Historisches Wissen aus Heften, Zeitschriften, Magazinen
Artikel, Zitate und Infos stammen aus der Funk-Technik, der Funkschau, den RTMs, Kameramann, der FKT, den Schriften von Philips und Zeiss Ikon und Anderen. Mehr über die verfälschten historischen Informationen ab 1933 über 1945 bis weit in die 1980er Jahre.
aus der FUNK-TECHNIK Nr. 07/1950 (1. April Heft)
Das Editorial
Nr. 7/1950 - 5. JAHRGANG - CHEFREDAKTEUR CURT RINT
Die Leipziger Ausstellung
Es heißt langsam, aber sicher Abschied nehmen von der Leipziger Messe alten Stils. Das freie Spiel von Angebot und Nachfrage und das Aushandeln der Konditionen und Preise ist dahin, und an seine Stelle tritt der geplante und bis ins letzte gelenkte Wirtschaftsablauf, der geschickter Verkäufer und wendiger Werbefachleute nur noch selten bedarf.
Die Entscheidung über Kauf und Verkauf fällt nicht mehr unmittelbar am Stand nach Prüfung des Angebots, sondern in den Büros staatlicher und halbstaatlicher Handelsgesellschaften, die ihre Genehmigungen ausschließlich an Hand festliegender Plane erteilen.
Hat die Leipziger Messe damit ihre Bedeutung verloren?
Wir glauben zuversichtlich, daß sich die ebenso ehrwürdige wie zähe Tradition der Messe stärker als alle Zeiteinflüsse erweisen wird. Leipzig hat als Messestadt manchen Sturm und manche Wandlung erlebt ... und überlebt!
In diesem Frühjahr präsentierte sich die Messe erneut mit dem unnachahmlichen, bisher von keiner „Konkurrenz" erreichten Schwung ihrer Organisation. Alle jene so wichtigen Äußerlichkeiten, angefangen bei den Sonderzügen und aufgehört bei Taxen, Briefmarken und Pressekonferenzen, zeugten von sicherer Routine und dem ehrlichen Willen, den Besuchern die unvermeidlichen Strapazen zu erleichtern.
Besucher gab es genug.
Bereits am fünften Tag war die Grenze von 200.000 überschritten, das früher kaum am letzten Tag erreicht wurde. Aber der unaufhörliche, drangvolle Strom der Sehleute, der sich zähflüssig durch die Gänge der Messehäuser und -hallen schob, kann heutzutage nicht mehr als Gradmesser des Erfolges der Messe gelten. Die Messe ist eine Ausstellung geworden und zieht die Massen rein als solche an, daran ändern die völlig auf geschäftlichen Ton abgestellten Tagesberichte des Messeamtes nichts.
Man vermied es peinlich, vollständige Abschlußziffern bekanntzugeben und beschränkte sich auf Andeutungen und Einzelergebnisse. Man tat recht daran! Denn auch die geschäftlichen Umsätze auf der Messe können nicht als Barometer für Erfolg oder Mißerfolg gelten. Die weitaus meisten aller getätigten Umsätze wären auch ohne Messe zustande gekommen, eben im Rahmen jenes geplanten Außenhandels der Ostzone. Und für die Warenbewegung innerhalb dieses Gebietes spielt die Leipziger Messe vollends keine Rolle.
Für die Leipziger war es ein Erfolg
Es bleibt also der Ausstellungscharakter der Leipziger Frühjahrsmesse 1950. Hier war der Erfolg unbestreitbar. Auf dem technischen Gelände bildeten die sowjetrussische Ausstellung mit fast 18.000qm Fläche und die Kollektivausstellungen der osteuropäischen Staaten und Finnlands in Halle X Anziehungspunkte erster Ordnung. Hunderttausende von interessierten Besuchern sahen erstmalig Maschinen, Fahrzeuge, Halbfabrikate, Rohstoffe, landwirtschaftliche Erzeugnisse und Textilien aus den genannten Ländern und waren somit in der Lage, Vergleiche mit west- und ostdeutschen Produkten in den Hallen nebenan zu ziehen.
