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"Das gibt's nur einmal" - die Film-Fortsetzung 1945 bis 1958

Der Schriftsteller Curt Riess (1902-1993 †) hatte 1956 und 1958 zwei Bücher über den Deutschen Film geschrieben. Als Emigrant in den USA und dann Auslands-Korrspondent und später als Presseoffizier im besetzten Nachkriegs-Berlin kam er mit den intessantentesten Menschen zusammen, also nicht nur mit Filmleuten, auch mit Politikern. Die Biografien und Ereignisse hat er - seit 1952 in der Schweiz lebend - in mehreren Büchern - wie hier auch - in einer umschreibenden - nicht immer historisch korrekten - "Roman-Form" erzählt. Auch in diesen beiden Filmbüchern gibt es jede Menge Hintergrund- Informationen über das Entstehen der Filme, über die Regisseure und die kleinen und die großen Schauspieler, das jeweilige politische Umfeld und die politische Einflußnahme. Die einführende Seite dieses 2. Buches finden Sie hier.

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Des Teufels General

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Nach dem „Canaris"-Film kam „Des Teufels General"

Immer wieder erklären Zeitungen in England, in Frankreich, in Amerika, das deutsche Volk habe sich im Grunde genommen überhaupt nicht verändert seit 1945, es gäbe noch immer zahllose Nationalsozialisten, und wenn Hitler morgen käme, würde er begeistert empfangen werden.

Kenner Deutschlands zucken zwar lächelnd die Achseln, wenn sie so etwas lesen und hören. Aber die deutschen Filmproduzenten sind durchaus nicht sicher, wie es nun wirklich um das Publikum steht. Und daher haben sie es seit Jahren immer wieder vermieden, Stoffe zu verfilmen, die in der Zeit des Tausendjährigen Reiches spielen.

Sie fragten sich beklommen, was wohl geschehen würde, wenn das Kinopublikum die altbekannten Uniformen der SA, der SS oder der Gestapo auftauchen sähe. Die Ansichten waren geteilt. Es gab solche,
die Skandale befürchteten, andere, die an spontane Beifallskundgebungen glaubten.

Beides hätte für den betreffenden Film übel ausgehen können. Infolgedessen hat man sich immer wieder davor gedrückt, Uniformen zu zeigen, und ein Gestapist auf der Leinwand mußte in Zivil erscheinen, gewöhnlich in einem Regenmantel.

Im „Canaris"-Film wurde dieses Prinzip zum ersten Mal durchbrochen, und siehe da, es gab keinen Skandal, nur ungeheuren Beifall. Nicht für die Uniformen, sondern für einen guten Film. Und nun wagt man sich endlich daran, einen Film zu produzieren, der schon seit Jahren projektiert ist, „Des Teufels General", dessen Hauptrolle ursprünglich Hans Albers hatte spielen sollen und der nicht zufällig immer wieder verschoben werden mußte.

Ein Stück von Carl Zuckmayer - ein Drama - hier die Story

Ein Film des Widerstandes gegen Hitler, gegen den Krieg, gegen die Sinnlosigkeit des Mordens. Der Dichter Carl Zuckmayer hat das Stück in den Kriegsjahren in der Emigration drüben in Amerika geschrieben.

Es ist über alle deutschen Bühnen gelaufen, es ist das meistgespielte Drama seit Kriegsende. Der Erfolg ist doppelt erstaunlich, wenn man bedenkt, daß das Thema eigentlich sehr genaue Kenntnisse der Materie voraussetzt, also der Luftwaffe, der Kreise um Hitler inklusive der Gestapo - Kenntnisse, die der Emigrant Zuckmayer gar nicht besitzen konnte.

Es handelt sich um einen Fliegergeneral, eine Art Udet, der von Hitler und insbesondere von Göring gehalten wird, obwohl man weiß, daß er nicht sehr positiv zum Regime steht. Aber er ist ein wenig zu unvorsichtig, zu offenherzig.

