Die Zeiss Ikon Zeitschrift "Bild und Ton" ab 1952
In den Anfängen nach 1945 galt es, den Vorführern und auch den Kinobesitzern möglichst viel Wissen zu vermitteln. Das reduzierte die Problemfälle und Serviece-Einsätze. Vor allem mußte es leicht verständlich sein, denn die allermeisten der angesprochenen Kunden waren keine oder nur angelernte Fachleute. Auch die Chefs hatten anfänglich wenig Ahnung. Wir haben diese Zeitschrift bis Ausgabe 65 vorliegen. Die dann folgenden Ausgaben (ab 1962 und folgende) suchen wir noch.
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Heft 28 - 1952 Verzerrungsfreie Steilprojektion
Aus der Schweiz erhielten wir hierzu ein Telegramm. Wir möchten unseren Lesern die Lösung dieser interessanten Aufgabe nicht vorenthalten und bringen daher eine Beschreibung dieses Verfahrens.
In den meisten Lichtspieltheatern liegt der Bildwerferraum über dem Zuschauerraum, so daß die Projektionsrichtung mehr oder weniger stark geneigt ist. Da die üblichen Kinomaschinen ausnahmslos so gebaut sind, daß der Film im Bildfenster senkrecht auf der Projektionsrichtung steht, liefern diese Maschinen nur dann ein dem Filmbild ähnliches, unverzerrtes Schirmbild auf der Projektionswand, wenn die Projektionswand gleichfalls senkrecht auf der optischen Achse steht.
Muß man den Projektor dagegen in der Eingangs erwähnten Weise mehr oder weniger neigen, so wird das rechteckige Bildformat trapezförmig verzerrt, wobei gleichzeitig die Bildhöhe im Vergleich zur mittleren Bildbreite zu groß wiedergegeben wird (Bild 1).
Diese Bildverzerrungen werden erfahrungsgemäß bei der normalen Kinoprojektion kaum bemerkt, solange der Neigungswinkel der Maschine kleiner als etwa 10° ist.
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Sie treten jedoch bei größeren Projektionswinkeln störend in Erscheinung. In der Praxis werden die Verzerrungen zwar an den Bildbegrenzungen durch die rechteckige Bildumrahmung verdeckt und vielfach auch durch eine gewisse Neigung der Bildwand nach hinten für den Beschauer weniger auffällig gemacht.
Diese Mittel helfen jedoch nur bei geringen Neigungen der Projektionsrichtung. Bei stärkeren Neigungen fallen die Verzerrungen auch im Bildinhalt auf, z. B. in Form sogenannter stürzender Linien von Gebäudekanten. Außerdem besteht die Gefahr, daß Teile des Bildinhalts der unteren Bildecken, z. B. Anfang und Ende einkopierter Titel, abgeschnitten werden. Aus den obengenannten Gründen sucht man beim Entwurf neuer Lichtspieltheater den Bildwerferraum so zu legen, daß die Projektionsrichtung möglichst wenig von der Waagerechten abweicht.
Leider läßt es sich in manchen Fällen, vor allem beim Umbau bereits vorhandener älterer Gebäude wie zum Beispiel alten Theatern oder Varietees nicht vermeiden, daß der Bildwerferraum sehr hoch liegt, die Projektionsrichtung also stark bis sehr stark geneigt ist. Man hat sich deshalb schon wiederholt mit dem Problem beschäftigt, eine derartige Steilprojektion so durchzuführen, daß keine Bildverzerrungen auftreten.
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Es gibt aber optische Tricks, das zu verbessern.
Die vorgenannten Verzerrungen lassen sich vollständig vermeiden, wenn die Filmebene trotz der Neigung der Maschine parallel zur Bildwand bleibt, wie es in Bild 2 angedeutet ist.
Das Objektiv muß dann, um das ganze Bildfeld scharf wiedergeben zu können, so (verdreht) eingebaut werden, daß seine optische Achse zwar senkrecht auf der Filmebene steht, jedoch gegenüber der normalen Anordnung in der in Bild 2 dargestellten Weise nach unten versetzt wird. Man erkennt sofort, daß die abbildenden Lichtstrahlen in diesem Falle das Objektiv schräg durchsetzen, so daß es einen sehr großen Bildwinkel scharf auszeichnen muß.
