1945 - 1995 "Der unendliche Traum von der Traumfabrik"
In 26 Kapiteln blickt Horst Goscke auf 50 Jahre Wiesbadener Film-Euphorie zurück und skizziert Höhepunkte und Tiefpunkte der Wiesbadener Ambitionen, mal ein deutsches Hollywood zu werden. Viele bundesweit bekannte Filme und Personen werden aufgeführt und auch das zeitweise wirre politische Drumherum der Nachkriegszeit wird nicht vergessen.
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(18) - 1956 - Rudolf Prack ist Chef von Sonja Ziemann
Thema : "Brauner dreht in Berlin - hier ist Grabesstille"
Artur Brauner, der Selfmade-Produzent jetzt in Berlin, kündigt für das Jahr 1956 insgesamt 15 neue Spielfilme an, die er in seinen Spandauer CCC-Ateliers herstellen will. Die Ateliers platzen aus den Nähten. Denn außer den 15 Eigenproduktionen entstehen auf dem CCC-Gelände auch noch Filme anderer Produzenten, darunter „Stresemann", ein Film „Der Meteor".
Ursprünglich wollte Dr. Heinrich Jonen, mit dessen Name die Wiesbadener Ateliers über Jahre hinweg eng verbunden waren, diesen Film „Unter den Eichen" drehen. Aber er hatte diese Entscheidung auch von den Finanzierungsmöglichkeiten 0abhängig gemacht. Während in Brauners ehemaliger Gasfabrik die Scheinwerfer nicht mehr zum Erlöschen kommen, herrscht auf dem AFIFA-Gelände für Wochen wieder einmal Grabesstille.
Kulissen für „Das Kabinett des Dr. Caligari"
Ende Januar 1956 trifft aus München dann der Filmarchitekt Alfons Windau ein, und aus Berlin kommt Hermann Warm, sein Kollege mit der ehrfurchts-gebietenden Vergangenheit.
Schon in der Stummfilm war er dabei. Zusammen mit Walter Röhrig baute er die Kulissen für „Das Kabinett des Dr. Caligari" und für den Fritz-Lang-Film „Der müde Tod". Auch die Dekorationen für Paul Wegeners „Der Student von Prag" stammten von ihm. Im Hitler-Deutschland emigierte er. 1947 kam er zurück.
Nun steht er „Unter den Eichen" im Atelier 1 und entwirft gemeinsam mit Alfons Windau die Kulisse für einen Sonja-Ziemann-Film. Auch Rudolf Prack soll sich zwischen den Dekorationen bewegen - als Modeschöpfer, der schließlich seine Sekretärin heiraten wird.
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Eine Komödie - „Dany - bitte schreiben Sie!"
Der Modesalon entsteht, in dem Hubert von Meyerink als Geschäftsführer herrschen soll, und die Atelierwohnung der Sekretärin. Hans von Borsody, der Regisseur, geht in Gedanken die ersten Einstellungen durch. Seine Hauptdarstellerin steht gerade in Rom vor der Kamera. In Berlin hatte sie Tage zuvor noch „Das Bad auf der Tenne" gedreht. Nun ist sie dorthin geflogen, um Aufnahmen für „Keinen Frieden für den, der liebt" zu machen.
Am 17. Februar 1956, steht im Terminkalender, muß sie in Wiesbaden sein. „Dany - bitte schreiben Sie!" wird die Komödie heißen. Dany, das ist sie. Die CEO-Film produziert. Und hat sich auch mit einer Klage auseinanderzusetzen, die Marianne Koch erhoben hat. War sie doch ursprünglich für die Titelrolle vorgesehen.
1956 - Die Stadt verkauft doch das Filmgelände
Der Film ist noch nicht abgedreht, als man im Rathaus fast nebenbei erklärt, die Stadt werde ihr Gelände „Unter den Eichen" an den Wiesbadener Filmproduzenten Karl Schulz verkaufen. In seine „Taunus-Film-GmbH", so ist zu erfahren, sei als Mitgesellschafter Direktor Hörn vom „Neuen Filmverleih" München eingetreten.
