Rainer Bücken hat die Messe in Frankfurt besucht
aus FERNSEH- UND KINO-TECHNIK - Nr. 8/1986
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"Broadcast '86" Start mit Handicaps
Wenn es stimmt, daß Konkurrenz das Geschäft belebt, und wenn es außerdem stimmt, daß aller Anfang schwer ist, wird sich auf dem Feld hochkarätiger Fachmessen und -kongresse künftig was tun - ein neuer Messe-Interessent ist angetreten, pokert mit dem großen Geschäft und powert mit Platz und Verkehr.
Als auf dem 14. TV-Symposium in Montreux (1985) vor anderhalb Jahren zum ersten Mal Prospekte auslagen, die auf eine neue Messeaktivität der Frankfurter Messe hinwies, übten sich viele Montreux-Besucher in Ratlosigkeit: Mal abwarten und dann entscheiden, war die Devise.
Die Zeit des Abwartens ist vorbei, die erste "Broadcast" ebenfalls, doch mit der erhofften Klarheit ist es immer noch nichts.
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Brauchen Broadcast-Anbieter und Anwender noch eine Messe ?
Die Kardinalfrage nämlich, brauchen Broadcast-Anbieter und Anwender ein weiteres Podium, um Geräte, Systeme und Programme vorstellen bzw. nachfragen zu können - diese Frage ist auch nach der ersten "Broadcast" nicht definitiv und somit allgemeingültig zu entscheiden.
Die einen waren froh, daß sie in Frankfurt dabei waren, können auf Millionenabschlüsse verweisen und haben so richtige Hoch-Zeit- Gefühle rund ums kaufmännische Herz.
Andere Aussteller hatten in den fünf Tagen vom 24. bis 28. Juni 1986 in der Halle 9 zwar viele interessante Gespräche und Kontakte, doch für Abschlüsse reichte die Kompetenz der Besucher nicht.
Die Hoffnung ist nun, daß die so ihre Erfahrungen in das Entscheidungsprocedere einspeisen, auf daß das Nachmessegeschäft der "Broadcast" doch noch ein interessantes werde.
Waren die Aussteller eigentlich an der richtigen Stelle?
Und schließlich waren auch die da, die kaum Besucher hatten und dann schnell und frustriert ihre Zelte abbrachen bzw. ihren Stand ausräumten und noch nicht einmal Prospekt-Material zurückließen.
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Waren die Aussteller eigentlich an der richtigen Stelle? Ist ein "Radio Diehl" (ein Rankfurter Radio- und Hifi-Laden), der neben Consumer-Geräten auch institutionelle Produkte feilbietet, auf einer Veranstaltung richtig, wo es doch "nur" um professionelles Equipment gehen sollte?
Um hier Klartext zu reden - auch in Montreux sind nicht nur Geräte rund um die Studionorm zu sehen, auch da zeigt Grundig beispielsweise Videorecorder, denen der Unterschied zur Heimelektronik zumindest von außen nicht anzusehen ist.
Doch das Umfeld paßt, die professionelle Grundig BK-Linie ist eben auch vertreten. Haben nun aber Stuntmen - women sind da höchst selten - auf so einer Messe, wo es um Hard- und Software geht, überhaupt was zu suchen, gehörten sie nicht vielmehr zur Showtech nach Berlin?
Man hätte auch für die Teilnahme von Schauspiel- und Ballettschulen gute Gründe finden können. Da spiegelt sich wider, daß am Ausstellungskonzept noch viel getan werden muß, bis mit heterogen auftretenden Austellern eine organische Messe erreicht wird.
Anmerkung : Als Wiesbadenr Beobachter kommt immmer wieder raus, es geht den messegesellschaften nur ums Geld. Die hätten sogar gerne Coca Cola auch noch auf der Messe gehabt.
Die Ausstellung war ein erster Erfolg - wirklich ?
Viele Unternehmen machten nicht mit, hauptsächlich aus Etat- und Zeitgründen. So gab es weder Bosch/Fernse (aus Darmstadt !!!) noch Sony, weder Panasonic noch Siemens und Philips.
