1945 - 1995 "Der unendliche Traum von der Traumfabrik"
In 26 Kapiteln blickt Horst Goscke auf 50 Jahre Wiesbadener Film-Euphorie zurück und skizziert Höhepunkte und Tiefpunkte der Wiesbadener Ambitionen, mal ein deutsches Hollywood zu werden. Viele bundesweit bekannte Filme und Personen werden aufgeführt und auch das zeitweise wirre politische Drumherum der Nachkriegszeit wird nicht vergessen.
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(11) - Wo Romys Karriere begann . . . .
Thema : "Weniger ist mehr"
Während das Publikum Schlange steht, um an der Kinokasse die begehrten Papierbrillen mit einem roten und einem grünen Zellophanglas zu erhalten, damit es das „Kabinett des Professor Bondi" auch dreidimensional und quasi „hautnah" miterleben kann, gelangt man in Bonn zu der Erkenntnis, daß es für die Bundesrepublik nun an der Zeit sei, weniger, dafür aber bessere Filme zu produzieren.
Der 3D-Film ist das 3D-Spektakel - eine "Hype"
Hollywood geht, wie es das 3D-Spektakel um den physisch und psychisch deformierten Bildhauer zeigt, unterdessen den entgegengesetzten Weg. Es kennt ja im eigenen Land die neue Konkurrenz bereits seit einigen Jahren und weiß, wie stark das Fernsehen die Zuschauer an die eigene Wohnstube zu fesseln versteht. Statt auf Anspruch setzt es deshalb eher auf technische Neuerungen. 3D-Film ist eine davon.
Das Fernsehen will man ignorieren
Hierzulande findet die „Mattscheibe", wie man das Fernsehgerät bald nennen wird, in filmwirtschaftlichen Überlegungen aber noch lange keinen Platz. Deutsche Produzenten denken allenfalls an eine bessere Auswertung ihrer Filme im Ausland. Im Biebricher Schloß gründet die Spitzenorganisation der deutschen Filmwirtschaft im Juli 1953 die Export-Union. Sie wird ihren Sitz in Frankfurt haben und sich bei internationalen Verhandlungen über Filmabkommen einschalten. Auch Auslandswerbung gehört zu ihrem Aufgabenbereich.
Kein Film mehr unter 800.000 DM-Mark zu "machen"
Der deutsche Film, hört man überall, muß wieder rentabler werden. Aber es gibt auch Stimmen, die meinen, daß seine Herstellung zu teuer geworden sei. Um diese Meinung in der Öffentlichkeit zu korrigieren, klärt Max Lippmann, Leiter des Deutschen Instituts für Filmkunde, in der hiesigen Volkshochschule Fans darüber auf, daß „kein Film heutzutage noch unter 800.000 DM-Mark gedreht werden kann. Drei Millionen Besucher", sagt er, „müssen ihre Mark zur Kinokasse tragen, damit sich der Film für den Produzenten amortisiert".
Viele Stars, wenig gute Drehbücher
Ludwig Berger, der große alte Ufa-Regisseur, sagt unterdessen in Schlangenbad, aus der Emigration heimgekehrt, dort hat er ein neues zu Hause gefunden, zur Situation des deutschen Films: „Was uns fehlt, ist der gute, erfahrene Drehbuchautor."
Vorhanden aber sind nur Der deutsche Film, hört man überall, muß wieder rentabler werden. Aber es gibt auch Stimmen, die meinen, daß seine Herstellung zu teuer geworden sei. Um diese Meinung in der Öffentlichkeit zu korrigieren, klärt Max Lippmann, Leiter des Deutschen Instituts für Filmkunde, in der hiesigen Volkshochschule Fans darüber auf, daß „kein Film heutzutage noch unter 800.000 DM-Mark gedreht werden kann.
Drei Millionen Besucher", sagt er, „müssen ihre Mark zur Kinokasse tragen, damit sich der Film für den Produzenten amortisiert".
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Die Gagen der Stars werden von Tag zu Tag höher
Und deren Gagen werden von Tag zu Tag höher. Selbst Artur „Atze" Brauner, der geschäftstüchtige Berliner CCC-Chef, jammert allmählich über deren Forderungen und besonders über die Wahl-Wiesbadenerin Sonja Ziemann, die sehr gut weiß, was sie inzwischen wert ist.
Erich Mix ist jetzt Oberbürgermeister in der Stadt, in der sie vor zwei Jahren „Die Frauen des Herrn S." gedreht hat. Und es scheint so, als würde es in den Ateliers „Unter den Eichen" nun plötzlich wieder aufwärts gehen.