Also läßt man ihn überwachen. Schon baut man Mikrophone dort ein, wo man weiß, daß er tafeln wird. Aber er läßt sich nicht entmutigen. Vorübergehend sperrt man ihn sogar ein - auch das nutzt wenig. Als er sieht, daß sein Leben sinnlos geworden ist, - so sinnlos wie das Leben von Canaris - als er weiß, daß er niemandem mehr helfen kann und daß man ihm an den Kragen will, nimmt er ein durch Sabotage ruiniertes Flugzeug, steigt auf und stürzt krachend in die Tiefe.

Diesen Film inszeniert Helmut Käutner.

Der ist in den letzten Jahren wieder ganz nach vorn gekommen, durch „Die letzte Brücke", durch „Ludwig II.". Aber einen solchen Erfolg wie mit „Des Teufels General" hat er noch nicht verzeichnen dürfen. Und einen berechtigten Erfolg.

Das liegt nicht nur an dem wirklich erschütternden Thema, das - wie auf der Bühne - die Menschen auch in der filmischen Verfassung mitreißt. Das liegt an der präzisen, einfallsreichen Regie von Helmut Käutner, der das Leben des Fliegers Harras noch einmal vor uns vorüberziehen läßt - in seinen gespenstischen Szenen, in seinen Auseinandersetzungen mit der anderen Seite. In eleganten Restaurants, in düsteren Gefängnissen.

Harras selbst wird von Curd Jürgens gespielt.

Mit diesem Film spielt sich der nicht mehr junge Schauspieler ganz nach vorn. Er war eigentlich schon ziemlich fertig, als Käutner ihm vorschlug, die Hauptrolle in „Des Teufels General" zu spielen.

Die großen Filmgesellschaften rechneten kaum noch mit ihm, sie alle hatten ihn ausprobiert, er hatte niemals einen Erfolg bringen können. Und nun war er auch nicht mehr so jung und sah für seine Jahre ziemlich verlebt aus.

Er hatte Ringe unter den Augen, seine Haare wurden schon bedenklich dünn - er befand sich in einem Stadium, in dem die großen Filmkarrieren enden - und nicht beginnen.
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Und dann beginnt seine große Filmkarriere.

Plötzlich stellt sich heraus, daß, wo Curd Jürgens, der hübsche Jüngling, versagt hat, Curd Jürgens, der reife, ältere und durchaus nicht mehr so gut aussehende Herr den Sieg davonträgt. Der Liebhaber ist vergessen. Der Charakterdarsteller behauptet das Feld. Innerhalb von wenigen Monaten spricht es sich in Deutschland herum: es gibt wieder einen ganz großen Star.

Vergleiche mit Hans Albers werden gezogen - und sind gar nicht so abwegig. Jürgens hat ja wirklich etwas von dem ewig blonden, blauäugigen Elans. Albers war freilich hübscher, geschmeidiger, Jürgens ist weniger sonnig, wenn man will weniger liebenswert, sicher weniger impulsiv, man geht nicht so leicht mit ihm mit. Dafür wirkt er moderner, sachlicher, härter.
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Nach Paris meldet sich Hollywood, vergebens .....

Man fragt sich vergebens, warum es so lange gedauert hat, bis er sich - und das Vertrauen seiner Freunde - bestätigte. Nun ist er also da. Nun kann es nur noch eine Frage der Zeit sein, bis man ihn ins Ausland holen wird - als den typischen Deutschen, der er ja ist, auch wenn er sich noch so international gibt.

Vorläufig macht er Filme am laufenden Band. Manche sind gut, die meisten sind mittelmäßig, einige sind geradezu entsetzlich schlecht. Das schadet ihm nicht im geringsten.

Auf der Biennale in Venedig wird er den ersten Preis bekommen. Paris wird ihn zu ungeheuren Gagen holen. Mit seinem Porträt des Michael Strogoff - es handelt sich um die fünfte oder sechste Verfilmung des Jules Verneschen „Kurier des Zaren" und ohne Zweifel die schlechteste - erobert er halb Europa im Sturm.