Trotzdem boten die 140 beteiligten Firmen aus 16 Ländern auf 90 Ständen ein interessantes Programm, hatten Fachleute mitgebracht, die selbst denen Rede und Antwort standen, die nicht bei einer Fernsehanstalt als Technischer Direktor tätig sind.
Das zeichnet gerade die "kleinen" Spezialmessen aus - es kommen Kontakte zustande, zu denen es in Montreux oder bei vergleichbaren Veranstaltungen in den USA oder Großbritannien eben nicht gekommen wäre. Etwa 5.000 Fachbesucher aus 40 Ländern - darunter 1.000 Jounalisten - wurden registriert.
Neuigkeiten, von denn die Messen leben ?
Sicherlich gab es auch die eine oder andere technische Entwicklung, die neu war, auch wenn das eher durch Zufall bestimmt schien. Bis die "Broadcast" ein "Neuheitentermin" - wie NAB oder Montreux - wird, dauert es noch.
Die Aussteller bemühen sich dort nämlich, mit einigen Neuentwicklungen Schlaglichter zu präsentieren, schon allein wegen des Medienechos. Hier sollten einige auf der "Broadcast '86" gezeigte Produkte skizziert werden.
Die Messe hatte immerhin einen 80-seitigen Überblick "Aus dem Angebot der Broadcast" zusammengestellt. In den meisten Fällen nutzten die Aussteller diese Möglichkeit für eine Selbstdarstellung, doch nur wenige verstanden das Anliegen der Messe und lieferten ihre "Hausaufgaben" ordentlich ab.
Fernsehtechnik - interessante Zusammenstellung
Wenn sich die Frankfurter Aktivitäten auch nicht mit Montreux vergleichen lassen, so boten die zahlreichen Aussteller doch einiges an Entwicklungen auf, die zwar nicht unbedingt den Überblick über die Branche, so doch zumindest Einblicke ermöglichten.
Einer der größten Aussteller war BFE; die Standkompetenz ging fließend über in die für das "Gläserne Studio". BFE baut aber nicht nur Studios, sondern vertreibt auch einzelnes Equipment, konnte sich beispielsweise von For-A den Generalvertrieb von Toshibas Camcorder PK-70 (System Betacam) sichern.
Ikegami zeigte sein bekanntes Produktspektrum, so unter anderem die professionellen Kameras HK-381 (für Studio und EFP), HK-322 (Studio), HK-79E (Studio und EFP), HL-95 Unicam (ENG).
Außerdem waren die Monitorlinien Serie 9 und Serie 3 zu sehen. Für das 2/3"-Format entwickelte Schneider Kreuznach ein apochromatisches Variobjektiv (Apo-Varon HM 14x).
Auch Videor Technical zeigte u.a. fürs 2/3"-Format neue Fujinon-Objektive, unter anderem ein 1,5 kg schweres 18fach Zoom (8,5 bis 153 mm). Neu ist auch Pegasus II, ein 14fach Zoom (9 bis 126 mm). Beide Objektive haben Makromöglichkeit. Für HDTV-Kameras gibt es das R14xl2, 5ESM {12,5 bis 175 mm) jetzt beinahe schon aus der Serienfertigung.
Daß Hitachi Denshi nicht sein neues professionelles 8mm-System ("CV-One") ausgestellt hat, mag ebenfalls auf die Bedeutung hinweisen, die einer jungen Messe zukommt - in Japan hat man für derartige Aktivitäten erst dann ein Ohr, wenn größere Geschäftsabschlüsse gemeldet werden.
Sich zeigen kann man auch mit bekannten Geräten, mehr Aufmerksamkeit bringen bekanntlich neue Produkte, auch wenn sie eben noch nicht lieferbar sind.
Bei U-matic-Geräten ist das Angebot inzwischen recht komplex: Standard (= Lowband), Highband und SP, was vor allem Metallband meint. Aus Standard-Geräten eine mit SP vergleichbare Qualität hinsichtlich Auflösung und Störabstand zu holen, verspricht DanVideo und realisiert das mit verschiedenen schaltungstechnischen Eingriffen, die freilich durch einen Schalter überbrückt werden können, so daß die Kompatibilität gewahrt bleibt.
