Heinz Fricks Biografie "Mein Gloria Palast" ist in 14 Kapitel gegliedert.
(von Heinz Frick 1984/86) - Ein Tip: Wenn Sie auf dieser Seite zuerst "gelandet" sind, starten sie bitte hier auf der Hauptseite.
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(7) Zur besonderen Verwendung - 1938 zurück in Berlin
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Ein Tag im "Ufa Palast am Zoo"
Auf diesem Posten konnte es passieren, daß man in fatale Situationen hineinschlidderte, für die man nicht verantwortlich gemacht werden konnte, die man aber ausbaden mußte.
An einem Sonnabend, als ich im Ufa Theater Friedrichshain Dienst hatte, bekam ich von der Inspektion einen Anruf, daß der Dienstplan geändert wurde, und ich am nächsten Tag im Ufa Palast am Zoo eingeteilt sei.
Vierzig Minuten vor Beginn der Sonntags-Matinee meldete mir der 1. Vorführer, daß die Kopie nicht im Hause wäre. Ich rief den zuständigen Theaterleiter in seinem Haus am Kleinen Wannsee an, und er war genauso perplex und ratlos wie ich.
Nach Abschluß eines Spielvertrages ist der Verleiher verpflichtet, uns die Kopie bei Fälligkeit ins Haus zu liefern. Natürlich wird der Theaterleiter dadurch nicht von seiner Aufsichtspflicht entbunden, sich zu überzeugen, ob der Film tatsächlich gebracht worden ist.
Da die Kopien aus Sicherheitsgründen im Bildwerferraum abgegeben wurden, hätte der Vorführer spätestens am Freitag dem Chef mitteilen müssen, daß der Film noch nicht eingetroffen sei. Dann hätte der Theaterleiter noch Zeit gehabt, sich darum zu kümmern. Die Schuld an der Situation hatte sich »verteilt«. Verleiher oder Kopieranstalt waren sonntags nicht zu erreichen.
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Man braucht immer etwas Glück und den Zufall
Als ich verzweifelt in die Kassenhalle ging, um den Vorverkauf abzubrechen, fiel mir ein Herr auf, der sich eingehend die Werbung für die Matinee betrachtete. Ich hatte ihn schon vor zwanzig Minuten beim Betreten des Hauses bemerkt. Intuitiv ging ich zu ihm, stellte mich vor und fragte, ob er etwas mit dem Film zu tun habe.
Er machte sich als der Kameramann dieses Reise- und Dokumentarfilms bekannt und fragte, ob er eine Freikarte haben könnte, da er den Streifen gern in Anwesenheit von Publikum sehen würde. Auf meine kurze Erklärung, daß uns der Film gar nicht geliefert wurde, erwiderte er, daß er noch eine Arbeitskopie in seiner Neuköllner Wohnung hätte.
Ich ließ eine Taxe kommen, instruierte einen Kontrolleur, daß der Organist fünf Minuten später beginnen und etwa zwanzig Minuten »Hausmusik« machen solle. Danach müßte der Vorführer unseren Beifilm vor dem Hauptprogramm einsetzen. Der Gehilfe sollte uns etwa nach vierzig Minuten an der Eingangstür erwarten, um die Matinee-Kopie entgegenzunehmen. Der Kasse hatte ich schon Anweisung gegeben, den Kartenverkauf wieder aufzunehmen.
Während der Fahrt konnte ich dem Kameramann erst sagen, daß ihn die Götter geschickt hätten, und ich ihm zu großem Dank verpflichtet sei. Zunächst konnte ich ihn nur bitten, nach der Vorstellung mein Gast zum Mittagessen zu sein.
Als wir zurückkamen, war unser Herr Christoph noch beim »präludieren«. Die Gäste hatten natürlich bemerkt, daß da irgendeine Panne überbrückt wird, verhielten sich aber ruhig. Sie hatten aber ein Anrecht zu erfahren, was bei uns »gespielt« wird.
Vor dem Hauptvorhang erklärte ich, daß unser Programm bei dem gestrigen Eisenbahnunglück auf der Strecke München-Berlin, von dem die Zeitungen berichtet hatten, unbrauchbar geworden ist. Es ist uns aber in letzter Minute - leider doch mit Verspätung - gelungen, eine Ersatzkopie zu beschaffen. Wir bitten, den Vorfall zu entschuldigen und bitten gleichzeitig um gütige Nachsicht wegen des nicht einwandfreien Zustandes der Kopie. Die heutigen Karten behalten auch für den nächsten Sonntag Gültigkeit, an dem wir das Programm wiederholen. Natürlich würden wir zu der kommenden Matinee eine gute Kopie haben.
Es wurde Zustimmung und Beifall laut. Der Vorhang ging auf.
Wenn man eher auf dem Schlachtfeld sein muß als der »Feind«.
Herr Dau hatte in Hannover recht behalten, daß man eher auf dem Schlachtfeld sein muß als der »Feind«.
Ein derartiges Intermezzo konnte man nicht vor unserer Zentrale verheimlichen und ich rief abends den Theaterleiter an, wie ich den fälligen Bericht in seinem Sinne formulieren sollte. Er forderte mich auf, die Sache zu verschweigen. Damit war ich nicht einverstanden.
Abgesehen davon, daß bei über fünfhundert Besuchern die Ufa-Direktion sowieso Kenntnis von dem Vorgang erhalten hätte, war ich dienstlich verpflichtet, solch ein Vorkommnis zu melden.
Es tat mir für meinen Kollegen leid, daß die Gesellschaft wenig Verständnis für diesen Vorfall hatte.
Das Ufa-Theater am Alexanderplatz und das neue "Umfeld"
Die Gegend »Berlin-Alexanderplatz« kannte ich bisher aus dem Buch von Alfred Döblin besser als von der Wirklichkeit. Jetzt bekam ich Gelegenheit, mich dort dienstlich umzusehen. Ich arbeitete kurze Zeit in dem dortigen Ufa-Theater und lernte ein für mich neues Milieu kennen.