Hollywood meldet sich. Aber noch fährt Jürgens nicht hinüber - er verdient in Europa so viel Geld, wie er will. Er ist ganz groß geworden. Er hat selbst seinen langjährigen Rivalen am Wiener Burgtheater, O. W. Fischer, überflügelt. Er ist Deutschlands erster, wirklich internationaler Nachkriegsstar.

So lebt er auch - nämlich an der Riviera in dem Schloß des Schokoladenkönigs Menier. Er beherbergt bis zu vierzig Gäste auf einmal. Er hat eine Segelyacht, eine Motoryacht. Er besitzt unzählige Autos. Es vergeht keine Woche, ohne daß man ihn mit einer anderen schönen Frau in Verbindung bringt.

Ein Filmchen mit mit Heidemarie Hatheyer und Sonja Ziemann

Aber wir eilen den Ereignissen voraus - obwohl das im Falle von Jürgens schwierig ist, denn es passiert ja so viel in seinem Leben. Bevor es zu den ganz großen Erfolgen kommt, bevor Hollywood sich meldet, macht er, sogleich nach „Des Teufels General", ein Filmchen „Liebe ohne Illusion" mit Heidemarie Hatheyer und Sonja Ziemann.

Unmittelbar darauf, ohne einen Tag Ferien, wieder mit der Hatheyer und mit Maria Schell einen der größten Filme der Nachkriegszeit: „Die Ratten".

DIE RATTEN

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„Die Ratten" - ein heikles Thema.

„Die Ratten" nach dem Schauspiel von Gerhart Hauptmann waren ein Projekt, das schon vor vielen Jahren in die Tat hatte umgesetzt werden sollen. R. A. Stemmle besaß Anrechte auf den Stoff, der GLORIA-Filmverleih war interessiert, sogar Veit Harlan tauchte auf, um das Drama mit seiner Frau herauszubringen.

Immer wieder wurde dieser Film abgeblasen. Denn das Thema war doch zu heikel. Es handelt sich um ein uneheliches Kind, das das polnische Dienstmädchen Piperkarcka gerne loswerden möchte und das die Frau des Maurerpoliers John ihr abkauft.

Denn Frau John will seit Jahren ein Kind haben, bekommt aber keins. Die neue Mutter will es der Piperkarcka später nicht zurückgeben, es kommt zu Mord und Totschlag, und das Ende vom Lied ist, daß Frau John sich vom Fenster auf die Straße stürzt, um der Schande zu entgehen - wohl auch, weil sie den Verlust des Kindes, an das sie sich schon gewöhnt hat, nicht verwinden kann.

Ein heikles Thema.
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Der Film spielt in einem Armeleute-Milieu ....

Und dazu noch eins, das in einem unerquicklichen Milieu spielt, in einem Armeleute-Milieu, nicht in Villen von reichen Männern mit eleganten Frauen, die Cocktails trinken und sich in Swimmingpools amüsieren.

Allein schon vor dem Titel „Die Ratten" schrecken die Filmproduzenten zurück. Wer will schon in einen Film gehen, der so heißt? Könnte man ihn nicht wenigstens umbenennen?

Wie wäre es mit „Mutterherz"? Wie mit „Ich lasse mein Kind nicht"? Oder „Wogen der Großstadt"? Alles Titel, die ernsthaft diskutiert werden. Aber man kann ja nicht einfach den Titel eines Dramas von Gerhart Hauptmann in den Mülleimer werfen.

Was also tun? Der Film wird immer wieder erwogen, immer wieder zurückgestellt. Es scheint sich kein Verleiher zu finden. Verschiedene Drehbuchautoren versuchen, der Sache einen etwas freundlicheren Aspekt zu verleihen. Wie ist das möglich, da es sich doch um ein so düsteres Thema handelt! Wenn man es verfälscht, ist vielleicht nichts gewonnen, sicher aber etwas verloren: die große Gemeinde Gerhart Hauptmanns wird protestieren.
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Atze Brauner aus Berlin setzt aufs volle Risiko ....

Es scheint, als würde dieser Film nie gedreht werden. Da erklärt Produzent Arthur Brauner, er werde es riskieren. Sein Regisseur soll Robert Siodmak sein, früher einmal bei der UFA - er schuf jenen seltsamen avantgardistischen Film „Menschen am Sonntag". Er ist jahrelang in Hollywood gewesen und jetzt nach Europa zurückgekehrt.

