Heinz Fricks Biografie "Mein Gloria Palast" ist in 14 Kapitel gegliedert.
(von Heinz Frick 1984/86) - Ein Tip: Wenn Sie auf dieser Seite zuerst "gelandet" sind, starten sie bitte hier auf der Hauptseite.
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(13) 1962 - ein Intermezzo in Düsseldorf
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Jetzt Theaterleiter von 2 Kinos
Anfang 1962 flog ich nach Düsseldorf und ärgere mich noch heute über meine damalige Feigheit. Ich leitete dort zwei Kinos. Beruflich wurde es meine schwerste und unglücklichste Zeit, abgesehen von den politischen Pressionen in Babelsberg und Ostberlin.
Das Versprechen des dortigen Theaterbesitzers, mir durch seine Beziehungen zu einer Wohnung zu verhelfen, ließ sich nicht einlösen.
Ich wurde im Künstlerzimmer des Kinos einquartiert und war dadurch Tag und Nacht erreichbar. Ich hatte nicht nur eine Ochsentour zu bewältigen, sondern mußte mich auch gegen personelle Widrigkeiten zur Wehr setzen.
Die Düsseldorfer Medien - ein Graus
Sogar mit einer Zeitung gab es Ärger. Ich hatte den Probeabzug für die Anzeige von einem Loren-Film gerade abgezeichnet, als die Post eine bessere Mater brachte. Ich entschied mich für die neue Druckform. Der noch anwesende Herr von der rheinischen Zeitung, der mir die Annoncen vorlegte und mich drucktechnisch beriet, stimmte zu.
Die Mater hatte die gleiche Größe wie das Bild von dem vorgelegten Abzug und der Text blieb unverändert. Am nächsten Morgen fiel ich fast vom Stuhl, als ich das Inserat sah. Das berühmte und erhebende Dekollete von Sophia war mit Druckerschwärze überschmiert, daß der Eindruck eines »geschlossenen Abendkleides« erweckt werden sollte.
Ich rief den Anzeigenleiter an, protestierte gegen die Verunstaltung und teilte ihm mit, daß wir die verstümmelte und entstellte Anzeige nicht bezahlen werden. Außerdem würde ich den Fall dem Rechtsanwalt übergeben, um gegen den Verlag Schritte wegen Geschäftsschädigung einzuleiten.
Der Herr antwortete, daß mir bekannt sein müßte, daß seine Zeitung es ablehnen würde, »anstößige« Bilder zu veröffentlichen. Auf meine Erwiderung, daß sein Mitarbeiter mit der Mater einverstanden war, antwortete er kühl, daß der Kollege keine Verantwortung zu tragen habe. Im Übrigen hatte er versucht, mich wegen der Sache anzurufen und da ich nicht zu erreichen war, mußte er die Abänderung an der Mater vornehmen.
Da ich in der liberalen Welt Berlins aufgewachsen bin, kam mir dieses Stück unglaublich vor und lag mir lange auf dem Magen.
Düsseldorfer Erziehungsversuche
Jene Zeitung gebärdete sich überhaupt sehr hoheitsvoll. Sie führte einen Index von Wörtern, die in Anzeigen nicht verwendet werden durften. Die Ausdrücke »lasziv« und »obszön« habe ich noch in Erinnerung.
Als ein Kinobesitzer eine Annonce von einem Abenteurerfilm einreichte und darin eine Häufung von Schlagwörtern verwendete, wurde die Veröffentlichung verweigert. Der Verlag begründete seinen Schritt mit der Erklärung, daß die dichte Folge von Superlativen schwülstig wirken würde, und dies dem Stil des Hauses widerspricht.
Wie sich die Zeiten ändern. In einer bayerischen bürgerlichen Zeitung fand ich vor zwei Jahren folgende Anzeige:
2 vorzeigbare Männer 30 und 28 Jahre, in Haft, suchen für die Zukunft vorurteilsfreie gut situierte Damen jeden Alters, um gemeinsam einen neuen Lebensweg zu gehen. Rückporto erwünscht. Off. unt. PB 17102 an den Verlag.
