"Das gibt's nur einmal" - die Film-Fortsetzung 1945 bis 1958
Der Schriftsteller Curt Riess (1902-1993 †) hatte 1956 und 1958 zwei Bücher über den Deutschen Film geschrieben. Als Emigrant in den USA und dann Auslands-Korrspondent und später als Presseoffizier im besetzten Nachkriegs-Berlin kam er mit den intessantentesten Menschen zusammen, also nicht nur mit Filmleuten, auch mit Politikern. Die Biografien und Ereignisse hat er - seit 1952 in der Schweiz lebend - in mehreren Büchern - wie hier auch - in einer umschreibenden - nicht immer historisch korrekten - "Roman-Form" erzählt. Auch in diesen beiden Filmbüchern gibt es jede Menge Hintergrund- Informationen über das Entstehen der Filme, über die Regisseure und die kleinen und die großen Schauspieler, das jeweilige politische Umfeld und die politische Einflußnahme. Die einführende Seite dieses 2. Buches finden Sie hier.
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SECHSTERTEIL • ZWISCHEN GESTERN UND MORGEN
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ALBERS BLEIBT ALBERS
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Die Hauptrolle ? Die muß Hans Albers spielen!
In Berlin will Erich Pommer den ersten Film mit amerikanischer Lizenz drehen lassen. Der Ungar Josef von Baky, der Regisseur des „Münchhausen"-Films, ist dazu auserwählt worden. Die Hauptrolle? Aber darüber gibt es doch gar keine Diskussion! Die muß Hans Albers spielen!
Wo steckt denn Hans Albers? Er hat bis zuletzt, als schon die Russen in Reichweite waren, in Prag gedreht. Dann ist er, ohne sich sonderlich zu beeilen, nach Hause gefahren. Nach Hause - das ist Garatshausen am Starnberger See. Dort erwartet man stündlich die Amerikaner. Statt dessen kommen die Franzosen. Ein junger französischer Unteroffizier, der das Haus beschlagnahmt, gibt die bestürzende Erklärung ab: „Den Albers hängen wir an den nächsten Baum!"
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Albers wird nicht aufgehängt ....
Dies geschieht dann doch nicht. Es stellt sich nämlich heraus, daß der junge französische "Krieger" Albers mit dem Verleger des „Völkischen Beobachters", Max Amman, verwechselt hat. Ja, Albert darf sogar in seinem Hause wohnen bleiben. Allerdings muß er mit seiner Haushälterin in den zwei oberen Räumen logieren, während der untere, größere Teil des Hauses von den Franzosen requiriert wird.
Drei Krankenschwestern ziehen dort ein, die allerdings keine sind, sondern hübsch und jung - und die allnächtlich und manchmal sogar tagsüber Herrenbesuche empfangen. Das ist eben der Krieg - auch nach Kriegsende!
Später erzählt eine Dame, die damals in der Nachbarschaft wohnte: „Es war die schlimmste Zeit, die Albers durchmachte! Denn kein Mensch kümmerte sich um ihn, niemand schien auch nur zu wissen, wer er war . . ."
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Alte Liebe rostet nicht ...
Eines Tages fährt ein Jeep vor. Heraus springt eine zauberhafte Frau in amerikanischer Uniform: Marlene Dietrich. Sie bringt den französischen Filmschauspieler Jean Gabin mit.
Umarmung. Albers weint ein bißchen - er ist ja so leicht gerührt! Man bleibt den ganzen Abend, die halbe Nacht zusammen, ißt Gselchtes mit Sauerkraut, trinkt viele Flaschen Wein. Marlene spricht mit den Franzosen, bei denen sie ungemein populär ist, und es gelingt ihr, sie zum Abzug aus dem Hause von Albers zu bewegen.
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Lida Baarova gibt es auch noch ....
Plötzlich taucht Lida Baarova auf. Als sie noch die Freundin des Dr. Goebbels war, wollte Albers nichts mit ihr zu tun haben. Aber als er vor kurzem in Prag krank wurde, pflegte sie ihn. Nun sucht sie Unterschlupf.
Schon zwei Tage später dringen Soldaten der amerikanischen CIC ins Haus und verhaften sie. Vermutlich will man von ihr einiges über Goebbels erfahren. Nach zwei weiteren Tagen ist sie wieder frei. Sie mietet sich irgendwo am Starnberger See ein Haus, und eines Morgens schwimmt sie zum Grundstück von Albers.
