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Heinz Fricks Biografie "Mein Gloria Palast" ist in 14 Kapitel gegliedert.

(von Heinz Frick 1984/86) - Ein Tip: Wenn Sie auf dieser Seite zuerst "gelandet" sind, starten sie bitte hier auf der Hauptseite.

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(5) Im Gloria-Palast

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Oktober 1933 - Der "Gloria-Palast" in Berlin Mitte

Ein Besuch in dem Palast gehörte zum gesellschaftlichen Leben Berlins. Mit seiner kostbaren Einrichtung erinnerte er an ein Schloßtheater im Barockstil. Wir verfügten über eine Steinmeyer-Orgel, Rundhorizont und Wolkenapparat auf der Bühne. Der Orchesterraum bot für vierzig Musiker Platz. Otto Stenzel, der langjährige Kapellmeister der Berliner SCALA und nach 1945 von »Holiday on Ice« in den USA, war zu der Stummfilmzeit zeitweise Dirigent in dem Haus. 1895 wurde das Gebäude als »Romanisches Haus« mit drei Wohnungen zu zwanzig Zimmern errichtet.

Der Umbau 1924-1926

Nach zweijährigem Umbau in ein Kino mit 1200 Plätzen, wurde es am 26. Januar 1926 mit »Tartuffe« eröffnet. Ein UFA-Film mit Emil Jannings, Lil Dagover und Werner Krauß. In einer Kritik hieß es: »Das neue Barock-Haus wurde mit der Verfilmung eines Werkes des größten Komödiendichters des Barock, Moliere, eröffnet.«

Auf der halben Etage zum Parkett plätscherte ein Marmorbrunnen und daneben befand sich der luxuriöse »Damensalon«, ein intimer Warteraum. In dem Salon stand ein Telefon, mit dem die Besucher kostenlos Stadtgespräche führen konnten.

Täglich 2 große Vorstellungen

Das Lichtspieltheater spielte täglich um 18.45 und 21.15 Uhr. Sonnabends und sonntags fanden zusätzlich Nachmittagsvorstellungen statt.

Wir waren etwa 60 Mitarbeiter, die sich nach folgenden Tätigkeiten aufgliederten:
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  • 1 Leiter,
  • 1 Assistent,
  • 1 Oberkontrolleur,
  • 2 Vorführer,
  • 1 Umroller,
  • 1 Beleuchter mit Bühnenmeisterprüfung,
  • 2 Kassiererinnen,
  • 1 Sekretärin,
  • 2 Tonsteurer,
  • 1 Hausmeister,
  • 3 Fahrstuhlführer,
  • 1 Autoportier,
  • 1 Kassenwart,
  • 11 Garderobefrauen,
  • 4 Notausgangswächter (Sicherheitsvorschrift),
  • 5 Putzfrauen,
  • 2 Hilfskräfte zum Staubsaugen,
  • 2 Toilettenbedienungen,
  • 3 Pagen,
  • 1 Nachtwächter und
  • 12 Kontrolleure.

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Der Personalaufwand wirkte übertrieben. Da der Gloria-Palast das nobelste Kino der Gesellschaft war und ihre repräsentative Visitenkarte, wurde an
diesem Etat nicht gespart. Die Vergütung für die Angestellten selbst war nicht so großzügig. Die Kontrolleure waren außerdem am Programmumsatz beteiligt, ferner fiel manch ein Bakschisch für sie ab.
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Mein erster Flop als Platzanweiser / Konrolleur

Da ich nicht rauchte und nicht trank, glaubte ich bei knapper Lebensführung ohne nennenswerte Schulden mit meinem Salär auszukommen.

Als ich Hans Albers und seiner Gefährtin Hansi Burg eine Separatloge öffnen mußte, bekam ich mein erstes Trinkgeld im Leben. Das Markstück brannte mir zwar in der Hand aber im gleichen Moment dachte ich daran, daß man für diesen Silberling und weitere fünf Pfennig bei Woolworth am Stehtisch drei Linsengerichte bekommt.

In meiner Freude über den Obolus teilte ich den Empfang den Kollegen im Pausenraum mit. Darauf erklärten sie, daß ich »einen ausgeben müsse« und ich war eine Mark und fünfzig für zehn Tassen Kaffee los.

Ein älterer Kollege, pensionierter Schupo, nahm mich danach zur Seite und sagte, daß ich niemals erzählen sollte, wenn ich ein Trinkgeld bekommen hätte.

Es wäre besser, immer zu jammern und zu stöhnen, was für ein mieser Tag das wieder wäre. Die meisten »Nebeneinkünfte« hatte der Kassenwart. Ich habe wiederholt gesehen, daß Gäste für zwei reservierte Logenplätze, die acht Mark kosteten, zwanzig Mark bezahlt haben. Der seit Eröffnung des Hauses bis 1933 tätig gewesene Kassenportier hat in dieser Zeit so viel verdient, daß er zwei kleine Kinos erwerben konnte.
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Die Trinkgelder und die Höhe

Zu unseren Stammgästen gehörten auch die beiden »Silbertanten«. Betagte, altmodisch und fast ärmlich gekleidete Damen, die mit der Taxe vorfuhren und jedem Mitarbeiter, der ihren Weg kreuzte, eine Mark gaben. Das waren bei jedem Besuch sieben bis acht Mark. Der Chef und der Assistent gehörten nicht zu den Empfängern.

Als ich einmal Zeuge war, wie ein Gast unserem Herrn Malbran im Fahrstuhl zwei Mark gab, bemerkte der Chef mein Erstaunen über diesen Vorgang. Er klärte mich später auf und erläuterte, daß er Beträge ab zwei Mark als Geldgeschenk betrachten würde, die er annehmen könnte.
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Der kleine Professor Becce

Als ich in der ersten Woche nach meiner Arbeitsaufnahme an der Kartenkontrolle stand, kam ein kleiner, mir von Sehen her bekannter Kurfürstendamm- Boulevardier, der auch öfters im Cafe Kranzler saß. Er nickte mir vertraulich zu und sagte, daß er nur zum Telefonieren in den Damensalon gehen würde. Ich entgegnete, daß ich ihn ohne Eintrittskarte leider nicht passieren lassen könnte. Darauf erwiderte er, daß er Professor Becce sei, früher in dem Haus Kapellmeister war und ihm die Direktion gestattet habe, gelegentlich bei uns zu telefonieren.

Zum Glück kam der Oberkontrolleur, der mir ein Zeichen gab, daß ich den Herrn durchlassen kann. Später, als wir uns kennengelernt hatten und manchmal im Zoo trafen, berichtete mir der Künstler, daß er schon 1912 in einem Spielfilm »Richard Wagner« die Hauptrolle gespielt habe.

Der Schriftsteller und Bühnenautor Dr. Hans Borgelt verfaßte über das Leben und Schaffen von Giuseppe Becce (03.02.1877 in Lonigo - 05.10.1973 in Berlin) einen Film »La vita e bella«, den wir im Gloria-Palast herausbrachten.
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Marlene Dietrich war mal Violinistin

Als er (Becce) Orchesterleiter im »Mozartsaal« war, gehörte zu seinen Musikern eine Violinistin, die einen kometenhaften Aufstieg als Schauspielerin vollzog: Marlene Dietrich.

Becce lebte auch nach dem Krieg in Berlin und hat für zahlreiche Filme die Musik komponiert. Becce starb im Alter von 96 Jahren am 5. Oktober 1973 in Berlin und wurde in Wilmersdorf beigesetzt.
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Mein neuer Arbeitsplatz und manche Blicke

Nach einer Probezeit von vierzehn Tagen wurde diese exclusive Stätte mein neuer Arbeitsplatz. In der ersten Zeit war es mir peinlich, wenn mich Bekannte oder frühere Schulkameraden in Uniform sahen. Aber ich hatte Schlimmeres durchmachen müssen und gewöhnte mich daran, die Blicke gelassen zu ertragen.

Als mir noch ein kaufmännischer Posten von der Gewerkschaft angeboten wurde - bei einer Pflichtversicherung für Musiker - lehnte ich es ab. Ich wollte keine Arbeit ausüben, an der ich keinen Gefallen finde und die ich nur notgedrungen verrichte.

Die frühe Erkenntnis - Zufriedenheit und Lebensglück

Damals merkte ich bereits, daß Zufriedenheit und Lebensglück untrennbar mit meinem Beruf verbunden sein werden. Diese Chance, die sich mir geboten hatte, wollte ich nutzen und nicht für einen Hundertmarkschein im Monat vergeben.

