Für Heidelberg war es ein Meilenstein zur Normalität
In den beiden Zeitungsartikeln vom 7. August 1953 kommt es deutlich zum Ausdruck. Die Besatzungsmächte haben keine Stadt verschont, um auch Iihren Soldaten etwas zu bieten. Daß die Amerikaner mit den konfiszierten Gebäuden nicht gerade schonend umgegangen waren, ist dem Niveau der dort stationierten Soldaten nachzurechnen. Es waren eben nur Soldaten.
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August 1953 - Heidelberg hat sein CAPITOL wieder !
(es könnte der Baden-Kurier gewesen sein ?) Nach 8 jähriger Beschlag- nahme ist es nun wieder nach Renovierung dem deutschen Publikum zugänglich.
Nach achtjähriger Beschlagnahme öffnet das Capitol, Heidelbergs größtes Filmtheater, heute wieder seine Pforten. In einem verhältnismäßig kurzen Zeitraum steht das Haus nach seiner kürzlichen Freigabe durch die Besatzungsmacht damit der Heidelberger Bevölkerung als eine Stätte guter und künstlerrischer Unterhaltung durch den Film wieder zur Verfügung. Wir besuchten das Theather kurz vor der Fertigstellung und geben unseren Lesern im folgenden ein Bild von den Plänen der neuen Geschäftsleitung sowie den Umbauarbeiten, die vor allem in technischer Hinsicht erlauben, von einem völlig „neuen" Capitol zu sprechen.
bis Frühjahr 1953 unter amerikanischer Verwaltung
Heidelberg hat sein Capitol wieder! Wie lange hat es doch gedauert, bis sich die Amerikaner entschlossen, das meist nur schwach besetzte Haus freizugeben, wie oft sind wir, sehnsüchtig in das geräumige Foyer blickend, vor dem „theatre" gestanden!
Ab und zu durften wir bei besonderen Anlässen auch mal einen Blick in das Innere des Theaters werfen, und dann grauste uns, wenn wir die ungepflegten Stuhlreihen, die zerschlissenen Wandbezüge, die arg mitgenommene Bühne sahen.
"Dank" an die Amerikaner (oder war es ein Aufatmen)
Aber wir wollen hier nicht alte Geschichten wieder hervorzerren. Das Capitol ist nicht mehr beschlagnahmt und heute sogar wieder in erstklassigem Zustand auf den Besuch der Heidelberger vorbereitet. Dafür wollen wir unseren Dank auch den Amerikanern aussprechen, die - an ihrer Spitze US-Botschafter Dr. Conant und Mr. Zinn Garret als Chef der „Civiiian Military Relations" - den entscheidenden Beitrag zur Freigabe des Theaters leisteten.
Etwas Geschichte - zurück in 1927
An dieser Stelle sei kurz an die Geschichte des Capitols erinnert, das vor nun bald 26 Jahren, im Oktober 1927, von dem Deutsch-Ungarn Romahnyi als erstes „Großkino" Heidelbergs erbaut wurde. Damals herrschte noch die gute alte Zeit des „stummen" Films und so wurde der Premieren-Film „Das tanzende Wien" von der melodischen Fülle eines guten und großen Orchesters untermalt.
Im Laufe der Jahre war das Capitol für Heidelberg dann auch das traditionelle Haus guter und lebendiger Variete-Kunst und Artistik geworden, so daß ein Besuch des Theaters in Verbindung mit der Vorführung eines sehenswerten Films und der interessanten Sphärenmusik der Konzertorgel immer eine besondere Atmosphäre hatte.
Das soll auch für die neue Arbeit gelten. Zwar wird die Geschäftsleitung - Dr. Herbert Froechte und Hans Ulbrich aus Frankfurt - vorläufig auf artistische oder kabarettistische Programmnummern verzichten und erst bei wirklich erstklassigen Angeboten auf diese Möglichkeit zurückkommen, aber die filmische Arbeit, die ja den eigentlichen Charakter des Capitols bestimmt, wird nun wieder mit Schwungkraft und Initiatve aufgenommen werden.
Zukünftige Programme
Ein Blick auf die in Aussicht genommene Filmliste, die Titel wie „Don Camillos Rückkehr", „Sauerbruch" und „Salome", „El Hakim", „Fanfaren der Ehe", „Königliche Hoheit" und „Hokuspokus" nennt, verspricht jedenfalls eine Programmgestaltung, die auf den wirklich guten Film bedacht ist und auch an den rechtzeitigen Einsatz in der immerhin doch kinofreudigsten Stadt der Bundesrepublik denkt.
Daneben soll in Matinee-Vorstellungen das ungewöhnliche und experimentelle Filmwerk gepflegt werden, ein Vorsatz, der bei den zahlreichen anspruchsvollen Filmfreunden Heidelbergs auf besondere Sympathie stoßen dürfte. Schließlich ist auch an die Jugend gedacht, die vor allem in Zusammenarbeit mit dem Städt. Jugendfilmring zu betreuen, eine reizvolle Aufgabe darstellt.