Die Gerüchteküche brodelt
Mitte April 1956 aber ist es Ernst Wolff, Hauptinhaber der Berliner „Mosaik"-Film und des „Allianz"-Filmverleihs, der als maßgeblicher Mitgesellschafter genannt wird. 317.815 Mark soll die „TaunusFilm" für den städtischen Grund bezahlen. Die Ateliers und das Kopierwerk, die zur Liquidationsmasse der ehemaligen Ufi gehören, müssen vom Bund, der Treuhänder des Vermögens ist, erworben werden.
Juni 1056 - Ein mehrfähriges Trauerspiel beginnt
Ein Trauerspiel beginnt, das sich über Jahre hinziehen wird. Schon im Juni 1956, dem Monat, in dem die Stadtverordneten „mit überwältigender Mehrheit" dem Verkauf des Grundstücks „Unter den Eichen" zustimmen, werden Stimmen laut, die davon reden, daß hinter Bonner Kulissen ein Krieg gegen den Fortbestand des Wiesbadener Filmgeländes geführt werde. Die zu starke Kapazität der westdeutschen und Westberliner Ateliers, heißt es, solle der Rentabilität wegen verringert werden und das Opfer solle Wiesbaden sein.
2,1 Millionen Mark sind zu teuer
Zu hoch erscheint der „TaunusFilm" unterdessen die Summe, die die Liquidatoren für die Aufnahmehallen und das Kopierwerk verlangen, 2,1 Millionen Mark sollen es sein. Bis zu 80 Prozent des Preises ist Karl Schulz Ende Juni 1956 bereit zu zahlen. Doch die Verhandlungen schleppen sich weiter hin. Monate über Monate hinweg.
Hier bitterernst - dort brüllendes Gelächter
Während es im Rathaus, das sich hinter Schulz stellt, bitterernst zugeht, hört man vor den Aufnahmehallen brüllendes Gelächter. Wolfgang Neuss löffelt mit einer Kaffeetasse und unbewegter Miene Regenwasser aus seinem offenen Kabriolett. Nach Wiesbaden ist er gekommen, um in dem Lustspiel „Küß mich noch einmal" einen Revue-Manager zu spielen. Helmut Weiß, der mit Heinz Rühmann 1944 die „Feuerzangenbowle" inszenierte, führt Regie in dem Musikfilm, der von einem geschiedenen Ehepaar erzählt, das nach Komplikationen doch wieder zueinander findet. Heinz Gietz und Kurt Feltz kümmern sich um die Musik. Laya Raki, Sexstar der prüden Fünfziger, ist dabei, Topsy Küppers, Hubert von Meyerink und Chris Howland, der, wie er sagt, „Wiesbaden inzwischen wie seine Smokingjacke kennt". Stand er doch hier schon im „Ball der Nationen" vor der Kamera und in „Der Major und die Stiere" ebenso.
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Ingeborg Schöner spielt und studiert Philologie
Hubert von Meyerinks Filmtochter wird von Ingeborg Schöner gespielt. Es ist bereits der achte Film, in dem sie seit ihrer Entdeckung vor zwei Jahren mitwirkt. Die Wiesbadenerin steht bei Artur Brauner unter Vertrag.
Gleichzeitig aber besucht sie weiterhin in Frankfurt die Universität, an der sie Philologie studiert. Von ihrem Filmerfolg hat sie sich nicht blenden lassen. Von Anfang an nicht.
Während des schriftlichen Abiturs war sie im D-Zug zwischen München-Geiselgasteig und Wiesbaden hin und her gereist. Mit blauen Flecken, die bei Aufnahmen in einem Zirkuszelt entstanden waren, hatte sie sich anschließend hinter ihren Schulbüchern vergraben, um sich auf das mündliche Abitur vorzubereiten.
Die Situation, die sie „Unter den Eichen" vorfindet, bestätigt sie in ihrer pragmatischen Haltung.
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