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März 1962 - Auf einmal tauchten alte "Bekannte" auf
Im Dienst hatte ich den Besitzer eines Luxuslokals kennengelernt, der mich wiederholt eingeladen hatte. Er war Bürger eines im Weltkrieg neutralen Landes und hatte freiwillig auf deutscher Seite in der Luftwaffe gekämpft.
Wegen seiner Kriegsteilnahme verurteilte ihn sein Heimatland in Abwesenheit zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe. Aus diesem Grund blieb er in Deutschland, hatte hier geschäftlichen Erfolg und gründete eine Familie.
Als ich am 30.3.62 meinen freien Nachmittag hatte, aß ich in dem Restaurant von dem Ausländer Abendbrot. An einem Tisch saßen drei Herren, von denen mir einer bekannt vorkam. Ich konnte ihn unbemerkt mustern und erkannte den ehemaligen Feldmarschall Milch. Ich machte den Wirt auf seinen früheren Vorgesetzten aufmerksam und er wollte es zunächst nicht glauben.
Milch wurde in Nürnberg zu lebenslänglicher Haft verurteilt, ist aber 1954 freigelassen worden. Als ein älterer Ober die Identität von dem Ex-Marschall bestätigte, holte der Restaurateur sein altes Soldbuch aus der im Haus gelegenen Wohnung und stellte sich Milch als früherer Kampfflieger vor.
Der ehemalige Feldmarschall begrüßte den alten »Kameraden von der Luftwaffe« und der 70. Geburtstag von Milch konnte mit den besten Tropfen aus dem Weinkeller begangen werden.
Das mit den beiden Kinos ging nicht lange gut
Nach verschiedenen Krachen verließ ich meine Firma und hatte mir vorsorglich einen Posten als Empfangschef in einem mittelgroßen Hotel in Düsseldorf gesichert, in dem ich schon während meines Urlaubs zur Probe gearbeitet hatte. Der Inhaber war noch Neuling in dem Fach und ordnete an, daß ich schon vormittags im Smoking Dienst machen soll. Ich erklärte ihm, daß ein »Stresemann« angebrachter sei.
1963 - Ein kurzer Abstecher nach Berlin mit Folgen
Da ich bis zu meinem Eintrittstermin noch einige Tage Zeit hatte, flog ich nach Berlin, um Verwandten und Freunden guten Tag zu sagen. Als ich den Gloria-Palast aufsuchte, war gerade der Prokurist anwesend. Er fragte mich, ob ich nicht auch Herrn Knapp begrüßen will. Ich bejahte es, er rief die Sekretärin an und sie bestellte mir, daß Herr Knapp mich nachmittags bei »Schilling« erwartet.
Im Lauf der Unterhaltung erzählte ich ihm, daß ich am Rhein unerquickliche Verhältnisse vorgefunden hätte und ausgeschieden bin. Er fragte, ob ich wieder bei ihm eintreten wolle, was ich freudig bejahte.
Die Stellung in dem Hotel trat ich nicht an, denn mit den paar Wochen wäre dem Besitzer nicht geholfen gewesen. Einen schriftlichen Vertrag hatten wir nicht abgeschlossen.
Untätig wollte ich auch nicht sein und arbeitete bis Weihnachten 1963 als Sortimenter im »Kaufhof«. Das machte mir Spaß und ich war mit Interesse bei der Sache. Die Firma bot mir an, mich auf einen Kursus für angehende Abteilungsleiter zu schicken. Ich konnte es dankend ablehnen.
Am 1. Januar 1964 war ich wieder in Berlin (West)
Nach dem Weihnachtsfest machte ich ein paar Tage Urlaub in Braunlage im Harz und saß am 1.1.64 wieder an meinem alten Schreibtisch am Kurfürstendamm.