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Magda Schneider und Tochter Romy kommen nach Wiesbaden
Gustav Fröhlich ist angereist, um auf dem Afifa-Gelände mit der „Neuentdeckung" Helen Vita den Schwank „Die kleine Stadt will schlafen gehen" zu drehen. Außenaufnahmen sind in Limburg an der Lahn. Erzählt wird von einem Postraub und kleinbürgerlicher Doppelmoral. Auch Hertha Feiler trifft in Wiesbaden ein, sowie Magda Schneider mit ihrer Tochter, die zu dieser Zeit noch Romy Ahlbach-Schneider heißt.
Magda und Tochter Romy sitzen bald auf einer Bank in den Nerotal-Anlagen für Aufnahmen zu dem Film „Wenn der weiße Flieder wieder blüht". Für die 15jährige Romy ist es der erste Film, in dem sie mitwirken darf. Und dieses Glücksgefühlt teilt sie mit dem gleichaltrigen Götz George, der hier ebenfalls zum erstenmal vor der Kamera steht. Wiesbaden und das Rheintal sind Kulisse für Magda Schneider, die ihren geschiedenen Ehemann (Willy Fritsch) wiedertrifft.
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Christine Kaufmann geht in die Jahnschule - siehe Anmerkung
Da aber meldet bereits eine stolze Mutter ihr achtjähriges Töchterchen in der Wiesbadener Jahnschule an. Eigentlich wollte man „Unter den Eichen" für Christine ja einen Privatlehrer engagieren. Aber das ging Frau Kaufmann dann doch zu weit. Es ist die zweite Filmrolle der Kleinen, die in dem Film „Salto Mortale" Publikumsgunst gewann. In München war sie entdeckt worden, in einem Kinderballett.
- Anmerkung : Auch der Autor Gert Redlich war ebenfalls 2 Jahre in der Jahnschule (Adelheidstraße Ecke Karlstraße). Es war die vielleicht gebäudemäßig modernste Schule Wiesbadens, denn die gesamte Ecke hatte zum Ende des Krieges mehrere Treffer aus der Luft erhalten und war damit platt gebomt worden. Der Neubau sah damals supermodern aus. Die Lehrer dagegen waren es nicht. Zu meiner Zeit um 1960/61 herum wurde noch richtig geprügelt und geschlagen, wie es im 3. Reich allgemein üblich war. Im Oraniengymnasium nebendran war das dann glücklicherweise out.
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Karl Ritter -
wenn einen die Vergangenheit einholt
Nun hat sie Karl Ritter für seinen Film „Staatsanwältin Corda" verpflichtet - Ritter, der erst kurz zuvor aus Argentinien zurückgekehrt ist, wohin er floh, als das Nazi-Reich zusammenbrach. Neben Veit Harlan war Ritter einer der von Hitler am meisten geschätzten Filmregisseure.
In den Wiesbadener Ateliers fällt vor allem seine sorgfältige Arbeitsweise auf. Um die Glaubwürdigkeit des Films zu erhöhen, hat er die Staatsanwältin Sibylle Gowla von der Wiesbadener Staatsanwaltschaft als juristische Beraterin zu den Aufnahmen hinzugezogen.
Noch unbekannt : Ingeborg Eckholm
Die Handlung setzt sich mit einer Anklägerin auseinander, die einen geliebten Menschen des Mordes zu beschuldigen hat. Ritter spricht von einem „aktuellen Frauenschicksal". Er besetzt die Rolle der Staatsanwältin mit Ingeborg Eckholm, „einer ostpreußischen Offizierstochter", weil - wie er meint - ein unbekanntes Gesicht stärkere Wirkung beim Publikum auslösen werde. Paul Klinger spielt den Angeklagten.
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Die kleine Christine will „Schauspielerin!" werden
In der Dekoration sitzt inzwischen die kleine Christine. Sie hält eine Puppe auf dem Schoß, die sie auf dem Andreasmarkt gewonnen hat. Am Morgen hat sie in der 3c der Jahnschule mit Eifer Weihnachtssterne aus Goldflitter gebastelt. Und Frau Roy, ihre Klassenlehrerin, hat Journalisten erzählt, daß Christine überhaupt nicht eingebildet sei. Aber sie weiß schon sehr genau, was sie einmal werden will, wenn sie groß ist: „Schauspielerin!"
Karl Schulz produziert den Film. Sein Name wird „Unter den Eichen" den Namen Dr. Jonen, der von 1949 an eng mit den Afifa-Ateliers verbunden war, bald verblassen lassen. Der Meteor-Chef setzt neuerdings auf europäische Co-Produktionen.
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