Da wird zwar nicht von SP, aber von "Extented High Band" gesprochen, die Auflösung soll dann 4 MHz betragen. 300 Geräte wurden für den skandinavischen Markt inzwischen modifiziert.
Das Komponenten-Programm von For-A (Vertrieb: fsg) zeigte vielen "Newbroadcastern" erstmals, welches Potential in dieser Technik steckt, wenn sie nur konsequent genutzt wird. Dazu muß die Linie aber komplett sein - und einen weiteren Schritt tat fsg nun mit einem Farbbalkengenerator in Komponenten-Technik.
Ebenfalls auf digitaler Komponenten-Ebene arbeitet das Effekt-System Kaleldoscope von Grass Valley (Vertrieb Delta). Die PAL-Version wird erstmals auf der IBC (19. bis 23. September 1986 in Brighton) zu sehen sein.
Show muß sein, bei Quantel
Eng war es auch diesmal wieder bei Quantel - wenn kreative Bildingenieure in die Trickkiste elektronischer Zauberei greifen, bleibt kein Auge trocken.
So tat das Unternehmen mit seinem Effekt-Gerät Encore - es war zum ersten Mal in der Bundesrepublik Deutschland auf einer Ausstellung zu sehen - einen weiteren Schritt zum digitalen Studio.
Das System arbeitet nach dem CCIR-Standard 601 und ist in der Bearbeitung von 3D-Bildern mit dem Mirage-System zu vergleichen. Auch bei diesem System kann das Bild im Raum um vorbestimmte Achsen bewegt werden ("Floating Viewpoint Control").
Cine TV zeigte erstmals in Europa die Kombination des Ultimatte-5 Chromakeyers mit einem Quanta-Paint II-System.
Neue Beispiele von dreidimensionalen Computerfilmen stellte das Computer Animation Laboratory vor. Hier zeigten nicht nur Vertreter des Fernsehens großes Interesse, sondern auch die Werbebranche.
Den Videographik-Computer Sllver führte de Gräfe vor. TV-One demonstrierte auf einer 9fach-Monitorwand verschiedene Produktionen mit Computer Animation und Digital-Effektgeräten. Vidi vertreibt die inzwischen auch in PAL lieferfähigen Aurora-Graphik-Systeme A 75 und A 220, beide mit der Option für Einzelbildaufzeichnung.
Ein Messestudio der Deutschen Bundespost
Eine ganz andere "Videoschiene" stand bei der Deutschen Bundespost im Mittelpunkt - sie stellte in einem Messestudio ihren Videokonferenzdienst vor, mit dem Konferenzen effektiver abgehalten werden können.
Die Einsparung von Reisekosten wurde zwar auch als Grund für die neue
Technik genannt, doch hat sich inzwischen herausgestellt, daß kaum eine Reise weniger gemacht wird.
Es gibt schon zahlreiche private VK-Räume, wobei der Trend, die Technik im "normalen Büro" hinter Türen zu verstecken, besonders interessant ist - zusätzliche Räume werden für die Videokonferenz nicht benötigt, man trifft sich beispielsweise in einem Besprechungszimmer, und wenn die Leitungen geschaltet sind, brauchen nur einige Schranktüren des "Mini-Videokonferenz-Containers" (Hersteller Fuba) geöffnet zu werden, und schon steht einer Videokonferenz nichts mehr im Wege.
Ein solcher Container soll mit einer Sony-CCD-Kamera, Monitor und Tonteil weniger als 90.000 DM kosten. Wer die Investitionen scheut, kann den Weg in eines von 12 bisher installierten öffentlichen Videokonferenzstudios wählen.
Kabelanschluß und Satellitendirektempfang
Außerdem stellte die Post den - medienpoiitisch und -technologisch noch immer umstrittenen - Kabelanschluß vor, und Interessenten konnten sich auch über die Hyperbandtechnik (300 bis 440 MHz) informieren.