Von den Fenstern meines Büros blickte ich in die Alte Schützenstraße, in der eine Markthalle stand. Unter Friedrich II. hatte sie als Pferdestall gedient. Alles fließt. Jetzt standen schon vormittags Freudenmädchen dort, lockten, zankten, keiften, gingen gelegentlich mit Schirmen aufeinander los und schleppten Männer ab.
Ich war auch Zeuge von fast unvorstellbarer Armut. Wenn ich gegen zehn Uhr den S-Bahnhof verließ, sah ich täglich in den Nebenstraßen ärmlich gekleidete Leute, die aus den Abfalltonnen der Gemüsehändler Reste für sich heraussuchten. Vielfach haben sie diese Überbleibsel gleich verspeist. Diesen erschütternden Anblick konnte ich lange nicht vergessen.
Daß sich zehn Jahre später viele Deutsche um die Essensreste der Besatzungstruppen stritten, hätte man damals für unmöglich gehalten.
Am Schreibtisch von Ex-Generaldirektor Klitzsch
Ein älterer Vorführer hatte noch ein Diapositiv aus der Stummfilmzeit aufbewahrt:
Bleiben Sie ruhig sitzen wenn Feuerruf ertönt, denn das Theater ist streng nach polizeilicher Vorschrift gebaut. Es kann Ihnen nichts passieren. "Die Films" sind in einem feuerfesten Raum.
Der Plural von Film wurde zu der Stummfilmzeit noch auf englisch gebildet. Das Wort wurde erst im Lauf der Zeit "verdeutscht". Die Tatsache, daß an meinem Schreibtisch einst unser Generaldirektor Klitzsch gesessen hatte, erfüllte mich mit Ehrfurcht vor dem Büro.
Übrigens hatte ich nicht das Gefühl, auch den Marschallstab im Tornister zu tragen. Wenn er darin gelegen, hätte ich ihn bestimmt nicht entdeckt.
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Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser
Nach Aussagen eines Buchhalters verdiente unser »Betriebsführer« tausend Mark pro Tag. Diese Summe bezog ich nach meiner Ernennung zum Assistenten ebenfalls, mußte jedoch dafür fünf Monate arbeiten.
Als ich bei Gelegenheit die Besucher der ersten Vorstellung um 11 Uhr zählte, ermittelte ich 87 Personen. Die Kassiererin hatte nur 79 Karten verkauft. Irgendwas ging nicht in Ordnung. Mit zwei Kontrolleuren nahm ich vor dem Hauptfilm eine Billettkontrolle im Saal vor und 8 Besucher hatten keine gültigen Karten. Es waren alles junge Leute, die Eintrittskarten mit alten, vor mehreren Tagen verkauften Nummern vorwiesen. Der Aufforderung, das Haus zu verlassen, leisteten sie verdächtig schnell Folge.
Sie kamen durch ein Loch im Fenstergitter
Um der Mogelei auf den Grund zu kommen, setzte ich mich zu Beginn der 13 Uhr-Vorstellung in das hinter der Kartenkontrolle gelegene Foyer, weil ich von dort die verschiedenen Türen unauffällig beobachten konnte. Da fiel mir auf, daß aus der Toilette mehr Männer kamen, als hineingegangen waren. Diesen Überblick kann man nur bei schwach besuchtem Haus erhalten.
Ich ging in die Örtlichkeit und sah durch eine offenstehende Kabinentür wie sich gerade ein Jüngling vom Hof aus durch ein vergittertes Fenster zwängen wollte. Als ich ihn anrief, trat er schleunigst den Rückzug an.
Wie nahmen abermals die geschilderte Saalkontrolle vor und konnten wieder vier Schwarzseher aus dem Haus weisen.
Die Platzanweiserinnen traf hier keine Schuld, denn sie konnten nicht im Halbdunkel die kleinen aufgedruckten Kartennummern erkennen. Den Kontrolleuren hätten die »überzähligen« Gäste auffallen können, sofern sie wendig und beweglich gewesen wären.
Am nächsten Tag ließ ich durch unsere schnell arbeitende Bauabteilung weitere Stäbe an den Fenstergittern einsetzen und es ergab sich kein »Besucherplus« mehr.
1938 - Wieder Mal ins »Marmorhaus«
In dieser Stellung »zur besonderen Verwendung« war ich nicht gerade glücklich - manchen Kollegen machte man zuviel, manchen zu wenig - und bisweilen saß man vor verschlossenen Schreibtischen. In jedem Haus konnte ich aber Erfahrungen sammeln, die mir später nützlich sein konnten.
Im Herbst 1938 wurde ich interimistisch in das »Marmorhaus« versetzt und hatte die deutsche Uraufführung des Dokumentarfilms »Sehnsucht nach Afrika« des schwedischen Ornithologen und Schriftstellers Dr. Bengt Berg herauszubringen.
Eine Arbeit, um die mich keiner beneidete, denn der Autor war als diffiziler Herr bekannt. Er hatte in Heidelberg promoviert und sprach fließend deutsch. Die Nachtprobe am Vorabend der Premiere verlief noch glatt.
Dr. Berg war mit "nichts" zufrieden
Am nächsten Vormittag gab es schon Ärger, weil dem Doktor einige Fragen des Rundfunkreporters nicht passten. Anschließend legte er mir verschiedene Inseratseiten der Berliner Zeitungen vor, beschwerte sich über ungünstige Plazierung, nicht ausreichende Größe und teilweise mangelhafte Wiedergabe der Autotypien.
Wir hatten an den Wänden des Foyers eine besonders großzügige Werbung herstellen lassen, die den Rahmen des Üblichen weit sprengte. Als ich mir erlaubte, darauf hinzuweisen, machte Dr. Berg nur eine verächtliche Handbewegung und sagte, daß dies die typische Reklame von Leuten sei, die nichts davon verstünden.
Wir hätten vorher nach Paris fahren sollen, um uns anzusehen, wie dort sein Film herausgebracht wurde. Die Franzosen würden ihr Metier beherrschen.