Diese Bedingung läßt sich mit den üblichen Kinoobjektiven nicht erfüllen, da diese bestenfalls den für das Kinoformat notwendigen Bildwinkel von 10° bis 15° auszeichnen, während z.B. bei einer Neigung von 20° ein Winkel von etwa 50° erforderlich wäre.
Dieser große Bildwinkel darf jedoch nicht durch eine Verringerung der Lichtstärke erkauft werden, da auf die bei Kinoprojektionsobjektiven übliche Lichtstärke von etwa 1:2 keinesfalls verzichtet werden kann. In der Schwierigkeit, diese Bedingungen bei gleichzeitig verhältnismäßig langer Brennweite zu erfüllen, ist wohl die Hauptursache dafür zu sehen, daß die Aufgabe der verzerrungsfreien Steilprojektion unseres Wissens bisher noch nicht befriedigend gelöst wurde.
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Das ZEISS IKON "Alinar II"
ZEISS IKON befaßte sich in dem Kieler Werk auf einer neuen Grundlage mit diesem Problem, als in einem Hörsaal der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich bei einem Neigungswinkel von 22° ein unverzerrtes Schirmbild gefordert wurde, wobei gleichzeitig der Bildschirm oben nicht nach hinten geneigt werden durfte, um andere Projektionen nicht zu stören. Die Arbeiten konzentrierten sich zunächst auf die Suche nach einem geeigneten Objektiv. Es gelang, in dem "Alinar II" ein voll brauchbares Objektiv zu scharfen.
Als Grundlage für die Sonderausführung wurde die nach dem Krieg neu entwickelte Bildton-Maschine ERNEMANN X mit der Hochleistungspiegellampe MAGNASOL IV gewählt. Ganz besonders vorteilhaft erwies sich hierbei die moderne und völlig neuartige Konstruktion dieser auch für zukünftige Entwicklungen gedachten Maschine. Da das (Film-Transport-) Werk abnehmbare Tragplatten besitzt, können alle für die Steilprojektion erforderlichen Änderungen an der oberen Tragplatte vorgenommen werden, während das Werk selbst unangetastet bleibt.
Das Bild auf der Titelseite zeigt eine Ansicht der neuen Maschine. Im optischen Strahlengang ist die Lage der Trommelblende unverändert geblieben, damit die Antriebsteile des Werkes und auch die Transportrollen der Filmführung nicht versetzt zu werden brauchten.
Das Bildfenster in der Filmbahneinlage sowie das Objektiv sind dem Neigungswinkel entsprechend tiefer gesetzt. Das Lampenhaus mit der Bogenlampe ruht auf einem Zwischenstück, welches auf die serienmäßige Tischplatte aufgeschraubt ist.
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Der Helligkeitsabfall durch Wabenkondensor korrigiert
Als Folge der schrägen Durchstrahlung des Objektivs entsteht bei normaler Projektion ein Helligkeitsabfall im Bildfeld von oben nach unten, welcher durch die natürliche Vignettierung des Objektivs verursacht wird. Dieser Helligkeitsabfall konnte mit Hilfe des Wabenkondensors vollständig ausgeglichen werden. (Siehe "Bild und Ton" Nr. 27)
Dieses von ZEISS IKON entwickelte optische Zusatzgerät dient in normalen Kinomaschinen dazu, um auch unter den schwierigsten Projektionsbedingungen eine hervorragend gleichmäßige Ausleuchtung des Schirmbildes zu erreichen. Bei dem "Steilprojektor" gelang es, durch eine besondere Einstellung des Wabenkondensors den durch die Vignettierung verursachten Lichtabfall praktisch vollständig aufzuheben.
Die schräge Durchstrahlung des Objektivs machte es ferner notwendig, die Lage der Filmebene an die Bildschale des Objektivs anzupassen, da die Schärfentiefe derartiger lichtstarker Objektive außerordentlich gering ist. Die Filmbahneinlage wurde infolgedessen beweglich gemacht, so daß sie um einen kleinen Winkel geneigt und damit bei laufendem Film in die günstigste Schärfenebene gebracht werden kann.
Die Versuche mit dem neuen Projektor entsprachen den Erwartungen und ergaben ein unverzerrtes, gut ausgeleuchtetes Schirmbild mit gleichmäßiger Schärfe über das ganze Bildfeld. Damit kann abschließend festgestellt werden, daß es ZEISS IKON gelungen ist, das schwierige Problem der verzerrungsfreien Steilprojektion wohl erstmalig und zur vollen Zufriedenheit der Auftraggeber zu lösen.
ULFFERS
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