Am Silvesterabend war ich schon zwei Stunden im Kino, um das Inventar und den Kassenbestand zu übernehmen. Bei der Gelegenheit hatte ich meine alten und neuen Mitarbeiter begrüßt. Den Jahreswechsel verbrachte ich bei einer befreundeten Familie. Als ich mich nach zweijähriger Abwesenheit im Haus umsah, versuchte ich festzustellen, was in der Zwischenzeit besser oder schlechter geworden ist. Ermitteln konnte ich es erst später, denn die Jahresabschluß- arbeiten hatten Vorrang.
Da ich noch kein Zimmer hatte, bot mir meine Kollegin, Frau Frank, ein Quartier in der Dienstwohnung ihres Mannes an. So konnte ich mit Erlaubnis der Dänischen Botschaft ein Zimmer in ihrer Militärmission am Neuen See im Tiergarten beziehen. Nie hätte ich angenommen, daß ich einst zu denen gehöre, denen die Dänen ihre Gunst erweisen. Ihnen und der Familie Frank bin ich noch heute dafür dankbar.
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1964 - Inzwischen war ich 53 geworden - und etwas klüger
Meine Neubauwohnung am Kurfürstendamm 90 war noch nicht bezugsfertig und ich war während der Wartezeit so gut untergebracht, daß ich fast traurig war, als ich den Einzugstermin erhielt.
Inzwischen war ich dreiundfünfzig geworden, die ersten grauen Haare erinnerten mich daran, daß die vor mir liegende Zeit bemessen ist. Nachdem ich zum vierten Mal einen Dienstvertrag für den Gloria-Palast unterschrieben hatte, beschloß ich, das Haus erst dann zu verlassen, wenn die Jahre es gebieten.
Die Zeiten änderten sich rapide
Als wir in einer internen Vorführung »Das Schweigen« von Ingmar Bergman sahen, bewunderten wir, mit welch künstlerischen Mitteln der Regisseur eine Epoche der Tabus beendete und eine Ära der optischen Liberalität einleitete.
Der Satz von Kurt Tucholsky aus den zwanziger Jahren hatte seine Gültigkeit verloren: »Es wird nach einem Happy-End im Film jewöhnlich abjeblend.«
Als die Wochenschau die ersten Miniröcke zeigte, und wir diese Mode bald auf der Straße in natura betrachten konnten, freuten wir uns. Aber nur dann, wenn die Trägerinnen an das Wort des Dichterfürsten gedacht hatten: »Eines schickt sich nicht für alle ...«
Daß für alle nicht alles als erlaubt gilt, bewies eine Beschwerde über uns an den Senat. Ein Schulmeister führte Klage über unsere Werbung, die vor dem Haus stand. Es war die Vergrößerung eines Fotos aus »Der Reigen« mit der Darstellung von Jane Fonda, Anna Karina und Jean-Claude Brialy. Der Beschwerdeführer empfand die Fläche als »anstößig und unsittlich«.
Wir hängten einen durchsichtigen Schleier vor das Film-Trio, damit die Passanten weiterhin schmunzeln konnten.
Vor fünfundzwanzig Jahren hatte ich fast die gleiche Beschwerde in Hannover gehabt.
1964 - Ein Dank an meine Kolleginnen und Kollegen
An dieser Stelle möchte ich einem Kollegen und einer Kollegin im Haus danken, die für mich eine große Hilfe bedeuteten. Herr Schlüter, unser Hausmaler, war nicht nur ein Künstler in seinem Fach, sondern auch ein unermüdlicher, stets freundlicher und hilfsbereiter Mitarbeiter.
Bei Programmänderungen, die oft unerwartet eintraten, konnte ich ihn in seiner Freizeit anrufen und er kam in die Werkstatt, um die erforderlichen Umstellungen vorzunehmen. Er hatte Einfälle, wie wir die Werbung für einzelne Filme besser gestalten könnten und erwies sich in den langen Jahren unserer gemeinsamen Arbeit als ein schöpferischer Meister.
In der Kasse wiederum war es Frau Fechner, deren Sicherheit, Schnelligkeit und verblüffend große Arbeitsleistung uns Respekt einflößten. Sie schaffte zwei Häuser mit tausend Plätzen allein und es gab nie Reklamationen. Bei Satzkarten eine schöne Leistung. Außerdem war sie absolut korrekt und arbeitete stets fehlerfrei. Das Spitzengehalt, das sie bei uns bezog, hat ihr der Chef gern gegeben. Wenn Frau Fechner auf Urlaub war, geriet ich manchmal in Druck und mußte mich zusätzlich in eine Kasse setzen.
