Was ist das ? - Ein Fese "Koffer".
Die "Fese Koffer" sind Fernseh-Elektronik Komponenten
Am Anfang meines Einblicks in die urige historische Fernseh- Röhrentechnik bin ich über diese "alten Kästen" mit den zwei massiven Griffen gestolpert und wußte die nicht richtig einzuordnen. Inzwischen habe ich gelernt, was es mit diesen ziemlich schweren "Koffern" aus Stahl so auf sich hatte.
Es ging um das mobile Fernsehen draußen "im Feld" ohne das schützende Umfeld eines gemauerten Studios. Selbst im Ü-Wagen herrsch(t)en andere Gesetze als im Fernseh-Studio.
In den Studios gab es an oder unter den Stahlschränken mit der Kamera Elektronik und den Mischern keine Vibrationen oder gar heftige Schläge (das kommt von "Schlagloch"). Die Ü-Wagen holperten über Stock und Stein und das hatte zum Beispiel den Ampex-MAZen und Fese MAZen, und erst recht den RCA MAZen erheblich zugesetzt. Nach 300km Autobahn gingen die allermeist nicht mehr. Irgend ein Kondensator oder ein Kabel oder Schlauch war bestimmt abgerissen.
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Mein erster Koffer im Jahr 2007 aus Köln
Und dieser "Koffer" war völlig im Eimer, er stand weit über 20 Jahre lang in einem feuchten Keller und war außen wie auch innen völlig verrottet und im Verfall. Ich hatte ihn deshalb gleich dort an Ort und Stelle entsorgt. Auch die damals zugehörige KOF Kamera war leider schrottreif, alleine die große schwere Rank Taylor Hobson Zoom Optik war es noch Wert, eingeladen und aufgehoben zu werden.
In 2017 haben wir 6 sehr gut erhaltene Koffer - und wieder aus Köln - geerbt
Von Juli 2007 bis 2017 war natürlich Geduld gefragt. Denn in vielen Ecken in ganz Europa stehen sie noch und warten auf bessere Zeiten. Allermeist sind sie sogar in trockenen warmen Lagern gestapelt.
Und so haben wir heute natürlich auch einen detaillierten Einblick, wie die Darmstädter Entwickler die damaligen (recht ambitionierten hohen) Anforderungen mit der Röhrentechnik gelöst hatten.
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Hier die sechs Koffer nach dem Waschen
Diese 6 Koffer brauchten zum "Gewaschenwerden" wirklich nur lauwarmens Regenwasser mit etwas Seife und jetzt sind sie blitzblank, jedenfalls äußerlich und sie sind natürlich reif für den nächsten Filmrdreh der 1960er Jahre.
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Innen sind sie erstaunlich gut erhalten
Ob es wirklich Sinn macht, sie nochmal zum Leben zu erwecken ist fraglich. Damals sind die Monitoren rund um die Uhr gelaufen und die Bildröhren sind vermutlich eingebrannt. Einer hat sogar 16.900 Betriebsstunden.
Es könnte sogar sein, daß wir von der BTS damals funkel nagel neue uralte schwarz-weiß Siemens-Bildröhren geerbt hatten, die oben im Lager irgendwo ganz hinten (originalverpackt) stehen. Doch die Erfahrung mit den historischen Kulissen bei den diversen Fernsehdrehs hat gezeigt, man kann den Unterschied zu einem LCD Display ab 3m Entfernung schon nicht mehr erkennen. Auch über das Alter kann man wenig herausfinden, nur aufgrund des Aufklebers hinten drauf könnten zwei der Koffer zum Urgestein der WDR Ausstattung gehört haben.
