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1945 - 1995 "Der unendliche Traum von der Traumfabrik"

In 26 Kapiteln blickt Horst Goscke auf 50 Jahre Wiesbadener Film-Euphorie zurück und skizziert Höhepunkte und Tiefpunkte der Wiesbadener Ambitionen, mal ein deutsches Hollywood zu werden. Viele bundesweit bekannte Filme und Personen werden aufgeführt und auch das zeitweise wirre politische Drumherum der Nachkriegszeit wird nicht vergessen.

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(22) - 1960 - Konrad Adenauers "illegitimes Kind"

Bundeskanzler Konrad Adenauer lernte Professor Karl Holzamer bei der Gründung der „Deutschland Fernsehen GmbH" kennen. 1963 sahen sich die beiden wieder.
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Bundeskanzler Adenauer und Bundes- justizminister Schäffer unterzeichneten im Juli 1960 einen Vertrag für die „Deutschland Fernsehen GmbH".
  • So schreibt der erste Intendant des ZDF in seinem Buch „Das Wagnis" : „An jenem Morgen im Palais Schaumburg kam er von sich aus mit keinem Wort auf die für ihn und Finanzminister Schäffer enttäuschende Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes Anfang 1961 zu sprechen.
    Ich mußte erst die Sprache darauf bringen. Meine Auffassung, die ich mit meinem Dank an ihn verband, daß nämlich ohne seine (Adenauers) zwar vergebliche Gründung der 'Deutschland Fernsehen-GmbH' und des dadurch herausgeforderten höchsten Gerichtsurteils die Ministerpräsidenten sich niemals so rasch in einem Staatsvertrag zu der Gründung des ZDF verstanden hätten. Sein Anstoß hätte unstreitig die Wirkung gehabt. Darauf Adenauer: Dann sind Sie also mein illegitimes Kind."

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April 1963 - Das Wiesbadener Rathaus wird munter

Auftakt in Eschborn. Intendant Prof. Holzamer eröffnete dort mit einer Ansprache die erste Sendung des ZDF. Ein Jahr 1964 später war Wiesbaden Sendezentrale.

Das „illegitime Kind" des Kanzlers, das in „Telesibirsk", wie man die Baracken in Eschborn flink genannt hatte, am 1. April 1963 seinen ersten Schritt in die bundes- deutsche Fernsehlandschaft tat, machte damals auch die Politiker im Wiesbadener Rathaus munter. Wieder war es Stadtrat Walter Hammersen, der alle Chancen nutzte, die der Augenblick bot.

Das ZDF, das durch den Staatsvertrag seinen Sitz in Mainz erhalten hatte, suchte dort nämlich verzweifelt nach einem Gelände, auf welchem es sein Verwaltungs- gebäude und die Sendeanlagen errichten konnte. Lediglich eine Geschäftsstelle, die in der rheinland-pfälzischen Staatskanzlei untergebracht war, dokumentierte anfänglich die Bindung an die Nachbarstadt.

Hammersen bot dem ZDF-Fernsehrat das ziemlich nahe auf einem Hang bei Bierstadt gelegene Gelände „An den Fichten" an - so „kostengünstig", wie er sagte, „das man es nicht mehr unterbieten kann".
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Sie hatten es nicht verstanden - hier in Wiesbaden

Und er meinte, Wiesbaden könne doch Mainz ergänzen, zumal es anscheinend keine Fessel gebe, welche die wirtschaftlichen Anlagen der Länderanstalt und ihre technischen Einrichtungen an den gleichen Platz binde. Das Angebot, so verlockend es auch war, fand jedoch nur eine Antwort: „Mainz ist nicht nur der juristische, sondern auch der tatsächliche Standort des ZDF."

Keinen Tag länger in den Baracken von Telesibirsk

Im Provisorium Eschborn wollte man allerdings auch keinen Tag länger bleiben. Holzamer: „Hier waren Baracken, ein zum Studio umgebauter Stall, ein Wohnwagen für Maske und Umkleideraum für Sprecher und Sprecherinnen, in einem Gelände, das auf Knüppeldämmen zugänglich, aber kaum für den vorhandenen Park der Übertragungswagen befahrbar war." Ein besseres Provisorium wurde gesucht. Und dafür war nun wiederum Wiesbadens bestens geeignet.

