1945 - 1995 "Der unendliche Traum von der Traumfabrik"
In 26 Kapiteln blickt Horst Goscke auf 50 Jahre Wiesbadener Film-Euphorie zurück und skizziert Höhepunkte und Tiefpunkte der Wiesbadener Ambitionen, mal ein deutsches Hollywood zu werden. Viele bundesweit bekannte Filme und Personen werden aufgeführt und auch das zeitweise wirre politische Drumherum der Nachkriegszeit wird nicht vergessen.
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Kapitel (1)- Das Editorial von Horst Goschke
Filmstadt Wiesbaden - wie schön das klingt! Willi Forst hatte sogar einmal von einem entstehenden „Klein-Hollywood" gesprochen. 1950 war das. Aus den Trümmern, die die Bombennächte des Zweiten Weltkriegs hinterlassen hatten, wuchs damals der Traum von der "Traumfabrik am Kochbrunnen". Und tatsächlich: Romy Schneider, Sonja Ziemann, Zsa Zsa Gabor, Eva Bartok, Hans Albers, Curd Jürgens, Joseph Cotton, Attila und Paul Hörbiger gingen in den Ateliers „Unter den Eichen" bald ein und aus.
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Wenn Politiker reden . . .
Politiker reden gern von dieser Zeit. Und vergessen ebenso gern, daß es Politiker waren, die der Entwicklung der Film- und Fernsehstadt Wiesbaden immer wieder entgegengewirkt haben. Hessens Medienpolitik, von Manfred Kanther Mitte der achtziger Jahre einmal als „steinzeitlich" bezeichnet, gab zu einem nicht unwesentlichen Teil den Ausschlag dafür, daß RTL-Plus sich in Köln niederließ. Zuvor hatte Helmut Thoma, Programmdirektor des Privatsenders, Wiesbaden einen Standort mit „idealen Voraussetzungen" genannt. Aber die Geschichte der Studios „Unter den Eichen" stand ja von Anfang an unter keinem guten Stern.
1949 - Viele Gerüchte über das "UFA Vermögen"
Als die „Afifa", eine Tochter der Ufa, 1949 auf dem ehemaligen Freizeitgelände nahe dem Wiesbadener Nordfriedhof ein Kopierwerk und die erste Atelierhalle errichtet, wird bereits von der Auflösung des Ufa-Vermögens gesprochen. Die Allierten wollen es so. Ehe es soweit ist, vergehen allerdings sechs Jahre. In diese Jahre fällt Wiesbadens „große Zeit". Nicht nur die Stars kommen, die Produzenten, die Regisseure, auch die Filmwirtschaft mit der Freiwiligen Filmselbstkontrolle, der Filmbewertungsstelle und ihren zahlreichen Verbänden richtet sich hier ein.
„Unter den Eichen"
Voller Pläne ist schließlich auch Karl Schulz, als er im Sommer 1956 für seine „Taunus-Film" das Gelände von der Stadt erwirbt. Doch er hat die Rechnung ohne die Liquidatoren der Afifa gemacht, die über die Einrichtungen auf dem Gelände, die Ateliers und das Kopierwerk, weiterhin zu befinden haben. Die Verhandlungen dauern volle drei Jahre.
Wiesbaden war dann doch außen vor . . .
In dieser Zeit konzentriert sich die bundesdeutsche Filmproduktion mehr und mehr auf die Ateliers in München, Hamburg und Berlin. (Auch Kassel, Braunschweig und andere Städte berufen sich auch heute noch auf den Titel "Filmstadt" - was natürlich genauso großer Unsinn ist.)
Der Brocken war zu groß, der HR muß mit ins Boot.
Als Schulz 1959 den Afifa-Besitz dann endlich sein eigen nennen kann (für eine Summe von insgesamt etwas mehr als 800.000 Mark), hat sich der Markt entscheidend gewandelt. Der Hessische Rundfunk wird mit 50 Prozent der Anteile Mitgesellschafter der „Taunus-Film".
1964 - Das ZDF kommt
1964 zieht das ZDF als Pächter auf dem Filmgelände ein. Zwei Jahrzehnte lang steht dort seine Sendezentrale. Der Zufall will es, daß in den Tagen, als die Mainzelmännchen schließlich auf den Lerchenberg umziehen, die neugegründete Ufa gerade Bertelsmann-Tochter wird und mit 40 Prozent der Anteile auch Partner bei dem Privatsender RTL-Plus, der wiederum gerne von Wiesbaden sein Programm ausstrahlen möchte. Doch der Kreis kann sich aufgrund der Hessischen Mediengesetze nicht schließen.
Das war Vorausschau und Erinnerung an die Glanzjahre.
Auf den nachfolgenden Seiten, die als Serie bereits im WIESBADENER KURIER erschienen sind, sollen die Glanzjahre des „Hollywood am Kochbrunnen" noch einmal in Erinnerung gerufen werden. Gleichzeitig aber sollen sie auch dazu beitragen, Wiesbadens Name als Film- und Fernsehstadt wieder zu vergegenwärtigen.
Mehr als 20 Firmen sind derzeit „Unter den Eichen" tätig (Anmerkung : Das war aber 1995!!). Und die „Taunus-Film" hat sich zum größten privaten technischen Dienstleistungszentrum für Film- und Fernsehproduktionen im Rhein-Main-Gebiet entwickelt. Die Scheinwerfer sind nicht erloschen. Im Gegenteil: Sie strahlen heller denn je.
Horst Goschke im Jahr 1995
- Horst Goschke ist seit Mitte der sechziger Jahre Film-Redakteur des WIESBADENER KURIERS und hat das „Hollywood am Kochbrunnen" als ein Erlebnis seiner Jugend in Erinnerung behalten.
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