1964 - der Gloria-Palast wurde renoviert
Da Herr Knapp seit längerer Zeit einen Umbau des Kinos beschlossen hatte, konnten wir 1964 mit der Durchführung beginnen. Infolge des Umzuges der benachbarten Commerzbank bekamen wir einen weiteren Raum von 80qm im ersten Stock und verlegten dahin unser Künstlerzimmer. Der hierdurch frei gewordene Platz wurde zu einem repräsentativen Erfrischungsraum mit Fenstern zum Boulevard ausgebaut.
Jetzt erst wurde eine Cinemascope Bildwand eingebaut ??
Ferner wurde die Bühne erweitert, so daß das Einfügen einer größeren Bildfläche möglich wurde.
- (Anmerkung : Das kann doch nicht sein, Cinemascope gab es doch bereits seit 1954)
Eine moderne Bestuhlung, neuzeitlicher Fußbodenbelag und die Schaffung von erweiterten Toiletten ergänzten den Umbau. Die Arbeiten hatten sich schwierig und zeitraubend gestaltet, da das Haus täglich ab 15 Uhr spielfertig sein mußte.
Als das Theater nach mehreren Monaten im Glanz der neuen Beleuchtungskörper erstrahlte, freuten wir uns mit den Gästen darüber und der Kummer während der Bauzeit war vergessen.
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Wenn ein Film voraussichtlich langweilig wurde
Bei einer Nachtprobe für einen vorzüglichen amerikanischen Spionagefilm stellte ich fest, daß das Stück leider Längen hatte, in denen die knisternde Spannung verflog und man sich vorübergehend gelangweilt fühlte. Am nächsten Vormittag rief ich den Verleiher an, um ihm dies mitzuteilen und vorsichtig anzufragen, ob wir nicht ein paar kleine »Korrekturen« vornehmen könnten.
Er lehnte dies ab, zumal der Regisseur Freunde in Berlin hatte und eventuelle Veränderungen durchsickern könnten. Außerdem könnte es bei eigenmächtigen Schnitten wegen der Verletzung der Urheberrechte zu einem Prozeß kommen. Mit einer ähnlichen Antwort hatte ich gerechnet, denn die Rechtslage war mir klar.
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Wir haben dann eigenmächtig gehandelt: »Geheime Kommandosache«
Nach der Premiere bestätigten zwei Zeitungen in ihren Kritiken meine Beobachtungen wegen der »Längen«. Das bestärkte mich, mein Vorhaben durchzuführen. Wir sahen uns den Film nachts noch einmal an, und ich sagte den Vorführern telefonisch die Stellen durch, die nach meiner Auffassung entfernt werden könnten, damit sie von den Kollegen gekennzeichnet werden.
Dann bestellte ich einen Cutter von der Kopieranstalt, ließ den Film wieder durchlaufen und wies den Schnittmeister auf die infrage kommenden Teile hin. Der Cutter sollte auf Grund seiner technischen und künstlerischen Kenntnisse entscheiden, ob es möglich wäre, die Schnitte vorzunehmen. Natürlich dürfte es dabei nicht zu Tonsprüngen oder Entstellungen im Text kommen. Der Herr war mit den Vorschlägen einverstanden und nahm die Kopie gleich mit.
Am nächsten Mittag erhielten wir sie zurück und dazu die entfernten Teile, die zusammen eine Laufzeit von elfeinhalb Minuten hatten. Dieser Teil war erledigt, aber ich war doch in Unruhe, daß die Sache nicht herauskäme. Der Cutter und unsere beiden Vorführer würden den Fall als »Geheime Kommandosache« behandeln.