Verschiedene ältere Mitarbeiter hatten ihre Posten schon seit Jahren und sich mit ihrer Stellung abgefunden. Etwa die Hälfte der engeren Kollegen waren Werkstudenten.

Unsere "Glühwürmchen"

Zu jener Zeit wurden in den Uraufführungshäusern keine Platzanweiserinnen beschäftigt. Dadurch wurden gewisse Spannungen und Komplikationen erspart, aber die Anwesenheit von »Glühwürmchen« hätte den Dienst reizvoller gestalten können.

Die weibliche Jugend war durch zwei Sarotti-Verkäuferinnen vertreten, die im Foyer standen und auf einem »Bauchladen« ihre Schätze anboten. Ich könnte noch heute den Klang ihrer Lockrufe unterscheiden: »Schokolade, Mintips, Saure Drops, Gebrannte Mandeln, Knabbernüsse!«

In den Lichtpausen durften sie im Saal durch die Reihen gehen, um ihre Ware darzubieten. Wenn sie dabei auf Widerstand in Form eines Männerknies stießen, mußten sie kehrtmachen.

Es gab bei uns kein Eis bzw. Eiswaffeln

Als die Firma Sarotti den Antrag stellte, auch Eiswaffeln bei uns verkaufen zu dürfen, wurde dies abgelehnt. Wir wollten nicht, daß klebrige Eisreste, die auf den Fußboden geworfen werden, unseren Velours verderben.

Fünfundzwanzig Jahre später mußte ich eine Putzfrau einteilen, die mit einer Spezialflüssigkeit Kaugummis aus dem Fußbodenbelag entfernt.

Auch hier im Gloria Palast gab es Erlebnisse

Nachdem ich vierzehn Tage im Dienst war, beobachtete ich folgenden Vorfall. Nach Beendigung einer jeden Vorstellung hatte der zuständige Kontrolleur in die Separatlogen gehen, um Papierreste aufzuheben, die Sessel zurechtzurücken und etwaige Fundgegenstände an sich nehmen. Die Fundsachen waren dem Oberkontrolleur telefonisch zu melden, damit dieser bei Nachfrage in der Kassenhalle schon Bescheid wußte.

Als ein Kollege in einer Eckloge ein weibliches Wäschestück entdeckte, hob er es auf und eilte der Verliererin nach, die sich in Begleitung eines Herrn befand. Hierbei schwenkte er das zartgrüne Seidengewebe hoch in der Luft und rief: »Hallo, junge Frau, Sie haben hier was liegen gelassen!«

Selbstverständlich tat die Besitzerin so, als ob sie nicht gemeint sei und verließ mit Haltung das Haus. Die ganze Szene spielte sich vor dem Büfett ab, an dem Gäste warteten oder einen Imbiß einnahmen. Der Pächter von dem Erfrischungsstand hat dem Chef die Sache gemeldet, und der Kontrolleur wurde in ein anderes Haus versetzt.

Die Nachtproben vor einer Premiere

Bald nach meinem Eintritt wurde die Werbung für unsere Weihnachtspremiere »Viktor und Viktoria« mit Renate Müller und Adolf Wohlbrück angebracht. Regie führte Reinhold Schünzel. Es war ein Ufa-Film, der mit besonderer Sorgfalt und großzügiger Reklame herausgestellt wurde.

Vor dem Start fanden verschiedene Nachtproben statt, bei denen in Anwesenheit von Vertretern der Kopieranstalt, der Produktion, unserer Theatertechnik und auch Darstellern, der Film gezeigt wurde. Zweck dieser Proben war, noch bildtechnische und tonliche Feinheiten an der Kopie vornehmen zu lassen und unsere Vorführer und Tonsteuerer mit dem Streifen vertraut zu machen.

Keine Kopieranstalt mit ihren kleinen Bildflächen konnte die gleichen technischen Daten für eine Wiedergabe haben, wie sie in den jeweiligen Premierenkinos vorlagen.

  • Anmerkung : Der (UFA) Gloria Palast mit etwa 1.200 Sitzplätzen gehörte zu den größten Kinos in Berlin. Nur der UFA-Palast am Zoo hatte ab 1919 erst 1740 Platze, später dann ab 1925 angeblich 2.160 Sitzplätze und war damit das (aller)größte Kino Berlins, in dem 1941 das erste AEG Magentophon K4 mit dieser sogenannten Vormagnetisierung und der völlig abnormalen irren Klangüte einem Publikum von 2.100 geladenen Gästen vorgestellt wurde.

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Eine Premiere mußte immer optimal verlaufen

Bei diesen Nachtproben gab es auch Proteste, wenn sich Produktion und Kopieranstalt gegenseitig die Schuld an verunglückten Passagen zuschoben.

Schauspieler wiederum führten Klage, daß Szenen von ihnen der Schere zum Opfer fielen. Manche empfanden sich als zu »hart« kopiert, andere zu »gesoftet«.

Wenn gar behauptet wurde, daß einer unserer Bildwerfer an der unzulänglichen Wiedergabe schuld sei, hielten wir an und setzten die gleiche Rolle in der zweiten Maschine ein. Wenn dort diesselben Fehler auftauchten, verstummten die Kritiker. Notfalls hatten wir einen Testfilm zur Hand, bei dessen Durchlauf wir beweisen konnten, daß unsere Apparatur einwandfrei arbeitet. Der Kopiermeister, bei dem die praktische Auswertung dieser Probeläufe lag, hatte einen schweren Stand.

Trotz der Auseinandersetzungen vereinten wir uns nach den Besichtigungen öfters zu einem Nachttrunk. Der Regisseur oder der Produzent verstanden es meist, die Gemüter wieder zu beruhigen. Unsere Bemühungen dienten der gleichen Sache.

Kleine Episoden vom Uraufführungstag

Die Regisseure Willi Forst und Kurt Hoffmann nahmen ihre Premieren bei uns so wichtig, daß sie an diesen Tagen selbst am Tonsteuer saßen.

Am Uraufführungstag wurde vor dem Theater ein roter Läufer ausgebreitet, auf dem die Darsteller in Abendgarderobe und die Besucher überhaupt, das Haus betraten. Die Schauspieler wurden von den wartenden Fans begrüßt, mit Blumen beschenkt und um Autogramme gebeten.

Die Polizei half uns, den möglichst reibungslosen Zutritt der Künstler in das Kino zu sichern. Unser eigenes Personal wurde durch Mitarbeiter aus anderen Häusern der Gesellschaft verstärkt.

Trotzdem passierte es, daß jemand Dorothea Wieck, deren klassisches Antlitz seit »Wiegenlied« unvergeßlich war, auf die Schleppe trat. Daß auch einmal ein einsamer Ruf »Ministernutte« ertönte, als eine bekannte ausländische Darstellerin das Theater betrat, überhörte man.

Als Renate Müller bei »Viktor und Viktoria« neben ihrem großen Starfoto im Rangfoyer auch das von Hermann Thimig sah, nahm sie das Bild des Kollegen von der Wand, stellte es auf den Boden und sagte: »An dieser Stelle hänge ich allein.«

Wenn die Prominenz kam

Damals lernte ich schon, daß man bei Künstlern auf gewisse Kapricen gefaßt sein müsse. Später mußte ich mich oft darauf einstellen.

Wenn der damalige Reichsbauernführer und Landwirtschaftsminister Walther Darre ins Kino kam, war es für die Ufa ein teurer Spaß. Er bestellte telefonisch eine Rangloge für sich und kam nur in Begleitung einer Dame. Die restlichen Sitze blieben frei. Da er sein Reservat nicht bezahlte, kostete uns der noble Besuch jedesmal vierundzwanzig Mark (Umsatz). »Lieber zwei Jahre Dürre als ein Jahr Darre« sagte das Landvolk von ihm.

Rudolf Hess dagegen kam in seinem ausgeblichenen Raglan an die Kasse, kaufte einen Platz für zwei Mark im Rang und ging die beiden Treppen herauf.