Um jeden Preis jeden Ärger vermeiden
Da mir bekannt war, daß der Autor mit den Machthabern des Dritten Reiches auf gutem Fuß stand, mußte ich mir eine Antwort verkneifen. Mein Auftrag lautete, das Gastspiel von dem Forscher glatt über die Bühne zu bringen. Ich hütete mich, aus Mätzchen eine Staatsaktion werden zu lassen, die ein vorzeitiges Abreisen von dem Doktor zur Folge haben könnte.
Außerdem hatte der Cutter des Films, Marcel Kleinow, mir erzählt, daß der Schwede auch sehr nett sein könnte.
Eine weiße Nelke und ein Bild
Der Film war teilweise ohne Ton und zu diesen Passagen sprach Dr. Berg. Er kam im Frack und brachte einen Friseur mit, der ihn schminkte und ihm ein kleines Toupet aufsetzte.
Kurz vor seinem Auftritt fragte er mich: »Wo ist meine weiße Nelke?« Da nie davon gesprochen wurde, war keine vorhanden. Weil die Läden schon geschlossen hatten, ließ ich für die nächste Vorstellung eine Nelke aus dem Eden-Hotel besorgen und sie zierte sein Knopfloch.
Zwei Tage später wurde ein Ölgemälde mit Staffelei im Auftrag von dem Schriftsteller bei uns abgegeben. Es stellte eine unbekleidete Schwarze in Lebensgröße dar, von makelloser Schönheit und von idealen Formen. Dr. Berg hatte mir gegenüber nichts von dem Bild erwähnt und ordnete bei dem Oberkontrolleur den Standort im Umgang an.
Aus Sicherheitsgründen mußte ich widersprechen und bestand darauf, daß das Gemälde an einem mehr geschützten Ort aufgestellt würde, "wo" (an welchem) es den Ein-und Auslaß nicht behindern könnte. Außerdem durfte das wertvolle Stück selbst auch nicht gefährdet sein.
Dr. Berg war halt ein Schwede
In den deutschen Ausgaben seiner Bücher befand sich ein Protest gegen die Sowjetunion. Dieser besagte, daß die UdSSR, die angäbe für die Rechte der Arbeiter einzutreten und diese zu verteidigen, ihn den Autor um die Früchte seiner Arbeit bringt.
Die Sowjetunion würde seine Werke ohne Erlaubnis und ohne Honorar veröffentlichen und dabei teilweise verstümmeln und entstellen.
Nach der »Kristallnacht« glaubte ich in Sack und Asche vor ihn treten zu müssen und hätte mich vor Scham am liebsten krank gemeldet. Der Schriftsteller empfing mich mit den Worten: »Was die Nazis gestern gemacht haben, war zu viel und zu laut. Die Preußen übertreiben immer und machen zu viel.«
Drei Tage später erzählte er mir, daß er aufgrund einer Anzeige viele Offerten bekam, mit denen ihm Kunstgegenstände und Antiquitäten angeboten wurden. Wie er selbst sagte, konnte er von den verängstigten Juden die verschiedensten Pretiosen billig erwerben.
Wie ich über den "Berg" kam . . . .
Der Reichsbankpräsident Dr. Hjalmar Schacht besuchte Dr. Berg in meinem kleinen Büro. Ich mußte von Dr. Bengt Berg eine Rüge einstecken, weil ich für unseren hohen Gast keinen repräsentativen Raum zur Verfügung stellen konnte.
Den Vorwurf steckte ich gern ein, da ich reichlich entschädigt worden war. Jetzt hatte ich noch einen Mann kennengelernt, dem die KPD bei ihrem letzten Wahlkampf eine Parole geliefert hatte:
»Wer hat uns arbeitslos gemacht? Hitler, Hugenberg und Schacht!«
Dr. Berg sprach auch von unserem Büro aus mit dem Staatssekretär Dr. Otto Meißner. Die Kunstobjekte, die der Forscher in Berlin gekauft hatte wurden als Diplomatengepäck deklariert und gingen so ohne Schwierigkeiten nach Schweden.
Zum Abschied schenkte mir der große Naturfreund sein Buch zu dem Film mit einer sehr freundlichen Widmung und lud mich in die benachbarte »Königin-Bar« ein.
Kaum waren die Gläser auf dem Tisch, als er sich entschuldigte, um kurz einen "Freund" zu begrüßen. Er hatte unter den Gästen den Reichskulturkommissar, SS-Gruppenführer Hinkel, entdeckt und ging an dessen Tisch. Nachdem ich über zehn Minuten auf seine Rückkehr gewartet hatte, bezahlte ich und schickte dem Schweden durch den Ober meine Visitenkarte mit dem Vermerk »freundliche Abschiedsgrüße« und verließ das Lokal.
Ich war "über den Berg".
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Sommer 1939 - Luftfahrtminister Göring mit Frau als Gäste
Im Sommer 1939 kam ein politischmilitärischer Dokumentarfilm im Ufa-Palast am Zoo heraus, für dessen Premiere ich eingeteilt wurde. Das Werk trug den unzutreffenden Titel »Im Kampf gegen die Welt«, behandelte den gesamten Bürgerkrieg in Spanien samt Vorgeschichte, Kriegsphasen bis zu den Siegesparaden in Madrid und den Truppenempfängen in Berlin und Hamburg.
Der Einsatz der deutschen »Legion Condor« war ausführlich gewürdigt und im Bild wiedergegeben. Göring mit Frau und hohe Persönlichkeiten wurden zu der Veranstaltung erwartet.
Da mir nicht bekannt war, daß die Gattin von dem Luftfahrtminister mit »Hohe Frau« zu titulieren ist, sprach ich sie schlicht mit »gnädige Frau« an und beging dadurch einen schweren Lapsus, der mir Arger machte.
Görings rosabraunes Gesicht
Der Regisseur Karl Ritter hatte an dem Film mitgewirkt und der Minister heftete ihm in der Kassenhalle den silbernen Legion-Condor-Orden an die Brust. Görings rosabraunes Gesicht fiel auf und man hatte den Eindruck, daß dieser Farbton von Schminke herrühren würde.