Große Szene. Die Baarova beschuldigt Albers: „Das hast du mir eingebrockt!" Sie ist ganz außer sich. Sie versteht überhaupt nicht, wie irgend jemand auf die Idee kommen konnte, sie festzunehmen oder gar zu verhören. Hat sie denn vergessen, welch prominente Rolle sie im Dritten Fveich spielte?
Sie hat wohl schon alles vergessen. Trotzdem: Ein paar Tage später wird sie wieder verhaftet und den Tschechen ausgeliefert. Schließlich ist sie Tschechin. Und Prag bereitet gegen sie einen Prozeß wegen Spionage vor.
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Künstler bekamen damals nur "Hungerrationen"
Es scheint zuerst fast, als solle Albers seine Tage als Gutsbesitzer am Starnberger See beenden. Zwar wird in Deutschland bereits wieder Theater gespielt, aber das geht unter äußerst primitiven Bedingungen vor sich; es wird in ungeheizten Sälen gespielt, da ja die meisten Theater zerbombt sind; die Künstler können bei den Hungerrationen die Proben kaum durchhalten.
Das ist etwas für junge Schauspieler, nichts für einen arrivierten Star wie Hans Albers. Und so geschieht das Ungeheuerliche: im nahen München wird „Liliom" vorbereitet.
Und man fragt Albers nicht einmal, ob er seine alte Rolle übernehmen will. Ein junger Schauspieler namens Curd Jürgens beginnt hier seine große Karriere. Die weibliche Hauptrolle spielt Heidemarie Hatheyer.
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Ein Lauffeuer geht durch Berlin : Albers ist wieder da!
Aber es wäre übertrieben zu behaupten, daß Aibers vergessen ist. Eines Tages erreicht ihn ein Telegramm aus Berlin. Karlheinz Martin hat es abgeschickt, einst Direktor der Volksbühne, als Albers dort den „Liliom" spielte, der Regisseur, unter dem er diesen seinen größten Erfolg hatte.
Inzwischen ist Martin von den Amerikanern in Berlin zum Intendanten des Hebbel-Theaters gemacht worden, das einst „Theater in der Königgrätzerstraße" hieß und in dem Albers in „Rivalen" spielte. Martin depeschiert also: „Willst du nicht wieder den 'Liliom' in Berlin spielen? Und ob Albers will!
Am nächsten Morgen weiß ganz Berlin die sensationelle Neuigkeit: Albers ist wieder da! Und er spielt „Liliom" Abend für Abend, spielt ihn mit letzter Hingabe. Niemals hat er so gern Theater gespielt wie jetzt.
Er spielt den Liliom im Sommer und Herbst 1946 in Berlin, geht dann auf Tournee, spielt in allen größeren und kleineren deutschen Städten.
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Der tolle Albers soll jetzt mal einen Vater spielen
Um diese Zeit hat Erich Pommer schon den Entschluß gefaßt, den ersten amerikanisch lizenzierten Film in Berlin drehen zu lassen. Das soll gewissermaßen eine Demonstration sein. Berlin bleibt für ihn die Hauptstadt des deutschen Films, trotz allem, was sich jetzt, gewissermaßen vor seiner Nase, abspielt, trotz der Gewaltmaßnahmen, die die Russen in Berlin ergreifen, trotz der Versuche der DEFA, die alleinige Führung im Film an sich zu reißen.
Und wer sonst als Albers könnte, muß diesen ersten westlichen Film spielen? Gerhard Grindel, der bekannte Berliner Journalist, soll das Drehbuch schreiben.
Josef von Baky, der die Regie führen wird, hilft bei der Arbeit. Grindel und Baky haben einen fast revolutionären Entschluß gefaßt. In diesem Film soll Albers nicht die Rolle spielen, die er bisher in fast allen seinen Filmen gespielt hat. Er soll nicht mehr der Unwiderstehliche sein, der Einzige, er soll einen - Vater spielen. Wird er das wollen?
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Ferngespräche ? Die sind damals noch unmöglich
Es ist nicht leicht, Albers davon zu überzeugen, daß er den Vater eines erwachsenen Sohnes spielen soll. Baky und Grindel haben lange überlegt, wie sie Albers, der um diese Zeit wieder nach Garatshausen zurückgekehrt ist, die Neuigkeit beibringen sollen.