Die für diese Technik nötigen Verteilanlagen zeigte Fuba. Einen Schwerpunkt bildeten bei diesem Aussteller die Anlagen für den Satellitendirektempfang, mit dem es aber in diesem Jahr wohl nichts mehr werden wird, denn der nächste Start der Ariane soll erst Anfang nächsten Jahres erfolgen - und wann damit der TV-Sat D ins All katapultiert wird, steht noch nicht fest.
Fuba zeigte jedenfalls schon jetzt die beiden in Frage kommenden Offset-Antennentypen, nämlich mit 55 und 85 cm Durchmesser. Auch die übrigen Elemente bis hin zur Satelliten-Antennensteckdose waren ausgestellt, Frequenzbereich nach der Umsetzung 0,95 bis 1,75 GHz. Eine Vorführung von D2-MAC gab es leider nicht.
"Astra" soll Am Mai 1987 im Orbit stehen
SES, nämlich "Societe Europeenne des Satellites", kündigte auf der "Broadcast" den Start eines Hybridsateltiten, "Astra" genannt, an. Ab Mai nächsten Jahres soll er im Orbit stehen und 16 (!) Fernsehprogramme mit einer Leistung von je 45 W im Bereich von 11,2 bis 11,45 GHz abstrahlen.
Der Satellit (RCA 4000) soll eine Lebensdauer von 10 Jahren haben. Für den Empfang sollen 85cm-Antennen ausreichen, und die würden dann kaum teurer sein als derzeitige Videorecorder, wurde auf einer Pressekonferenz gesagt.
Wenn auch die Finanzierung - hauptsächlich durch kapitalträchtige Banken in Luxemburg - gesichert scheint, so bleiben Fragen: Ein paneuropäischer Satellit sollte mindestens 8 Tonkanäle haben (Französisch, Englisch, Deutsch, Spanisch, Italienisch, Belgisch, Schwedisch, Niederländisch, Norwegisch usw.) - das geht nur mit C-MAC.
Die Programmveranstalter aber sollten in ihrer Entscheidung, welches Verfahren gewählt wird, frei bleiben: PAL, C-MAC, D2-MAC oder andere, ganz nach Gusto und technischen Voraussetzungen.
Die Satellitenkanäie jedenfalls sind transparent. Erstaunlich nur, daß RTL noch nicht dabei ist. Die Unsicherheiten sind wohl doch noch zu groß...
Bleiben wir auf der Erde.
Die Nutzung eines Infrarot-Freiraum-Systems für die drahtlose Übertragung von Videosignalen stellte Pötschke Elektronik vor. Distanzen bis mindestens 800m lassen sich damit überwinden. Außerdem war ein Meßsystem zur Überwachung der Feldstärke von Mikrowellen- und HF-Strahlung ausgestellt, was unter anderem bei Wartungsarbeiten an Antennentürmen wichtig ist.
Rank Cintel zeigte erstmals in der Bundesrepublik den CCD-Filmabtaster ADS 1 mit zwei Laufwerken für 16 und 35mm, der sich unter anderem durch eine elektronische Staub- und Kratzerverdeckung sowie durch variable Geschwindigkeit von 1 bis 99 Bilder/s und Pan-Scan-Technik auszeichnet.
Daß auch die professionelle Videotechnik für Unterwasseraktivitäten genutzt werden kann, zeigte Hugyfot - für Sony's Betacam hat der Schweizer Rene Hugenschmidt ein Gehäuse entwickelt, das immerhin bis zu einer Tiefe von 80m reicht. Dort herrscht ein Druck von 9 bar oder - wie es heute heißt - von 9000 Hektopascal. Die Panzerung für Betacam wiegt 25 kg, im Wasser ist sie ausgeglichen, erscheint "schwerelos".
Tontechnik - breites Angebot
Die "Broadcast" sieht ihren Markt auch bei privaten Anbietern. Mit möglichst geringem Mitteieinsatz einen Sendebetrieb aufzubauen, ist bei vielen die Devise.
