrahlen, das Aufleuchten eines phosphoreszierenden Schirms dort, wo er von Kathodenstrahlen getroffen wird, die Methode, aus dem von einer Kathode abgegebenen Strahlenbüschel ein einzelnes Bündel mittels einer Blende 'herauszufischen', die Möglichkeit, Kathodenstrahlen mittels magnetischer Einwirkung aus ihrer Bahn zu lenken. Aber es hatte der Baumeister gefehlt, der aus diesen Einzelteilen die wirksame Konstruktion zusammenstellte. Er kam mit Ferdinand Braun (und seinem geschickten Assistenten Jonathan Zenneck. Anm. des Verfassers). Schon in dem Jahre, in dem Ferdinand Braun die Erfindung seiner Röhre bekanntgab, wurde die Bezeichnung „Braunsche Röhre" erstmals erwähnt. Dieser Name ist erhalten geblieben, wenngleich die heutigen Bildröhren nur noch geringe Ähnlichkeit mit Brauns erster Ausführungsform haben.

Sein „Lichtschreiber" konnte noch nicht in der Helligkeit gesteuert werden, vermutlich hat man deshalb zu jener Zeit auch nicht an seine Verwendung als Bildschreiber für Fernsehen gedacht. Indessen war die Braunsche Röhre frühzeitig doch schon Gegenstand einiger Spekulationen und Patente. Beispielsweise meldeten zwei von Brauns Assistenten - Max Dieckmann und Gustav Glage - 1906 ein Patent an, das die Braunsche Röhre als Bildschreiber für Strichzeichnungen schützte.

  • „ .... ein 'Hokuspokus', mit dem Ferdinand Braun freilich ganz und gar nicht einverstanden war. Braun war nicht begeistert, daß seine Kathodenstrahlröhre ausgerechnet für Fernsehversuche eine Rolle spielen sollte. Fernsehen war damals sehr unbeliebt - ähnlich wie das Perpetuum mobile"


berichtet Max Dieckmann (Friedrich Kurylo).

Ardenne zeigt die Braunsche Röhre

Fritz Schröter, einer der Vorkämpfer des Fernsehens, erkannte die Bedeutung der Braunschen Röhre für dieses Gebiet schon frühzeitig und schrieb darüber. Aber er konnte selbst seine eigenen Laboratorien noch nicht überzeugen. Da kam von einer ganz anderen Seite ein neuer Impuls. Der „deus ex machina" war der junge Berliner Erfinder Manfred v. Ardenne.

Berlin-Lichterfelde. Vor einer Villa am Jungfernstieg entsteigen am 10. Januar 1930 Fritz Schröter, Otto v. Bronk und andere Fernsehexperten einem Auto, das hinter einem Mercedes-Kompressor-Sportwagen hält. Manfred v. Ardenne hat die Herren eingeladen, um ihnen erste Halbtonfernkinobilder auf einer Braunschen Röhre zu zeigen. Der nur wenig über 20 Jahre alte Autodidakt hatte trotz seiner Jugend schon eine erstaunliche Karriere gemacht.

Im Labor von Siegmund Loewe (Radio AG D.S.Loewe)

1925, noch als Schüler, konnte er den damaligen Inhaber der Firma Radio AG D.S.Loewe, Siegmund Loewe, von der Bedeutung des Breitband- Widerstandsverstärkers überzeugen und anregen, seine "Mehrfachröhren" zu bauen. Viel Geld bekommt Ardenne dafür. Er kann sich ein Laboratorium einrichten - das Haus am Jungfernstieg - und fährt jenen Mercedes-Kompressorwagen. Er versammelt um sich eine Reihe junger, strebsamer Ingenieure - auch ich war damals für kurze Zeit in diesem Laboratorium tätig -, und er untersucht alle Randgebiete des Rundfunks. Seine publizistische Begabung und das Wissen, daß man nur durch Offenbarung seiner Arbeiten wieder Geld für neue erhalten kann, helfen ihm, bekannt zu werden.