Doch nicht mehr das Gelände „An den Fichten" wurde ausersehen. Das Gelände „Unter den Eichen", von Adenauers „Gesellschaft für freies Fernsehen" trotzig verpönt, entsprach nun den Bedingungen für eine kurzfristige Zwischenstation weit mehr.

Pachtverträge mit „Taunus"-Film und „Ifage"

„Unter den Eichen" in Wiesbaden: Die Sendezentrale des Zweiten Deutschen Fernsehens, wie sie sich als Luftbild darbot.

Mit der „Taunus"-Film und der „Ifage" wurden Pachtverträge abgeschlossen, zwei große Ansagestudios mit Regie- und Schneideräumen errichtet und Raum geschaffen für die Redaktionen, die für den Betrieb einer Sendezentrale nötig waren. 1454 feste Mitarbeiter, las man in den Tageszeitungen, würden beim ZDF bis zur Aufnahme des Sendebetriebs am 1. April 1964 „Unter den Eichen" beschäftigt sein.

Dabei blieb es nicht. Der Personalstand wuchs in den darauffolgenden Jahren noch bis auf mehr als 3200 Mitarbeiter an. Und sehr viele dieser Mitarbeiter wohnten dann auch in Wiesbaden und in der näheren Umgebung. Der Nachrichtensprecher auf dem Bildschirm wurde zum Mensch von nebenan.

  • Anmerkung : Wie sich später herausstellte, war der Taunusfilm-Chef Karl Schulz ein pfiffiger Vertragsgestalter. Die ZDFler durften nicht mal einen Besen in die Hand nehmen (Ich - Gert Redlich - war ja 3 x 3 Monate dabei und bekam geschimpft), oder einen eigenen Besen irgendwo hinstellen. Alles war unter der Taunusfilm Hoheit, gegen "Entgelt" natürlich, fürstliches Entgelt.

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Wiesbaden war die Sendezentrale des Zweiten Programms.

Die Bildregie in der ZDF-Sendezentrale in Wiesbaden (beide Bilder entnahmen wir dem Buch „Phänomen Fernsehen" von Fritz Hufen und Wolfgang Lörcher).

Nicht aber auch große Produktionsstätte des ZDF. Konnte es sicherlich auch nicht sein, denn da war ja noch der Hessische Rundfunk, der die Hallen für eigene Produktionen benötigte.

Das ZDF, das um seine Gleichberechtigung gegenüber der ARD zu kämpfen hatte, um Gebührenanteile und für seine Grundausstattung, das auch den Frust der privaten Unternehmer zu spüren bekam, denen durch das Karlsruher Urteil nun der Zugang zu den Bildschirmen für Jahrzehnte verschlossen blieb, schloß Pacht- und Mietverträge in München, Berlin und Hamburg ab.
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"Gedreht" wurde anderswo . . .

Folge: Stars, auch die neuen TV-Stars, gab es am Kochbrunnen nur selten zu sehen. Und Spielfilme, die zum Gesprächsstoff im Kino werden konnten, entstanden, von einigen Ausnahmen abgesehen, hier ebenfalls keine mehr. Hier wohnten halt keine Fassbinders oder Schamonis, und der in Wiesbaden geborene Volker Schlöndorff sammelte Lorbeeren anderswo.

Schadensbegrenzung - Konzentration auf ein Minimum

Das Biebricher Schloß in 2009

Deshalb dachte man bald auch mehr an die Freiwillige Filmselbstkontrolle (FSK), die Filmbewertungsstelle (FBW), die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (Spio), das Institut für Filmkunde (DIF), die Murnau-Stiftung oder den Hauptverband Deutscher Filmtheater, wenn man von der Filmstadt Wiesbaden sprach. Doch auch hier sollte sich in naher Zukunft noch einiges ändern.
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