Historisches Wissen aus Heften, Zeitschriften, Magazinen
Artikel, Zitate und Infos stammen aus der Funk-Technik, der Funkschau, den RTMs, Kameramann, der FKT, den Schriften von Philips und Zeiss Ikon und Anderen. Mehr über die verfälschten historischen Informationen ab 1933 über 1945 bis weit in die 1980er Jahre.
aus der FUNK-TECHNIK Nr. 03/1949 (1. Feb. Heft)
Das Editorial - ein Rückblick
Nr. 03/1949 - 4. JAHRGANG
Zur Patentlage auf dem Gebiete der Rundfunkindustrie
Die über ein halbes Jahrhundert sich erstreckende Entwicklung der Funktechnik hat in den auf diesem Gebiet erteilten Patenten, und zwar mit einer Vollständigkeit, wie sie nur auf wenigen anderen Gebieten der Technik festzustellen ist, ihren bleibenden Niederschlag gefunden.
Es sei daher, ehe von den in der Gegenwart wirksamen Patenten zu sprechen ist, gestattet, in einem kurzen Rückblick einiger „Veteranen" der Patentliteratur zu gedenken.
Weitere Artikel über die deutschen Patente finden Sie in der FUNK- TECHNIK Nr. 09/1948 (1. Mai Heft) und in der der FUNK- TECHNIK Nr. 17/1948 (1.Sept. Heft) Und die Fortsetzung dieses Artikels steht in der FUNK-TECHNIK Nr. 05/1949 (1. März Heft).
Über die Veteranen, die erloschenen Patente . . .
Die Erinnerung an solche, jetzt erloschene Patente, denen in der (z.T.noch jungen) Vergangenheit große Bedeutung zukam, ist nicht nur für alle, die an der Entwicklung jener Zeit teilgenommen haben, von historischem Interesse. Gerade für die Techniker der jüngeren Generation mag sie von Nutzen sein, indem sie ihnen vor Augen führt, daß die technischen Mittel und Vorstellungen, mit denen heute die Jüngsten auf ihrem Fachgebiet mit spielender Selbstverständlichkeit umgehen, einst durch die erfinderische Initiative ihrer Vorgänger erarbeitet werden mußten.
Schließlich tragen erloschene Patente jeweils zur Klärung der gegenwärtigen Patentlage insofern bei, als sie den nicht mehr geschützten, d. h. freien Stand der Technik belegen.
1901 - DRP 136 641 (Prof. F. Braun)
Als erstes sei das DRP 136 641 (Prof. F. Braun) aus dem Jahre 1901 angeführt, dessen einziger Patentanspruch lautet: „Zur Abstimmung und Steigerung der Wirkung des Empfängers wird an den Empfängerdraht ein geschlossener Resonator angeschlossen, der entweder die gewünschten Schwingungen aufnimmt oder die nicht gewünschten ausscheidet."
Ersetzt man in diesem Wortlaut „Empfängerdraht" und „Resonator" durch die heute gebräuchlichen Bezeichnungen „Empfangsantenne" und „Schwingungskreis", dann wird offensichtlich, daß - von Detektorempfängern abgesehen - kaum ein modernes Empfangsgerät ohne Anwendung der Schaltung gebaut wird, die Gegenstand dieses seit 1916 erloschenen Patentes ist.
1906 - DRP 178 871 (Telefunken)
Aus den Anfängen der Funktechnik stammte ferner das DRP 178 871 (Telefunken) von 1906, das bis 1929 lief und dem ein umfassender Schutz des Kristall-Detektors zugesprochen wurde:
„1. Wellenempfindliche Kontaktstelle zum Empfangen elektrischer Schwingungen, dadurch gekennzeichnet, daß eine oder beide Elektroden oder Kontaktteile aus einem in Stückform verwendeten Material bestehen, welches elektrolytische Eigenschaften besitzt."
