Eine zweite Zeitung schreibt über zur Eröffnung am 9. Dez. 1954
Wie in vielen Städten, Kleinstädten, Dörfern und manchmal auch in kleinsten Käffern gab es zwei Lokalzeitungen, die sich Konkurrenz machen mussten. So auch in Bad Kreuznach. Der jeweilige Redakteur hatte es schwer, sich von seinem Kollegen in der anderen Redakation irgendwie abzusetzen, wenn es doch um das gleiche Kino ging (und um die gleichen Anzeigenkunden).
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Über diese Eröffnung schreibt die 2. Zeitung am 9. Dez. 1954
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Die Kammerspiele in Bad Kreuznach
ÄLTESTES UND JÜNGSTES FILMTHEATER ZUGLEICH
Ludwig Amann, Filmtheater-Architekt aus Nürnberg, hat gestern die Pläne seines 33. Theaterbaues zusammengefaltet. Heute abend um 21 Uhr öffnet sich der Vorhang in diesem Theater, den "Kreuznacher Kammerspielen", zur festlichen Premiere im neuen Haus. Die Erfahrungen von 33 Theaterbauten, gesammelt von einem begabten Architekten, vereinen sich in diesem Bauwerk zu einem bewundernswerten, in Einrichtung und Form vollkommenen Theater, das allen Anforderungen gerecht wird, die die moderne Filmtechnik an es stellt und alle Bedürfnisse eines überraschten Publikums befriedigen kann.
(Ui, war das ein langer Satz und das schon in 1954.)
Damit sind die Kammerspiele das älteste und jüngste Theater Kreuznachs zugleich. Hausherr Karl-Heinz Sawatzki und seine Gattin dürfen zufrieden sein.
Vor vier Monaten begann das wagemutige Unternehmen, das den Abbruch eines betriebsbereiten Theaters und seinen Wiederaufbau verlangte. Vier Monate lang war der Bauplatz an der Kreuzstraße erfüllt vom Lärm der Maschinen und vom Klopfen der Hämmer. Die Männer der Kreuznacher Firma August Henke & Sohn, denen die gesamten Abbruch-, Erd-, Beton-, Maurer- und Verputzarbeiten oblagen, stießen dabei auf manch unvorhergesehene Schwierigkeit.
So mußten sie, da der Bau von der Kreuzstraße bis in die Gymnasialstraße reicht und das Straßenniveau am Gymnasium nahezu zwei Meter höher liegt, dort bis zu drei Meter tief für den Guß der Fundamente schachten. Die verschiedenen Erdarten - die Kammerspiele stehen auf dem ehemaligen Flußbett der Nahe - zwangen zu manch zeitraubender Maßnahme. Daß trotz allem auf die Minute genau gearbeitet worden ist, hat bereits die Anerkennung der Fachleute gefunden.
Wenn heute abend die alten und neuen Freunde des ältesten Filmtheaters Kreuznachs vor der 21 Meter breiten Straßenfront des neuen Hauses stehen, werden sie sich vielleicht wundern über den verhältnismäßig schmalen Eingang. Aber sie werden überrascht sein von der Fülle an architektonischer und farblicher Schönheit, die sich hinter diesem Eingang verbirgt.
Und sie werden dann begreifen, daß die Devise des neuen Hauses nicht Pomp, sondern elegante Einfachheit, nicht. Straßenhändler-Reklame, sondern ruhiger Hinweis auf die Qualität ist. „Deshalb", so sagt Karl-Heinz Sawatzki, „haben wir auch auf die knalligen Riesenplakate verzichtet, die doch nur das Straßenbild verunzieren!"
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Architekt Ludwig Amann hat sein Lineal beim Entwurf der neuen Kammerspiele in der Schublade liegenlassen. Er hat dafür seinen Zirkel benutzt. Daraus entstanden Räume mit weichen, runden Wänden. Die architektonische Form der Kassenhalle bereitet vor auf die einfallsreiche Gestaltung des Foyers, das nichts anderes als eine riesige Palette ist. In ruhigen Linien nach vorne strebend, den Blick nach der Leinwand zwingend, ist der Zuschauerraum des Theaters gebaut. In weitem Bogen schwingt sich der Balkon unter der freitragenden Decke quer durch den Hintergrund.
Ähnlich vollendet wie die Komposition in dem Kunstwerk eines Malers ist die Harmonie der Farben in den neuen Kreuznacher Kammerspielen.
So besteht der Boden der Kassenhalle aus beigem, durch schwarze Streifen unterbrochenem Marmor. So ist das Foyer mit mattblauem Linoleum ausgelegt, in dessen Zentrum eine grau-beige Platte genau unter einer in die Decke hineingewölbten Licht-Scheibe liegt.