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Übrigens - fast alle Koffer hatten einen Stundezähler
Was heute bei (oder von) den Hifi-Röhren-Freaks teilweise vehement (mit Nichtwissen) abgestritten wird, Röhren verschleißen relativ schnell im Vergleich zu Transistoren und anderen Bauteilen. Die Bildmeßtechnik bei den Sendern war aber dafür verantwortlich, daß die Fernsehtechnik (und natürlich auch die Tontechnik) vorausschauend "in Schuß" gehalten wurde. Bestimmte kritische Röhren wurden daher vorab ausgetauscht, einfach nach der Anzahl der gelaufenen Stunden.
Bei den alten Röhren-Kameras war zum Beispiel die Super-Orthicon Aufnahme-Röhre ein besonders kritisches und vor allem teures Austauschteil. Damit verdiente die FESE einen Teil ihres Ertrages. Der Austausch kostete etwa 6.500.- DM. Und das war damals viel Geld, ein VW Käfer kostete in etwa soviel. Man durfte dabei aber auch wieder nicht ignorieren, daß bei der Produktion dieses Super-Orthicons im Darmstädter Hoch-Vakuum Labor nur 20% der gerfertigten Orthicons die selbst gesetzte Qualitätsnorm erfüllten.
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Die Konzeption war schon gut durchdacht und ausgereift
Bei den Koffern mit Kontroll-Monitoren (wir haben noch nicht alle Koffer geöffnet) werden die beiden Seiten-Rahmen innerhalb der Verkleidung nach außen und nach unten geklappt und man kann an alle Bauteile ran.
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Die Koffer waren stabil und konnten gestapelt werden
Und das war damals überhaupt nicht normal. Jeder Koffer hat 4 Gummifüße und kann dennoch nahezu bombenfest mit dem darunterstehenden Koffer fest verschraubt werden. Die Griffe aus massiven ALU werden eingeklappt und bis zu 4 Koffer soll die Konstruktion übereinander aushalten.
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Ein Blick auf die Röhrentechnik
Alle unsere 6 Koffer sind noch komplett mit Röhren bestückt. Und alle Röhren (und auch alle Regler und Schalter) sind sauber und eindeutig beschriftet.
Es sind aber bereits "Zwitter" mit gedruckten Schaltungen - das war der technologische Übergang - und nicht mehr komplett von Hand verdrahtet wie bei unseren 3 Röhren-Kameras. Wobei sich bei den KOC bis KOE Röhrenkameras sogar schon 3 oder 5 Transistoren "eingeschlichen" hatten, die ich durch Zufall beim Zerlegen und Entkernen "im Bauch" - also unten in der Wanne entdeckt hatte.
Beim Betrachten der jeweils gleichartigen Koffer-Geräte fällt auf, daß sich hinter der Front unterschiedlich gestaltete Baugruppen befinden. Vergleicht man die Seriennummern, sind da keine 200 Zähler dazwischen.
Ich hatte ja bei der Beurteilung des stetigen Bergab der FESE/BTS/Philips bemängelt, daß innerhalb einer normalen Serie jede Menge von ingenieurmäßig verständlichen Änderungen (= Verbesserungen) vorgenommen wurden.
Der extreme Nachteil war, daß jede Änderung sehr aufwendig dokumentiert werden mußte. Das verlangten die Abnehmer damals. Und am Ende blickte keiner mehr durch, wie welches Gerät ab einer bestimmten Seriennummer zu reparieren war. Der Service bei der Fese und in den Sendern erstickte im Papier der Handbücher.
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Warum sooooo schwer ?
In fast jedem Koffer befindet sich ein richtig dicker Transformator, also mindestens einer. Warum der so schwer sein mußte, erschließt sich noch nicht. Mal sehen, ob wir die uralten Unterlagen irgendwo einsehen können. Vielleicht war da ein 220V Magentkonstanter mit integriert, der die oft instabile 220 Volt Netz-Spannung vom Diesel-Stromerzeuger im Außenübertragungsberieb stabilisierte.