1906 - DRP 179 807 (Rob. v. Lieben)
Als nächstes wird das DRP 179 807 (Rob. v. Lieben) aus dem Jahre 1906 genannt. Sein Patentanspruch lautet: „Katodenstrahlenrelais für Stromwellen bis zu den höchsten Frequenzen, dadurch gekennzeichnet, daß langsame Katodenstrahlen, in bekannter Weise von einer mit glühendem Metalloxyd bedeckten Hohlspiegelkatode ausgehend, durch die zu verstärkenden Stromwellen derart beeinflußt werden, daß sie in ihrem Stromkreis Wellen gleicher Frequenz, aber höherer Amplitude hervorrufen."
Zusammen mit seinen Zusätzen (236 716 und 249 142) (Abb. 3) offenbart dieses Patent erstmals das Prinzip der Glühkatoden-Verstärkerröhre. Es steht damit am Beginn der modernen Nachrichtentechnik.
1910 - DRP 248 684 (Telefunken)
Das DRP 248 684 (Telefunken) vom Jahre 1910, das im Jahre 1933 ablief, schützt in seinem Hauptanspruch:
„Kasten aus Metall zum Aufnehmen von Spulen für Hochfrequenzströme, insbesondere für die Zwecke der drahtlosen Telefonie, dadurch gekennzeichnet, daß als Kastenmaterial ein elektrisch gut leitendes Metall, wie Kupfer oder Silber, benutzt wird."
Die praktische Bedeutung dieser Erfindung für den Empfängerbau der letzten Jahrzehnte liegt auf der Hand.
1911 - DRP 271 059 (Telefunken)
Chronologisch folgt als wichtiges Patent der damaligen Zeit das DRP 271 059 (Telefunken) aus 1911, das den allgemeinen Schutz für die Hochfrequenz-Verstärkung gewährte:
„Empfangseinrichtung für drahtlose Telegrafie, bei der eine an einer erhitzten Katode dauernd ionisierte Gasstrecke von den elektrischen Schwingungen beeinflußt wird, dadurch gekennzeichnet, daß die durch den Hilfsstrom in an sich bekannter Weise verstärkten Schwingungen durch einen besonderen Gleichrichter erkennbar gemacht werden."
Im Anschluß . . . .
Diesem Patent schloß sich der nicht minder wichtige Zusatz DRP 293 300 an mit dem Hauptanspruch:
„1. Empfangseinrichtung nach Patent 271 059, dadurch gekennzeichnet, daß die gleichgerichteten Pulsströme niedriger Frequenz ihrerseits wieder durch gleichartige, mit erhitzter Katode arbeitende Gasstrecken nochmals verstärkt werden, ehe sie dem Indikationsinstrument zugeführt werden."
Dieser Schutzanspruch umfaßte alle Röhrenempfangsgerätc mit Hoch- und Niederfrequenzverstärkung. Dazu kamen weitere Zusatzpatente, die sich auf HF-Verstärkung mit Rückkopplung und auf die kombinierte HF-Verstärkung und Gleichrichtung in einer rückgekoppelten Röhre bezogen.
1913 - DRP 291604 (Meißner-Patent, Telefunken)
Eines der meistgenannten Patente jener Zeit war das DRP 291 604 (Meißner-Patent, Telefunken) aus dem Jahre 1913.
Das erst im Jahre 1936 durch Zeitablauf erloschene Patent stellte in seinem Hauptanspruch das Prinzip der Schwingungserzeugung durch ein rückgekoppeltes Elektronenrelais unter Schutz:
„Einrichtung zur Erzeugung elektrischer Schwingungen, dadurch gekennzeichnet, daß ein mit glühender Katode oder ionisierter Gasstrecke o. dgl. arbeitendes elektrisches Relais sowohl an seiner Primär- als auch an seiner Sekundärstrecke mit einem schwingungsfähigen System verbunden ist, so daß die in letzterem erregten Anfangsschwingungen durch das Relais verstärkt und aufrechterhalten werden."
Wenn auch das Schwergewicht dieses Patentes auf dem Sendergebiet lag, so war es doch für den Bau von Überlagerungsempfängern von jeher unentbehrlich.