Der Radio- und Elektrofachmann streifte durch die wiederum erweiterte Halle VII und fand, daß die volkseigenen Betriebe erneut an Ausstellungsfläche gewonnen hatten. Die wenigen noch existierenden Privatbetriebe, und die noch wenigeren westdeutschen Aussteller sahen sich etwas an die Wand gedrückt bzw. auf die Galerie verbannt, wo sie jedoch über mangelndes Interesse seitens der Besucher nicht zu klagen hatten.
Licht und Schatten dicht beeinander
Zur Qualität der Erzeugnisse findet der Leser an anderer Stelle dieses Heftes eine kritische Stellungnahme, hier sei nur so viel gesagt, daß die Produkte auf dem Sektor Meß- und Prüfgeräte vorzugsweise von RFT und Oberspreewerk vollen Beifall auch der kritischsten Betrachter fanden. Dagegen konnte der verwöhnte Beobachter den gezeigten Rundfunkempfängern und Musiktruheh nicht immer Beifall spenden. Exportfähig sind die Empfangsgeräte jedenfalls nicht!
Die verwickelten Verhältnisse auf dem wirtschaftlichen Gebiet bereiteten dem westdeutschen Besucher beträchtliches Kopfzerbrechen. Fragen der Handelsspannen und der Verkaufsmöglichkeiten waren nur schwer zu beantworten, nachdem ab 1. März 1950 Rundfunkempfänger mit Röhren und lose Röhren im Gebiet der DDR nur noch von der „Handelsorganisation" vertrieben werden dürfen. Der bisherige Rundfunkeinzelhandel wird zweifellos in eine bedrängte Lage kommen, zumal das Reparaturgeschäft nachgelassen hat.
Das Kursverhältnis zwischen DM-Ost und DM-West verleitet bekanntlich besonders fixe Kaufleute zu allerlei „Geschäften" mit Ostgeräten in Westdeutschland. Diese Manipulationen nun liegen ebensowenig im Interesse der westdeutschen Radiowirtschaft wie der ostzonalen Hersteller, für die es unerfreulich ist, wenn ihre äußerst niedrig kalkulierten Empfänger zu Spekulationsobjekten werden. Bemerkenswert war ferner das abgesunkene Preisniveau der in der Ostzone gefertigten Meß- und Prüfgeräte, deren Ostmarkpreis zum Teil unter dem Westmarkpreis vergleichbarer Produkte aus Westdeutschland liegen.
Erstaunlich offen und freimütig
Eine der großen Überraschungen der Messe bildeten die freimütigen Auskünfte, die bei einigen VVB'n und SAG'n gegeben wurden. Die Forschungstätigkeit beispielsweise des Oberspreewerkes auf dem Gebiet der Zentimeterwellen (1... 12 cm) und die gezeigten Meßgeräte beanspruchen die Hochachtung eines jeden Technikers selbst unter Berücksichtigung der Tatsache, daß hier ohne viel Rücksicht auf Rentabilität mit großen Personalstäben gearbeitet werden kann.
Beachtlich sind die Ergebnisse auf dem Fernsehgebiet, und besonders erfreulich die von uns an anderer Stelle der FUNK-TECHNIK angedeutete bevorstehende Aufnahme eines Fernsehversuchs-betriebes mit 625 Zeilen in Berlin! Nahezu alle dazu notwendigen technischen Einrichtungen stehen zur Verfügung, z.B. Bildaufnahmeröhren, Filmabtaster, fertige Empfänger usw.
So darf also abschließend festgestellt werden, daß die Leipziger Frühjahrsmesse 1950 ihre neue Funktion als Ausstellung erfüllt hat, indem zumindest ostzonale und osteuropäische Erzeugnisse in einem bisher unbekannten Umfang vorgeführt wurden. Die Sichtung dieses umfangreichen Stoffes war in diesem Jahr leichter als je zuvor, nicht zuletzt dank der weiter ausgebauten und hervorragend geleiteten technischen Berichterstattung seitens der Pressestelle des Messeamtes.
Karl Tetzner