Etwas über den Umbau
Bei den großzügen Umbauarbeiten hat sich die Geschäftsleitung auf die reichen Erfahrungen stützen können, die Dr. Froechte und Hans Uilrich durch die mehrjährige Führung dreier großer Filmtheater in Frankfurt gewinnen konnten: so ist der ursprünglich etwas verbaute Gebäudekomplex jetzt durch bauliche Verbesserungen den modernsten Erfordernissen und neuesten Bestimmungen angepaßt worden, so daß etwa von allen Plätzen eine einwandfreie Sicht gewährleistet ist.
Neue Bequemlichkeit
Daneben ist vor allem auf Bequemlichkeit für die Gäste Wert gelegt worden: der Abstand der Stuhlreihen wurde vergrößert, die Bestuhlung selbst durchgehend erneuert. Alle Plätze sind jetzt unterschiedslos ebenso stabile wie bequeme, dabei abwaschbare Hochpolster-Sitze, auf denen es sich - wie uns die Geschäftsleitung versicherte - „prima" sitzen soll.
Besondere Mühe hat man sich auch mit den Plätzen im zweiten Rang gegeben, die durch den Einbau zusätzlicher Stufen jetzt restlos „seh-sicher" sind. Trotzdem aus optischen Repräsentationsgründen auf den früheren Mittelgang verzichtet wurde, hat sich die Gesamtplatzzahl dabei etwas verringert. Dennoch rangiert das Capitol mit rund 1200 Plätzen weitaus an erster Stelle im Größenplan der Heidelberger Lichtspiele.
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Die Bühne und die Technik dahinter
Wesentlich vergrößert ist jetzt auch die Bühne, die nun neun Meter in der Tiefe mißt und damit mit ihrer linken hinteren Ecke direkt an das Eisenbahngelände stößt. Die neue, auf einem Schlitten verschiebbare Leinwand ist den Erfordernissen der Vorführung plastischer Filme bereits angepaßt.
Die „Stimme" der wie früher versenkbaren Walcker-Orgel wird jetzt klangrein und stark aus dem oberen Bühnenrand aufklingen (der Heidelberger Chordirigent Hans Joachim Ulm ist der filmische Kantor), auf dem auch ein Teil der kostspieligen und modernen Klima-Anlage untergebracht ist, eine Einrichtung, die nicht nur die dankbar beste Be- und Entlüftung gestattet, sondern auch für die stets gleichmäßig angenehme Temperatur im Theater sorgt.
Die gesamte elektrische Anlage mußte übrigens auch erneuert werden, da sie zum Teil als veraltet nicht mehr den Vorschriften entsprach, zum Teil beschädigt war.
Das Foyer und der Vorführraum
Wenig verändert ist das Foyer: hier wurden lediglich der Süßwarenstand in den Blickfang der ankommenden Besucher verlegt und die Eingangstüren um einige Meter zurückversetzt, um für die Eingangshalle und eine vergrößerte Kasse mit zwei Schaltern mehr Raum zu gewinnen. In einigen geschmackvollen Vitrinen stellen Heidelberger Geschäfte aus.
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Schließlich noch ein rascher Blick auf den technisch höchst komfortablen Vorführraum, in dem zwei Ernemann-X Maschinen vom Kieler Zeiss-Ikon-Werk mit einer sehr modernen Unifom-Verstärker-Anlage dafür garantieren, daß Licht und Ton ausgezeichnet „kommen" werden.
Für die rasche und gelungene Wiedereröffnung des Capitols zeichnen u. a. die im Anzeigenteil dieser Seite aufgeführten Firmen, denen wir für ihre saubere und prompte Arbeit unsere Hochachtung aussprechen müssen. Nicht zuletzt dank der unermüdlichen Arbeit der Techniker, Meister, Angestellten und Handwerker dieser Betriebe ist Heidelberg ab heute um ein stattliches Lichtspieltheater reicher. Luc.
Aufn.: Hartschuh
Und hier ein Artikel vom gleichen Tage, aber von einer anderen Zeitung.
Die Rhein Neckar Zeitung schreibt am 7. August 1953 folgendes :
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August 1953 - Heidelbergs „Capitol" - Lichtspieltheater
das nicht nur für unsere Stadt seit Jahrzehnten ein fest umrissener Begriff war, hat seine Pforten wieder eröffnet. Wer vor ungefähr einem Vierteljahr noch, kurz nach der Übergabe durch die Besatzungs-Behörden, dieses einstmal markanteste Lichtspiel-Theater im süddeutschen Raum sah, der wird es kaum wiedererkennen.
Nicht als ob seine äußere Struktur sich so grundlegend verändert hätte, sondern einzig allein deswegen, weil hier durch eine moderne architektonische Verwandlungskunst innerhalb kürzester Zeit eine Änderung geschaffen wurde, die nicht nur das äußere Bild betrifft, sondern auch im großen gesehen die ganze Atmosphäre, die durch ein wunderbares Spiel des Lichtes und der formschönen baulichen Adjustierung ein behagliches, genießerisches Klima schafft.