Ferngespräche sind noch unmöglich. Eine Reise von Berlin nach Garatshausen kommt für Baky und Grindel genausowenig in Frage wie unter normalen Verhältnissen eine Reise nach dem Nordpol, obwohl diese - unter normalen Verhältnissen - ohne Zweifel weniger strapaziös sein würde. Briefe gehen auf unerklärliche Weise verloren.
Als Albers schließlich wieder in Berlin eintrifft, schicken Baky und Grindel ihm das Drehbuch. Aber sie selbst erscheinen nicht. Sie warten ...
Alle warten ... wer hat die besseren Nervern ?
Albers wartet auch. Er sitzt am Tirpitz-Ufer in der Behelfswohnung, die ihm die Direktion des Hebbel-Theaters besorgt hat. Er hat die besseren Nerven. Schließlich erscheinen Baky und Grindel. Als sie eintreten, starrt Albers sie mißgelaunt an. Auf seinem Schoß liegt das bewußte Drehbuch.
Endlich wendet sich Albers an Grindel: „Sagen Sie mal, sind Sie vielleicht mit Professor Bumm verwandt?" Grindel ist völlig verdattert. Albers klärt ihn auf. „Professor Bumm - das war einmal der Leiter einer bekannten Berliner Frauenklinik, der vielen Männern dazu verhalf, Vater zu werden."
Der Bann ist gebrochen. Alle lachen. Hans Albers ist bereit, die Rolle des Vaters zu spielen.
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Die Story von „ ... und über uns der Himmel"
Worum geht es in diesem Film, der den schönen Titel: „ ... und über uns der Himmel" erhält?
Ein Heimkehrer aus der Kriegsgefangenschaft stellt fest, daß Geld, Lebensmittel und überhaupt alle Waren knapp geworden sind. Er beginnt Schwarzmarktgeschäfte, in immer größerem Umfange, als nun sein Sohn als Kriegsblinder heimkehrt, unfähig, selbst zu verdienen.
Die schönste Szene des Films: Der Vater fährt mit dem kriegsblinden Sohn in einer Pferdedroschke durch ein Berlin, das in Trümmern liegt. Der Blinde sieht nichts von den Trümmern. Er sieht - und wir sehen mit ihm - das Berlin, wie es einmal war: prächtige Straßen, elegante Villen, Kirchen, Theater, Kinos; unbeschwerte Menschen gehen heiter oder eilig ihren Geschäften nach.
Und der Blinde lächelt, weil er sich das alles im Geiste vorstellen kann. Neben ihm aber sitzt sein Vater, der nichts sieht als die Ruinen, die verhungerten und verzweifelten Menschen - wir sehen das alles mit seinen Augen: am liebsten möchte er weinen ...
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Die Story geht weiter ....
Der Vater verschreibt sich ganz dem Schwarzen Markt, geht in Schieberlokalen ein und aus, ist im Begriff, völlig zu versumpfen.
Erst eine Minute, bevor es zu spät ist, begreift er dann, daß man so nicht leben kann, gibt die Schwarzmarktgeschäfte auf und wird wieder ehrlich. Man muß wieder anständig leben, auch wenn es einem schwerfällt.
Also ein Film mit einer Moral. Eine Moral, die um diese Zeit in Deutschland nicht gerade populär ist und in Berlin schon gar nicht. Denn, wer in Berlin um diese Zeit nicht schiebt, der muß verhungern.
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Es ist der erste (West-) Berliner Film nach Kriegsende
Der Film geht ins Atelier. Allen ist ein bißchen feierlich zumute. Dies ist ja - sieht man von den DEFA-Filmen ab, die sowjetisch kontrolliert sind - der erste Berliner Film nach Kriegsende. Die Arbeiter und Beleuchter warten auf Albers. Cognac wird gereicht. Albers soll eine kleine Rede halten.
„Machen wir!" sagt Albers und füllt die Gläser. „Prost!" Das ist seine ganze Rede. Trotzdem: die Luft um Albers ist irgendwie „geladen!" Das hat mit den „Negern" zu tun.
Neger - so nennt man in der Filmsprache die schwarzen Tafeln, auf denen mit weißer Kreide der Text einer Rolle geschrieben steht. Sie werden von Schauspielern benutzt, die ihre Rolle aus diesem oder jenem Grunde nicht lernen wollen.