Erst ganz am Ende damit rausgerückt
Am folgenden Sonntag hörte ich, wie Friedrich Luft in »Die Stimme der Kritik« fast wörtlich sagte: »Wenn einige Zeitungen von Längen in dem Film schrieben, so fand ich, daß er durchgehend von großer Spannung war.« Der bekannte Kritiker - der Primus inter pares - hatte den Film erst nach Durchführung der Schnitte gesehen. Als der Verleiher mich im Geschäft besuchte, teilte er u. a. mit, daß der Gloria-Palast mit seinen Ergebnissen in Deutschland an erster Stelle liegt.
Jetzt konnte ich mit meinem Geheimnis herausrücken und ihn gleich fragen, ob er nicht die Kosten für die Schnittarbeiten der Kopieranstalt übernehmen kann. Er sagte, daß ich ihm die Rechnung schicken soll, aus der nicht hervorging, welcher Art die Dienstleistungen waren.
Nach Ablauf unserer Spielzeit klebten wir die entfernten Teile wieder sorgfältig ein, um kein corpus delicti zu hinterlassen.
Wenn der Regisseur einen Schuldigen sucht ....
Wenn ein Film nicht so einschlug, wie der Regisseur es sich gedacht hatte, wurde natürlich nach Gründen des Mißerfolges gesucht. Daß man dabei auf die Idee kam, diese bei dem Theaterleiter zu suchen, war neu. Wenn der Regisseur, ein Herr Reitz, auch nicht meinen Namen nannte, wußte man doch in Fachkreisen, wen er meinte.
Ich gebe den Absatz des Artikels vom »Film-Echo« vom 23.11.1973 und meine Antwort in der Zeitschrift vom 11.1.1974 ungekürzt wieder. Für die Überschrift verwandte die Redaktion den von Herrn Reitz benutzten Fachausdruck: »Arsch vom Stuhl bringen.«
»Diese Branche ist irrsinnig überaltert. Wenn sie rumfahren und Kinos besuchen, stellen sie fest, daß ein ungeheurer Anteil von wirklich überaltertem Personal tätig ist, Leute, die z. T. noch in der UFA-Zeit des III. Reiches Filmtheaterleute waren. Die dann diesen Boom in den fünfziger Jahren noch miterlebt haben, verhältnismäßig rüstig, und dann haben sie die große Krise miterlebt, und jetzt verhalten sie sich sehr ängstlich und müde.
Was wir dringend brauchen, wäre eine Schule von jungen Theaterleitern, die mit Elan an die Programmierung von Kinos rangehen, mit denen man auch als Filmproduzent reden kann. Ich würde z.B. wahnsinnig gern, wenn ich ein neues Drehbuch geschrieben habe, Rundfahrten machen, zu den Filmtheaterleuten gehen, sie das Drehbuch lesen lassen und ihnen sagen, wer spielen soll und mit anhören, wie sie sich so die Möglichkeiten des Vertriebs im Kino vorstellen, aber mit den Leuten, die man hier antrifft, kann man das fast nicht mehr machen.
Also finde ich es einen absoluten Zynismus, wenn man sagt, »Die Reise nach Wien« ist der Prüfstein dafür, ob die Verbindung von Qualität und Kommerz hierzulande geht. Dies geht nur unter der Bedingung, daß sich Verleih und Kino auf ganz andere Weise engagieren, daß sie mal ihren Arsch vom Stuhl bringen und Schwung reinbringen.«
Meine Antwort: »A ... vom Stuhl bringen.«
Zu Ihrer Veröffentlichung in Nr. 65 möchte ich sagen: Wenn einer von den zornigen jungen Männern indirekt die Abberufung von alten Theaterleitern verlangt, können meine Kollegen und ich erhaben darüber lächeln. Verwundert bin ich aber, daß Sie sowas veröffentlichen.
Semper haeret aliquid. Was würde Herr Reitz dazu sagen, wenn ich die Gäste, denen »Die Reise nach Wien« mißfallen hat, oder die über den irreführenden Titel in Verbindung mit dem Plakat verärgert waren - darunter Leute, denen man Erfahrungen und Sachverständnis für den Film und seine unabdingbaren Gesetze nicht absprechen kann - aufgefordert hätte, ihren Einfluß geltend zu machen, daß solch ein dilettantisch anmutender und unwahrer Film nicht subventioniert werden dürfte?
