Historisches Wissen aus Heften, Zeitschriften, Magazinen
Artikel, Zitate und Infos stammen aus der Funk-Technik, der Funkschau, den RTMs, Kameramann, der FKT, den Schriften von Philips und Zeiss Ikon und Anderen. Mehr über die verfälschten historischen Informationen ab 1933 über 1945 bis weit in die 1980er Jahre.
aus der FUNK-TECHNIK Nr. 11/1950 (1. Juni Heft)
Das Editorial
Nr. 11/1950 - 5. JAHRGANG - CHEFREDAKTEUR CURT RINT
Eine wirkliche Exportmesse
Die Deutsche Industrie Messe in Hannover war in ihrem technischen Teil (3.—15. Mai (1950)) in mancher Hinsicht eine Überraschung. Wir wollen offen gestehen: nach den wenig ermutigenden Eindrücken von der "Allgemeinen Messe" im April sind die meisten von uns mit gemischten Gefühlen auf das Gelände in Laatzen gegangen. Man prophezeite allgemeine Messemüdigkeit und schwachen Ausländerbesuch und über die verhältnismäßig geringen Exportaussichten waren sich die meisten einig.
Es ist anders gekommen. Schon am ersten Tag, ja bereits in den ersten Stunden fiel der überraschend hohe Ausländerbesuch auf, der bis zum Schluß anhielt und weit über die nach den Anmeldungen zu erwartende Zahl von 12.000 nicht-deutschen Gästen hinausging. Neben den Angehörigen fast aller europäischen Länder sah man viele Exoten, die dieser Messe ein wirklich internationales Kolorit gaben. Und alle waren zufrieden mit dem Ausgestellten!
Im Jahr 5 nach April 1945
Man darf den fast 1800 Ausstellern (400 weitere konnten nicht mehr untergebracht werden) und daneben der Messeleitung bescheinigen, daß eine Technische Messe par excellence geboten wurde. Die Standaufbauten in den Hallen mit 75.000 qm gedeckter Fläche und auf dem 30.000 qm großen Freigelände waren mustergültig — geradezu vorbildlich aber die Stände der Elektroindustrie in Halle III, die an beste Leipziger Messetradition erinnerten - und diese möglicherweise noch übertraf, da mehr Platz als im „Haus der Elektrotechnik" am Leipziger Völkerschlachtdenkmal vor seiner Zerstörung vorhanden war.
27% der Ausstellerschalt wurden von der Elektro-, Radio- und Fono-Industrie gestellt und 21% der verfügbaren Standfläche von ihr belegt. Mancher Besucher wird ein wenig stolz gewesen sein, als er die mustergültigen Stände der Großfirmen im Mittelteil der Halle III sah, und nicht minder erfreulich waren die vielen kleineren Stände der Spezialindustrie anzusehen, auf denen dank eines wiedergewährten Patentschutzes viele wirkliche Neuheiten angeboten wurden.
Nun, eine Messe ist eine kaufmännische Angelegenheit und keine Ausstellung alleine, wenigstens im Westen. Aber auch hier durfte sich Hannover sehen lassen. Man gab zwar nur wenige Zahlen bekannt, aber man hörte doch von beachtlichen Aufträgen. Die Schätzungen sind sich einig, daß 75% aller Orders von Ausländern erteilt wurden — und dies kurioserweise, auf einer Messe, deren inländischer Charakter besonders betont wurde. Im Vorjahr, als es sich noch um eine reine Exportmesse handelte, war das Verhältnis zwischen Exportverkäufen und innerdeutschen Umsätzen 9:10 - in diesem Jahre aber 3:1!
Es geht erfreulich schnell aufwärts
Der deutsche Elektro-Export hat sich in letzter Zeit recht günstig entwickelt, wie man den Zahlen entnehmen konnte, die der Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes der elektrotechnischen Industrie e. V., Dr. H. Trute, anläßlich der Eröffnung der Messe mitteilte. Noch 1937 stand Deutschland mit 131.193.000 Dollar an der Spitze der Welt-Elektro-Ausfuhr.