Eine Sitzgruppe in Maisgelb, Weiß und Orange erhöht die farbliche Wirkung. Mit hellbeigem Acella voll gepolstert sind die 630 Sitzplätze in Parterre und auf dem Balkon. So ergeben sie den notwendigen Kontrast zu der in dunklerem Rot gehaltenen Wandbespannung des Hauses. Die Decke ist ein zartes, durch Lichtpunkte unterbrochenes Grün.
Die technische Ausstattung des neuen Theaters hat ihr Glanzstück in einer Entlüftungs- und Klimaanlage, die sechsmal in der Stunde die Luft völlig erneuert und jedem Besucher dreißig Kubikmeter frischer Luft zuführt. Die Beleuchtung geschieht zum größten Teil durch indirektes Neonlicht, im Zuschauerraum so gut wie in den Hallen. Die Leinwand ist selbstverständlich auf die für CinemaScope-Filme erforderliche Breite gebracht worden, ebenfalls sorgen sechs Lautsprecher, die im ganzen Raum verteilt sind, für die akustische Wirkung des neuen Filmwunders. Schon heute wird die Schwerhörigenanlage - Sessel mit Kopfhörern - benutzt werden können.
Karl-Heinz Sawatzki hat dem Boden die stärkste, gesetzlich erlaubte Neigung gegeben, die Sessel im Abstand von 95cm und die Sitze auf dem Balkon im Abstand von 1,20m aufstellen lassen. Er hat dadurch zwar hundert Sitze „verloren", aber erreicht, daß seine Gäste bequem sitzen und von jedem Platz aus gut sehen können.
Dieses Prinzip hat zusammen mit moderner Form und reizvoller Farbe auch den „neuen" Kammerspielen den Charakter der „alten" bewahrt: die Kammerspiele sind ein ruhiges, gemütliches und intimes Theater geblieben. Auch beim Bau eines Kinos verpflichtet der Name.
Die erste Filmkritik (1907)
Über die ersten VorStellungen im „Heymsehen Saalbau", den heutigen Kammerspielen, schrieb der Rezensent Mitte November 1907 folgendes:
Das Kinematographen-Theater in Heyms Saalbau erfreute sich am Samstag und Sonntag eines sehr regen Besuches. Kein Wunder auch, sind doch die vorgeführten lebenden Photographien von tadelloser Wiedergabe, zumal die Personen in natürlicher Größe erscheinen. Das Programm hatte durchweg großartige Nummern aufzuweisen. U. a. erregte das „Quer durch Afrika", wobei das Erlegen eines Nilpferdes, dessen Einbringen und Zerlegen usw. sehr schön und klar veranschaulicht wurde, großes Interesse. Von ganz besonderem Lacherfolg wurde die Jagd nach dem Sonnenschirm begleitet, ebenso amüsant war der Gummimann, überhaupt, jedes vorgeführte Bild überbot das Andere. Wie wir erfahren, soll auf besonderen Wunsch das letzte Sonntagsprogramm am Mittwoch, dem 27. d. M., 9 Uhr abends, nochmals vorgeführt werden, so daß diejenigen, die keine Gelegenheit hatten, zuzusehen, das nachholen können.
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VORHANG AUF zur festlichen Premiere
„Sauerbruch — Das war mein Leben" ist eine der besten deutschen Nachkriegsproduktionen
Endlich ist es soweit - der Sauerbruch-Film, schon lange Zeit in Planung und im Gespräch, wurde "uraufgeführt". Und er ist genau so, wie man ihn sich vorgestellt hat: gediegen durch und durch, einfach in der Form und stark in der Wirkung. Eine Wirkung freilich, die weitgehend vom Thema des Filmes abhängt, von dem ungewöhnlichen Wirken eines großen Chirurgen nämlich!
Mit diesen Worten leitete dieser Tage ein namhafter westdeutscher Kritiker seine Besprechung des Sauerbruch- Filmes ein, mit dem die Kreuznacher Kammerspiele im Rahmen einer festlichen Premiere heute um 21 Uhr ihr neues Haus eröffnen, -wobei man auf persönliche Einladungen verzichtet hat.
Aus dem mit Spannung gelesenen Fortsetzungsbericht einer großen deutschen Illustrierten zog dieser Film die stärksten Szenen heraus und fügte sie - teils in chronologischer Handlung, teils in Rückblende - nach seinen eigenen Gesetzen zusammen. Das Drehbuch von Dr. Felix Lütkendorf gleicht die dramaturgischen Widersprüche dieser Handlungskonstruktion durch lebendige, ergreifende und erschütternde Geschehnisse wieder aus.