Reserveplätze für die Polizei und den Arzt

Für die Polizei und einen Arzt hatten wir je zwei reservierte Dienstplätze, die zu jeder Vorstellung besetzt wurden. Für etwaige Vorkommnisse waren wir demnach vorbereitet. Für den Polizeipräsidenten selbst standen stets zwei Plätze in den Ranglogen zur Verfügung. Diese wurden verkauft, wenn sie nicht bis zum Ende der Wochenschau beansprucht wurden.
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Polizeipräsidenten im Dritten Reich - im Kino

Zu der ersten Garnitur von Polizeipräsidenten im Dritten Reich gehörten mehrere Seehelden aus dem ersten Weltkrieg. In Berlin wurde der Admirala. D. von Levetzow ernannt. Der alte Seebär liebte den Franz-Schubert-Stoff von Willi Forst »Leise flehen meine Lieder« ganz besonders. Er sah ihn mehrmals bei uns an, da wir den Film auch an den ernsten Feiertagen einsetzten. Von Levetzow gestand einmal dem Theaterleiter, daß ihm bei diesem Stück vor Rührung die Tränen kamen.

Der nachfolgende »Po-Prä« - es gab auch einen »Vi-Po-Prä« und Po-Vi-Prä - wobei Vi=Vize bedeutet, war der bekannte Graf Helldorf. Er kam öfters mit der Filmschauspielerin Else Elster. Wenn seine Dienstplätze schon verkauft waren, weil er zu spät kam, zeigte er sich nicht verärgert, sondern nahm die Plätze von dem eingeteilten Wachtmeister ein. Diesem und seiner Begleitung gaben wir zwei Stuhlsitze.
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Wir hatten als Gast auch ein "enfant terrible"

Ausgerechnet ein Stammgast von unseren Zoo-Häusern war ein enfant terrible. Die Dame hatte früher in Indien gelebt, trug seidene Kostüme im Kolonialstil der Queen-Victoria-Zeit und gab englische Sprachstunden. Sie hatte ständig zu nörgeln, zu kritisieren und gouvernantisieren. Wir machten einen Bogen um sie.

Wenn zum Beispiel ihr Stammplatz, Reihe acht, Platz sechs, schon verkauft war und sie den benachbarten Sitz bekam, beschwerte sie sich in aller Form beim Chef. Wenn die Frau eine Apotheke in der Tauentzienstraße betrat, verschwand der Inhaber, um ihre Bedienung einer Mitarbeiterin zu überlassen. Die Besitzerin von dem Obstwagen in der Rankestraße verkaufte ihr nichts.

Als diese Lady einmal einen Verkehrsposten aufforderte, den Namen eines Mannes festzustellen, mit dem sie auf der Straße eine Auseinandersetzung hatte, lehnte der Beamte es ab. Darauf sagte diese Dame zu ihm: »Sie werden mich kennenlernen. Ich stehe unter dem persönlichen Schutz von Graf Helldorf und habe ihm testamentarisch zwanzigtausend Mark vermacht.«
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Es gab aber auch heitere Dinge

.... die sich am Rand des offiziellen Geschehens abspielten. Zu unseren Besuchern gehörte Prinz Eitel Friedrich, ein Sohn des letzten deutschen Kaisers. Ein bäurisch wirkender, dicklicher Herr im grünen Lodenmantel.

Der Prinz kam gewöhnlich mit zwei Damen und sie nahmen im vorderen Parkett Platz. Der Hohenzollernsproß war dafür bekannt, daß er nie mehr als zwanzig Pfennig Trinkgeld gab. Als er diesen Betrag unserem plazierenden Kontrolleur Buchmann, einem stets lustigen Jurastudenten, überreicht hatte, nahm dieser militärische Haltung an.

Er drückte dem verdutzten Spender die Gabe wieder in die Hand und sagte im näselnden Ton eines Offizierkasinos: »Danke, kaiserliche Hoheit, es stimmt so!«

Die Story aus dem Fahrstuhl

Einmal wollte ein älterer Herr noch in den besetzten Fahrstuhl steigen, obwohl der Liftboy bereits abgewinkt (oder .... abgewunken) hatte. Der Gast protestierte und rief: »Ich muß doch noch schnell zur Retirade!«

Der Angestellte, dem der Ausdruck nicht geläufig war und wohl nicht richtig verstanden hatte, antwortete: »Da sind Sie bei uns sowieso falsch. >Maskerade< läuft zur Zeit im Ufa-Theater Friedrichshain.«

Lernen und das Urteilsvermögen weiter schulen

Inzwischen hatte ich verschiedenes auf dem Gebiet der Organisation gelernt, viele Filme gesehen, wodurch ein gewisses Urteilsvermögen entstand und mich im Umgang mit den Menschen geschult.

Bei dem Aufsuchen der Konkurrenz achtete ich darauf, was dort besser gemacht wird, denn im eigenen Haus wird man leicht betriebsblind. In Bezug auf Werbung, Kundendienst, Abwicklung der Vorstellungen mit dem Reklameteil konnte man ständig Kenntnisse erwerben.

Ein kurzer Abstecher in die »UFA Kammerlichtspiele« (Kali)

Nachdem ich den Dienst über fünf Monate (seit Oktober 1933) versehen hatte, merkte ich, daß man mit 110 Mark im Monat auf die Dauer nur schlecht leben könnte.

Als ich erfuhr, daß im »Ufa Kammerlichtspiele« (Kali) im Haus Vaterland am Potsdamer Platz ein gleicher Posten frei wird, bewarb ich mich dort. Ich war erstaunt, daß Herr Malbran mir sagte, daß ich der Letzte sein würde, den er von seinen Leuten weglassen möchte.

März 1934 - Mein Monatsverdienst stieg von 110 auf 180 RM

Mir fiel der Weg auch nicht leicht. In den »Kali« waren aber täglich vier Vorstellungen und wöchentlich drei Sondervorstellungen. Dadurch lag mein Monatsverdienst über siebzig Mark höher und das waren 1934 eine Menge Geld.

Meine Versetzung ging glatt vor sich. Das Haus war modern ausgebaut mit Komfort und guter Technik. Luxus enthielt es nicht. Wir spielten »Verlängerte Uraufführungen« und hatten gewöhnlich zweimal in der Woche Programmwechsel.

Bei der günstigen Geschäftslage hatten wir gute Umsätze. Wir waren etwa fünfundzwanzig Mitarbeiter. Auf den veränderten Rhythmus konnte ich mich schnell umstellen.

Die Crux mit den Freikarten

Als sich gelegentlich zwei Kontrolleure um eine Besucherin bemühten, die auf den Stufen zu Fall gekommen war, mußte der gerade anwesende Chef, Herr Schuster, an der Kontrolle einspringen. Er traute seinen Augen kaum, als ihm eine Frau, die ihm vom Sehen her bekannt war, eine Freikarte hinhielt.

Jene Dame pflegte nämlich tagsüber vor unserem Eingang in der Köthenerstraße hin- und her zu "promenieren". Der Theaterleiter ließ an Hand der numerierten Kontrollabschnitte feststellen, wer der ursprüngliche Empfänger der Eintrittskarte war und bestellte ihn ins Büro.

Herr Schuster fragte, wie es möglich wäre, daß die Freikarte in die Hand einer Prostituierten gelangt sei, da es doch bekannt ist, daß diese Billetts für die Angehörigen des Personals bestimmt wären.

Der Mitarbeiter antwortete: »Meene Anjehörjen können sich ihre Karten alleene koofen. Wenn ick aba det Meechen vier Karten schenke, kann ick eenmal bei ihr umsonst.«

Nach diesem Zwischenfall mußten sich die Empfänger von Freikarten diese direkt vom Oberkontrolleur abholen.

Als der Reichspräsident in Westpreußen verstorben war

Als ich am 2. August 1934 als erster zum Dienst kam, war Herr Schuster schon da. Er beauftragte mich, Trauerflor zu besorgen und das Band an dem Bild von Hindenburg im Foyer anzubringen. Der Reichspräsident war am 2. August 1934 auf seinem Gut Neudeck in Westpreußen verstorben. Sämtliche Lichtspieltheater blieben wegen Landestrauer geschlossen.

Es war ein schöner Tag und ich ging in den Tiergarten, um mir für ein paar
Stunden einen Liegestuhl zu nehmen.
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In der Politik bahnte sich neues Unheil an

Wir sollten nicht zur Ruhe kommen. Die Erregung über den Röhm-Putsch und die Erschießungen der SA-Führer war noch nicht abgeklungen und es bahnte sich neues Unheil wegen der Präsidentenschaft an.

Aug. 1934 - Als Oberkontrolleur zurück in den Gloria-Palast

Bald danach rief mich der Chef ins Büro und fragte, ob ich Lust hätte, im Gloria-Palast Oberkontrolleur zu werden. Der jetzige Mann, ein Theologiestudent, hat gekündigt, und Herr Malbran hat mich über die Zentrale angefordert.