Drehbuchautor: Jochen Huth, ebenfalls ein Deutscher, der auch in den dreißiger Jahren nach Amerika emigrierte und jetzt wiedergekommen ist. Dieser Jochen Huth hat eine kühne Idee.

Er verlegt das Drama Hauptmanns aus dem Berlin um die Jahrhundertwende in das heutige Berlin. Aus der Polin Piperkarcka macht er Pauline Karska, einen Ostflüchtling. Sonst läßt er im wesentlichen alles so, wie es bei Hauptmann gewesen ist - mit geringfügigen Änderungen.

Im Stück wird die Piperkarcka umgebracht von dem pathologisch-verbrecherischen Bruder der Frau John, Bruno Mechelke. Im Film bringt er sie nur beinahe um und geht dann selbst drauf. Am Ende versteht und verzeiht Frau Johns Mann - sie wird weiter am Leben bleiben.

Ein großartiges Drehbuch, und die Witwe Gerhart Hauptmanns, die es liest, erklärt, ihr Mann würde es sicher gebilligt haben. Es ist in der Tat nichts als eine Modernisierung des alten Stoffes.

Jochen Huth hat nichts getan, als den Stoff so zu erzählen, wie er heute möglich wäre. Aber die Geschichte ist nun eher noch düsterer, noch aussichtsloser, noch hoffnungsloser geworden als vorher.
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Wer will so etwas sehen?

Und immer noch ergibt sich die Frage: Wer will so etwas sehen? Einen Film, der unter armen Leuten spielt, dessen Story höchst unerquicklich ist, der - und das ist noch ein erschwerendes Moment - im heutigen von den Russen teilweise besetzten Berlin spielt?

Da durchschlägt ein Filmstar den gordischen Knoten. Maria Schell erklärt sich bereit, das Flüchtlingsmädchen Pauline Karska zu spielen. Wie? Die blonde, zarte, anmutige Schell will sich an der Rolle eines eher häßlichen, eckigen, kantigen, ungeschlachten Dinges aus dem Osten versuchen? Sie will ein Mädchen spielen, das nicht einmal richtig Deutsch sprechen kann, sondern einen sehr breiten Dialekt - eine Rolle, in der es keine Liebesszene gibt, es sei denn der Versuch des betrunkenen Bruno, dem Mädchen Gewalt anzutun?

Man warnt sie. Eine große Filmzeitschrift veröffentlicht sogar einen Leitartikel, die Schell könne dergleichen ihrem Publikum nicht antun. Aber sie schlägt solche Warnungen in den Wind. Sie gehört nicht zu jenen Stars, die Rolle und Persönlichkeit verwechseln, überzeugt davon sind, daß sie nur in „sympathischen" Rollen auftreten dürfen. Sie sieht eine künstlerische Aufgabe und ist entschlossen, sich ihrer zu bemächtigen.
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Als Maria Schell zusagt, ist der Bann gebrochen.

Und so stark ist schon damals die Position der Schell, daß auf ihre Zusage hin der mächtige HERZOG-Filmverleih bereit ist, die Finanzierung zu übernehmen. Frau John: Heidemarie Hatheyer.

Die Besetzung erweckt zunächst Befremden. Auf der Bühne wird Frau John immer wieder von etwas älteren, behäbigeren, um nicht zu sagen alten Schauspielerinnen dargestellt. Dabei steht und fällt die Wirkung der Rolle von Frau John damit, daß die Menschen im Stück ihr glauben dürfen, sie könne noch ein Kind bekommen. Dazu darf sie wohl kaum älter als Mitte dreißig sein.

Das glaubt man einer Schauspielerin nicht, wenn sie Anfang sechzig ist, selbst wenn diese Schauspielerin Käthe Dorsch heißt, um nur ein Beispiel zu nennen. Bruno Mechelke: Curd Jürgens.