In seinem Labor wird auch viel fotografiert, und es liegt deshalb nahe, daß ihn die Braunsche Röhre als Oszillograf interessiert, denn sie verspricht auf einfache Weise gute Schirmbildaufnahmen. Unbekümmert geht er an die Entwicklung solcher Röhren heran und erzielt erstaunliche Erfolge. So findet er, daß man an einer zusätzlichen Elektrode mit einer regelbaren Spannung gut die „Fleckschärfe" einstellen kann, braucht dazu also nicht mehr die zusätzliche Konzentrierspule.

Der Wehneltzylinder kommt zum Einsatz

Ferner benutzt er den sogenannten „Wehneltzylinder", der von Arthur Wehnelt an der Universität Berlin zur Konzentration des elektronischen Strahlenbündels eingeführt worden war, für die Helligkeitssteuerung des Schirmlichtpunktes. Zusammen mit der Vakuumfirma Leybold u. Co. wird eigens eine Gesellschaft gegründet, Leybold und v. Ardenne. Sie fabriziert Zubehörteile und diese Röhren.

Auf dieser Grundlage ist es für Ardenne leicht, seine Röhre schnell auf "Fernsehen" umzustellen. Viele Bausteine können hierfür vom Lager der Firma Leybold und Ardenne entnommen werden. Genau wie Manfred v. Ardenne selbst sind auch seine jungen Mitarbeiter vom mechanischen Fernsehen nicht historisch vorbelastet. Ihnen allen liegen elektrische Schaltungen näher als mechanische Gebilde. Im Mai 1930 kann er auf der Braunschen Röhre Bilder wiedergeben. Noch kommen die Bilder vom mechanischen Geber.

Ardenne entwickelt den "flying spot" Filmabtaster

Aber auch dieser mechanische Geber ist Ardenne und seinen Mitarbeitern ein Dorn im Auge, und so versucht er, für die senderseitige Abtastung die Braunsche Röhre ebenfalls zu verwenden. Noch im selben Jahre, am 24. Dezember 1930, kann er der Fachwelt das erste vollelektronische Fernsehbild in Europa zeigen, ja das erste Bild in der Welt überhaupt, das von einem Leuchtschirmabtaster ausgeht, wie hinfort die Braunsche Röhre als Abtaster heißen sollte.

Vermerken wir, daß noch heute fast alle Film- und Diapositiv-Übertragungen in unserem Fernsehen von Leuchtschirmabtastern, „flying spot", wie sie jetzt auf gut Deutsch heißen, kommen. Ardenne hat diese ersten Fernsehbilder fotografiert, und so können wir uns jederzeit wieder einen Begriff davon machen, wie die damaligen Bilder aussahen. Die Konstruktur des Leuchtschirmes war noch stark sichtbar, das Nachleuchten des Abtastschirmes führte zu Verwischungen. Erst später sollten die Engländer Bedford und Puckle einen Weg zeigen und Karolus einen anderen, wie man das Nachleuchten „entzerren" kann.

1931 - Ardenne demonstriert vollelektronisches Fernsehen

Auf der Funkausstellung des Jahres 1931 demonstrierte Ardenne zusammen mit der Firma Loewe ein vollelektronisches Fernsehen mit 100 Zeilen. Es war die erste öffentliche Vorführung dieser Art auf der Welt.

Diese Ardenne-Vorführung spornte die anderen Firmen an, in ihren Laboratorien die Entwicklung der Braunschen Röhre für den Fernsehempfänger, der „Bildröhre", wie sie von nun an heißen sollte, voranzutreiben. Beim Reichspostzentralamt baute man sich (Anmerkung: Hoch-Vakuum-) Pumpstände auf und fing an, Bildröhren selbst herzustellen.

Schleede erforscht neue Leuchtstoffe für Fernseh-Bildröhren

Auch Schröter (Anmerkung: bei Telefunken) intensivierte die Entwicklung. Es gelang ihm, einen bedeutenden Leuchtstoffchemiker, A. Schleede, für die Entwicklung der Bildschirme zu gewinnen. Ihr lichtökonomischer Wirkungsgrad mußte beträchtlich vergrößert und die Leuchtfarbe, anfangs noch grün oder blau, möglichst weiß werden. Die Erfolge, die Schleede hatte, waren so bedeutend und nachhaltig, daß noch heute die meisten Leuchtstoffe für Fernseh-Bildröhren nach seinen Rezepten hergestellt werden.