Aus der Aufstellung (Bild unten) erkennt man, daß der Weltverbrauch an Elektrowaren außerordentlich gestiegen ist. Die Aussichten der deutschen Elektro-Industrie kann man also mit Fug und Recht als sehr günstig bezeichnen. Das Ziel des Marshall-Planes, 1952 für die Elektro-Industrie einen Ausfuhrerlös von 600 Millionen Dollar zu erreichen, wird aber trotzdem kaum zu verwirklichen sein.
Die Elektro-Industrie dürfte mit dem geschäftlichen Ergebnis zufrieden sein. Soweit vorliegenden Berichten entnommen werden kann, wurden in Hannover in der Hauptsache Schalt-und Meßgeräte, Transformatoren, Kabel und Installationsmaterial sowie Großbatterien ausgeführt, aber auch Rundfunkgeräte fanden ihren Weg ins Ausland. Als Hauptkäufer traten die Türkei, Luxemburg, Frankreich, Belgien, Holland, Schweden und Dänemark auf, daneben Argentinien und Venezuela.
Alle warten auf UKW . . . sehnsüchtig oder voller Angst ?
Es überrascht keineswegs, daß die Hersteller von Rundfunkgeräten und -zubehör nur schwach vertreten waren offen gesagt: sie bildeten nur ein Anhängsel an die glanzvolle Demonstration der deutschen Elektro-Industrie. Die erste Funkausstellung nach dem Krieg in Düsseldorf warf ihre Schatten voraus, so daß sich eine Reihe von Firmen entschlossen hatte, auf eine Beteiligung in Hannover zu verzichten. Außerdem haben sich die Aussteller in Halle XIII an die Beschlüsse der Fachabteilung 14 im Z.V.E.I. gehalten und außer jenen „freien" Geräten (Ultrakurzwellenvorsätze und -empfänger, Koffersuper) keine Neuheiten gezeigt.
Naturgemäß verlor die Messe auf dem Empfängersektor dadurch etwas an Reiz, was im ganzen gesehen jedoch nicht daran hinderte, auf sogenannten „Nebengebieten" viele wirklich interessante Neuheiten zu finden, Auf den folgenden Seiten ist darüber ausführlich berichtet. Daneben aber bot die Messe eine günstige Gelegenheit, nochmals Marktforschung zu treiben und die Ansichten von Fachleuten aus dem Groß- und Einzelhandel über das am stärksten interessierende Problem, „Ultrakurzwelle", einzuholen.
Es sind die letzten Tage vor dem Start
Man weiß, daß die verantwortlichen Ingenieure und Kaufleute in den Empfängerfabriken nunmehr endgültig die Modelle der kommenden Saison festlegen müssen. Das war in jedem Jahr um diese Zeit so — aber noch niemals machte es solche Schwierigkeiten wie diesmal. Was wird der Markt ab August zu UKW sagen ? Wie wird er auf kombinierte Geräte und wie auf Vorsatzgeräte reagieren? Man weiß, daß die Programmgestaltung auf UKW von ganz entscheidendem Einfluß auf die Geschwindigkeit sein wird, mit der sich der FM-Rundfunk durchsetzt, und man beobachtet daher mit gespanntem Interesse die ersten Reaktionen auf das UKW-Programm West und Nord des Nordwestdeutschen Rundfunks. Wir schrieben im letzten Heft an dieser Stelle, „daß noch alles im Fluß ist und festgefügte Meinungen pro und contra (UKW) verfrüht sind".
Unbeschadet dieser Unsicherheit müssen sich Techniker und Kaufleute hinsichtlich der Typenplanung entscheiden. Kein Wunder daher, daß viele und ernste Gespräche an den Ständen der Rundfunkindustrie geführt wurden, in denen nicht nur die beklagenswerte Verwirrung des gegenwärtigen Verkaufsgeschäftes zur Debatte stand, ansonsten aber bereiten sich Rundfunkindustrie und Fachhandel auf die Funkausstellung vor, deren Publikumswerbung am 1. Juli mit einer Pressekonferenz (Hauptreferent: Leiter der Pressestelle der Arbeitsgemeinschaft Rundfunkwirtschaft, Dr. Werner Hensel) einsetzen wird. Hinter den Kulissen arbeitet und flüstert man eifrig! sodaß wir mit einigen interessanten Überraschungen auf technischem und möglicherweise auch wirtschaftlichem Gebiet rechnen können.
Karl Tetzner