Die Blütezeit der Kinos in Deutschland begann noch vor 1950.
Zum Ende des 2. Weltkriegs waren fast alle Großstadt-Kinos zerstört und der Aufbau begann. Auch auf dem Land wurden ab 1950 bis etwa 1957 Kinos gebaut wie verrückt. Und viele pfiffige (alte und) Jung- Unternehmer sprangen auf den Zug auf und investierten in ein oder mehrere Kinos in ihrem Umfeld.
Die Legende sagt, daß der Bürgermeister, der Pfarrer, der Postmeister, der lokale Lehrer der Einklassen- Zwergschule und der Kinobesitzer die honorigen oder auch bedeutenden "Leute" im Städtchen oder im Dorf waren. Man kannte sich und jeder wußte von jedem - fast - alles.
Daß dies "alles" auch Nachteile hatte, kam erst später raus. Wenn also ein Kinobesitzer auf dem wirtschaftlichen Weg nach oben zwei oder noch mehr Kinos betrieb, kam sehr oft das Privatleben in der Familie ins Trudeln. Denn solch ein Job war mehr als ein Ganztagsjob. Jeden Abend und jedes Wochenende mußte der Chef überall gleichzeitig sein, das Aushilfspersonal erforderte vom Chef viele Notfalleinsätze.
Der Kinotechniker Gerhard Redlich wußte ein Lied davon zu singen, was sich hinter den Kulissen abspielte. Er war nämlich sehr oft in die Tag- und Nachtarbeit eingebunden und leibhaftig dabei.
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Im Rheingau wurde viel gefeiert ........
Und auch das Kino war ein Erfolgsrezept. Und als nach dem Kino "CENTRAL" in Mittelheim Hauptstr. 23a (heute Oestrich/Winkel) und dem späteren "Roxy" in Geisenheim das dritte Kino "Neues Filmtheater" in Oestrich in der Römerstraße 8 eröffnet wurde, war der Tag des Besitzers bzw. des Chefs mit an die 20 Stunden ausgelastet - die ganze Woche lang ohne Unterbrechung - und Luzi, die hübsche Ehefrau langweilte sich (fast) zu Tode. Also bekam sie dieses kleine Kino in Oestrich in der Turnhalle samt angeschlossener Kneipe zur Bewirtschaftung, um nicht in dieser Langeweile zu versinken.
Jetzt war sie auch noch eine besonders attraktive junge Frau und wenn sie hinter dem Tresen stand, waren alle Männeraugen auf diesen Blickfang zielgerichtet - und die Kneipe war gerammelt voll. Frauen verirrten sich nur selten in solche Bier-Kneipen, außer wenn im großen Saal direkt nebenan im Kino eine Schnulze gespielt wurde.
Es war also nur eine Frage der Zeit, bis sich da etwas anbahnte, das den Wunsch nach mehr als nur Arbeit, Bedienen und Putzen befriedigen konnte. Und in solch einem kleinen Umfeld war es alsbald kein Geheimnis mehr, wer und was sich nach dem Kino und dem Schließen der Bar anbahnte. Auch wenn dem Ehemann die Hörner aufgesetzt wurden, er konnte nichts mehr ändern - ohne den ganz großen Knalll herbeizuführen.
Unsere Eltern bekamen in unserem Vorort bereits 1955 ein richtiges (schwarzes) Telefon - von der UFA, dem Arbeitgeber unseres Vaters, das zweite in dem Wiesbadener "Vorort eines Vorortes". Und so war es schon erstaunlich, daß wir Kinder mit 10 und zwölf Jahren solche Stories beim Mithören von Telefonaten mitbekamen, ohne die wirklichen Details (eines "Ehebruchs") zu erahnen.
Und eines Tages kam dann in Oestrich der "Richtige", der "irgendetwas" besonders gut konnte und ist mit ihr nach Südafrika ausgewandert und die Klatschpresse hatte eine Story weniger.
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Auch bei uns in der Familie knirschte es gewaltig .....