Der erste Fernsehempfänger mit Bildröhre heutiger Art wurde 1932 gezeigt. Dieser Telefunken "Fe1" hatte ein wenig mehr als briefmarkengroßes Schirmbild in Gelb. Das Laboratorium, das ihn baute, arbeitete gleichzeitig an der Bildtelegrafieentwicklung. Darauf war zurückzuführen, daß im Gehäuse noch ein Motor surrte, der eine Lochscheibe trieb, eine „Lichtsirene", mit der die Ablenkungsschwingungen synchron mit dem Gebertakt gehalten wurden. Den Gleichlauf bewirkten also Motore, die an das gleiche Wechselstromnetz angeschlossen waren.

Die Bildröhren wurden schnell unscharf

In den bis dahin verwendeten Bildröhren bildeten die Elektronen sogenannte Fadenstrahlen. Ein notwendiger Rest von Gasmolekülen erzeugt beim Zusammenstoß mit den Strahlelektronen einen Faden von wenig beweglichen Ionen, deren Ladungen die Elektronen als eine schlauchartige Hülle festhalten. In diesem Schlauch werden die Elektronen zum Bildschirm geführt. Aber nur bei einem ganz bestimmten Gasdruck wird dieser Schlauch richtig ausgebildet und der Schreibstrahl scharf. Doch restliches Gas hat stets die Eigenschaft, beim Beschuß mit Elektronen an den Innenflächen der Röhre und den Elektroden allmählich zu verschwinden (Okklusion), und die Schärfe der Röhre läßt dann bald nach. Dem konnte man damals nur so vorbeugen, daß der Gasdruck bei der Herstellung passend gewählt wurde, so nämlich, daß nach etwa einer Stunde Betrieb im Empfänger gerade die größtmögliche Schärfe vorhanden war. Als wir kürzlich Erinnerungen austauschten, erzählte mir W. Heimann, der beim RPZ die Röhren baute, er habe immer eine Stunde vor jeder Vorführung schnell eine neue Röhre eingesetzt, nur um beim Eintreffen der Besucher die schärfste Auflösung zu haben.

Die gashaltigen Fadenstrahlröhren hatten aber noch einen anderen Nachteil. Die für die Strahlkonzentration nötigen Ionen folgen der raschen Ablenkung mit ihrer relativ großen Masse nicht schnell genug. Das bewirkte unschöne Verzerrungen (zum Beispiel das „Ionenkreuz"), und der Ionenaufprall schwächte nach kurzer Betriebszeit die Leuchtkraft der Schirme. Als erster versuchte E. Hudec 1933, die Ionen vom Leuchtschirm fernzuhalten und die Verzerrungsfehler unsichtbar zu machen, indem er den Röhrenhals abknickte und die Elektronen mit einem Magneten dem Knick folgend umlenkte, wobei die trägen, steifen Ionen nicht folgen konnten. Ein Kunstgriff, der später als "Ionenfalle" lange Zeit in allen Fernsehbildröhren praktiziert worden ist.

Hudecs Röhre platz auf der Funkausstellung 1933

Auf der Funkausstellung 1933 war Hudecs Röhre in einer Koje unmittelbar hinter dem Eingang zum stark verdunkelten Fernseh-Vorführraum aufgestellt. Kurz bevor Adolf Hitler ihn betreten wollte, gab es einen Knall, und die glastechnisch schwierige Knickröhre ex- oder implodierte. Große Unruhe bei den Begleitern und strenge Untersuchung! Hudec haben wir auf den Ausstellungen nicht mehr gesehen!

1932 - Intesive Arbeiten an der Hochvakuumröhre

Intensiv wurde jetzt an der Hochvakuumröhre ohne Gas mit hoher Lebensdauer gearbeitet. Dazu mußte man die sogenannte Elektronenoptik, zu der Hans Busch in Darmstadt den Grund gelegt hatte, theoretisch und technologisch beherrschen lernen. Intensiv wurde von 1932 an diese Arbeit in den Schröterschen Forschungslaboratorien bei Telefunken betrieben, der sich dazu noch die Hilfe des Forschungsinstituts der AEG sicherte.

