"Das gibt's nur einmal" - die Film-Fortsetzung 1945 bis 1958
Der Schriftsteller Curt Riess (1902-1993 †) hatte 1956 und 1958 zwei Bücher über den Deutschen Film geschrieben. Als Emigrant in den USA und dann Auslands-Korrspondent und später als Presseoffizier im besetzten Nachkriegs-Berlin kam er mit den intessantentesten Menschen zusammen, also nicht nur mit Filmleuten, auch mit Politikern. Die Biografien und Ereignisse hat er - seit 1952 in der Schweiz lebend - in mehreren Büchern - wie hier auch - in einer umschreibenden - nicht immer historisch korrekten - "Roman-Form" erzählt. Auch in diesen beiden Filmbüchern gibt es jede Menge Hintergrund- Informationen über das Entstehen der Filme, über die Regisseure und die kleinen und die großen Schauspieler, das jeweilige politische Umfeld und die politische Einflußnahme. Die einführende Seite dieses 2. Buches finden Sie hier.
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WIE DIE MUTTER
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Der Erfolg Romy Schneiders ........
Über Romy Schneider ist viel geschrieben worden, viel zuviel. Das hat weniger seinen Grund darin, daß das junge Mädchen eine so schnelle und in jeder Beziehung unwahrscheinliche Karriere machte, als vielmehr darin, daß es so wenig Schauspieler und Schauspielerinnen gibt, über die es sich zu schreiben lohnte.
Neben denen, die sich nicht genug tun konnten in ihren Begeisterungsschreien über das kleine Mädchen, gab es auch Stimmen der Kritik, ja, der Ablehnung. Insbesondere gab es viele Kritiker, die meinten, der Erfolg Romy Schneiders sei gar kein echter Erfolg, er sei gemacht, inszeniert, gestellt.
Aber jeder, der die Geschichte des Films kennt, weiß, daß es so etwas wie gestellten Erfolg überhaupt nicht gibt. Ein wirklicher Erfolg, der über eine Stadt oder einen Film hinausgeht, ist niemals zu „machen".
Er ist aber kein Zufall .....
Ein Erfolg, der weit über die Landesgrenzen hinaus immer stärker wird, der sich erst mit dem vierten und fünften Film wirklich bekräftigt, der überhaupt nicht an irgendeinen Teil des Publikums gebunden ist, etwa an die jungen und ganz jungen Leute, sondern das ganze Publikum schließlich hinter sich hat - ein solcher Erfolg ist kein Zufall.
Er hängt ohne Zweifel mit der Zeit zusammen. Die Zeit war reif für Romy Schneider. Aber er hängt mehr noch mit der Person Romy Schneiders zusammen.
Sie wurde in Wien geboren, wuchs in Berchtesgaden in ländlicher Einfachheit heran, die Erziehung war streng, sie bekam kein größeres Taschengeld als ihre Freundinnen, lebte wie diese, hatte einen Hund, Kanarienvögel, sie liebte überhaupt alle Tiere, besonders Pferde ...
Ganz Deutschland kannte Magda Schneider
Freilich, die Mutter war eine bekannte Filmschauspielerin, ein Star. Ganz Deutschland kannte Magda Schneider, und selbstverständlich wußte ihre Tochter auch in der Abgeschiedenheit von Berchtesgaden, auch im katholischen Internat in Salzburg, wer ihre Mutter war. Magda Schneider gehörte immer zu jenen Schauspielerinnen, die ihren Beruf nicht überschätzten.
Den Tag verbrachte sie im Filmatelier. Wenn sie abends nach Hause kam, wollte sie nichts mehr vom Film wissen - nicht nur, weil sie es für besser hielt, daß ihre Kinder von dieser Seite des Lebens erst möglichst spät erfuhren. Sie selbst hatte auch genug davon.
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Magda Schneider wuchs in Augsburg auf
Vielleicht sollten hier ein paar Worte über Magda Schneider gesagt werden, deren Leistung ja aus der klassischen Periode des deutschen Films nicht wegzudenken ist. Sie wuchs in Augsburg auf. Ihr Vater, ein Kaufmann, wünschte, daß seine Tochter einen kaufmännischen Beruf erlerne, eine Bürotätigkeit ausübe, wozu sie indessen keinerlei Lust hatte.
Auch waren ihre Augen nicht gut genug, um eine perfekte Sekretärin zu werden. Sie nahm Gesangstunden und trat in die Ballettschule des Augsburger Stadttheaters ein. Das Theater ließ sie schließlich - die Eltern hatten in der Inflation ihre Ersparnisse verloren - kostenlos ausbilden.