Ich war überrascht und sagte zu. Am nächsten Tag meldete ich mich bei Herrn Malbran, um mich für die geplante Ernennung zu bedanken, meinen Antrittstermin zu erfahren und notwendige Anweisungen entgegenzunehmen.

Er sagte nur, daß mein Kollege noch im Dienst sei und mir die Einzelheiten mitteilen würde. Ich solle mich bemühen, eine »gute Mischung von Eden-Hotel und Feldwebel« zu sein.
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Neue erweiterte Aufgaben

Der Oberkontrolleur unterrichtete mich, daß ich mitverantwortlich für die Betriebssicherheit und die Einhaltung des Lichtspieltheatergesetzes sein würde.

Ich müßte die wöchentlichen Dienstpläne aufstellen, Programme anfordern und verrechnen, Überstunden einreichen, Eintrittskarten bestellen, Telefondienst machen und die Fotowerbung innerhalb des Hauses gestalten. Außerdem erhielt ich einen Freikartenblock »zu treuen Händen«. Kleinkram und Unannehmlichkeiten hätte ich vom Chef fernzuhalten.

Die im dunklen Kino geklaute Brieftasche

Wenige Tage später gab es schon einen Zwischenfall. Ein uns bekannter Stammgast kam während der Werbung zu mir und teilte mit, daß ihm beim Einnehmen seines Rangplatzes in der dritten Reihe seine Brieftasche gestohlen worden sei. Ich bat Herrn Malbran telefonisch ins Foyer und nach Besprechung des Falles hatte er folgenden Plan.

Wir forderten von dem Polizeirevier in der Joachimsthalerstraße drei Beamte an. Der diensthabende Wachtmeister sorgte für schnellste Durchführung. Die vier Beamten verteilten sich an den beiden Rangeingängen und den Treppen, die vom Balkon zu den Rangreihen führten. Der Gast, der Chef, ein Tonsteurer und ich traten zu je einem Polizisten. Dem Vorführer hatten wir Anweisung gegeben, daß er zu Beginn des Hauptfilms den elektrisch aufgehenden Vorhang stoppen und wieder schließen solle.

Hierdurch erfuhr das Publikum, daß etwas nicht in Ordnung sei. Danach wurde volles Saallicht eingeschaltet und es trat eine gewisse Spannung unter den Besuchern ein. In diesem Augenblick schritten wir acht Mann auf die dritte Reihe im Mittelrang zu. Es trat Totenstille ein. Die Gäste glaubten, daß sie jetzt Zeugen einer Festnahme sein würden und starrten auf das ungewöhnliche Bild. Plötzlich hörte man ein leichtes Geräusch, das von einem Fall herrührte.

Der verängstigte, unbekannt gebliebene Dieb hatte sich der Brieftasche entledigt und der Besitzer konnte sie neben seinem freien Platz aufheben. Wir gaben dem Bildwerferraum ein verabredetes Handzeichen und der Hauptfilm lief an. Der Chef hatte uns imponiert.
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Manche Gäste versuchten es mit allen Tricks

Als uns während der »Grünen Woche« ein Besucher meldete, daß ihm im Laufe der Vorstellung in der Parkettloge seine Brieftasche gestohlen worden sei, konnten wir ihm nicht helfen. Er hatte bei einem Stadtbummel eine Frau kennengelernt, mit ihr einige Schnäpse getrunken und anschließend eine Separatloge bei uns genommen. Dort war er eingeschlafen.

Als er wieder aufwachte, war seine Begleiterin verschwunden und mit ihr das Portemonaie.

Eines Tages erhielten wir von einem bekannten Rechtsanwalt ein Schreiben mit der Aufforderung, seiner Mandantin 1400.- Mark Schadenersatz zu zahlen, weil deren Rassehündin in unserem Kino gedeckt worden sei. Sie hat Junge geworfen und konnte danach nicht mehr auf Ausstellungen gezeigt werden, da sie deformiert geblieben ist. Bei der Hündin handelte es sich um ein mehrfach prämiiertes Tier.

Als die Besitzerin bei uns im Kino war, hatte sie die Hündin zur Verwahrung abgegeben und diese wurde in einer Einzelbox angebunden. Mit anderen, ebenfalls abgegebenen Hunden hatte die Fähe überhaupt keine Berührung. Da die Besucherin nicht nachweisen konnte, wann und wo der entscheidende Hundekontakt stattgefunden hat, war es uns möglich, ihren Anspruch abzulehnen.

Es gab auch Aufregungen persönlicher Art.

Nach Schluß einer letzten Vorstellung kam ein Mädchen zu mir und fragte, ob eine Dame das russische Lokal, für das wir ein Diapositiv zeigten, allein aufsuchen könnte. Sie war ein sehr aparter Typ und erinnerte an eine Tanzelevin (lesbische Tänzerin).

Schlank, schwarze Haare mit Mittelscheitel und griechischem Nackenknoten, braune lebhafte Rehaugen, feuchte volle Lippen in einem schmalen Gesicht.

Sie duftete nach Jugend und Eau de Cologne russe. Ich erklärte, daß ich das Restaurant nicht kennen würde, es aber für eine junge Dame nicht ratsam sei, zu nächtlicher Stunde allein dahin zu gehen. Besonders dann nicht, wenn man mit allen Reizen der blühenden Jugend ausgestattet ist.

Ich würde es aber als eine angenehme Pflicht betrachten, wenn ich ihr für den Besuch Arm und Geleit antragen dürfte. Halb erstaunt, halb ablehnend musterte sie mich und willigte ein.

Bei Kerzenlicht und Balalaikaklängen nahmen wir ein Nachtmahl zu uns und mit leicht sächsischem Akzent erzählte sie mir, daß sie vor kurzem ihre Schauspielerprüfung in Leipzig abgelegt hätte.

Sie habe heute vormittag bei einem Berliner Bühnenschauspieler vorgesprochen, um noch Stunden bei ihm zu nehmen. Mit dem Frühzug müßte sie in die sächsische Metropole zurück und eine Freundin würde sie zum Bahnhof bringen. Von wem der berühmte Satz stammt: »Die Gattin streichelt froh den Leib sich, denn ihr Mann kommt heut nach Leipzig,« wußte sie auch nicht.

Daß mir damals eine Sternstunde schlug und ich sie in ihr Hotelzimmer in der Nürnbergerstraße begleiten durfte, kommt mir nach fünfzig Jahren wie ein kleines Wunder vor. (Anmerkung : den Hintergrund dieses Wunders bleibt uns der Auto schuldig.)

Als meine Schlummermutter am Vormittag das Frühstück brachte, fragte sie leicht pikiert, warum ich die geschabten Mohrrüben nicht gegessen habe, die sie mir allabendlich hinstellte.
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1934 - eine frohe Botschaft meines Arztes

1934 teilte mir der Arzt mit, daß ich auskuriert sei (von der Tuberkolose) und mich von dem Gedanken freimachen kann, noch krank zu sein. Welch eine frohe Botschaft.
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Eine Trauerfeier für Heinrich von Mecklenburg im Gloria-Palast

In dem Jahr verstarb der holländische Prinzgemahl, der ehemalige Herzog Heinrich von Mecklenburg. Die deutsche Adelsgenossenschaft veranstaltete für ihn eine Trauerfeier im Gloria-Palast.

Die Veranstaltung fand als Sonntags-Matinee für geladene Gäste statt und ein Film von dem Leben des Verstorbenen sollte im Lauf des Sonnabends bei uns abgeliefert werden.

Als dies bis sechzehn Uhr nicht geschehen war, rief ich die zuständige Dame in ihrer Wohnung an, um es zu melden. Sie geriet in große Verlegenheit, denn der Fahrer hatte ihr telefonisch versichert, daß die Kopie bei uns abgegeben worden sei. Sie könnte den Mann nicht mehr erreichen, da er zum Wochenende auf seinem Grundstück weilte. Obwohl es nicht unsere Sache war, die Kopie aufzuspüren, versuchte ich es. Erst ging ich in die Ufa-Häuser der Zoogegend. Leider ohne Erfolg.

Dann suchte ich die Konkurrenz-Theater auf und hatte dort Glück. Im Capitol am Zoo wurde der Film versehentlich abgegeben. (Anmerkung : War das Capitol am Zoo nicht doch ein UFA Theater ?)