Wie gesagt, unser Vater bekam ein Diensttelefon, damit er für Notfälle erreichbar war. Dazu war er für die UFA fast immer 2 bis 3 Wochen auf Kino-Montage im Hunsrück, an der Mosel und in der Eifel. Die Aufgabe der Ehefrau war es damals in den 1950er Jahren, für's traute Heim und die beiden Jungs zu sorgen.
Als eines Tages ein Anruf aus solch einem Dorf an der Mosel kam und unserer Mutter angedroht wurde - "wenn unser Vater seine Freundin oder Verlobte nochmal anfassen würde, würde er ihm etwas abschneiden" - war bei uns monatelang Eiszeit. Da der Anrufer richtig in sein Telefon gebrüllt hatte, konnten wir Kinder das sensationelle Gespräch mithören, aber den Sinn nicht verstehen, was der damit wohl gemeint hatte.
Jedenfalls war unsere Mutter schlagartg kreideweiß im Gesicht und erwartete mit gespannter aber leicht agressiver Geduld die Wochenend-Heimkehr unseres Vaters.
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Heute weiß ich natürlich, daß es auch damals auf dem Land eine große Zahl hübscher und schnuckeliger aber einfältiger Mädels gab und dann kam endlich mal ein gestandenes gutaussehendes "Mannsbild" aus der Stadt ins Dorf und musste dort 2 oder 3 Wochen irgenwo übernachten, ganz alleine. Und das Kino war damals erst nach der Spätvorstellung - oft nach Mitternacht - aus und die jungen Mädels, die Platzanweiserinnen freuten sich, mit einem richtigen Auto - unser Vater hatte bereits den uralten VW Käfer - Nachhause gebracht zu werden. - Den Rest kann man sich denken.
Und wie gesagt, das Resultat war bei den Redlichs mehrere Monate Eiszeit und wir Kinder hatten keine Ahnung, was da - in der Beziehung der Eltern - vor sich ging.
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Nördlich des Ruhrgebietes kam es noch schlimmer
Den Ort der Geschichte habe ich nie erfahren. Auf jeden Fall war es weit weg von Wiesbaden, als sich aus solch einem mitternächtlichen Verhältnis eines Chefs mit einem seiner "Fräuleins" (so wurden die damals benannt) ein handfestes um 9 Monate verzögertes "Ergebnis" abzeichnete.
Der Kinobesizer hatte es (beruflich) geschafft und hatte bereits mehrere wirklich gut laufende Kinos - richtige Goldesel - aber jetzt hatte er ein richtiges ernsthaftes Problem.
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Die vom Erzeuger vielleicht erzwungene Abtreibung kam damals vermutlich aus religiösen Gründen nicht in Betracht, also mußte eine den Schein wahrende Lösung her. Die war recht einfach, denn mit Geld konnte man - damals wie heute - (kennen Sie meine Heimatstadt "Filzbaden" ?) alles in den Griff bekommen.
Einer der Vorführer in dem kleinen Kino-"Konzern" mußte das Fräulein, jetzt die junge Frau, heiraten und bekam dafür ein Kino (und ein Kind) "geschenkt" - aber möglichst weit weg - nach Wiesbaden. Für den jungen Mann eine unerwartete Chance, mehr aus seinem Leben zu machen.
Über den Verband der Kinobesitzer konnte man nämlich erfahren bzw. erfragen, in welchen Vororten größerer Städte, natürlich ganz weit weg, es noch kein Kino oder aber ein zu verkaufendes Kino oder einen brauchbaren Saal gab.
Und wenn der Ort groß genug war, kamen auch nie Fragen auf, wer wann was mit wem "produziert" hatte, die beiden Eltern waren ja verheiratet. Und da die Neubürger dort im neuen Zuhause noch niemanden kannten, wurden auch keine intimen (unangenehmen) Fragen gestellt.
So einfach war das damals in schwierigen prüden Zeiten vor 1960 .............
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