Sie hatte einen kleinen Sensationserfolg - in Augsburg natürlich - als sie innerhalb weniger Stunden für eine erkrankte Kollegin als Adele in der „Fledermaus" einsprang. Sie wurde als Operettensängerin an das Münchner Gärtnerplatz-Theater geholt, bekam kleine Rollen im Film.
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Und dann kam eines Tages die große Chance.
Joe May suchte eine junge unbekannte Darstellerin für seinen Film „Zwei in einem Auto". Magda Schneider fuhr nach Berlin - übrigens recht skeptisch. Schließlich hatte der berühmte Joe May nicht auf sie gewartet!
Aber da geschah das Wunder. Als Joe May sie sah, rief er aus: „Auf Sie habe ich gewartet!" und engagierte sie.
Nicht nur Joe May hatte auf das sympathische junge Mädchen gewartet. Es schien, als habe das Filmpublikum auf sie seit Jahren gewartet und sei glücklich, sie gefunden zu haben. Magda Schneider eilte von Erfolg zu Erfolg.
„Fräulein, falsch verbunden!" war der Durchbruch, „Liebelei" ihre erste tragische Rolle - sie spielte mit Wolfgang Liebeneiner, mit Gustaf Gründgens, mit Luise Ullrich. Sie spielte nun in vielen Filmen große Rollen.
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Der Erfolg blieb ihr treu.
Es war der Erfolg einer sehr kompetenten, sehr professionellen Schauspielerin, die ihr Handwerk konnte und verstand, niemals Starallüren zur Schau trug, obwohl sie längst Star geworden war.
Es war der Erfolg einer liebenswerten, sehr sympathischen jungen Frau, die, wie vorher Renate Müller, dem Publikum das Gefühl vermittelte, daß man sie eigentlich kenne und sehr gut kenne, daß diese Magda Schneider im Grunde genommen eine von vielen, eine von Tausenden sei, die in den Kinos saßen und zusahen.
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Nur ... Magdas junger Gatte war nicht treu ........
Magda heiratete dann den Wiener Schauspieler Wolf Albach-Retty. Die Ehe, die zuerst sehr glücklich war, mußte später geschieden werden, weil ...
Nun, weil der junge Gatte nicht nur seiner Frau, sondern so vielen Frauen sehr gut gefiel und den Fehler hatte, niemals oder doch nur selten, viel zu selten nein sagen zu können.
Romy war also nicht nur die Tochter einer Schauspielerin, sie war auch väterlicherseits „belastet". Und wenn auch Wolf Albach-Retty sicher nicht ein Schauspieler ist, dessen Talente über das Mittelmaß hinausgehen - so stammt doch wohl von seiner Seite die entscheidende erbliche „Belastung".
Denn seine Mutter Rosa Albach-Retty war - und ist heute noch - eine große Schauspielerin, ein Star des Wiener Burgtheaters. Viel von ihrer außerordentlichen Begabung muß sich auf die Enkelin übertragen haben.
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Romy wußte mehr vom Film als die Mutter ahnte
Die Mutter hatte dafür gesorgt, daß die Tochter nichts oder doch so gut wie nichts vom Filmbetrieb erfuhr. Aber wenn sie annahm, daß ihre Tochter nicht doch eine Menge wußte, irrte sie. Romy war ein kleines Mädchen wie alle anderen. Infolgedessen schwärmte sie - wie alle anderen - für die großen und kleinen Filmstars, und sie bekam natürlich manchen auf der Leinwand zu sehen, denn in Berchtesgaden kam man als Einheimische auch ins Kino, selbst wenn der Eintritt für Jugendliche verboten war.
Romy hat seit frühester Kindheit den Wunsch, auch einmal Filmschauspielerin zu werden. Das hat mit der Mutter überhaupt nichts zu tun. Sie ist eben wie andere junge Mädchen. Welches junge Mädchen hat nicht einmal den Wunsch gehabt, Filmschauspielerin zu werden? Romy sieht ja, zum Unterschied von vielen anderen jungen Mädchen, daß das Leben eines Stars nicht nur eitel Glück und Wonne ist, daß die Mutter oft Sorgen hat, daß es viele Schattenseiten im Leben auch für berühmte Schauspielerinnen gibt.
Aber das vergißt sie schnell, wenn sie mit ihren Freundinnen vor der Leinwand des kleinen Kinos in Berchtesgaden sitzt und sich in eine andere Welt hinüberträumt.
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Romy "bekam" inzwischen einen neuen Papa .....
Inzwischen hat die Mutter wieder geheiratet, inzwischen hat die Familie beschlossen, daß Romy, die sehr hübsch zeichnen kann, eine kunstgewerbliche Ausbildung genießen soll, damit sie sich später einmal ernähren kann.