Ob es aber Sinn macht, Tonkonserven auf HiFi-Ton-Videorecordern herzustellen und dann automatisch abzuspielen, muß sich herausstellen. Besser wäre vermutlich, hier mit PCM-Prozessoren zu arbeiten, damit auch kritisches Tonmateriat ohne Probleme abgespielt werden kann.
Von der R. Barth KG in Hamburg wurde auf der Basis von nur zwei HiFi-VHS-Geräten eine programmierbare automatische Nachtsendeanlage gezeigt, bei der aus zwei Acht-Stunden-Bändern vorproduzierte Wort- und Musikbeiträge von fünf bis 15 Minuten Dauer in beliebiger Reihenfolge abgespielt werden können.
Diese Konfiguration sei nicht nur als Nachtsendeanlage geeignet, man könne damit auch den nächsten Beitrag bereitstellen, während das Hörfunkprogramm aktuell läuft.
Mit einer Spezialentwicklung wartete Cine TV auf: Ein Grundig HiFi-Ton-Videorecorder VS380R wurde so modifiziert, daß er eine Laufzeit von 11 Stunden erreicht.
Das demonstrierte Tonmaterial stammte aus der Kategorie Pop - und für solche Anwendungen mag die Qualität durchaus reichen. Gut einsetzen läßt sich ein solches System jedenfalls für die zwingend vorgeschriebene Dokumentation - 11 Stunden Programmitschnitt für etwa 20 Mark.
Brüel & Kjaer zeigte zwei neuentwickelte Stereo-Mikrophonsätze (3529 und 3530), die aus jeweils zwei in ihrer Charakteristik übereinstimmend ausgewählten Studio-Mikrophonen mit Kugelcharakteristik für "Spaced Apart" (A-B) bestehen. Damit soll es möglich sein, den sonst notwendigen Mikrophon-Aufwand drastisch zu reduzieren.
Bei Sennheiser war der Prototyp eines tragbaren, batteriebetriebenen Sechskanalempfängers gezeigt, außerdem verschiedene neu- bzw. weiterentwickelte Studiomikrophone (MKH 20 und MKH 30).
TFE-Studio demonstrierte das neue Tonmischpultsystem Serie 10, es wurde speziell für die privaten Lokalstationen entwickelt. Ebenfalls für diesen Kreis gedacht ist das von ANT entwickelte - und seit längerem eingeführte - Tonregiesystem TRS 800, das nun durch das System TRS 700 ergänzt wird.
Bei ANT war die Arbeit in einem "Ein-Mann-Studio" gut zu beobachten - der Moderator legt nicht nur Platten und Bänder auf bzw. ein, sondern übernimmt auch noch die gesamte Regie. Doch Allround-Genies sind selten - und teuer. Ob sich am Ende diese Personalsparpolitik rechnet, scheint fraglich.
AEG führte das digitale Magnetbandgerät MX850 vor, eine 32-Kanal-Mehrspuranlage, das nach dem PD-Format arbeitet (Tonaufzeichnungsverfahren der Pro Audio Group). Der Schnitt kann sowohl elektronisch (Editing) als auch - wie bei Analogbändern - mechanisch erfolgen.
Durch die Digitaltechnik ist das Ende der analogen Aufzeichnungsgeräte längst noch nicht eingeläutet, AEG beweist das immer wieder, zuletzt durch die neue M15A-Mehrspuranlage, die für 8 bis 32 Spuren ausbaubar ist.
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"Gläsernes Studio" ohne Glas
Ein gläsernes Studio gab es bereits vor fünf Jahren auf der Internationale Funkausstellung in Berlin. Für die "Broadcast" wurde ein Nachfolger installiert, hergestellt von BFE unter Verwendung des besten Studio-Equipments, das derzeit auf dem Markt ist (Wert der installierten Geräte: 12 Millionen DM!).
Sicherlich war die Idee ursprünglich eine andere, ein "Studio 2000" sollte es werden. Nur geht das nicht ohne Bosch, Sony, Matsushita, Barco und wie die namhaften und bei der "Broadcast" abstinent gebliebenen Unternehmen auch alle heißen mögen.
