Historisches Wissen aus Heften, Zeitschriften, Magazinen
Artikel, Zitate und Infos stammen aus der Funk-Technik, der Funkschau, den RTMs, Kameramann, der FKT, den Schriften von Philips und Zeiss Ikon und Anderen. Mehr über die verfälschten historischen Informationen ab 1933 über 1945 bis weit in die 1980er Jahre.
aus der FUNK-TECHNIK Nr. 20/1950, dem Oktober Heft
Ein Artikel über das zukünftige Fernsehen
Das deutsche Fernsehen kommt — aber wann ?
In FUNK-TECHNIK (1950) Heft 19, berichteten wir, daß vom NWDR in Hamburg die Fernsehversuchssendungen offiziell am 25. 9. begonnen wurden. Prof. Grimme, der Generaldirektor des NWDR, wies aber besonders darauf hin, daß in absehbarer Zeit mit regelmäßigen Fernsehsendungen aus finanziellen Gründen noch nicht zu rechnen sei. Der Bericht unseres der Eröffnung beiwohnenden Korrespondenten gibt darüber Aufschluß.
Im großen Sendesaal des Nordwestdeutschen Rundfunks Hamburg waren am 25. September sechs Fernsehempfänger aufgestellt, über 200 Journalisten waren Augen- und Ohrenzeugen, als Prof. Dovifat in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Verwaltungsrates des NWDR die offiziellen Fernsehversuchssendungen mit einer kurzen Ansprache eröffnete.
Die Bildqualität war ausgezeichnet, ebenso bei der folgenden Sendung, in der die neuesten Nachrichten aus Korea gesprochen und an einer Landkarte zusätzlich erläutert wurden. Anschließend wurden Filmstreifen gezeigt, und zwar die neueste Wochenschau, ein Kulturfilm und ein Akt eines Spielfilmes. Bei den Filmdarbietungen zeigten sich gewisse Mängel des Bildes.
Vortrag vom Generaldirektor des NWDR Prof. Dr. Grimme
Vorher hatte Prof. Grimme, der Generaldirektor des NWDR, den anwesenden Journalisten in dürren Worten erklärt, daß es mit dem Fernsehen noch eine ganze Weile dauern würde. Er bat dringend darum, die Sendegesellschaft nicht zu drängen, da die finanziellen Mittel für das hohe Kosten verursachende Fernsehen nicht bzw. mindestens in absehbarer Zeit noch nicht zur Verfügung ständen. 750.000,- DM hat der NWDR bereits für die Vorbereitungsarbeiten aufgewandt. Weitere Mittel wurden bei der am Vortag durchgeführten Verwaltungsratssitzung genehmigt, so daß eine ergänzende Ausstattung der Sendeanlagen möglich ist und außerdem Spezialkräfte eingestellt werden können,
Grimme nannte für eine offizielle Einführung des Fernsehens keine Termine. Er wies auf vier Voraussetzungen hin, die vor zeitlicher Festlegung erfüllt sein müssen, und zwar
- 1. müssen Fernsehsender technisch einwandfrei ausgerüstet sein und genügend Programmerfahrungen müssen gesammelt werden.
- 2. muß die Finanzierung absolut sichergestellt sein,
- 3. muß die Kaufkraft der künftigen Fernsehteilnehmer genügend groß sein und schließlich
- 4. muß die Industrie in der Lage sein, preiswerte Fernsehgeräte zu liefern.
Zur ersten Veranstaltung ist zu sagen, daß noch eine Menge Arbeit auf der Sendeseite in bezug auf das Programm und die Technik geleistet werden muß. Der Beweis wurde am Schluß der Pressekonferenz erbracht, den die Fernsehvorführung eines Filmes bildete, der zu Anfang der Veranstaltung aufgenommen wurde. Man sah zwar den gut beleuchteten Professor Grimme auf dem Schirm der Braunschen Röhre, bei Aufnahmen im Konferenzsaal erkannte man aber jeweils nur die in der ersten Reihe sitzenden Personen gut, während der Hintergrund dunkel und undeutlich blieb.
Fernsehen ist ohne Geld nicht zu haben
Für die zweite Voraussetzung, nämlich genügend finanzielle Mittel für das Fernsehen zu haben, sah der Generaldirektor des NWDR noch keine Lösung, um so mehr, als der Ausbau des Mittelweilen- und Ultrakurzwellen-Sendernetzes unter keinen Umständen zu kurz kommen darf. Fernsehgeräte an den Mann zu bringen, setzt eine genügende Kaufkraft der Bevölkerung voraus und niedrige Preise, die auch vorerst nicht gegeben sind.
Abschließend sagt Prof. Grimme: „Nun, ich habe - das finden Sie vielleicht für die Aufgabe eines Generaldirektors etwas merkwürdig - bei solch einer Gelegenheit eine gehörige Dosis Wasser in den Wein Ihrer Erwartungen gießen müssen. Ich möchte abschließend aber sagen: wie dem auch immer sei, die Entwicklung, daß das Fernsehen kommt, und daß es in einer qualitativ würdigen Form kommen muß, ist nicht aufzuhalten.
Die Entwicklung geht einfach über alle Gegenargumente, die man ja auch hier vielfach in der Presse lesen kann, über alle Ängstlichkeiten, über alle Hemmungen hinweg. Es ist doch ein Versuch. Wenn die Technik erst einmal da ist, dann hat sie - ganz ähnlich übrigens wie die Militärmaschinerie - ihr eigenes Gesetz in sich und entfaltet sich und wächst über den Menschen hinaus."
Der NWDR alleine wirds nicht schaffen.
Der NWDR fühlt sich als Treuhänder für die gesamtdeutsche Fernseharbeit. Es wäre anzustreben, daß die anderen Sender und auch die Bundespost sich an den Vorbereitungskosten beteiligen. Eines Tages wird das Fernsehen sicher kommen, aber auch die glühendsten Optimisten werden wohl mindestens ein Jahr ansetzen, bis es soweit ist.
In dem Augenblick, als die Pressekonferenz in Hamburg stattfand, verbreiteten die Nachrichtenbüros übrigens die Mitteilung, daß die Philips Valvo Werke mit der Stadtverwaltung Krefeld Verhandlungen über den Ankauf eines 70.000 qm großen Grundstückes führen, auf dem die Fernsehempfänger bauende Philips-Fabrik errichtet werden soll. Diese Nachricht läßt erkennen, daß die Industrie nicht an eine schnelle Verwirklichung regelmäßiger Fernsehsendungen denkt, denn zwischen Kauf eines Fabrikgeländes bis zur Serienfabrikation von Fernsehgeräten liegt notwendig eine große Zeitspanne.
A. S.