Weder der zweite Mann der Mutter, ein gescheiter und erfolgreicher Kaufmann aus dem Rheinland, noch die Mutter selbst ahnen, daß ihre Tochter demnächst eine ganz andere Karriere machen wird - und eine blitzartige Karriere dazu.
Kurt Ulrich ist in München - Magda soll wieder spielen
Da greift das Schicksal ein in Gestalt des etwas korpulenten Direktors der BEROLINA: Kurt Ulrich verhandelt in München mit Magda Schneider. Die hat nach dem Kriege kaum noch gefilmt, und da Ulrich - wir haben darüber ja schon gesprochen - ein Mann der Reprisen ist, einer, der das Gute, Alte, Bewährte immer wieder hervorholt, hat er den naheliegenden Gedanken gehabt, Magda Schneider wieder einmal - und wenn es schiefgeht, zum letzten Mal - vor die Kamera zu stellen.
Ein naheliegender Gedanke, gewiß, aber man muß zugeben, daß Ulrich und sonst niemand ihn hatte. Erstaunlich, wenn man bedenkt, daß es in Magda Schneiders Karriere bis in ihren letzten Film hinein niemals einen wirklichen Mißerfolg gab.
Der Film, in dem sie auftreten soll, heißt „Wenn der weiße Flieder wieder blüht", und Regie soll Hans Deppe führen, der sich freilich während der letzten Drehtage seines vorhergehenden Films das Bein gebrochen hat und in einer Münchner Klinik liegt. Daher ist Ulrich auch nach München gefahren, und die Unterhaltung mit Magda Schneider findet dort statt.
Die Verhandlung ist kurz. Man ist sich schnell einig über den Vertrag. Magda Schneider hat schon unterzeichnet, sie steht in der Tür, in ein paar Stunden geht der Zug, der sie zu ihrem Mann nach Köln bringen soll.
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Kurt Ulrich wird hellhörig - es gibt da eine Tochter ??
Vorher will sie noch mit ihren Kindern in Berchtesgaden telephonieren, sagt sie Ulrich. Der ist erstaunt. Kinder? Er erinnert sich nicht. Und als Magda ihm erzählt, daß sie einen Sohn und eine Tochter besitzt, wird er plötzlich neugierig.
„Mensch, wie alt is denn die Kleene?" „Fünfzehn!"
Ulrich ist plötzlich wie verwandelt. Er hat eine Idee.
Da gibt es nämlich ein junges Mädchen in dem Film, eine etwa siebzehnjährige (Film-) Tochter Magda Schneiders. Wie wäre es, wenn die (Film-) Tochter im Film von der wirklichen Tochter Magda Schneiders im Leben gespielt würde? Das wäre schon aus Gründen der Reklame gut.
Romy als die Tochter eines berühmten Schlagersängers
Übrigens ist es auch eine gute Rolle, die Romy spielen soll, nämlich die Tochter eines berühmten Schlagersängers, die mit ihrer Mutter in einer kleinen Stadt lebt. Sie ahnt nicht, wer ihr Vater ist. Da kommt der Vater - Willy Fritsch soll ihn spielen - während einer Tournee in das betreffende Städtchen. Und nun erfährt Evchen, so heißt das junge Mädchen, von ihrer Mutter die wahren Zusammenhänge. Überflüssig zu sagen, daß dann alles noch gut ausgeht ...
Das tut es ja in BEROLINA-Filmen immer. Vorläufig weigert sich Magda Schneider ganz entschieden, ja zu sagen. Romy soll auf eine Kunstgewerbeschule. Romy hat nicht einen Tag Schauspielunterricht genossen! Sie würde es gar nicht schaffen!
Außerdem: sie war ja bis jetzt so behütet! Und jetzt soll sie in dieses Filmleben hinein, in dem jeder gegen jeden kämpfen muß, jeder darauf gefaßt sein muß, daß ihm sein Partner, sein bester Freund einen kleinen Dolch in den Rücken stößt! Nein! Man kann gegen Direktor Ulrich von der BEROLINA viel sagen - nicht, daß er keine Nase besitzt.
Man bedenke: er hat Romy um diese Zeit noch nicht gesehen. Er weiß nicht einmal genau, wie sie aussieht, obwohl er vermuten darf, daß eine Tochter Magda Schneiders und Wolf Albach-Rettys nicht gerade häßlich sein wird.