"Studio 2000" hätte eine Verpflichtung bedeutet, nämlich ein Blick in die Zukunft zu ermöglichen. Da wäre digitale Komponentenaufzeichnung an der Tagesordnung gewesen, zwei oder drei D1-Recorder hätten schon hingehört.
Sony und Bosch haben die ersten Geräte ja fertig - aber die stehen entweder in Japan oder Paris - nur nach Frankfurt waren sie nicht zu bekommen. Auch HDTV hätte dort hin gemußt, war es aber nicht, weil auch das größtenteils von Sony (oder BTS) hätte kommen müssen.
Dann also zwei "Gläserne Studios"
Doch die Frankfurter haben den Dreh geschickt gefunden - sie bauten nicht nur ein, sondern gleich zwei "Gläserne Studios". Nun soll man das mit dem Glas so genau nicht nehmen - Glas gab es nicht, aber bereitwillig erklärende Experten, es sei denn, eine Sendung lief oder wurde vorbereitet.
Dann kam Hektik auf, denn Pannen waren nicht eingeplant. "Studio 1" hatte 250m2, "Studio 2" 120m2 Studiofläche. Technisch und organisatorisch optimale Einrichtungen - manchem Bild- und Tontechniker wurde es da anders, und viele Regisseure fanden nur ein Wort: Spitze!
Beide Studios waren gewissermaßen modular aufgebaut, konnten beliebig ausgebaut werden. Die Produktjonseinrichtungen lassen sich auch für Komponentenstudios umrüsten.
Insgesamt waren unter anderem 12 Kameras (Ikegami, Hitachi), vier Betacam-Kameras (Toshiba), sechs MAZ-Anlagen (Bosch, Ampex), ein CCD-Filmabtaster (Rank), zwei Schriftgeneratoren (Chyron), drei Betacam-Recorder bzw. -Player (Sony), vier Umatic-Highband-Recorder (JVC), ein Bildspeichersystem (Quantel), ein Graphik- und Animationssystem (Bosch), Bildmischer (Grass Valley) im Einsatz.
Zu einem Informationszentrum "Gläsernes Studio" waren vor allem die Magnetbandhersteller Agfa-Gevaert, Ampex, BASF, Kodak, 3M zusammengefaßt, aber auch Bell & Howell, Philip Drake, EMT Franz, Rank, Sachtler, Schneider, Videor Technical und Vinten.
Hintergründe ........
Übrigens muß die Entscheidung, anstelle eines "Studio 2000" die Sache in Glas anzubieten, relativ kurzfristig gefallen sein - noch im Katalog wirbt g.t.c. mit seinem im "Studio 2000" installierten Equipment (Schnittsteuersystem CMX. Coco Farbkorrektursystem usw.).
Das gläserne Studio war ganz gewiß der geräte- und organisationstechnische Höhepunkt der Ausstellung. Die Medien-Fachleute - und nur die waren zugelassen - konnten sich informieren, wie "Fernsehen vom Feinsten" aussieht.
Natürlich wirkten dagegen dann die bei einigen Ausstellern installierten "Ein-Mann-Studios" wie bessere Amateureinrichtungen, aber bei einer Messe der Kontraste geht das dann wohl auch nicht anders.
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Zukunftsgedanken
Sicherlich könnte es Sinn machen, die Studioseite ausstellungsmäßig künftig weiter zu vertiefen. Das "Denken in Systemen" würde potentiellen Hörfunk- und Fernsehmachern erleichtert, wenn Anbieter von Produktionsstudios zeigen, was mit welchen Mitteln machbar ist.
Das hätte einige Vorteile: Erstens macht es für Anwender wenig Sinn, nur einzelne Geräte zu sehen, gewünscht ist das Zusammenspiel mit der übrigen Technik, die ja von unterschiedlichen Herstellern kommt.
Die Geräte-Hersteller müßten nicht zwanghaft eine weitere Ausstellung schlucken, könnten, wo es möglich und nötig ist, Hilfestellung leisten. Und die Messo hätte schließlich die Marktnische gefunden, die paßt - denn eine Messe für Produktionsstudios gibt es noch nicht, das ist auch in Montreux nicht zu sehen, und selbst mit der Stuttgarter "telematica" oder der Kölner "photokina" wäre das gut verträglich.