Bei einem Routinegang durch das Theater sah ich, wie der uniformierte General der Flieger, Erhard Milch, während der Vorstellung die Rangtreppe herunterkam, die zum Parkettfoyer führte.
Der unten postierte Polizeibeamte saß gerade auf der Garderobenablage, den Rücken zu dem Offizier, hatte den Tschako (Anmerkung : „Schackelhaube“) abgesetzt und ließ die Beine baumeln. Zwischen Wehrmacht und Polizei bestand Grußpflicht.
Ich raunte dem Schupo zu: »Achtung, Milch kommt!« Der gemütliche Ostpreuße wußte nicht, was ich meinte und antwortete bedächtig: »Ich trink bloß Bier.« Sekunden später huschten seitlich von dem Wachtmeister die weißen Generalsstreifen vorbei.
Der Beamte sprang von der Ablage, stülpte seine Kopfbedeckung auf und salutierte. Zu spät. Der Generalinspekteur der Luftwaffe konnte es nicht wahrnehmen. Ich begleitete Milch zum Ausgang, wo sein Dienstwagen stand. Er bedauerte, daß er einen anderen Termin wahrnehmen mußte.
Auf einmal war das Bier alle
Nach der Vorstellung hatten wir für den Minister und etwa dreißig Personen einen Imbiß im Künstlerzimmer vorbereitet. Als der Adjutant von Göring bat, für die Gäste Bier einzuschenken, stellten wir zu unserem Schrecken fest, daß sämtliche Siphons leer waren.
Diese waren eine halbe Stunde vorher geliefert und im Nebenraum auf Eis abgestellt worden. Wir ließen schnell Sherry servieren und nur wenige Gäste haben das Mißgeschick bemerkt.
Die Siphons wurden von dem Restaurant, das im Haus lag, nochmals gefüllt und von einem Kellner bis in das Konferenzzimmer begleitet.
Die durstigen Missetäter wurden nicht ermittelt und können zum eigenen Personal, Aushilfskellnern oder der Fahrbegleitung der Geladenen gehört haben.
Eine sensible Inspektion, wenn "der Führer" angesagt ist
Bei einer anderen »Staatspremiere« wurde ich eine Stunde vor Beginn der ersten Vorstellung von der Kassenhalle angerufen, daß einige SS-Offiziere den Chef sprechen wollten. Da Herr Förster kurz das Haus verlassen hatte, ging ich herunter und erkannte in der Vorhalle Sepp Dietrich, den Kommandeur der Leibstandarte.
Nach kurzer Begrüßung bestätigte er, daß Hitler zu der 19-Uhr-Vorstellung käme. Aus diesem Grund möchte er vorher die Räumlichkeiten und die Führerloge inspizieren. Ich ließ im Saal und den Umgängen Licht einschalten und führte die Herren zum Rang. Zum Betreten des Ranginnern würde der Reichskanzler die breite Mitteltür benutzen, da es aus Gründen des Zeremoniells und der Sicherheit günstiger wäre, wenn er über diese Stufen zu seiner Loge herunterschreiten würde. Die beiden begleitenden Offiziere haben die Loge eingehend untersucht, die Sessel hochgehoben und die Wände abgeklopft.
Bei Passieren des Logenumgangs fiel Sepp Dietrich auf, daß eine Trennwand der seitlich gelegenen Steuerloge einen helleren Veloursbezug hatte. Er fragte nach dem Grund. Ich konnte ihm erklären, daß vor zwei Tagen ein neuer Saalregler für die Tonsteuerung eingebaut wurde und die Leitung für die Anlage hinter der neu bespannten Fläche liegt. Ich mußte einen Haustechniker kommen lassen, der die beanstandete Wand vorsichtig löste, damit sich die Herren von der Harmlosigkeit der Installierung überzeugen konnten.
Das mißlungene Sprengstoffattentat vom 8. November 1939 im Münchner Bürgerbräukeller auf Hitler hatte seine Begleitung vorsichtig gemacht.
Ein Gratis-Dia des Landwirtschaftsministeriums macht Politik
Von der Reichsfilmkammer bekamen wir verschiedentlich Auflagen, bestimmte Diapositive gratis zu zeigen. Wir taten es nur ungern, hatten aber keine Möglichkeit, dagegen anzugehen. Es konnte aber vorkommen, daß eine Glasplatte zu Bruch ging und Ersatz nicht gleich greifbar war.
Einmal wurden wir aufgefordert, für das Landwirtschaftsministerium ein Gratis-Dia zu zeigen, auf dem ein mit Erdäpfeln (Kartoffeln) gefüllter Korb zu sehen war.
Der Text dazu lautete: »... und abends Kartoffeln«. Die Platte sollte nicht in dem üblichen Werbeteil, sondern nach der Wochenschau gezeigt werden.
Ich rief die Filmkammer, daß sowas nicht zu machen sei. Erstens führt es zu einer begreiflichen Verärgerung unserer zahlenden Werbekunden, denen wir die begehrte Einschaltung vor dem Hauptfilm niemals einräumen konnten. Auch dann nicht, wenn sie sich bereit erklärten, dafür ein Aufgeld zu zahlen. Zweitens können die Herausgeber einer solchen Anordnung nicht wissen, was das letzte Bild der jeweiligen Wochenschau darstellen wird.
Nach einem Begräbnis, Einweihung eines Heldenmals oder einer Rede von Dr. Goebbels könnte der Text riskant und brisant wirken. Streng genommen, paßt diese Aufforderung überhaupt nicht auf das Ende einer Wochenschau. Natürlich ließ man sich nicht überzeugen und gab mir zu verstehen, daß meine Belehrung deplaciert sei.
Nach drei Tagen kam der Knall
Drei Tage nach Einsatz der Platte (des Dias) war Wochenschauwechsel. Das letzte Bild zeigte die Inbetriebnahme der pompösen Prunkräume der neuen Reichskanzlei.