Ich rief die Gräfin K. an und konnte sie von ihrer Sorge befreien. Die Veranstalter hatten ein merkwürdiges Talent, Verwirrung zu stiften und es gab die verschiedensten Knäuel zu entwirren. Der Ablauf hat aber geklappt und wir alle waren darüber froh. Nach der Feier kam die Gräfin zu mir und fragte etwas verlegen, ob sie mir eine Anerkennung für meine Mühen überreichen dürfe. Sie wüßte nicht, ob sie mir ein Geldgeschenk anbieten könne, wenn ich es aber nicht behalten möchte, könne ich es nach meinem Ermessen an einen Bedürftigen weiterleiten. Sie gab mir einen verschlossenen Umschlag. Da mir einfiel, daß ich selbst ein Bedürftiger war, konnte ich die zwanzig Mark für mich behalten.

Wirklich Kurioses um Pastor Niemöller

Um die Jahreswende, als sich der Konflikt mit der Kirche zuspitzte und der Pastor Niemöller wiederholten Angriffen ausgesetzt war, kursierte ein Bonmot von Werner Finck: »Ein Intellektueller liebt NIE-MÖLLER, wiederholen Sie mal den Satz!« Das Wort fiel gelegentlich in der »Katakombe«, die völkisch beobachtet wurde. Im Winter 1939 erzählte mir der Schauspieler Kurt Meisel, daß Finck eine hektographierte Karte an seine Freunde verschickt hätte: »Über meine Einstellung zur politischen Lage gibt's nur eine Einstellung, und das ist meine Einstellung zum 1. Dezember 1939 bei der Wehrmacht.«

Daß der Pastor sich übrigens im Winter 39/40 vom Konzentrationslager aus freiwillig zur U-Bootwaffe gemeldet hatte, ist unerklärlich. Das Oberkommando Marine konnte abwinken, denn der Pastor war damals schon 47 Jahre alt. Ebenso merkwürdig war es, daß der Geistliche von Moskau einen Leninorden annahm. Jener Russe, der 1940 Leo Trotzki in Mexiko ermordet hat, erhielt ebenfalls eine Lenin-Auszeichnung.

Ein Sketch im Kabarett von Werner Finck

Im Kabarett brachte Werner Finck folgenden Sketch. Der Entertainer betrat die Bühne und im Saal, in dem die Besucher an kleinen Tischen saßen, erlosch das Licht. Der Künstler ging zu den Gästen herunter und leuchtete verschiedene mit einer Taschenlampe an. Er betrat wieder die Bühne, sinnierte, schüttelte den Kopf und sagte: »Ja, das Volk ist in Ordnung, das muß an der Leitung liegen.«

Wenn ein wenig bekannter Schauspieler wichtig werden wollte

Wenn man glaubte, daß im Dienst alles glatt laufen würde, konnte man durch eine Reklamation daran erinnert werden, daß andere darüber anders denken.

Zwei Tage nach der Uraufführung von »Liebe, Tod und Teufel« mit Brigitte Horney gab mir der Chef den Brief eines damals wenig bekannten Schauspielers, damit ich die Sache untersuchen sollte.

Der Herr beschwerte sich mit bewegten Worten, daß wir ihm einen Blumenstrauß, den er zu der Aufführung bekommen hätte, nicht in seine Wohnung geschickt haben.

Da sich der Darsteller an keinen unserer Angestellten mit einer diesbezüglichen Bitte gewandt hatte, konnte ich die Reklamation nur mit Verwunderung zur Kenntnis nehmen. Außerdem waren uns die Privatanschriften nicht immer bekannt und wir konnten auch nicht wissen, wo sich die Künstler am Tag nach der Premiere aufhalten würden. Ferner gehörte es nicht zu den Gepflogenheiten des Hauses, unaufgefordert derartige Besorgungen zu übernehmen. In diesem Sinn wurde das unverständliche Schreiben beantwortet.

»Liebe, Tod und Teufel« und der Start von Brigitte Horney

Mit diesem Film und seinem bekannten Chanson setzte für Brigitte Horney eine ruhmvolle Karriere ein. Sie wurde weit über Deutschlands Grenzen bekannt, denn das Stück wurde auch in englischer und französischer Fassung hergestellt. Das Lied lautete:

»So oder so ist das Leben, so oder so ist es gut. So wie das Meer ist das Leben, ewige Ebbe und Flut.«
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1935 lief »Barcalore« bei uns an.

Der erste deutsche Film mit Lida Baarova, einer Tschechin von faszinierender Schönheit. Sie kam mit Gustav Fröhlich und wir gewöhnten uns sehr bald an deren verliebtes Gehabe.

Die Schauspielerin war die Mätresse von Dr. Goebbels, der sich 1937 von seiner Frau scheiden lassen und als Botschafter nach Tokio gehen wollte. Hitler hat es verhindert.

Die Baarova lebte mit Fröhlich in dessen Villa auf Schwanenwerder, wo auch der Minister ein Haus hatte.

Die Geschichte, daß der Künstler dem Dr. Goebbels aus Eifersucht eine Ohrfeige gegeben haben sollte, bezeichnete Fröhlich mir gegenüber als »Quatsch«.

Die Geste des ohrfeigenden Werner Finck auf der Bühne und sein Satz: »Ich möchte einmal fröhlich sein!« hatte nur fiktiven Anlaß.

Der »Gloria-Palast« Berlin und die ausgezeichnete Akustik

Die Zeitschrift »Die Woche« veröffentlichte Mitte der dreissiger Jahre ein Interview mit Jan Kiepura. In dem Artikel erklärte der polnische Sänger, daß er mit seinen Filmen am liebsten im »Apollo-Theater« von Wien oder im »Gloria-Palast« Berlin herauskäme, da die ausgezeichnete Akustik von den Häusern seine Stimme am besten wiedergeben würde.

Wir hingen die kaschierte Seite über das Gespräch in einem Barockrahmen in unserem Foyer auf. Als Kiepura bei uns war und das bebilderte Blatt sah, bedankte er sich dafür bei uns.

Silvester 1935

Für Silvester machte Herr Malbran mich dafür verantwortlich, daß das Alkoholverbot für die Angestellten strikt eingehalten würde.

Beide Vorstellungen waren ausverkauft und Betriebssicherheit galt als oberstes Gesetz. Im vergangenen Jahr war es zu Mißständen gekommen. Die Anordnung setzte ich mit STABILA-Gründlichkeit (STABILA - ich war in einer Staatlichen Bildungsanstalt) durch, bekam jedoch persönlichen Ärger. Ich hatte noch nicht ausgelernt.

1936 - Mein Urlaub im Harz und ein Brief

Im Mai hatte ich an den Vormittagen die gesamte Inventaraufnahme des Hauses zu erstellen und konnte mir von dem Überstundengeld einen Urlaub im Harz leisten. Ich war immer noch eifriger Benutzer eines Liegestuhls, denn so ganz traute ich nicht der ärztlichen Beurteilung.

Wenige Tage vor Urlaubsende erhielt ich vom Chef eine Karte mit folgendem Inhalt:

Lieber Frick!
Ich freue mich, Ihnen als erster mitteilen zu können, daß Sie mit Wirkung vom 1. Juli (1936) zum Assistenten ernannt worden sind und gratuliere Ihnen dazu. Vom gleichen Tag an übernehmen Sie die Urlaubsvertretung im »Universum«.
Herzlichen Gruß Ihr Malbran.
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Jetzt war ich Assistent, also Gehilfe des Theaterleiters

Als Assistent war man Gehilfe des Leiters und sein ständiger Vertreter. In Theaterbetrieben, der organisatorischen Zusammenfassung meherer Kinos einer Stadt im Reich, wurde einem praktisch die Leitung eines Hauses übertragen. Die Gesamtleitung solcher Betriebe lag in der Hand eines Direktors.

Eigentlich war es ein unglücklicher Zufall

Meine Bestallung, die nach der »Hierarchie« noch nicht fällig war, hatte ich indirekt unserer Revisionsabteilung zu verdanken. Der Assistent vom »Universum« hatte der Sekretärin aus Gutmütigkeit hundert Mark aus der »Kleinen Kasse« gegeben.

Sie hatte ihn gebeten, ihr diesen Betrag kurzfristig zu leihen, um sich von einer Geschäftsauflösung billig einen Mantel kaufen zu können. Gegen zweiundzwanzig Uhr, nachdem der Hauptfilm begonnen hatte, erschienen zwei Revisoren und zeigten eine Bescheinigung des Ufa-Vorstandes, daß sie ermächtigt seien, eine Kassen- und Kartenbestandsprüfung in dem Haus vorzunehmen.