Der Regisseur Rolf Hansen hat Sauerbruchs Leben als „großen Film" inszeniert. Der Aufwand, den die Bühnenarchitekten Robert Herlth und Gottfried Will getrieben haben, ist groß. Aber es hat sich gelohnt. Auch er war vonnöten, um das Bild eines großen Arztes und eines guten Menschen erstehen zu lassen.
Anerkennenswert auch die Kameraführung von Helmut Ashley.
Ewald Baiser stellt den berühmten Geheimrat aus Berlin mit verblüffender Aehnlichkeit dar. Heidemarie Hatheyer und Maria Wimmer verkörpern die weibliche Seite, die aber hier keine mitbestimmende, dramatische Funktion hat, sondern nur Anlaß und Fortschritt für die Darstellung eines ungewöhnlichen Lebens ist.
Auch die kleinen Rollen sind in diesem Film mit Könnern ihres Faches besetzt. Lina Carstens und Hilde Körber als die Oberschwestern der psychiatrischen und chirurgischen Klinik, Erich Ponto als Chefarzt, Paul Bildt als Briefträger, Otto Gebühr als Faktotum, Rudolf Vogel als Oberkellner im Bristol, Claus Biederstaedt als Kommissar, Hans Christian Blech als halsstarriger, junger Arbeiter - noch mehr bekannte Namen verzeichnet die Liste der Darsteller dieses Films.
Es ist weniger ein Abenteuerleben, das hier in kurzen Ausschnitten aus seinen letzten Jahren vor uns abrollt. Es ist ein Leben voller Arbeit und eines Kampfes, der nicht enden will. Aus ihm erwuchs die große und legendäre Gestalt des Professor Sauerbruch, das Vorbild einer Generation von jungen Medizinern und der jungen Menschen überhaupt.
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Ein Start mit guten Filmen
Von Erich Kästner bis Walt Disney - Über das Winterprogramm 1954/1955
Karl-Heinz Sawatzki, Hausherr der Kammerspiele, hat uns einige der Filme seines winterlichen Programmes im neuen Haus genannt. Internationale Filmkunst und spannende Unterhaltung, deutsche und amerikanische Filme stehen auf der Liste der Saison.
Walt Disneys vieldiskutiertes und mit höchsten Auszeichnungen bedachtes Werk „Die Wüste lebt" erscheint auf der Leinwand der Kammerspiele auch in Bad Kreuznach. In monatelanger Arbeit haben Disneys Kameramänner in der Wüste von Nevada die Tiere belauscht und eine packende Reportage von ihrem Leben gefilmt. Die hervorragende Verbindung von Bild und Musik. - Disney ist in dieser Form ohne ernsthaften Konkurrenten - hat seinen Film zu einem Bestseller ersten Ranges werden lassen.
Erich Kastners Buch „Das fliegende Klassenzimmer" hat Regisseur Kurt Hoffmann unter dem gleichen Titel Seite für Seite und getreu dem literarischen Vorbild auch Wort für Wort verfilmt. So entstand ein Streifen, dem die Jungen mit Spannung und die Alten mit verständnisinnigem Schmunzeln folgen werden.
Einen Nervengenuß von Format bietet der amerikanische CinemaScope-Farbfilm „Es wird immer wieder Tag". Nach einem Bericht, der in einer großen deutschen Illustrierten erschienen ist, schildert der Streifen mit John Wayne in einer ausgiebigen Hauptrolle das Schicksal eines Flugzeugs, dessen vierter Motor mitten über dem Pazifik ausgesetzt hat. Dieser Film beweist, daß CinemaScope über das Anfangsstadium des kindlichen Klamauks hinausgewachsen ist.
21 Millionen Mark kostete Hollywood der Revuefilm „Ein neuer Stern am Himmel". Ausgerechnet der seriöse Liebhaber James Mason spielt die Hauptrolle dieses CinemaScope-Films.
Aus deutscher Produktion stammt „An jedem Finger zehn", eine Monstre-Revue mit bekannten Namen, ein Leckerbissen für die Freunde leichtgeschürzter musikalischer Unterhaltung. Dafür garantieren Namen wie: Josephine Baker, Wody Herman und sein Orchester, Mona Baptiste, Bibi Johns.
Weiter stehen Zuckmayers „Des Teufels General", „Das Bekenntnis der Ina Kahr", „Gitarren der Liebe" und der mit dem „Goldenen Löwen" in Venedig ausgezeichnete Film „Romeo und Julia" auf dem Programm, das ein verheißungsvoller Auftakt auf der Leinwand des ältesten und zugleich jüngsten Theaters unserer Stadt ist.