Das wäre etwa so wie die "Systems" oder "Orgatechnik" auf dem Gebiet der Nachrichten- und Datentechnik.
Was die "Broadcast" nicht ist ......
Jedenfalls soll die "Broadcast" keine Messe für den sogenannten "Knopfdrücker" oder "reinen Geräteinteressierten" sein; sie ist den Profis vorbehalten, charakterisierte Dr. Horstmar Stauber, Vorsitzender der Geschäftsführung der Messe Frankfurt, die neue Veranstaltung.
Wen er mit "Knopfdrücker" meint, ist nicht deutlich geworden - hoffentlich nur die Laien, die zum Zeitvertreib auf einer Ausstellung mal hier drücken, mal dort an etwas drehen - doch die haben eh' keinen Zutritt.
Sollten aber Techniker gemeint sein, wird es böse, dann müßten nämlich auch bei der Messeleitung mehr Identifikation mit "nackter Technik" zu erwarten sein, bevor immer nur von "Professionalität" geredet wird. Programm ohne Technik geht ebensowenig wie umgekehrt.
Der Kongreß schlief
Größte Mühe hat sich Messe schon gemacht - sie ist mit Vorleistungen nicht knausrig gewesen. Millionen sind investiert worden, um die "Broadcast" zum Erfolg zu machen. Natürlich gab es Pannen, peinliche Pannen.
So war der Kongreß kein sonderlicher Erfolg. Die Messe hatte ihn vorbereitet, oder besser, hat mitgeholfen, ihn vorzubereiten. Da waren noch viele andere Leute im Spiel, aber nicht alle Profis. Wenn Referenten noch zwei Stunden vor Beginn ihrer Session einräumten, sich noch nicht vorbereitet zu haben, aber dann begannen, um Material und Informationen zu betteln, so ist das nicht nur doppelt, sondern gar dreifach peinlich.
Einmal wird der Messe gegenüber ein gewisses Desinteresse signalisiert. Dann kommt die mangelnde Fachkompetenz zum Ausdruck und schließlich hat sich auch die Messe nicht abgesichert, um den Kongreß zum Erfolg zu führen.
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Doch erstmal ein Blick nach Montreux ?
Dazu hätte sie sich "nur" an Montreux zu orientieren brauchen. Selbstverständlich gibt es da (in Montreux) Tagungsbände, und oftmals sind mehr Referate abgedruckt, als wirklich gehalten wurden. Diese begleitenden Papiere haben Sinn, es kommen viele Informationen rüber, über die in der Kürze der Zeit nicht vorgetragen, wohl aber diskutiert werden können.
Das alles fehlte in Frankfurt. Selbst die Stuttgarter "telematica" war - was den Kongreßteil angeht - auch in diesem Jahr wieder vorbildlich: Auch hier gab es rechtzeitig die Kongreßdokumentation - Kongreß- und Ausstellungsbesuch müssen sich so nicht ausschließen.
Und auf der "telematica" waren im Prinzip all' die Referenten, die in Frankfurt fehlten. Auch zum "Medien Forum Berlin 1985", das parallel zur internationalen Funkausstellung stattfand, gab es die Kongreßbeiträge - rechtzeitig!
Schließlich sollte man das auch von den Kongreßgebühren her in Relation setzen: Der "telematica"-Kongreß kostete 580 Mark, einschließlich der Tagungsbände, der "Broadcast"-Kongreß 500 Mark - ohne Nachlesemöglichkeit.
Doch hier soll nicht verallgemeinert werden. Die stattgefundene medienpolitische Diskussion hatte durchaus Format, da kamen viele interessante Statements, die auch künftig die Meinung im Land beeinflussen dürften.
Auf der technischen Seite gab es nur wenige Highlights. So machte Toshiba Habutsu von NHK in seinem Referat über die digitale MAZ deutlich, daß wir mit der derzeitigen analogen Aufzeichnungstechnik - sei es auf der Basis FBAS oder analoger Komponenten - am Ende angekommen sind, weitere Verbesserungen sind kaum noch möglich.