Die Entnahme von Geld für Privatzwecke, auch wenn es nur vorübergehend und gegen Quittung geschah, war eine dienstliche Unkorrektheit, die nicht ohne Folgen blieb. Der Kollege wurde aus seiner Stellung abberufen und für allgemeine Vertretungen und Sonderaufgaben eingesetzt. Warum er mir von da an aus dem Weg ging, war mir schleierhaft.
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Das "Universum" hatte 1800 Sitzplätze und dennoch Sorgenkind

Daß ich gleich in dem modernen Mendelsohn-Bau am Lehniner Platz anfangen konnte, machte mir besondere Freude.

Das Haus war im Juli 1928 eröffnet worden und hatte 1800 Plätze. Leider wurden 1935 Bühne und Orchesterraum nur noch selten benutzt, weil der hierfür erforderliche Aufwand zu kostspielig war. Die Besucher kamen wegen der Filme und nicht wegen der Bühnenschau im Vorprogramm.

Die Lage des Lichtspieltheaters war auch ungünstig, denn so weit draußen spielte sich am Kurfürstendamm kein Boulevardverkehr mehr ab. Der Plan, die U-Bahn bis nach Halensee zu führen und hierbei die Gleisanlagen der S-Bahn zu untertunneln, mußte aus technischen Gründen aufgegeben werden.

So war das Kino trotz seiner großartigen Konstruktion und seiner vollendeten Bedingungen für Sicht und Akustik ein geschäftliches Sorgenkind.

  • Anmerkung : Auch die große UFA hatte sich mehrfach mit einigen Palästen sogar in Berlin verhoben. Die Häuser lagen unglücklich oder waren doch etwas zu groß.

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In Hamburg und Düsseldorf gabs noch Bühnen-Auftritte und in Berlin

In der Mitte der dreißiger Jahre gehörten Bühnennummern vor den Filmen nur noch selten zum Programmteil. In Hamburg und Düsseldorf konnten sie noch lange durchgeführt werden.

Ich erinnere mich, daß sogar das Ufa-Theater (UT) am Kurfürstendamm, nach 1945 wurde es die »Filmbühne Wien«, eine solche Vorschau bzw. solch ein Vorprogramm zeigte.
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Wir machten viele Versuche der Belebung des "Universum"

Daß bald nach meiner Dienstaufnahme PYGMALION mit Gustaf Gründgens, Jenny Jugo und Anton Edthofer auf dem Spielplan stand, war für mich günstig. Die Laufzeit konnte verlängert werden und das hatte es in dem Theater schon lange nicht mehr gegeben.

Die bei der Gunst der Stunde erfolgte Einführung einer Nachmittagsvorstellung mit ermäßigten Preisen, konnte das weitere Geschäftsergebnis nicht wesentlich beeinflußen. Bei einer Jugendvorstellung von »Emil und die Detektive« lernte ich Erich Kästner kennen. Er saß oft im »Cafe Leon«, das in unserem Gebäude lag.

Zu der Zeit hatten wir Ursula Herking als »Märchentante« engagiert. Als ein Junge ihren Auftritt durch Zwischenrufe stören wollte, hat sie ihn blitzgescheit abgekanzelt und zur Ruhe gebracht. Im Büro staunten wir über ihre Gelenkigkeit, als sie uns einen Handstand vorführte.

Die Kunstreiterin Cilly Feindt teilte uns bei einem Besuch mit, daß sie gern wieder bei uns auftreten würde, aber es war wegen der Kosten nicht möglich. Mit der SCALA konnten wir nicht konkurrieren.

1935/36 kam ich in verschiedene Berliner Häuser

1935/36 wurde ich in verschiedenen Berliner Häusern eingesetzt und auch in einzelnen Abteilungen unserer Zentrale beschäftigt.

Infolge einer Nachtprobe kam ich an einem Morgen erst gegen drei Uhr ins Bett und wollte den versäumten Schlaf nachholen. Gegen neun Uhr rief die Theaterverwaltung bei mir an, daß ich um elf Uhr im "Ufa Palast am Zoo" (das war Berlins größtes Kino) eine Tanzprobe mit Marika Rökk wahrnehmen sollte.

Wir holten das Personal aus allen Häusern zusammen

Die Ballettmeisterin Sabine Ress würde die Einstudierung vornehmen, da Frau Rökk am nächsten Tag zu der Premiere »Leichte Kavallerie« auf unserer Bühne tanzen würde. Ich mußte den Bühnenmeister und zwei Beleuchter benachrichtigen, daß sie ins Haus kämen.

Für den Organisten, Horst Schimmelpfennig, konnte ich die Nachricht nur im Hotel hinterlassen. Für die Laufzeit von dem Suppe-Film hatten wir uns den Kollegen von unserem Hamburger Ufa-Palast ausgeliehen. Notfalls stand noch ein Musiker zur Verfügung, der jetzt als Tonsteurer bei uns angestellt war.

Marika Rökk war eine rassige Ungarin

Wir hatten uns pünktlich eingefunden und der Tanz konnte beginnen. Die Rökk mußte sich damals noch mit einigen unnötigen Pfunden quälen und geriet bald ins Schwitzen. Als ihr in der Hitze des Gefechtes ein Achselband abriß, kam ich in den Genuß, mich über ihre dampfende Schulter bücken zu dürfen, um den Schaden mit einer Sicherheitsnadel zu beheben.

Die rassige Ungarin war den Berlinern von dem Variete Wintergarten bekannt. Als junges Mädchen hatte sie dort 1929 ein glanzvolles Debüt in der Solonummer »Pirouetten-Königin auf der Spitze«.

Die Aufführung von »Leichte Kavallerie« sollte verboten werden

Am Premierentag kam es noch zu einer operettenhaften Einlage. Zum Einlaß der 19Uhr-Vorstellung, als der Chef mit den Künstlern und dem Regisseur Jacobi im Konferenzzimmer war, meldeten sich bei mir zwei Herren.

Eilig und mit wichtigen Mienen stellten sie sich als Rechstanwälte vor. Sie legten einen Gerichtsbeschluß vor, in dem auf Antrag der Erben von Franz Suppe, die öffentliche Aufführung von »Leichte Kavallerie« verboten war. Wenn die Herren dachten, daß wir die Vorstellung absagen, mußten wir sie enttäuschen. Ich stellte ihnen nach Rücksprache mit dem Chef anheim, sich am nächsten Tag mit unserer Rechtsabteilung in Verbindung zu setzen. Wahrscheinlich ging es nur um Tantiemeansprüche, denn wir hörten nichts mehr von dem Verbot.

Inzwischen wurde es auch bei uns politisch gefährlich

Daß ein Film, der von der Zensur offiziell freigegeben war, dennoch zurückgezogen wurde, konnte auch vorkommen. 1934 lief im »Capitol am Zoo« ein Stück mit Elisabeth Bergner an »Katharina die Große«. Regie führte ihr gleichfalls jüdischer Mann Paul Czinner.

Eine Zeitung meldete, daß das deutsche Publikum lebhaft gegen die Aufführung protestiert hätte. Ein Tag danach wurde der Film verboten.

Tatsächlich wurde der SA-Führer Karl Ernst am Uraufführungstag vor dem Lichtspieltheater beobachtet, wie er seine Rollkommandos, die zum Teil Zivil trugen, in das Kino schickte. Das geschah während der Vorstellung, die mit Sprechchören gestört wurde.

Um einen Abbruch der Vorführung zu erzwingen, drangen SA-Männer über die Notausgangtreppe in den Bildwerferraum und entwendeten einige Rollen des Hauptfilms.

Wenn bei dieser Aktion »nur« Hausfriedensbruch und Eigentumsdelikt vorlagen, so erlebte der SA-Führer Karl Ernst an sich selbst die Vollendung der Anarchie.

Drei Monate später wurde er hinter den roten Mauern der ehemaligen Kadettenanstalt in Lichterfelde von einem Partei-Peleton erschossen. Der Röhm-Putsch forderte seine Opfer.
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1935 im Ufa-Palast - Reichskanzler Hitler ist zu Gast

Als ich 1935 im Ufa-Palast assistierte, kam Hitler zu der Premiere »Der höhere Befehl«. Auf der Bühne mußte ich den Hauptdarstellerinnen Lil Dagover und Heli Finkenzeller je ein großes Bukett vom Führer überreichen.