Hat Herr Reitz sich schon einmal die Frage vorgelegt, wer die Kinos unterstützen soll, wenn subventionierte Filme vor leeren Häusern laufen? Soll das auch auf Kosten der Steuerzahler geschehen?
Ein bekannter Schauspieler und Regisseur (Film, Theater, Oper und Fernsehen) sagte mir nach der Besichtigung wörtlich:
»Der Film kann gar nicht gehen, da er sämtliche dramaturgischen Gesetze außer acht läßt. Es soll ein ernster Film sein und die überraschenden Übergänge haben den Charakter eines Schwanks.«
In diesem Sinn äußerten sich auch zahlreiche Besucher, daß »der Film hinten und vorn nicht stimmt und die Zeit so nicht gewesen ist«. Die überflüssige Bidet-Szene wiederum ist »irrsinnig« degoutant und abstoßend.
Wir würden uns aber »wahnsinnig gern« freuen, wenn es dem Künstler gelingt, ein Opus herzustellen, daß die Besucher von den Stühlen reißt.
H. Frick.
1968 - Ich habe zum zweiten Male geheiratet
Da der Dienst mich mehr beanspruchte als es üblicher Weise der Fall ist, verlief mein Privatleben in dementsprechend ruhigen Bahnen. Meine Ehe zerbrach Mitte der sechziger Jahre, nachdem meine 1. Frau ihren Wohnsitz nach Westberlin verlegt hatte. Aus Altersgründen konnte sie einen regulären Umzug vollziehen.
- Anmerkung : Der von der Ostberlin offiziell genehmigte "Umzug" (also die Aussiedelung) in den Westen war ab dem 63. oder 65. Lebensjahr möglich. Das bedeute, daß die 1. Frau Frick deutlich älter als ihr 57 Jahre alter Mann gewesen sein mußte.)
1968 stand ich in Schmargendorf abermals auf dem Standesamt. - Wir können uns nicht vorstellen, daß uns etwas trennen könnte. Nicht einmal der Altersunterschied von einem Vierteljahrhundert. Diese »mathematische Größe« stand fest und bleibt unverändert.
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Wenn Produzenten sich nicht beraten lassen wollen
Am Grunewaldsee traf ich manchmal den Filmproduzenten Kurt Ullrich. Wir sprachen von der Geschäftslage und er unterbrach dazu seine intensiven Atemübungen, die er mit ausgetreckten Armen vollführte.
Als er mich fragte, ob ich das Buch von Irmgard Keun »Das kunstseidene Mädchen« kennen würde, und ich es bejahte, wollte er wissen, was ich von einer Verfilmung des Stoffes halten würde. Ferner interessierte ihn, wie ich mir die Besetzung der Hauptrolle vorstellen würde.
Das Thema mit dem schillernden Zeitspiegel - Dadaismus, Piscator, Brecht, Weill, Charell, Kästner, Zuckmayer, Gerhart Hauptmann, Max Reinhardt - um nur ein paar Namen zu nennen, schien mir vielversprechend.
Nicht zu vergessen »Der Querschnitt«. Mit einem seiner damaligen Mitarbeiter, dem Göttinger Emeritus Dr. Wilmont Haacke, verkehre ich noch freundschaftlich. Da für die Titelrolle keine Renate Müller oder Jenny Jugo mehr zur Verfügung standen, dachte ich an Nadja Tiller, Lilo Pulver oder Johanna von Koscian. Ich war verwundert, daß der Produzent mir mitteilte, daß er den Stoff mit Giulietta Masina verfilmen ließe. Da es zu spät war, ihm diesen Mißgriff auszureden - daß er mich fragte, war sowieso Zufall - machte ich gar nicht den Versuch.