Direktor Ulrich besteht auf Probeaufnahmen
Trotzdem besteht er darauf: das Mädchen soll aus Berchtesgaden geholt, dem Regisseur vorgeführt werden. Es sollen Probeaufnahmen gemacht werden. Und er zweifelt nicht im geringsten daran, daß Romy ihm und dem Regisseur gefallen, daß der Vertrag mit ihr zustande kommen wird. Magda hat um so größere Zweifel.
Die nächsten Stunden überlegt sie sich alles zwanzigmal, hundertmal. Nein, sie ist nicht nach Köln gefahren, sie ist in München geblieben, aber sie hat ihren Mann angerufen. Der meint sehr vernünftigerweise, dergleichen müsse die Mutter selbst entscheiden. Aber wie? Sie begreift, daß dies eine große Chance für Romy sein kann.
Die Mutter ebnet die große Chance in Romis Leben
Sie begreift auch, daß dies das Leben Romys von Grund auf verändern wird. Hat sie, die Mutter, das Recht, dem Mädchen eine solche Chance zu verbauen? Sie schon so früh auf das Leben loszulassen? Sie überlegt immer wieder. In dieser Nacht tut sie kaum ein Auge zu. Später wird sie sagen, daß sie immer wieder aufstand, sich Notizen machte, das eine gegen das andere abwog und doch nicht recht wußte, was sie tun sollte.
Und dann - es dämmerte bereits - fällt ihre Entscheidung wie folgt aus: Magda ist bereit, ihre Tochter nach München kommen, sie ist auch bereit, die Probeaufnahmen machen zu lassen. Und wenn alles gut geht, wenn die Probeaufnahmen zufriedenstellend ausfallen? Auch dann soll die endgültige Entscheidung noch nicht getroffen werden.
Drei, vier Tage lang soll Romy im Atelier stehen, unter den wachsamen Augen der Mutter, wohlgemerkt. Dann glaubt Magda übersehen zu können, ob sie ja sagen darf oder nein sagen muß. Ulrich erklärt sich mit allem einverstanden. Er zweifelt nicht einen Augenblick daran, daß alles sich aufs beste ordnen wird. Er hat ja seine berühmte Nase.
Außerdem kennt er Schauspieler. Schauspieler, die einmal Blut geleckt haben, können nicht mehr zurück. Und Romy, Tochter einer Schauspielerin und eines Schauspielers, dürfte keine Ausnahme von der Regel bilden.
Romy wird also nach München geholt, Hans Deppe vorgeführt, der mit seinem gebrochenen Bein mehr oder weniger malerisch im Bett liegt. Und ... Romy wird Direktor Ulrich vorgeführt.
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Zwei Männer rufen „Das ist sie!"
Regisseur und Produzent sehen einander an. „Das ist sie!" rufen sie wie aus einem Munde. Die Probeaufnahme gelingt. Die ersten drei, vier Tage gehen wie im Flug vorbei.
Es scheint, als habe Romy Schneider ihr ganzes Leben im Filmatelier verbracht, so leicht wird ihr die Arbeit, so selbstverständlich tut sie alles, was der Regisseur von ihr verlangt. Dabei steht sie zum ersten Male in einem Filmatelier, weiß überhaupt nicht Bescheid und stellt die naivsten und manchmal absurdesten Fragen. Vorübergehend glaubt der Regisseur, glauben die anderen im Atelier, das alles sei gestellt, Romy spiele eine Rolle, die sie mit der Mutter vorher geprobt hat, die Rolle des unwissenden jungen Mädchens. Denn so viel Unkenntnis, gekoppelt mit einer solchen Meisterschaft der Darstellung, ist einfach nicht glaubhaft.
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Romy Schneider ist natürlich keine vollendete Schauspielerin.
Das Wort Meisterschaft muß zurückgenommen werden. Romy Schneider ist natürlich keine vollendete Schauspielerin. Wie könnte sie auch eine sein? Aber sie trifft alles mit so sicherem Instinkt, mit einer solchen Selbstverständlichkeit, daß die alten Filmhasen im Atelier gar nicht anders können, als vermuten, sie müsse mit ihrer Mutter „geübt" haben.
Nun, Romy hat nicht mit ihrer Mutter geübt. Magda Schneider hat in weiser Zurückhaltung überhaupt keine Ratschläge erteilt - sie weiß, daß alles schief gehen kann, wenn man einem jungen Mädchen die Ursprünglichkeit nimmt. Sie sitzt ruhig abwartend im Hintergrund und sieht zu, wie ihre Tochter in die ersten Szenen geht.
Vielleicht ist das Wort ruhig nicht ganz richtig gewählt. Nein, ruhig war Magda wirklich nicht, als sie ihre Tochter zum ersten Mal im Licht der Jupiterlampen sah. Und sie kann viele Wochen, ja, Monate lang nicht ruhig bleiben, wenn sie sie beobachtet. Was sich vor ihren staunenden Augen vollzieht, grenzt für sie noch mehr ans Wunderbare als für die anderen.