Der Text: »... und abends Kartoffeln«, knallte hinterher.
Brüllendes Gelächter im Parkett und Rang. Abends versäumte ich nicht, meine Kollegen anzurufen, daß sie nicht ihren Bericht über dies Intermezzo vergessen möchten. Am nächsten Tag »schalteten« auch die Theoretiker in der Meineckestraße und wir erhielten die telefonische Anweisung, die Platte (also das Dia) im allgemeinen Werbeteil zu zeigen.
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(8) Wieder im Gloria-Palast
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Freitag, 1. September 1939 - Verwirrung - Kriegsausbruch
Im Sommer 1939 hatte ich die interimistische Leitung des Gloria-Palastes erhalten, aber wegen der angespannten politischen Lage war meine Freude darüber gedämpft.
Als ich am Freitag, den 1. September in die Zentrale wollte, konnte ich das Gebäude nicht betreten, weil Gemeinschaftsempfang stattfand.
Ich ging in ein Restaurant, das in dem Haus lag und hörte aus dem Lautsprecher den keifenden Ton Hitlers. Mir stockte der Atem. Der Krieg ist ausgebrochen.
Nach Beendigung der Übertragung traf ich in unserer Verwaltung meinen Kollegen vom Ufa Theater »Kammerlichtspiele«.
»Was sagen Sie nun?« fragte er mich. Er gab die Antwort selbst: »Merde.« (Französisch = Scheiße)
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Die Tänzerin Fräulein Henriette Hiebel alias "La Jana"
Wir holten die Löhne ab und meldeten uns kurz bei unserem Inspektionsleiter, einem langjährigen Liebhaber von der Tänzerin La Jana. An diesem Tag wollte unserem Vorgesetzten vor Aufregung das Monokel nicht richtig sitzen.
Dieser Ufa-Direktor, den die Tänzerin »Curt-chen« nannte, war nicht der allein Auserwählte, der über »Die weiße Geisha« deklamieren konnte: »... das ist der süße Leib, den ich genossen hab.«
Der Sohn von dem weltbekannten Sänger Michael Bohnen sagte mir nicht ohne Stolz, daß sein Vater nicht der einzige, aber der stärkste Liebhaber von La Jana war. Ob der deutsche Kronprinz auch zu den Begünstigten gehörte, weiß ich nicht. Die Filmproduzenten haben es gern kolportiert, um ihren Stern interessanter zu machen.
Dieses Fräulein Henriette Hiebel, wie ihr Mädchenname lautete, war ein geheimnisvolles Wunder für die Welt des Films. Trotz ihrer Talentlosigkeit entwickelte sie sich zu einem Kassenmagneten.
Der Vergleich mit Josefine Baker
Den Sex-Appeal, den Josefine Baker auf die Bühne brachte, strahlte La Jana auf der Leinwand aus. Das genügte dem Publikum. Mehr verlangte man nicht von der exotisch wirkenden Schönheit.
Eine Kleinkunst-Bühne verkündete von ihrem Typ:
»Da brauchen sie moralisch nichts zu taugen,
sie brauchen kein Gehirn und kein Profil.
Wenn sie nur eins besitzen, in den Augen -
den Sex-Appeal.«
Das Leben der Tänzerin erlosch im Frühjahr 1940, als sie erst fünfunddreißig Jahre zählte.
Heinz Erhardt und der frühe Tod der La Jana
Der Schauspieler Heinz Erhardt berichtete mir während eines Gastspiels im Gloria-Palast, daß der frühe Tod zu vermeiden gewesen wäre.
La Jana befand sich im März mit einer Künstlertruppe, zu der Erhardt gehörte, auf einer Tournee in Schlesien. Als sie einen Fieberanfall erlitt, setzte man sie bei kaltem Wetter in einen offenen Sportwagen, um sie nach Berlin zu fahren. Man glaubte, daß ihr in einem dortigen Krankenhaus eine bessere ärztliche Behandlung zuteil werden würde. Eine Lungenentzündung, die man zu spät erkannte, kam hinzu und führte zu dem raschen Ende der Schauspielerin in Berlin.
Unser Direktor setzte sich noch bei dem Polizeipräsidenten dafür ein, daß La Jana auf dem Dahlemer Waldfriedhof beigesetzt wurde, in dessen Sprengel sie nicht wohnte. Einst hatte sie diesen Wunsch geäußert. Heute ist ihr Grab verweht.
Der späte Mythos der La Jana
Wie sehr das Symbol der Künstlerin auch nach ihrem Tod das Filmatelier beherrschte, zeigt folgende Episode:
Eine Schauspielerin sollte eine Verführungsszene darstellen und stand transusig und spröde vor der laufenden Kamera.
Der Regisseur rief ihr zu: »Mehr Sex-Appeal!« Die Darstellerin fragte: »Was ist das?«
Der Spielleiter erklärte ihr: »Man muß die Nacktheit unter ihrem Kleide ahnen! Versuchen Sie wie La Jana zu sein.«
Krieg und keine blumengeschmückten Soldaten
Mit einem anderen Kollegen nahm ich eine Taxe zum Zoo. Wir sprachen kaum und verspürten eine Mischung von Angst und Grauen. Unterwegs fielen uns die ernsten und besorgten Gesichter der Passanten auf.
Kein Hurra-Ruf, keine blumengeschmückten Soldaten, keine Fahnen, keine Musik. 1914 zogen noch Schulkinder über die Straßen und sangen begeistert mit ihren hellen Stimmen: »Lieb Vaterland, magst ruhig sein. ...«
Der Marsch in das Inferno fast lautlos
Damals hörte man aus den Lokalen, wie die Kapellen die Nationalhymne »Heil Dir im Siegerkranz, Herrscher des Vaterlands« spielten und die Gäste begeistert einstimmten.
Jetzt war es anders. Der Marsch in das Inferno vollzog sich fast lautlos. Kein »Heil«, kein »Deutschland erwache« war mehr zu hören. Der deutsche Michel war jäh erwacht und fassungslos.