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Ein eigenes Oszilloskope
Bei den Profis wollte man nicht nur das eigentliche Fernsehbild sehen, sondern ganz explizit das Fernseh-Signal (das sogenannte "BAS" Video-Signal) betrachten. Denn der Bildingenieur sieht auf dem grünen Schirm des Oszilloskopes mehr als auf der weißen großen Bildröhre. Hier das Foto von der Oszilloskope Elektronik von 1962.
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Besonderheiten - Netzanschlußkabel !!
Dem Betrachter, also nicht nur dem Techniker, fällt natürlich auf der Rückseite sofort ins Auge, daß da etwas überhaupt nicht VDE konform ist. Die Großtuchel Stecker und Buchsen waren (wegen der Vertauschungsgefahr) nie für die 220 Netz-Anschlüsse gedacht und auch nicht zugelassen. Wie das passieren konnte, ist mit schleierhaft.
Und die anderen "kodierten" 3Pol-Buchsen sind mir extrem selten untergekommen. Dafür gibt es heute fast keine Netzkabel mehr.
Wir haben eines an einem Fese-Monitor vorgefunden, der auch diese Buchsen hatte.
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Wir haben nur eine Kamera Steuereinheit
Die Kamera- Steuereinheiten- Koffer (später auf "Denglisch" CCUs genannt) für die KOx Serien (Super-Orticon) erkennt man auf der Rückseite nur an dem riesen großen Kabelstecker / Verbinder. Der war ursprünglich mal richtig glanzverchromt. Aber selbst Chrom rostet und die vielen Kontakte korrodieren unwiederbringlich und irraparabel, alle !!
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Die Kamera Steuereinheit im Detail
Von diesem Koffer haben wir keinen. In Betrieb nehmen können wir die Koffer sowieso nie mehr, da unsere Kameras alle aus Gewichtsgründen "entkernt" sind.
Die Kamera-Bedienteile weiter oben (nein - hier unten drunter) auf den Fotos der beiden Kamerazüge haben ausklappbare Bedienpulte, so wie dieser Koffer hier.
Die Bilder unten drunter zeigen, wie das im Betrieb aussah.
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Es gab damals zwei Kamera-"Züge"
Ein sogenannter Kamera-Zug besteht aus der jeweiligen Kamera meist auf einem Dreibein-Stativ mit Dolly-Wagen, dem Kamera- (fern-) Bedienteil (unterer Koffer) und dem Bildmonitor (oberer Koffer) und natürlich dem dicken roten Kamerakabel (hier nicht sichtbar) von der Kamera im Studio zum Bedienpult bzw. dem Kameraverstärker im Technikraum bzw. zum Ü-Wagen.
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Die beiden Bedienteile sind auch gleich die Kameraverstärker und die sind natürlich je nach Aufnahmeröhrentechnik unterschiedlich. Das Orthicon rechts ist deutlich flexibler als das Vidicon links.
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Ein Überblick über die FESE Koffer von 1963
Das sind die Promotion-Bilder aus der recht späten Produkt-Broschüre von 1963. An der schwarz-weiß Technik wurde ab etwa 1964 nicht mehr (weiter-) entwickelt, denn die europaweite Farbtechnik beim Fernsehen war angekündigt und die Umsätze bei den alten sw-Kameras gingen zurück. Ein Teil unserer Koffer, die wir hier im Fundus haben, ist in diesem 1963er Prospekt gar nicht mehr dabei gewesen oder schon nicht mehr abgebildet worden.
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Wenn wir weitere Bilder von bislang unbekannten Koffern bekommen, werden die hier ergänzt.
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Ein Nachtrag vom Nov. 2017 - der Frequenzkurvenschreiber
Mit etwas Glück haben wir solch einen ganz frühen speziellen Fernseh- "Oszillografen" aus 1954 bekommen. Die Fese Ingenieure mußten sich schon etwas einfallen lassen, um ihre eigenen Geräte kompetent und protokollierbar zu prüfen.
Das uralte Handbuch - fast neu - ist ebenfalls dabei gewesen.
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