1933 gab es dann die ersten brauchbaren Hochvakuumröhren und deshalb waren auch nur noch in diesem Jahre die letzten mechanisch-optischen Bildschreiber zu sehen. Auf der Empfängerseite war der Übergang zur Bildröhre abgeschlossen. Die Bilder wurden größer, höhere Zeilenzahlen kamen, und bald entstand dann auch der Wunsch, die tiefen Gehäuse durch weniger tiefe zu ersetzen.

1938 - Die Fernseh AG entwickelt die Kurzhalsröhre

Es war die Fernseh AG, die 1938 einen entscheidenden Schritt wagte. Sie verkürzte die Bildröhre erheblich. Ein Empfänger von Fritjof Rudert war so vielversprechend, daß noch im selben Jahre das Reichspostministerium die Industrie - ähnlich wie beim Volks-Rundfunkempfänger - mit der Gemeinschaftsentwicklung eines Einheits-Fernsehempfängers mit kurzer Röhre beauftragte. Beteiligt waren die Firmen Blaupunkt, Fernseh AG, Loewe, Lorenz, TeKaDe und Telefunken. Diese gelenkte Gemeinschaftsarbeit war überaus erfolgreich.

1939 - Die erste Viereckbildröhre der Welt von Telefunken.

Die Hauptarbeit mußten Telefunken, Fernseh AG und Blaupunkt leisten. Bei Telefunken entwickelten Hans Bartels und Henning Knoblauch für dieses Gerät die erste Viereckbildröhre der Welt, und die Firma brachte auch einen eigenen Satz von Verstärkerund Schaltröhren heraus, darunter die berühmte Stahlröhre EF 14, die danach noch zehn Jahre lang benutzt wurde. In Zusammenarbeit mit Rudolf Urtel und Robert Andrieu übernahm die Fernseh AG das Durcharbeiten der Ablenkmittel. Erstmals entstand ein Gerät, in dem die Hochspannung für die Bildröhre aus der Zeilenablenkung erzeugt wurde. Man darf wirklich sagen: Diese Entwicklung hat die Grundlagen für den modernen Fernsehempfänger geschaffen. Alles, was seither hinzukam, ist eine geistreiche und mit viel Schweiß und Mühe verbundene Verbesserung und Vervollständigung des damals schon Erreichten.

1933 - Ardenne führt eine „Liniensteuerung" experimentell vor

Von den Arbeiten Ardennes ist noch ein anderer kühner Versuch mit der Braunschen Röhre als Abtaster zu erwähnen. 1933 führte er die von R. Thun vorgeschlagene „Liniensteuerung" experimentell vor. Das Verfahren kann vergessen werden, aber in meinem Erinnerungsalbum stehen mir noch jene Bilder, geometrisch wie im Zerrspiegel erscheinend, vor Augen. Sinnig hatte man 1933 ein Diapositiv von Josef Goebbels gewählt. Vom Ausstellungsstand nebenan sehe ich noch Goebbels mit saurem Gesicht, ohne Humor, sein gequältes Konterfei auf dem Leuchtschirm anstarren.

Fritz Schröter gewinnt Rudolf Urtel

Fritz Schröter hatte gerade einen jungen bemerkenswerten Ingenieur für das Fernsehen gewonnen. Rudolf Urtel war Autodidakt. Ursprünglich war er Kadett gewesen, hatte dann zwei Semester Jura studiert und war später zu Telefunken gekommen, um dort auf einem ganz anderen Gebiet zu arbeiten. Durch einen originellen Aufsatz über die Hochfrequenzgleichrichtung lenkte er die Aufmerksamkeit der Röhrenleute auf sich.

Es ging ihm wie Manfred v. Ardenne: Von der mechanisch-optischen Fernsehära unbelastet, kam er zunächst über die Patentschriften mit dem elektronischen Fernsehen in Berührung. Er konnte mit der Schärfe seines analytischen Denkens den begeisterungsfähigen Fritz Schröter von der Zukunft der elektronischen Abtastung im Fernsehen vollends überzeugen, und Schröter gab dem experimentell noch vollkommen unerfahrenen Urtel ein Laboratorium.

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