1913 - DRP 480 476 (Radio Corporation of America = RCA)
Ergänzend wäre hier auf das DRP 480 476 (Radio Corporation of America) zu verweisen, das mit Priorität von 1913 erst nach dem Weltkriege im Jahre 1920 angemeldet wurde und bis 1938 in Kraft war.
Sein Hauptanspruch lautet: „Röhrenempfangsschaltung, dadurch gekennzeichnet, daß in an sich bekannter Weise durch Abriegelung des Gitters durch Kondensator eine Detektorwirkung herbeigeführt und gleichzeitig der Anodenkreis auf den Gitterkreis zurückgekoppelt wird."
Der Schutz dieses Patentes umfaßte somit grundsätzlich alle Schaltungen eines rückgekoppelten Audions.
1914 - DRP 299 301 (AEG)
In chronologischer Reihenfolge mag an dieser Stelle das DRP 299 301 (AEG) vom Jahre 1914 erwähnt werden, das bis 1936 in Kraft war und im Hauptanspruch lautet:
„Abgestimmtes Empfangssystem für elektrische Schwingungen, gekennzeichnet durch zwei oder mehrere auf die auszuwählende Frequenz abgestimmte Schwingungskreise, die durch Relais in Kaskade geschaltet sind, die aus Entladungsgefäßen - vorzugsweise solchen mit reiner Elektronenentladung - bestehen, wobei der Hilfsstromkreis jeder Entladungsröhre mit einem der abgestimmten Schwingungskreise und der Anodenkreis mit dem folgenden Schwingungskreis verbunden ist, zu dem Zwecke, in den Anodenstromkreisen der aufeinanderfolgenden Relais elektrische Schwingungen mit fortschreitend abnehmender Störung auszulösen."
In dieser altertümlich anmutenden Ausdrucksweise ist unter Hilfsstromkreis der Gitterkreis der Röhre zu verstehen.
1916 - DRP 305 535 (Siemens & Halske)
Aus dem Jahre 1916 datiert das folgende Patent. Es schützte grundlegend das Prinzip der Widerstandskopplung. DRP 305 535 (Siemens & Halske) mit den Patentansprüchen:
„1. Reihenschaltung für Wechselstrom-Verstärker, dadurch gekennzeichnet, daß der Stromkreis der Senderseite jedes einzelnen Verstärkers über einen Wechsebstromwiderstand geschlossen und mit der Empfängerseite des folgenden Verstärkers oder mit dem Empfangsapparat kapazitiv gekoppelt ist, zum Zwecke, die Zwischenschaltung von Übertragern und hierbei durch Rückkopplung auftretende Störungen zu vermeiden. 3. Ausführungsform der Schaltung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß der Wechselstromwiderstand als hochohmiger Widerstand ausgebildet ist."
1917 - DRP 536 049 (Telefunken)
Als jüngstes Patent dieser historischen Übersicht sei das auf den französischen Erfinder Lucien Levy zurückgehende DRP 536 049 (Telefunken) erwähnt, das mit Priorität von 1917 erst im Jahre 1920 angemeldet wurde und daher bis 1938 lief. Zusammen mit Unteransprüchen schützte der Hauptanspruch das Grundprinzip des heutigen Super-Empfängers:
„Empfangs- und Verstärkungsverfahren für drahtlose Telefonie und Telegrafie, dadurch gekennzeichnet, daß nach der Umwandlung der Empfangsfrequenz in eine über der Hörbarkeitsgrenze liegende örtliche Frequenz die Energie dieser neuen Frequenz verstärkt wird."