Ich sagte nur allgemein, daß ich nicht genügend Fantasie hätte, um mir vorzustellen, daß jener untersetzte »Rettichkopf«, die Thomas Mann als Matrone bezeichnet haben würde, die Rolle übernehmen könne. Ich wies Ullrich darauf hin, daß ich das Buch gut kenne und die Schriftstellerin sicher an eine Art Flapper-Flittchen gedacht hat, an ein leichtes Mädchen. Schlank und etwas spillrig. Ein Typ, von dem Claire Waldoff gesungen hätte: »Een Sechsa liegt uff ihre Ehre ...«.
An ein Mädchen, nach dem man sich umdreht und seufzt, wenn es auf der Huntzel-Tuntzel-Tour war und einem das nötige Kleingeld fehlte. Für eine solche Partie konnte man kein »spätes Mädchen« einsetzen. Diese Argumente wollte Ullrich nicht hören, er verabschiedete sich kurz und bot mir diesmal nicht an, mich in seinem Wagen mitzunehmen.
Später erfuhr ich, daß der Produzent aus einem anderen Grund für die Masina begeistert war. Gern bezahlte er für den Flop einen hohen Preis.
Wir mußten erweitern - 1973 die »gloriette«
Dank des Unternehmertums von Herrn Knapp wurde 1973 die »gloriette« erbaut. Das geschah nicht auf Kosten einer Verkleinerung von unserem Stammhaus. Der Gloria-Palast blieb in seinen Ausmaßen erhalten.
Den Raum für das neue Theater gewannen wir durch Verlegung der Garderobenablage, Änderung des Parkettabgangs und Hinzunahme eines Hausflurs. Die verschiedenen Probleme, die sich bei der praktischen Durchführung des Vorhabens einstellten, wurden von dem Architekten, Dipl.-Ing. Rasper, überwunden.
Die »gloriette« - den Namen durfte ich beisteuern - wurde am 10.7.1973 mit »Der große Diktator« eröffnet.
Das intim eingerichtete Haus ging vom ersten Tag an gut. Die Verleiher berichteten mir, daß das kleine Kino mit 200 Plätzen und vier Vorstellungen - sonnabends und sonntags waren es fünf Vorführungen - häufig bessere Umsätze erzielte, als verschiedene Filmtheater mit 800 und mehr Sitzen.
Eine große Schlagzeile in der B.Z. am 25.10.1976
Am 25.10.1976 brachte die B. Z. eine große Schlagzeile auf der Titelseite:
Romy Schneider mietete sich ein Kudamm-Kino, um sich einen alten Berlin-Film anzusehen!
Ein ganzes Kino mietete Romy Schneider (38), um sich einen alten Film anzusehen. In einer Extra-Vorstellung um 12 Uhr mittags im Kino Gloriette am Kurfürstendamm (198 Plätze). Das normale Programm beginnt in diesem Kino um 14 Uhr und zeigt Bergmans »Zauberflöte«.
Romy, die in Berlin den Film »Gruppenbild mit Dame« drehte, sah sich mit sechs Mitarbeitern der Filmproduktion den Film »Schlacht um Berlin« und den 20-Minuten-Vorfilm »Des Zweiten Reiches Residenz« an - kein anderer Kinobesucher war dabei.
1976 - Das »Cafe Gloria Bistro«
Drei Jahre später war es wieder der Initiative vom Chef zuzuschreiben, daß Herr Knapp als Hausherr und Herr Manfred Otte als Gastronom, das »Cafe Gloria Bistro« errichten konnten.
Das Lokal entstand in dem für uns geräumten ehemaligen Trumpf- Schokoladen- Geschäft und unserem darüberliegenden Künstlerzimmer. Ein neuer Abschnitt in dem Ausbau des Gloria-Palastes war abgeschlossen.
Mit der Eröffnung am 23.9.76 hatte der Kurfürstendamm einen neuen Akzent. Das Cafe entwickelte sich zu einem beliebten City-Treffpunkt und gab der Ecke etwas von dem alten Flair zurück. Hier konnte man preiswert genießen und feststellen, daß letztlich alles Geschmacksache ist - den guten Geschmack einbegriffen - hieß es in der Speisekarte.
