Im Nachlass von Günter Bartosch gefunden
Wie bei den Zeitzeugen erwähnt, ist Günter Bartosch in 2013 verstorben und wir bekamen 2 Paletten mit Büchern und Akten und Dokumenten aus seinem Archiv. Die andern 2 Tonnen von Büchern und Papieren konnte ich nicht mehr unterstellen.
Günter Bartosch war ein Ur-Berliner und hat natürlich aus der Nachkriegszeit sehr viel aufgehoben, weil es ihn persönich betroffen hatte. So sind Zeitungen aus dem Winter 1945 genauso vertreten wie Exemplare von der Währungsreform 1948.
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DIE NEUE ZEITUNG - 4. JULI 1948
Eine amerikanische Zeitung für die deustche Bevölkerung
Umstellung auf D-Mark für Berlin - Kopfquote nicht abgezogen - Umtausch Verhältnis 10:1 - 5000 RM zur Umwandlung freigegeben
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Das „Goldene Mainz"
Wiesbaden (NZ). - Auf der Straße von Wiesbaden nach Kastel, einem der rechtsrheinischen Vororte, die, als man den Rhein zur Zonengrenze machte, bei der Kochbrunnenstadt in Pension gingen, hängen aus dem Frühjahr noch ein paar vergilbte Zirkusplakate mit einer freundlichen Einladung zu einem Zirkusbesuch drüben im linksrheinischen Mainz. „Die Zirkuskarten berechtigen zum überschreiten der Zonengrenze" ist darauf zu lesen, doch die Wiesbadener, die damals - mit Taschen, Körben und - leeren Flaschen bewaffnet - urplötzlich ihre Liebe zum Zirkus entdeckten, wurden sicher enttäuscht.
Die (amerikanischen) Posten an der Notbrücke, die die beiden Mainzer Stadtteile und die amerikanische und französische Zone miteinander verbindet, ließen sich auf die Zirkusplakate nicht ein und die Hamsterer nicht hinüber. Natürlich wollen die widerwillen Ausgestoßenen wieder gern zu Mainz zurück, doch weniger gerne zu den dortigen Rationssätzen, bei denen man für die US- und britischen 10-Gramm- Fettmarken nur fünf Gramm bekommt. Die Mainzer wieder träumen von der Trizone, schon wegen der Zitrone, die es in Kastei gibt, und wegen der Datteln, Rosinen und Chesterfields, die die Rechtsrheinischen manchmal mit herüber bringen.
Wohl in keiner zweiten deutschen Stadt werden die Pläne um den Wiederaufbau mit einer solch großen Anteilnahme der Öffentlichkeit diskutiert wie in Mainz. Schuld daran ist nicht zuletzt der von den Franzosen geschickte Städtebauer Aroel Lods, der die Stadt nach den Grundsätzen der „Charte von Athen" wieder aufbauen wollte.
Errichtung von Hochhäusern mit breiten Abständen und Parks, Trennung von Fußgänger- und Fahrverkehr, Demontage aller Gleisanlagen links des Rheins und Verlegung des Haupt- und Südbahnhofs in das rechtsrheinische Kastei, dazu Bau eines Rheintunnels und einer zweistöckigen Brücke waren seine Pläne, deren Verwirklichung eine runde Milliarde Mark kosten sollte.
Das Mainzer Stadtbauamt dagegen will das altgewohnte Stadtbild im wesentlichen wiederherstellen, und in fünfzehn Jahren, wenn Material- und Personalbeschaffung sowie die Finanzierung funktionieren, will Mainz die prahlerischen Bizonesen in Frankfurt in den Schatten stellen.
Nach dem 1000-Wohnungs-Prograrnm für den zivilen Sektor läuft jetzt die 600-Wohnungs-Aktion für die Besatzung. Auch die gleiche Anzahl Büros ist bestellt, denn bis zum 1. September will sich General Koenig aus Baden-Baden in Mainz angemeldet haben, dessen Zukunftsresidenz, Schloß Waldhausen vor den Toren der Stadt, gerade den letzten Schliff erhält. Fünf große Bürohäuser stehen schon für die Baden-Badener bereit, und auch Berliner Dienststellen sollen sich schon in Mainz umgesehen haben. Sollte niemand erscheinen, so wird die Bevölkerung die fertigen Gebäude den Winter über bewohnen dürfen.
Erst Wohnungen - dann Weinmarkt, riefen die Obdachlosen vor zwei Jahren, aber das traditionelle Mainzer Volksfest wurde schon zweimal begangen und der Erlös von 200.000 Mark der Stadt für den Wiederaufbau zur Verfügung gestellt. Erst Öfen - dann Kinos, riefen die Ausgebombten, aber Monate später fanden sie in den beiden wiedererstandenen Lichtspielhäusern Stunden der Entspannung und halfen bei den Filmfestspielen das Steuersäckel der Stadt füllen.
Erst Glas in die Fenster - dann Motorradrennen, schimpften die Arbeiter, als für das erste Motorradrennen durch Mainz 400 Meter Straßenbahnschienen mit Gips ausgelegt wurden. Aber dann säumten ebenso viele Menschen die Monte-Carlo-Strecke, wie Mainz Einwohner hat.
Und die Zweifelnden, die erst von dem Aufbau einer Universität nichts hielten, freuen sich heute im stillen mit, wenn anläßlich einer neuen Einladung eines Gelehrten ins Ausland oder bei dem Besuch hoher ausländischer Gäste in der heute schon 8.000 Studenten und 1.800 Lehrkräfte zählenden „Johannes-Gutenberg-Universität" der Name des uralten, ewig jungen „Goldenen Mainz" wie einst schon so viele Jahrhunderte lang in die Welt hinausgetragen wird.
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