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Der Eingang und das Ambiente
Schon der große Kassenraum, den der Beschauer bei seinem Eintritt in dieses große, neuzeitliche Lichtspieltheater durchschreitet, atmet Großzügigkeit jeder Art der Bewegung. Die Hauptkasse etwas rückwärts versetzt läßt die Möglichkeit offen, jedem irgendwie gearteten Kassensturm gerecht zu werden.
Durch große, weiteinladende Türen geht es in ein raumschönes Foyer, das durch eine beeindruckende Lichtfülle einer großzügigen Neon-Beleuchtung alles in hellste Lichtfarben taucht. Da gibt es Vitrinen Heidelberger Firmen - u. a. Gläser-Strümpfe -, die in schönen Auslagen ihre Erzeugnisse dem Besucher offerieren. Da sind kleine Kioske in modernster Adjustierung, die den verschiedensten Zwecken dienen und da ist eine eindrucksvolle Majolika-Säule, die schon bei der Eröffnung dieses Theaters im Jahre 1927 im Mittelpunkt des Publikums-Interesses stand, mit einem sinnfälligen Spruch, der sich zwischen Putten, Amouretten, Troubadouren in freundlicher Offenheit offeriert: „Ich hab mein Herz in Heidelberg verloren!"
Der große Kinosaal
Kommt man in das Theater selbst, das heute mit 1200 Plätzen zu den repräsentativsten Lichtspielhäusern Süddeutschlands zählt, so hat man zunächst den Eindruck, daß alles beim alten geblieben sei. Aber wer, wie gesagt, dieses großartige Lichtspielhaus vor einem Vierteljahr noch gesehen hat, der weiß, daß sich hier eine Art von architektonischem Wunder vollzogen hat.
Was Architekt Ludwig Amann, Nürnberg, zusammen mit seinem Heidelberger Kollegen Dr. Ing. Schröder-Babo geleistet hat, unterstützt und gefördert von der unermüdlichen Arbeit Heidelberger und auswärtiger Handwerker, das ist nicht nur vom Gesichtspunkt der Zeitbegrenzung, die dieser Neubau zwangsläufig erforderte, beachtlich, sondern vor allen Dingen auch von jenem Sektor einer einfallsreichen Phantasie her, die neben der Zweckmäßigkeit auch den künstlerischen Gesetzen einer Raumgestaltung unterworfen ist.
Betrachtet man von dieser Warte aus den großen eigentlichen Theater-Raum, der mit seiner dekorativen, weinroten Wandbespannung die wunderbaren Kontraste hellbeigener Sessel gewählt hat, so kann man ohne Uebertreibung sagen, daß hier die nüchterne Realität der Zweckmäßigkeit mit einer bewußten Formschönheit der Linien ideal gepaart ist.
Über die Ton-Technik
Die wunderbare, harmonische Ton-Schärfe der Ernemann-Apparaturen geht Hand in Hand mit jenen Bequemlichkeiten eines modernen und neuzeitlichen Komforts, der beginnt mit einer einzigartigen Klima-Anlage im Sinne der bekannten amerikanischen „Air-Condition", die jeder Art von äußerer Wetterbeeinflussung fast spielend ein Schnippchen schlägt.
Anmerkung : Der Schreiberling dieses Artikels hatte natürlich nicht besonders viel Ahnung, denn die Ernemann Film-Projektoren hatten mit dem "scharfen" Ton nicht das Geringste zu tun. Das war eher die Aufgabe von Verstärker und Lautsprecher. Und Cinemascope gab es 1953 noch nicht. Das kam erst 1954 und dann mussten viele Kinos wieder neu investieren und die Technik und die Bühnen umbauen.
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Vorschusslorbeeren bezüglich der Sitzplätze
Alles, das hier sich offenbart, ist einzig und allein auf den Dienst am Kunden, in diesem Fall am Kino-Besucher, ausgerichtet. Jeder, der dieses Theater betritt, wird in den Besitz eines Sitzplatzes gelangen, der ihm im besten Sinne volle Bühnensicht gewährt. Vom Münzfernsprecher im Foyer bis zum Süßwarenstand ist alles vorhanden, das einen Kino-Besuch zu einem reinen Vergnügen macht. Heidelbergs größtes Lichtspieltheater hat wieder seine Pforten geöffnet. Daß es in dieser kurzen Zeit geschah, verdanken wir der unermüdlichen Arbeit unserer einheimischen und auswärtigen Handwerker und jenen großen Industrien, die allein imstande sind, im Sinne von „Made in Germany" dieses Wunder in einer so kurzen Zeit zu vollbringen. Vorhang auf! - Das Spiel kann beginnen!
Anmerkung : Wie auf der 2. Capitol-Seite genauer beschrieben, gab es jede Menge an Plätzen/Sitzen, auf denen man am besten nicht sitzen sollte. Dort hatte man einen denkbar ungünstigen Blick auf die damals noch schmale Bildwand.
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