Und zwischen diesen drei Schauspielern, sekundiert von Gustav Knuth und Ilse Steppat, rollt nun das Spiel ab, der Kampf um das Kind, das die richtige Mutter am Ende natürlich bekommt.

Das ganze Grauen des Arme-Leute-Berlins wird uns gezeigt. Die ganze Verzweiflung der Flüchtlinge. Die Verzweiflung auch der Frau, die kein Kind bekommen kann und fürchten muß, deshalb ihren Mann zu verlieren, weil er sich so sehnlichst Kinder wünscht; der Kampf der echten Mutter um ihr Kind - obwohl sie vor dem Nichts steht.

Da ist ein seit Jahren stellungsloser ehemaliger Theaterdirektor, der seinen Fundus verkaufen muß und damit die letzte Hoffnung auf ein Comeback begräbt. Eine Dame von lockerem Lebenswandel, die ständig betrunken ist, und ein frühreifes Mädchen von dreizehn oder vierzehn Jahren, von dem man weiß, wie und wo es enden wird. Es entsteht ein grandioser Film.
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„Es gibt wieder einen ernst zu nehmenden, künstlerischen deutschen Film!"

Regisseur Robert Siodmak zeigt uns dieses nächtliche, in jeder Beziehung nächtliche Berlin, als habe er es nie verlassen. Die Schell, die Hatheyer und Jürgens übertreffen sich selbst.

Die Schell: ganz dumpfe Kreatur, stur, fast tierisch - nur wie von innen her plötzlich erleuchtet, wenn sie an ihr Kind denkt. Die Hatheyer: ganz hart, fast böse, entschlossen, für dieses Kind durch alle Höllen zu gehen, von ungeheurer Stärke in ihrer Besessenheit. Dabei spricht sie, die Österreicherin, so sehr einen Berliner Dialekt, daß einem angst und bange wird.

Curd Jürgens: eine pathologische Studie, ein Verbrecher mit Zügen der Infantilität, ja des beginnenden Wahnsinns, der Zuhälter, wie er im Buche steht.

Diese drei Schauspieler sind kaum geschminkt, überhaupt nicht zurechtgemacht, sie tragen schreckliche Kleidungsstücke - da ist nichts, nichts beschönigt. Man geht aus diesem Film mit einem gewissen Entsetzen, man ist noch stundenlang danach niedergeschlagen - und doch auch wieder durch die tiefe Erschütterung über das eigene Leid, die eigenen Probleme, Ängste und Leiden erhoben.

Das ist große Kunst. Und entgegen allen Prognosen zeigt es sich, daß große Kunst immer wieder mal großes Geschäft werden kann. Der Film läuft vor ausverkauften Häusern. Er geht über die Grenzen, wird in Paris und Rom, New York und Hollywood gezeigt, dieser so deutsche, so berlinische Film - und überall sind die Leute erschüttert, überall schreiben die Kritiker: „Es gibt wieder einen ernst zu nehmenden, künstlerischen deutschen Film!"
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Der Film 'Alibi' von Produzent F. A. Mainz

Kleine Blamage des Justizministeriums in Bonn, das Bedenken äußert dagegen, daß Produzent F. A. Mainz ERP-Gelder bekommen soll. Grund: der Film 'Alibi', den Mainz gerade fertiggestellt hat. Ein neuer Film des Regisseurs des Canaris-Films, Alfred Weidenmann, das Buch schrieb wieder Herbert Reinecker. Die Hauptrolle spielt ebenfalls wieder O. E. Hasse, und sein Gegenspieler ist abermals Martin Held.

Die Story :

Es ist ein Pressefilm. Es handelt sich um einen großen Journalisten, eine Art Starreporter, der bald in Amerika, bald in Asien weilt, dazwischen aber immer wieder nach Hamburg zurückkehrt.

Diesmal muß er als Geschworener seine Pflicht erfüllen bei einem Mordprozeß gegen einen jungen Mann, der seine Geliebte umgebracht haben soll. Dem Journalisten kommen Bedenken, ob der junge Mann, der verurteilt wird - alle Indizien sprechen gegen ihn - wirklich der Schuldige ist.