Mit 67 Jahren ging es nicht mehr - die Gesundheit
Im Frühjahr 1977 gab mir die Gesundheit verschiedene Signale, daß ich den Anforderungen des Dienstes nicht mehr gewachsen bin. Besonders die Wochenenden mit den beiden Nachtvorstellungen und der Sonntagsmatinee hielt ich nur noch mit Mühe durch.
Meiner Frau blieb dies nicht verborgen und sie handelte schnell.
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(14) (Umzug nach) Burghausen an der Salzach
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Meine Frau wählte die Berge
Da wir wiederholt Inserate gelesen hatten, daß in Burghausen/Oberbayern Wohnungen zu vermieten sind, flog meine Frau an einem Sonnabend - sie arbeitete als Arzthelferin - nach München und fuhr mit der Bahn weiter in die kleine, freundliche Stadt an der Salzach.
Am Stadtrand fand sie eine passende Wohnung im siebenten Stock mit dem Blick auf die Alpenkette, unter den Fenstern Mais- und Kornfelder.
Fünfzehn Minuten entfernt liegt die Flußbrücke, die uns mit Österreich verbindet. Sie unterschrieb bei dem Hauswirt den Vorvertrag und ich reiste nur nach Burghausen, um die Sache perfekt zu machen, Tapeten auszusuchen und Handwerker zu bestellen.
Ein schwerer Gang - ich möchte aufhören
Jetzt mußte ich noch einen schweren Gang antreten und Herrn Knapp um
meinen Abschied bitten. Es war mir äußerst fatal, dem acht Jahre älteren Chef zu sagen, daß ich mich ins Privatleben zurückziehen möchte. Mit seiner Arbeitskraft, seinen Ideen und seinem unermüdlichen Einsatz war er uns allen ein Vorbild.
Er mußte auch auf seine Gesundheit Rücksicht nehmen und hatte sich noch nach mir mit einer jungen Frau vermählt. Mit der Größe eines Erfolgsmannes hatte er Verständnis für meine Lage und ich konnte meinen Vertrag lösen.
Juli 1977 - Abschiedsfrühstück im "Cafe Gloria"
Im Juli bat ich meine Mitarbeiter und Kollegen zu einem Abschiedsfrühstück in das Cafe Gloria. In dem Haus meines Schicksals erhoben wir zum letzten Mal die Gläser. Die charmante Gattin vom Chef kam auch und er schenkte mir eine kostbare silberne Schale mit einer herzlichen Widmung.
Rückblick auf den Pulsschlag und Rhythmus einer bewegten Zeit
Als ich 1933 meinen Dienst in dem alten Haus angetreten hatte, hatte ich wohl die Absicht, daraus einen Beruf zu machen, ahnte aber nicht, daß dieser mich über fünfundzwanzig Jahre an die schöne und interessante Stätte binden würde.
Hier konnte ich Pulsschlag und Rhythmus einer bewegten Zeit verspüren, den Aufstieg und Niedergang der Diadochen erleben und war Zeuge der Zerstörung einer Weltstadt.
Hier konnte ich aber auch wahrnehmen, wie sich aus den Trümmern Häuser, Straßen und ganze Stadtviertel erhoben und die neuen Wolkenkratzer wuchtig und trutzig in den Himmel griffen.
Vor 60 Jahren .....
1918 sind wir ein paar hundert Meter von dem ehemaligen »Romanischen Haus« entfernt eingezogen. (Anmerkung : meine Brüder, meine Mutter und ich).
Nach fast 60 Jahren verließ ich die Ecke endgültig, die ich zeitweilig unter dem Druck der militärisch-politischen Verhältnisse geräumt habe. Wenn es die Möglichkeit der Wiederholung eines Lebenslaufes gäbe, wäre ich ohne Zögern bereit, denselben Weg zu beschreiten. Ich blicke trotz der Schicksalsschläge dankbar zurück.
Mit mir erlischt einst eine Linie der Familie, die vor über zweihundert Jahren von der Schweiz nach Ostpreußen ausgewandert ist. Mein älterer Bruder Hans hinterließ zwei Töchter.
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