An den Blumensträußen waren seine Visitenkarten in englischer Schreibschrift, die er mit handgeschriebenen persönlichen Widmungen versehen hatte. Das besondere Interesse von Hitler galt aber dem Vorfilm »Unsere Wehrmacht - Nürnberg 1935« von Leni Riefenstahl. Die Künstlerin saß neben seiner Loge, er begrüßte sie mit Handkuß und übergab ihr ein Blumengebinde.

Als der Reichskanzler nach der Vorstellung von der Rangtreppe herunterkam, drängelte sich trotz der Absperrung durch die Leibstandarte, ein junges Mädchen in Tracht hervor. Sie überreichte ihm ein Handsträußchen. Hitler nahm es ihr ab, gab die Blumen an seinen baumlangen Adjutanten weiter und sagte zu ihm: »Brückner, da ist ja unsere Freundin aus Berchtesgaden, schreiben Sie doch ihre Adresse auf.«

Auch das gab es : »Der Gärtner des Führers«

Weil die Bühnendekoration für diese Premiere besonders gut ausgefallen war, bat ich den Gärtnereibesitzer wegen eines neuen Auftrags ins Büro. Bei seinem Besuch gab er dem Oberkontrolleur in der Kassenhalle seine Geschäftskarte ab. Unter dem Namen stand: »Der Gärtner des Führers«.
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Wenn sich eine steinerne Kulissenwand bewegt . . .

Im Anschluß an die letzte Nachtprobe von »Der Student von Prag« nach der Filmnovelle von Hanns Heinz Ewers fand die übliche Beurteilung wegen der Abnahme statt. Ich machte den Produktionsleiter Klotzsch darauf aufmerksam, daß sich eine steinerne Kulissenwand bewegte, als Wohlbrück sie als Stütze benutzte. Keiner der Anwesenden hatte es bemerkt oder wollte den erforderlichen Schnitt veranlassen.

Am nächsten Tag schrieb die BZ, daß Wohlbrück über erstaunliche Körperkräfte zu verfügen scheine, da er eine Mauer aus Felsgestein zum wackeln bringen kann. Auf Grund dieser Kritik wurde die Kopie abgeholt und die notwendige Korrektur vorgenommen.

  • Anmerkung : Manchmal ist Kritik willkommen, manchmal nicht. Als ich den Regieassistenten bei einem Filmdreh in Berlin in 2014/2016 auf eine sichtbare Änderung der Garderobe der Hauptdarstellerin aufmerksam machte, schlug er mir dankbar auf die Schulter und war sichtlich angetan über diese fachfremde Aufmerksamkeit. Das ist aber nicht immer so.

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Auch hier Ärger mit den Freikarten

Die Handhabung der Freikarten gestaltete sich manchmal zu einem schwierigen Kapitel und bereitete Sorgen.

Die »Deutsche Arbeitsfront« hatte für eine Festveranstalung unseren "Ufa-Palast am Zoo" gepachtet und auch den gesamten Kartensatz bekommen, da sie die Einladungen selbst herausschickte. Wir hatten also keinen Einfluß auf die Plazierung.

Während des Einlasses kam der Admiral Raeder vom Rang herunter und bat mich, ihm zwei andere Plätze anzuweisen, da seine Sitze zu ungünstig wären. Ich erklärte ihm den Sachverhalt und bedauerte, nicht helfen zu können. Er nahm es mit Befremden zur Kenntnis.

Und wieder kam Großadmiral Raeder auf mich zu

1940 lief im gleichen Haus »Der Sieg im Westen« an. Ein Dokumentarfilm über den Feldzug in Frankreich. Es war eine große Staatspremiere mit Hitler. Ich war zur Verstärkung für den Empfang eingeteilt.

Als ich in der Kassenhalle meinen Posten bezogen hatte, wurde ich aus dem Gewimmel heraus wieder von dem Großadmiral Raeder angesteuert. Er hatte eine Einladung für zwei Personen und bat mich um einen dritten Platz für seinen Schwager, einen Major, der sich gerade auf Urlaub befand. Zufällig hatte ich eine Karte zurückbekommen und konnte sie dem Urlauber geben.

Dann begleitete ich Raeder mit Frau zum Rang und wies ihnen ihre Logenplätze an. Der Befehlshaber der Seestreitkräfte stutzte leicht über die Lage in der vorletzten, also leicht außen gelegenen Mittelloge und fragte: »Hier soll ich mich hinsetzen?«

Ich machte eine militärische Verbeugung, schlug die Hacken zusammen und erwiderte: »Wenn ich bitten darf, Herr Großadmiral.« Inzwischen hatte mein Kollege Förster den Reichskanzler zu der »Führerloge« gebracht. Förster teilte mir mit, daß Göring und zwei Feldmarschälle abgesagt hätten. Auch das noch. Dadurch blieben zwei Logen zwischen Hitler und Raeder
frei.

In der Lichtpause nach der Wochenschau ging ich wieder zu dem Großadmiral und bat ihn, in der Loge neben dem Führer Platz zu nehmen.
Der Oberbefehlshaber der Kriegsmarine lehnte es kühl ab.

Nachtrag im (geschichtlichen) Vorgriff

Fast fünf Jahre später (Frühjahr 1945) sah ich Raeder zum letzten Mal. Er befand sich im Garten seiner Villa in der Stubenrauchstraße von Babelsberg. Die Russen standen vor den Toren und kurz danach geriet er in Gefangenschaft.

1946 wurde er in Nürnberg zu lebenslänglicher Haft verurteilt und 1955 begnadigt.

Nach dem Krieg verklagte Frau Raeder jenen Feldwebel, der ihrem Mann als Ordonanz zugeteilt war, wegen Diebstahls. Er soll angeblich den »Marschallstab des Großadmirals von Großdeutschland« im Babelsberger Garten ausgegraben und verkauft haben. Das war dem Mann jedoch nicht nachzuweisen. Das Geld, mit dem sich der ehemalige Feldwebel in Düsseldorf ein Konfektionsgeschäft erworben hatte, konnte er auch auf dem »Schwarzen Markt« verdient haben. So geht der Ruhm der Welt unter.
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Ein Problem - weitere Karten im ausverkauften Haus

Während meiner knapp bemessenen Mittagspause bekam ich einen Anruf der Zentrale, daß ich unbedingt für Herrn Georg von Stauss, Dir. der Deutschen Bank, Staatsrat, ehemals Finanzier der UFA, zwei Logenplätze freimachen müßte.

Man hatte schon mit der Kasse gesprochen und Auskunft bekommen, daß ausverkauft sei. Wegen der Wichtigkeit der Sache sollte ich mich darum
kümmern und die zwei Plätze auf jeden Fall bereitstellen. Ich fuhr ins Kino, um mir von den telefonischen Bestellungen eine Parkettloge mit zwei Plätzen herauszulegen, auch auf die Gefahr hin, daß ich deswegen mit dem Kunden Ärger bekomme.

Als Ersatz ließ ich zwei gute Parkettkarten reservieren, die für besondere Fälle zur Verfügung standen. Der Zentrale meldete ich, daß die Billetts für von Stauss abgeholt werden können.

Abends entschuldigte ich mich bei dem Kunden wegen des »vertauschten« Reservats und bat ihn, seine Plätze als Ehrenkarten entgegenzunehmen.

Mal Dank, mal Undank - manches war schon sehr sensibel

Außerdem gab ich ihm eine Anweisung für zwei weitere Freikarten. Etwas reserviert nahm er mein Angebot an. Nach dem Krieg erfuhr ich, daß von Stauss mit einem hohen amerikanischen Politiker ein »Geheimtreffen« vereinbart hatte und dazu einen unverdächtig neutralen Ort brauchte. Eine Kinologe schien ihm hierfür geeignet.

Bei anderer Gelegenheit wunderte ich mich, daß der Generalfeldmarschall von Brauchitsch mich nach Besichtigung eines Films bat, in meinem Büro telefonieren zu können. Unsere Leitung wurde nicht von der Gestapo abgehört.
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Der Sohn eines bekannten Staatssekretärs

Der Sohn eines bekannten Staatssekretärs legte mir die Ehrenkarte seines Vaters vor und bat, ihm zwei Karten anweisen zu lassen. Da der Ausweis mit Lichtbild nur persönlich gültig war, lehnte ich es mit Bedauern ab. Mit der Antwort: »Ich muß mich über diese Behandlung sehr wundern«, verließ er das Haus.

Als ich dem Sohn von unserem Generaldirektor einmal eine Separatloge geben ließ, kam sein Vater zufällig zur nächsten Vorstellung. Er sah den Sohn mit weiblicher Begleitung die Treppe herunterkommen und fragte mich, wo die beiden gesessen hätten.