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Auf einmal ist Romi kein Kind mehr ...
Die anderen, die Romy nicht oder nur flüchtig kennen, wissen ja nicht, daß sie eigentlich der natürlichste Mensch von der Welt ist, ein Kind, das sich niemals verstellt hat und dem Verstellung ganz fremd ist. Nun vollzieht sich ganz plötzlich, sozusagen übergangslos eine vollkommene Verwandlung.
Ihr Kind Romy ist es nicht mehr. Das junge Mädchen, auch der kleinsten Notlüge unfähig, ist plötzlich eine ganz andere, ein anderes Wesen, sagt, was sie selbst nie sagen, tut, was sie selbst nie tun würde - und sagt und tut es doch mit der größten Selbstverständlichkeit.
Wie hängt das zusammen? Wie ist das möglich? Die Mutter beobachtet aus der Kulisse, wie Romy in eine Szene „hineinsteigt". Sie hat sich alles vom Regisseur erklären lassen, hat ihre Rolle gelernt, weiß, was sie sagen, was sie fühlen soll - und plötzlich macht sie einen Schritt, plötzlich sagt sie ein Wort, und Magda und alle anderen fühlen: Romy weiß nichts mehr - sie ist.
Ja, jetzt ist sie in der Szene drin! Jetzt ist sie genau das, was sie sein soll. Ja, noch mehr! Romy ist nicht nur in der Szene drin, Romy spielt sie mit solcher Intensität, erlebt sie so stark, daß sich die Mutter beklommen fragt: Wie wird das weitergehen? Wie kann sie das durchhalten?
Später wird sie, um ihren Eindruck zu beschreiben, das Bild eines Rennfahrers gebrauchen, der mit solcher Wucht in eine Kurve hineinrast, daß man fürchten muß, er werde herausgeschleudert werden.
Das ungefähr fürchtet Magda Schneider auch für ihre Tochter. Das kann Romy ja nicht durchhalten! Das kann nicht gut ausgehen! Aber es geht immer gut aus. Romy Schneider hält alle Szenen durch. Sie hält - und das ist wohl das Entscheidende - ihre Natürlichkeit, ihre Unbefangenheit durch. Nichts wirkt je bei ihr gemacht, geprobt oder gar erprobt.
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Romi oder ihr Talent ist ein Phänomen .... für alle ...
Es ist ein Phänomen, das den Regisseur nicht weniger erschüttert als die Mutter. Das alle diejenigen erschüttert, die späterhin mit Romy Schneider zu tun haben werden.
Regisseur Ernst Marischka (für Romi Onkel Ernst) wird, wenn er mit ihr arbeitet, gelegentlich sogar die Probe aufs Exempel machen, wie um sich selbst zu überzeugen.
Er wird Romy absichtlich irreleiten, das heißt ihr vorschlagen, eine Szene auf eine Weise zu spielen, wie sie nicht gespielt werden darf - nicht nach der Anlage der Rolle, wie sie in bereits gedrehten Szenen sichtbar wurde -, nur um festzustellen, ob Romy mit der gleichen Natürlichkeit, mit der sie seinen richtigen Intentionen folgt, auch falschen, folgen würde.
Magda Schneider wird das später, wie folgt, beschreiben:
„Romy tat alles, was Marischka ihr sagte, schien aber seltsam gehemmt. Darüber befragt, erklärte sie, als die Szene abgedreht war:
'Onkel Ernst, ganz zufrieden bin ich nicht. Ich möchte es noch einmal versuchen, und eigentlich ein wenig anders ...'
Und dann spielte sie die Szene noch einmal so, wie sie eigentlich gespielt werden sollte. Ernst Marischka und wir alle standen daneben und waren starr vor Staunen."
Ja, es ist schon etwas Merkwürdiges um die wirkliche Verwandlung, die eigentlich mit Schauspielkunst kaum noch etwas zu tun hat und deren so wenig Menschen fähig sind. Sie ist nicht zu erzwingen, nicht anzutrainieren.
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Romy Schneider steht vor der Kamera.
Man hat ihr kaum gesagt, was sie zu machen, niemals, wie sie es zu machen hat. Und doch ist sie plötzlich - eben verwandelt. Ein Wunder? Ja, ein Wunder.
Daher ist es auch kein Wunder, daß Millionen Menschen überall auf der Welt in ihre Filme strömen und weinen, wenn sie traurig, lachen, wenn sie lustig ist ...
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