Er geht der Geschichte nach, spürt diese und jene Zeugen auf; es gelingt ihm schließlich, den Schuldigen dingfest zu machen. Das ist wieder ganz einfach, selbstverständlich und souverän von O. E. Hasse gespielt.

Und der Verbrecher ist wiederum Martin Held, auch er ganz überzeugend, wie aus dem Leben gegriffen. Es ist wohl kein Zufall, daß diese beiden vorzüglichen Schauspieler, die ja schon vorher viel gefilmt haben, gerade unter Weidenmann so Vortreffliches leisten.

Weidenmann hat wirklich den Finger am Puls der Zeit. Seine Gerichtsverhandlungen sind wirkliche Gerichtsverhandlungen, sein Zeitungshaus ist ein wirkliches Zeitungshaus, obwohl die Kritiken nachher bemängeln, daß es nicht so ist. Das tun sie immer, wenn eine Szene auf einer Redaktion spielt.

Wie dem auch sei: in Weidenmanns Film ist nichts mehr von Theater, nichts mehr von Film, da ist nichts gestellt, da gibt es keine Schminke, keine Perücken. Da hat man immer wieder das Gefühl, wie schon in 'Canaris', daß Teile des Films aus einer Wochenschau geschnitten sein müßten.
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Ein Film über den eisernen Vorhang - „Himmel ohne Sterne"

Auch Helmut Käutner kommt mit einem Zeitfilm heraus, einem, dessen Thema eigentlich enorm interessieren müßte. Ursprünglich nannte er seinen Film „Es gibt eine Grenze", und gerade davon handelte der Film, nämlich von der Grenze, die quer durch Deutschland verläuft, die Ost und West trennt, sinnlos trennt, weil die östlichen Machthaber es so wollen.

Der Film heißt dann schließlich „Himmel ohne Sterne" - eine Liebesgeschichte, die zwischen Ost und West spielt. Die Geschichte derer, die nicht zusammenkommen können. Eine etwas triviale Geschichte - aber so trivial, so banal ist eben die Realität in Deutschland heute.

Im Hintergrund ein paar vorzüglich gesehene Figuren. Die schon satten Westler, die die Brüder im Osten fast abgeschrieben haben. Ein russischer Soldat mit einem guten Herzen. Ein Berliner Lastwagenfahrer, der mit allen Wassern gewaschen ist.

Als Russe ist der blutjunge Horst Buchholz - noch hat er kaum gefilmt - eine kleine Sensation. Als Chauffeur zeigt Georg Thomalla endlich einmal, daß er mehr kann, als Klamauk machen. In anderen kleinen Rollen herrlich: Gustav Knuth, Camilla Spira, Erich Ponto.
Nur das Liebespaar bleibt ein wenig blaß.
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Aber: Die Leute wollen soetwas einfach nicht sehen.

Aber was tut's? Diese Geschichte geht ja alle in Deutschland an, müßte alle angehen. Und daher müßte der Film ein Sensationserfolg werden. Man sollte erwarten, daß die Menschen in die Kinos strömen, wo immer er gespielt wird, um wenigstens auf diese, doch eigentlich recht bequeme Art gegen das ungeheure Unrecht, gegen den grauenhaften Unsinn dieser Grenze zu demonstrieren.

Nichts von alledem geschieht. Käutner wird offiziell belobigt, man klopft ihm von Bonn aus auf die Schulter, er bekommt auch irgendwelche Preise - und der Film fällt durch. Ja, ein anderes Wort ist wirklich nicht zu gebrauchen. Die Leute wollen das einfach nicht sehen.

Die Leute wollen vergessen, was in diesem Film gezeigt wird. Sie sind eben wirklich nicht viel besser als die satten Westler, Gustav Knuth und Camilla Spira, die Käutner uns vorführt. Oder nimmt man es ihm übel, daß er keinen anti-östlichen Film gemacht hat? Daß er die Schuldfrage offenläßt, obwohl es ja kaum eine Frage ist, wer die Schuld trägt daran, daß es mehr als zehn Jahre nach Kriegsende so ist?
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