Um die Nachteile der heutigen Analogverfahren zu überwinden, nämlich die Qualitätsverschlechterung bei Überspielungen, muß technologisches Neuland beschritten werden. Kein größerer Bandverbrauch als bei anajogen MAZ-Geräten, keine Qualitätsverschlechterung bei Überspielungen, leichtes Einbinden in ein "digitales Umfeld" wie Mischer, Computer und Effektgeneratoren, mindestens vier Tonkanäle, einfache Handhabung durch drei unterschiedliche Kassetten, langzeitstabile Aufzeichnungen, keine wesentlich höheren Kosten als bei vergleichbaren Analogmaschinen - das alles sind nur einige wenige Punkte.
Am interessantesten ist indes ein anderer: Die Normung für das "D1 "-System kam zustande, bevor die Gerätehersteller Seriengeräte auf den Markt brachten, und das hat es bislang eben noch nicht gegeben.
Die Regel waren nämlich Serienprodukte, die erst später zu einem CCIR/SMPTE/EBU/IEC-Standard wurden. (Anmerkung : Das BCN B-Format sowie das Ampex/Sony C-Format)
Jetzt wurde auf der 16. Plenarversammlung des CCIR der digitale Videostandard (Recommendation 601) festgelegt, die ersten D1-Maschinen dürften im nächsten Frühjahr (1987) ausgeliefert werden.
Der digitale Standard läßt sich aber auch für andere Anwendungen nutzen, so für digitale Heimvideorecorder und für HDTV-Einbindung. Es wird aber bereits an Geräten der nächsten Generation gearbeitet mit nochmals erhöhter Aufzeichnungsdichte (nicht 850 Oe wie bei D1, sondern 1.300 Oe). Damit kommt man vielleicht doch in die Nähe der digitalen HDTV-MAZ.
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Resümee von Rainer Bücken
Sicherlich lassen sich die Schweizer Berge nicht nach Frankfurt tragen.
Aber auch der Taunus hat seine schönen Seiten. Und wenn der Genfer See auch nicht zum Baden einlädt (dafür aber zum Spazierengehen und Bootfahren), so tut es das direkt neben der Messe gelegene Rebstockbad auch.
Nur fehlten hier die Hinweise - warum soll eine "Broadcast" nicht auch mal "Baden gehen" dürfen? Ein attraktives "Freizeitprogramm" wurde schließlich im Januar Ausstellern und Besuchern angekündigt. Dafür gab es immerhin eine großartige "Prime Time"-Party für ein erstes Kennenlernen.
Ursprünglich sollte die "Broadcast '86" bereits vom 7. bis 10. Mai 1986 stattfinden, als "fälliges europäisches Pendant zur NAB" (- "National Association of Broadcasters", Las Vegas und Dallas).
Bis dieser Anspruch eingelöst ist, müßte die Messe noch mächtig powern, pokern reicht da nicht mehr. Außerdem muß mit dem Kongreß etwas geschehen - es muß ein richtiger werden. Längerfristig dürften die Frankfurter Aktivitäten die etablierte Montreux-Veranstaltung kaum, die in Brighton indes stärker tangieren.
Die nächsten Broadcast-Ereignisse sind schon festgeschrieben:
- Köln photokina (3. bis 9. September 1986),
- 11, International Broadcast Convention 86 in Brighton (19. bis 23. September),
- 15. TV-Symposium und technische Ausstellung Montreux (11, bis 17. Juni 1987)
- und - man sollte auch das bedenken -
- Die Internationale Funkausstellung Berlin 1987 (28.8. bis 6.9.).
Überall geht es um Broadcast - institutionell, professioneil und in Berlin schließlich sowohl als auch, freilich eingebettet in ein Überangebot an Konsumelektronik. Doch dahin pilgern Hunderttausende derjenigen, für die größtenteils alles gemacht wird - die Konsumenten.
Rainer Bücken im Juni 1986
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