Die Premiere des ersten Käutner-Films »Kitty und die Weltkonferenz« vollzog sich im Schatten dieser globalen Tragödie.
In Europa gingen die Lichter aus.
Im Kabarett der Komiker sang das Ensemble von Willy Schaeffers: »Wenn die Lichter wieder leuchten, werden wir lachen, werden wir weinen ...«
Luftschutzwachen bereits in den ersten Kriegstagen ???
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- Anmerkung : Das paßt überhaupt nicht in die Siegesmeldungen über den Polenfeldzug. Wer hatte denn da bereits Angst, daß mal fremde Flieger nach Berlin kommen könnten ?
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In den ersten Kriegstagen wurde eine ständige Luftschutzwache in unseren Kinos eingeführt. Je nach Lage und Größe der Häuser bestand sie aus zwei bis fünf Mann.
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Unser Oberkontrolleur wurde erschossen
An einem Morgen, als ich für die Wache eingeteilt war, erreichte mich eine Hiobsbotschaft. Gegen 7.30 Uhr kam der Hausmeister in mein Büro und meldete, daß unser Oberkontrolleur auf dem Heimweg von dem Luftschutzdienst von einem ausgeschiedenen Kontrolleur erschossen wurde. Eine Radfahrpatrouille der Polizei hatte ihm die Nachricht überbracht, als er in der Kassenhalle bei einer Reparatur war.
Die Tat geschah auf dem U-Bahnhof Zoo, auf dem der Täter seinem Opfer aufgelauert hatte. Während wir noch darüber sprachen, hörten wir draußen Schüsse. Wir traten auf den Balkon und sahen den Mörder in der Hardenbergstraße, wie er auf zwei Polizisten schoß, die sich ihm näherten. Die Beamten erwiderten das Feuer und verletzten den Täter, daß er zu Boden gehen mußte. Nach heftiger Gegenwehr wurde er in Handschellen gelegt und mit einem herbeigerufenen Sanitätswagen abgefahren.
Vermutlich geschah die Tat in einem Amokanfall. Von uns wurde niemand als Zeuge vernommen. Ein öffentlicher Prozeß gegen den Mörder fand nicht statt.
Mai 1940 - die Panne in der UFA-Wochenschau
Jeden Freitag war Wechsel der Wochenschau und ich sah mir die neue Kopie vor der ersten Vorstellung an. Nicht nur weil ich den Inhalt kennen mußte, sondern auch um mögliche technische Mängel festzustellen und notfalls Ersatz anfordern zu können.
Als wir im Beiprogramm »Fallschirmjäger« hatten, in dem die Ausbildung der Truppe in Hildesheim und Übungseinsätze gezeigt wurden, passierte folgende Panne.
Im Mai 1940 entdeckte ich bei dem üblichen Probelauf der Wochenschau, daß diese eine Szene aus dem Beifilm enthielt und die Bilder als Frontaufnahme vom deutschen Angriff auf Holland kommentiert wurden.
Ich rief unsere Zentrale an, ob »Fallschirmjäger« ausgetauscht werden sollte oder die daraus entnommene Passage aus der Wochenschau geschnitten werden müßte. Zuerst erhielt ich die Antwort, daß »sowas kein Mensch merken würde«.
Als ich mich mit dieser Ausflucht nicht zufrieden gab, hielt man bei den Herren für »Volksaufklärung und Propaganda« Rückfrage. Dies Ministerium trug die Verantwortung für die peinliche Bildmixtur. Es erfolgte wieder nichts. Allmählich verging soviel Zeit, daß eine neue Folge der Woche eingesetzt wurde.
Die geschilderte Filmmontage wurde selbstverständlich auch von Besuchern bemerkt und die "Glaubwürdigkeit vom »Wilhelmplatz«" (wofür stand das ?) wurde dadurch noch mehr erschüttert. Außerdem hat man die Kameramänner der Frontberichter, die ihren Einsatz oft mit dem Leben bezahlen mußten, in den Verdacht gebracht, daß sie mit gezinktem Material arbeiten.
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Eine "Story" über Hans Albers
Neben uns befand sich das Luxusrestaurant »Weisz Czarda«, das im Besitz eines Ungarn war. Als Nachbarn kamen wir manchmal ins Gespräch und so berichtete er mir, daß Hans Albers bei ihm war und an einem Verandatisch Platz genommen hatte.
Als der Ober nach dem Essen kassieren wollte, lehnte der Schauspieler die Bezahlung mit der Begründung ab, daß das Lokal durch seine Anwesenheit bereits eine erhebliche Umsatzsteigerung hätte.
Der Ruf, daß er in dem Lokal verkehren würde, wäre mit einem Zustrom von neuen Gästen verbunden. Erst als der Wirt hinzugezogen wurde und auf Begleichung der Zeche bestand, bezahlte der Künstler.
März 1940 - Mein Zwillingsbruder Klaus ist verstorben
Im März 1940 erreichte mich eine neue Hiobsbotschaft, die mein Herz stocken ließ. Mein Zwillingsbruder, der 1936 als Kameramann und Kaufmann nach Bombay gegangen war und noch 1939 zurückkehren konnte, verstarb an einer Viruserkrankung. Meine ganze Zuneigung und Bruderliebe hatte ihm gegolten.
Als der Sarg von Klaus in die Grube glitt, empfand ich die tiefe Bedeutung und den Schmerz, der aus jener Zeile klingt »... als wär's ein Stück von mir«. In der märkischen Heide, die er wiederholt auf Aquarellen wiedergegeben hatte, bereiteten wir ihm seine letzte Ruhestätte.
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August 1940 - Ein Kranker wurde ausgemustert
Am 20. August 1940 erhielt ich vom Wehrbezirkskommando in Berlin, Kurfürstendamm 33 - in dem Haus hat mein letzter Arbeitgeber Max Knapp & Co sein Büro - den roten Ausmusterungsschein.
Er besagt: Heinz Frick ist völlig untauglich zum Dienst in der Wehrmacht. Er scheidet aus dem Wehrpflichtverhältnis aus. Ein seltenes Dokument. (Tuberkulose war ansteckend.)