1914 - DRP 302 894 (AEG)
Vorausgegangen war das DRP 302 894 (AEG) aus 1914, das in ebenfalls umfassender Weise den Überlagerungsempfang mittels einer kombinierten Misch-und Oszillatorröhre unter Schutz stellte, aber nur bis zum Jahre 1936 lief:
„1. Empfangseinrichtung für die heterodynamische Wellentelegrafie, dadurch gekennzeichnet, daß die ankommenden, von der Antenne aufzunehmenden Wellen und die in einem Ortskreis erzeugten Wellen von etwas abweichender Frequenz einem Entladungsgefäß mit Glühkatode zugeführt werden, und zwar die einen Wellen im Anodenkreis, die anderen Wellen im Hilfsanodenkreis oder beide Wellenarten im Hilfsanodenkreis, wobei im Anodenkreis Stromwellen erzeugt werden, deren Frequenz durch die Differenz der Frequenzen der beiden Wellenarten bestimmt ist.
2. Einrichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die örtlichen Wellen durch das Entladungsgefäß selbst durch hinreichende magnetische oder elektrostatische Kupplung des Anoden- und des Hilfselektrodenkreises erzeugt werden."
"durch die Kriege unterbrochen . . . ."
Für die Folgezeit ist der „natürliche" Zeitablauf der deutschen Patente, als eine Auswirkung des letzten Krieges, unterbrochen. Schon der erste Weltkrieg hat die Patentlage der Nachkriegszeit dadurch einschneidend beeinflußt, daß er einerseits eine Verlängerung der Patentdauer für die während der Kriegszeit nicht auswertbaren Patente erforderlich machte, und andererseits dazu führte, daß nach Friedensschluß Patente mit älteren ausländischen Prioritäten (bis zurück zum Jahre 1913) angemeldet werden konnten.
Der zweite Weltkrieg wird sich für die zukünftige Patentlage in ähnlichem Sinne auswirken.
Die Verordnung über außerordentliche Maßnahmen im Patent- und Gebrauchsmusterrecht
Im Augenblick ist es die „Verordnung über außerordentliche Maßnahmen im Patent- und Gebrauchsmusterrecht vom 10. Jan. 1942 (RGBl II S. 81), die als unmittelbare Auswirkung des Krieges die gegenwärtige Patentlage maßgeblich mitbestimmt.
Sie hatte hinsichtlich der Patentdauer kurz zusammengefaßt die Folge, daß
1. Patente, die am 10.1.42 oder später wegen Ablaufes des 18. Jahres der Schutzdauer erloschen wären, bis auf weiteres in Kraft blieben,
2. Patente, die wegen Ablaufes des 18. Jahres der Schutzdauer in der Zeit vom 1. Okt. 1940 bis zum 9. Jan. 1942 erloschen sind, auf Antrag wieder in Kraft gesetzt werden konnten.
Auf Grund dieser Verordnung konnte z. B. für ein am 3. Okt. 1922 angemeldetes Patent, das nach den Bestimmungen des Patentgesetzes am 3. Okt. 1940 erloschen wäre, die Wiederherstellung der Rechtskraft beantragt werden.
Der Kontrollrat für ganz Deutschland oder ein Zonenbefehlshaber hätten . . . . .
Die Verordnung sah weiterhin vor, daß der Reichsminister der Justiz bestimmen sollte, wann die so verlängerten bzw. wiederhergestellten Patente erlöschen. Mangels einer Reichsgewalt konnte aber nach Kriegsende keine deutsche Behörde eine solche Bestimmung treffen. An ihrer Stelle hätte nur der Kontrollrat für ganz Deutschland oder ein Zonenbefehlshaber für seine Zone diese Bestimmung erlassen können. Das ist aber bisher nicht geschehen.
Nach allgemeiner Auffassung werden daher die gemäß der genannten Verordnung verlängerten bzw. wiederhergestellten Patente zur Zeit als noch in Kraft befindlich angesehen. Gegen diese Auffassung lassen sich Zweifel geltend machen, sie wird indessen gestützt durch ein Urteil des LG Düsseldorf vom 15. Oktober 1947.
i) Vgl. Reitstötter „Der gewerbliche Rechtsschutz im Nachkriegsdeutschland" in FUNK-TECHNIK Bd. 3 (1948), H. 9, S. 207. 2) Vgl. „Gewerbl, Rechtsschutz und Urheberrecht", Mai 1948, S. 162.