Auf meine Antwort erwiderte unser »General«: »Mein Sohn studiert noch und bekommt Parkettplätze. Wenn er mal was geworden ist, kann er in einer Loge sitzen.«

Keine Freikarten mehr an Schauspieler

Auf dem Gebiet der Herstellung von Rundschreiben war die Gesellschaft ebenfalls aktiv. Wenn diese von roter Farbe waren, stand im Kopf: »Rundschreiben auf rotem Papier sind besonders wichtig.«

In einem dieser Rundbriefe wurde uns mitgeteilt, daß die Theaterleiter keine Freikarten mehr an Schauspieler ausgeben dürfen. Die Karten müssen von der Zentrale telefonisch avisiert oder durch Vorlage einer Anweisung unserer Presseabteilung belegt sein.

Als Hans Albers im Marmorhaus auftauchte

Die Diskussion über das Zirkular war noch nicht verstummt, als Hans Albers im Marmorhaus (das älteste Kino am Kurfürstendamm mit ca. 960 Plätzen) auftauchte und um eine Freikarte bat. Unter Hinweis auf das Rundschreiben lehnte der korrekte und vorsichtige Kollege es mit Bedauern ab. Der Schauspieler kaufte sich einen Platz für vier Mark.

Da Albers zu der Zeit einen Ufa-Vertrag hatte und am nächsten Tag in Babelsberg war, beschwerte er sich dort wegen der Kartensache bei dem Produktionschef, Herrn Corell. Um die Sache schnell aus der Welt zu schaffen, legte ihm die Sekretärin acht Mark für zwei Logenkarten hin und der große Künstler steckte das Geld ein.
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Der Tenor Gigli

Mit besonderer Erwartung sahen wir der Uraufführung des Gigli-Films »Vergiß mein nicht« entgegen. Der Sänger Beniamino Gigli kam, sang und siegte. Er war liebenswürdig aber zurückhaltend, hatte keine Starallüren, gab keine Autogramme und wünschte keine Interviews.

Während der Vorstellungen suchte er mit seinem Sekretär einen abgeteilten Raum des Künstlerzimmers auf. Sie spielten dort Karten und tranken eine Flasche Rotwein.

Auf der Bühne schlug Gigli stürmischer Beifall entgegen. Er wurde von unserem Herrn Christoph auf der Wurlitzer Orgel begleitet und sang das schmelzend-schmachtende Lied aus dem Film: »Weil du so zärtlich küßt, sag mir, sag mir vergiß mein nicht.« Der Applaus nahm kein Ende.

Wenn der Applaus nicht enden will

Der Tenor schien selbst Freude an seinem Auftreten zu haben und ließ seinen Belkanto ausgiebig erschallen. Da die Pause zwischen den Vorstellungen fast beendet war, rief ich Herrn Förster auf der Bühne an, und bat ihn, den Auftritt abzuschließen. Das Haus hatte 2.325 Plätze und die Vorstellungen waren ausverkauft. Die Abwicklung für einen geordneten Ein- und Auslaß braucht eine gewisse Zeit, zumal die meisten Besucher ihre Garderoben abgegeben hatten.

Wir fuhren die Orgel in die Versenkung, schalteten das volle Saallicht ein, öffneten sämtliche Saaltüren und bliesen mit voller Kraft Frischluft durch die Fußbodengitter und Wandkanäle. Die Damen waren gezwungen, sich die Röcke festzuhalten.

Und immer wieder »Bravo! Da capo!«

Es nützte alles nichts. Die Gäste wichen nicht von den Plätzen, klatschten und riefen: »Bravo! Da capo!« Unser Organist spielte unten vor Begeisterung weiter und Gigli sang. Die Besucher für die kommende Vorstellung warteten in einem Teil des Foyers, der Kassenhalle, auf den Eingangsstufen des Kinos und auf der Straße.

Sie waren gereizt und murrten, weil sie noch nicht in den Saal konnten. Ich erklärte ihnen die Situation - den Gesang konnten sie ja zum Teil selbst hören - bat um Geduld und fühlte, wie mein steifer Eckenkragen weich wurde.

Um die prekäre Lage zu beenden, ging ich in den Zuschauerraum und bat die Gäste dringend, ihre Plätze zu räumen. Ich wies nachdrücklich darauf hin, daß sonst eine gefährliche Drängelei entstehen würde, und sie dann keine Möglichkeit mehr hätten, an die Garderobe zu gelangen.

Das wirkte und die Besucher begannen, das Theater zu verlassen. Inzwischen hatte auch mein Kollege den Sänger bewegen können, die Bühne zu verlassen und der Vorhang war gefallen. Der Gong für die letzte Vorstellung ertönte mit erheblicher Verspätung.

Die Eifersucht unter Schauspieler(inne)n

Am Vormittag hatte im Eden-Hotel eine Pressekonferenz für den Film stattgefunden. Ein Vertreter von dem Verleih drückte sein Bedauern und Befremden aus, daß die Schauspielerin N. N. es abgelehnt hatte, zu dem Bühnenauftritt zu kommen, weil ihr Name an der Außenfront des Kinos kleiner als der von Gigli geschrieben war.

Der Herr fügte hinzu, daß andere Darstellerinnen froh wären, wenn sie an der Seite des weltbekannten Sängers spielen könnten und beendete den Satz: »Aber Schluß jetzt mit dieser ganz - dummen Sache.«

Die Klagen von Schauspielern, daß ihre Namen zu klein geschrieben wurden, gab es öfters. Manche beschwerten sich auch, daß in den Vitrinen und Schaukästen zu wenig Bilder von ihnen sind oder diese ungünstig plaziert wurden.

Als die Mutter einer Nachwuchsschauspielerin mich aber bat, das Foto ihrer Tochter nach dem Lauf der Sonne umhängen zu lassen, damit das Bild stets in strahlendem Licht erscheint, bat ich sie, mich zu entschuldigen.

Im UFA Theater Kurfürstendamm . . . .

Bei dem Start eines Films waren verschiedene Darsteller, darunter auch Adele Sandrock, anwesend. Während wir auf der Bühne die Reihenfolge des Auftritts besprachen, stellte ich zu meinem Schreck fest, daß ausgerechnet die große alte Dame auf dem Weg dahin heimlich zurückgeblieben war.

Ich eilte zurück in das Künstlerzimmer, um sie zu bitten, schnell mitzukommen, weil der Vorhang gleich fallen würde. Sie rollte mit ihren Augen und grollte mich an: »Junger Mann, seit wann betritt eine Dame mit Straßenschuhen die Bühne?« Mein Bitten war umsonst.

Georg Alexander begrüßte sie an dem Abend mit einem Handkuß. Sie hielt ihm ihr faltiges Antlitz entgegen und sprach vorwurfsvoll: »Bekomme ich keinen Kuß auf die Wange?« Der Bonvivant holte es galant nach.

1936 - Dr. Altstetter, unser ungeliebter Mathematikpauker

Zu den vielen Besuchern von Berlin, die ich während der Olympischen Spiele wiedersah, gehörte ein ganz besonderer Freund aus meiner Schulzeit. Als ich im Ufa Palast am Zoo Dienst hatte, hörte ich hinter meinem Rücken in der Kassenhalle eine mir vertraute unvergeßliche Fistelstimme.

Ich wußte sofort, wem sie gehörte. Dr. Altstetter, unserem Mathematikpauker aus Naumburg. Der Mann, der mich aus dem Unterricht verwiesen hatte und mich verspottete, weil ich nicht wußte, daß die Summe der Hypotenusenquadrate gleich der Summe der beiden ihm nicht anliegenden Kathetenquadrate war. Dieser Satz stammt von einem gewissen Herrn Pythagoras, und ich weiß bis heute noch nicht, was man mit dieser Weisheit beginnen kann.

Mir kam gleich der Gedanke, daß ich es jetzt dem Studienrat besorgen könnte. Ich begrüßte ihn ganz kollegial und fragte, ob er ein Begehr hätte. Leicht verlegen erwiderte er, daß er sich mit seiner Begleitung gern den Film angesehen hätte, aber leider feststellen mußte, daß ausverkauft war.

Wer zu ihm gehörte, konnte ich in dem Gedränge nicht übersehen. Auf dem Programm stand »Der Kaiser von Kalifornien«. Ich drückte ihm betont lässig ein paar Reservekarten in die Hand und winkte ab, als er bezahlen wollte.

Das war die Rache des Ausgestoßenen.
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