Man erzählte mir nach dem Krieg, daß man solch eine Bescheinigung für 20.000 - 30.000 Mark erwerben konnte. Das wiederum hätte die Wahl zwischen Selbstmord oder Todesurteil zur Folge haben können.
Ich hatte vorher angenommen, daß ich zum »Landsturm ohne Waffe« eingestuft und dann zur Schreibstube abkommandiert würde. Wenn die Armee aber auf meine Dienste völlig verzichtete, hatte ich nichts dagegen einzuwenden.
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Meine Freund Strave aus Kötzschenbroda war in Berlin
Nach dem Pyrrhussieg über Frankreich schienen die Stabsärzte nicht solch einen strengen Maßstab anzulegen, zumal damals einige Divisionen demobilisiert wurden.
In jener Zeit erhielt ich den Besuch meines Freundes Strave aus Kötzschenbroda. (Anmerkung : Name und Ort kamen aber bislang nicht vor.) Er war als Flakoffizier zu Canaris abkommandiert.
Die Freude über ein Wiedersehen war auf beiden Seiten groß. Zu meiner Überraschung hatte er mir in Paris ein Oberhemd besorgt und legte mir in seiner peinlich korrekten Art, die ihn schon als Schüler auszeichnete, die quittierte Rechnung vor. Zufällig hatte ich zwei Karten für die >Faust<-Aufführung im Schauspielhaus am Gendarmenmarkt mit Paul Hartmann, Gustaf Gründgens, Käthe Gold, Kurt Meisel u. a. Meine Einladung zu der Inszenierung konnte mein Freund aus zeitlichen Gründen nicht annehmen.
Die Petition an den Minister Göring
Von einem Kriminalbeamten, der zum Schutz von Göring eingeteilt war, hatte ich erfahren, daß der Reichsmarschall mit seiner Frau zu der Vorstellung kommen würde. Als Strave das hörte, bat er mich, dem Minister ein Gesuch zu überreichen, in dem er um seine Versetzung zu den Fallschirmjägern bitten würde. In unserem Künstlerzimmer konnte er die Petition in Ruhe schreiben und gab sie mir.
Meinen Einwand, daß er sich doch erst an seinen Kompanieführer wenden müßte, entkräftete er mit dem Hinweis, daß ein Erlaß von Göring besteht, nach dem Luftwaffenoffiziere unter Umgehung ihrer Vorgesetzten ihn direkt ansprechen könnten.
Irgendwie hatte ich einen siebten Sinn
Nachdem wir uns verabschiedet hatten, überlegte ich meinen Auftrag und dabei fiel mir ein, daß der Vater von Strave im ersten Weltkrieg in einem Fesselballon abgeschossen worden ist. Da beschloß ich, das Gesuch nicht abzugeben, denn wenn dem Leutnant bei den Fallschirmjägern etwas zugestoßen war, hätte ich mir zeitlebens Vorwürfe gemacht, daß ich daran schuld trüge. Da ich auch sein Trauzeuge war, fühlte ich mich ihm und seiner Frau besonders verpflichtet.
Im Theater sah ich Göring und seine Begleiter vor ihrer Loge stehen. Da ich ihm bei dem Spanien-Film im Ufa-Palast am Zoo vorgestellt worden war, grüßte ich im Vorübergehen. Das Gesuch knisterte in meinem Smoking, als ich den Arm zum Gruß erhob, aber abgegeben habe ich den Brief nicht.
Strave hat den Krieg überstanden, ging 1946 nach Schweden und nahm die Nationalität des Gastlandes an. Unangemeldet stand er 1964 wieder vor mir in der Kassenhalle. In der Heimat gab es ein Wiedersehen.
Ich rief meine Braut an, daß sie ein Nachtmahl bereiten möchte und wir hatten bis zum frühen Morgen zu erzählen. Natürlich gestand ich ihm meine zurückliegende »Unterschlagung«. Er hat es mir nicht verargt und sagte dazu nachdenklich: »Wer weiß, wozu es gut war.«
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Eine Episode - »Die Perlen der Frau Pichelsteiner«
Hier fällt mir noch eine Episode ein, die wir »Die Perlen der Frau Pichelsteiner« nannten.
Etwa dreißig Minuten vor Ende einer 18-Uhr-Vorstellung verließ eine Dame zwischen dreißig und vierzig Jahren den Zuschauerraum. Sie fragte den diensthabenden Kontrolleur im Foyer nach der Toilette und er wies ihr den Weg. Als der Angestellte sah, daß der Gast wankte, sprang er hinzu, um sie zu stützen. Kurz danach eilte noch eine Garderobefrau zur Hilfe herbei. Die Besucherin wurde jedoch von Zuckungen befallen und fiel trotz des Beistandes zu Boden.
Plötzlich rief sie: »Meine Kette, meine Perlenkette!« Die Angestellten nahmen jetzt wahr, daß auf dem Velours und der Bucharabrücke, von wo sie den Gast aufgerichtet hatten, eine zerrissene Perlenkette und einige einzelne Perlen lagen. Sie hoben Kette und Perlen auf, taten sie in ein Kuvert und gaben es der Besitzerin. Die Dame erholte sich bald, suchte den Waschraum auf und verließ das Kino.
Zwei Tage später erhielten wir von der Frau ein Schreiben, daß ihr in unserem Haus vier kostbare Perlen mit einem Wert von über zweihundert Mark gestohlen worden wären und sie von uns Ersatz fordere. Sie brachte es fertig, unsere Mitarbeiter, die ihr behilflich waren, des Diebstahls zu bezichtigen. Aufgereihte Perlen sind bekanntlich einzeln verknotet und es war schon bei dem Vorfall rätselhaft, wie lose Exemplare auf den Fußbodenbelag gelangten.
Da man aus dem Brief den Eindruck gewinnen konnte, daß die Schreiberin zu dem Personenkreis gehörte, von dem die Bibel sagt, daß das Himmelreich ihr ist, habe ich ihn nicht beantwortet. Der Krieg stellte uns andere Aufgaben und die »Bestohlene« hat sich nicht mehr gemeldet.
Winter 1940/41 - der Sportjournalist Walter Kaps
Im Winter 1940/41 nahm ich mir ein Zimmer in Grunewald, um etwas außerhalb der Stadt wohnen zu können. Meine Wirtin gab den Raum nur ab, um sich vor möglichen Einquartierungen zu schützen, mit denen während des Krieges immer zu rechnen war.
Über uns wohnte der bekannte Sportjournalist Walter Kaps mit seiner Familie. Wir bekamen bald guten Kontakt und wenn Vorwarnung gegeben war und der Redakteur mein Kommen hörte, bat er mich in seine Wohnung. Seine Frau war eine liebenswürdige Gastgeberin und brachte es trotz des Krieges fertig, jedes Mal ein warmes Getränk und Gebäck anzubieten.
Wir verbrachten die unfreiwilligen Wartezeiten mit anregenden Gesprächen und konnten aus unseren »Fächern« - Journalismus und Film-Neuigkeiten berichten, die nicht immer in die Öffentlichkeit gelangten. Ich erinnere mich gern der Abende und verkehre noch mit dem Ehepaar.
- Anmerkung : Hier spricht Herr Frick (wieder) im Plural, also war damals bereits eine Frau mit im Spiel.
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Der Kronprinz der Hohenzollern
Der Kronprinz besuchte wiederholt unsere Häuser und ließ dabei deutlich merken, daß er sich für eine süße Sarotti-Verkäuferin interessierte. Er ließ ihr duch seinen Adjutanten ein Trinkgeld geben, daß mehr als das Hundertfache von dem betrug, das sein Bruder Eitel Friedrich zu geben pflegte.
Bei einem weiteren Besuch des ehemaligen Tronanwärters überreichte der Begleiter der Verkäuferin ein Paket mit wertvollen Geschenken, Geld und einer Einladung. Unsere Mitarbeiterin lehnte eine Begegnung ab. Dadurch gewann sie unseren Respekt und unsere Hochachtung. Dem Hohenzollern haben wir die Abfuhr gegönnt.
Ein Oberregierungsrat W. aus dem Propagandaministerium
Unsere Telefonistin suchte mich einmal im ganzen Haus, weil das Propagandaministerium mich dringend sprechen wollte. Ein Oberregierungsrat W. meldete sich und verlangte, daß ich während der Vorstellung einen Mann rausrufen lasse, der unverzüglich in das Ministerium kommen solle.
Ich bat den Herrn um seine Telefonnummer, damit ich zurückrufen könne, um mich von der Herkunft des Gesprächs zu überzeugen. Das lehnte der Anrufer mit der Begründung ab, daß mir sein Name genügen müßte.
Ich erklärte ihm, daß ich die Vorführung nicht beeinträchtigen möchte, denn das Ausrufen eines Namens würde bei den Besuchern Unruhe verursachen. Wenn wir schon Unterbrechungen bei Fliegeralarm hinnehmen müßten, möchte ich die vermeidbaren Störungen unterlassen.
Der Anrufer entgegnete, daß dies nicht meine Sorge zu sein habe und ich nur die Anordnungen entgegenzunehmen und durchzuführen hätte. Verärgert über diesen arroganten Ton gab ich zur Antwort, daß der Leiter des Hauses von einem Mann, der ihm unbekannt sei, keine Anordnungen entgegen nehmen könne.
Wenn der Verlangte immer zu erreichen sein sollte, hätte er einen Eckplatz nehmen und diesen der Kasse oder dem Oberkontrolleur mitteilen müssen. Dies Verfahren würde von Ärzten und Journalisten öfters angewandt. Nach meinem letzten Satz hängte der Beamte auf.
Die prompte Beschwerde in der UFA Zentrale
Am nächsten Tag lief eine Beschwerde am Dönhoffplatz ein, daß ich mich geweigert hätte, eine ministerielle Anordnung durchzuführen. Nach meinem Bericht sah die Sache ein bißchen anders aus.
Jetzt entspann sich zwischen den beiden Direktoren der Theaterverwaltung eine Meinungsverschiedenheit, ob ich verpflichtet sei, der Aufforderung mich zu entschuldigen, nachzukommen.
Den Marsch in jenes Ministerium trat ich nicht an. Unser älteres Vorstandsmitglied, schon lange im Dienst der Gesellschaft, stärkte mir dazu den Rücken. Der jüngere Direktor, der die Parteilinie vertrat, ermahnte mich dagegen, die Entschuldigung anzubringen.
Ich sah dafür keinen Grund. Ich sträubte mich auch, weil ich damit anerkannt hätte, daß ich einem Oberregierungsrat, der weniger verdiente als ich, unterstellt wäre. Da ich vom Wehrdienst befreit war, konnte man nicht meine Einberufung veranlassen. Unter diesem Druckmittel standen meine Kollegen, die vom Heeresdienst reklamiert waren.
Anfang 1941 - Meine Versetzung in das »Capitol am Zoo«
Als unser Betriebsarzt, Doktor Riche, einmal bei mir war, regte er bei der Firma an, mich in ein anderes Haus zu versetzen, in der die Arbeit für mich physisch leichter wäre.
Das Büro vom Gloria-Palast lag im dritten Stock auf der Seite der Kantstraße. Die Fahrstühle endeten im Rang, der im zweiten Stock lag. Von dort mußte ich durch das Foyer gehen, um nach dem Ersteigen einer Wendeltreppe auf dem Weg über einen langen Flur an meinen Schreibtisch zu kommen.
Das Laufpensum mußte ich häufig bewältigen, denn während der Vorstellungen waren auch die Routinekontrollen im Rang und Parkett zu erledigen. Für diese Gänge benutzte ich keinen Fahrstuhl.
Für Anfang 1941 beschloß der Ufa-Vorstand meine Versetzung in das »Capitol am Zoo«.
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