Hans Albers - jeder in der Filmindustrie weiß das - arbeitet seit Jahren mit solchen „Negern". Wenn er sie anstarrt, wirkt das auf das Publikum so, als ob seine Augen träumerisch in die Ferne schweiften. Manche Regisseure lieben diesen Effekt. Baky liebt ihn nicht.
Er hat schon in „Münchhausen", dem ersten Film, den er mit Albers machte, versucht, mit den „Negern" aufzuräumen. Diesmal ist er aber entschlossen, sich schlimmstenfalls auch gegen Albers durchzusetzen. Der ahnt nichts Böses.
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„Wo sind denn die schwarzen Ottos?"
Bakys Augen, so dunkel unter seinem schneeweißen Haar, richten sich mit kindlicher Ahnungslosigkeit auf seinen Star. „Wovon reden Sie?"
„Von den schwarzen Dingsbums, den Eskimos oder Negern ..."
Pause. Dann: „Keine da!"
„Keine da!" Das ist ein Schrei gen Himmel.
Und jetzt wird es ganz ruhig im Atelier. Man könnnte die berühmte Stecknadel ihren Fall tun hören. Alle halten unwillkürlich den Atem an. Jetzt wird Albers eine Szene hinlegen, die sich gewaschen hat! Und dann geschieht nichts dergleichen.
Albers, eben noch im Begriff, ein heiliges Donnerwetter loszulassen, grinst plötzlich. Er nickt. „Sie haben ganz recht, Baky! Zeit, daß mit den Negern Schluß gemacht wird!" Alle atmen auf.
Albers fährt fort: „Diese Neger ... Ich selbst brauche sie gar nicht. Ich habe meinen Text nämlich auswendig gelernt." Jetzt grinsen die anderen. Das kann Albers Leuten erzählen, die vom Film nichts wissen. Nicht der Belegschaft im Atelier, den Bühnenarbeitern, Beleuchtern, Kameramännern ...
Doch das Unglaubliche ist Wahrheit geworden .....
Aber nach einer halben Stunde grinsen die nicht mehr. Das Unglaubliche ist Wahrheit: Albers hat wirklich seine Rolle gelernt. Albers spricht seinen Text, ohne nach Negern zu suchen.
Damals sieht man in Berlin die seltsamsten Vehikel. Alles gilt als Wagen, was aus den Restbeständen niedergebrannter Remisen zusammengebaut worden ist. Das Seltsamste: eine Prachthochzeitskutsche, von nur einem Pferd gezogen, als Lastwagen benutzt. Niemandem würde sie auffallen.
Damals fällt nichts in Berlin auf. Aber als die Passanten den Filmaufnahmewagen bemerken, der vor der Kutsche herfährt, werden sie stutzig. Sie schauen noch einmal hin. Der Kutscher ... Ist das nicht? Das ist ja Albers!
„Schlechte Zeiten", spottet einer. „Albers fährt nur mit einer Pferdestärke ..." Aber Albers hat das flinke Mundwerk eines waschechten Berliners. Er zeigt auf seinen hochgelegenen Kutschersitz und ruft: „Fühle mich schon wieder ganz obenauf!"
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Die Premiere des Films .....
Die Premiere des Films findet Anfang Dezember 1947 im Theater am Nollendorfplatz (dem heutigen Metropol) statt. Es ist das erste Mal, daß in West-Berlin wieder eine Filmpremiere festlich aufgezogen wird; Andrang, Absperrungen, Scheinwerfer, Wochenschauleute.
Überraschung im Publikum, als Albers auf der Leinwand erscheint - nicht mehr strahlend, nicht mehr ewig jung, sondern ein älterer Mann mit einem erwachsenen Sohn. Albers ist's zufrieden. Endlich kann er wieder einmal ganz er selbst sein, muß nicht versuchen, die verflossenen Jahre zu übertünchen, kann sich so geben, wie er ist.
Die echte Lebendigkeit seines Wesens kommt in dieser reifen Rolle stärker zur Wirkung, als wenn er sie mit einer Jugendlichkeit aufputzen müßte, die nicht mehr echt wirkt, weil sie nicht mehr echt ist.
Besondere Heiterkeit erregt während der Premiere jene Szene, in der Albers mit der Hochzeitskutsche nach Bernau fahren will. Er sucht auf der Karte den Weg. Dabei stellt er fest: wegen Umleitung muß er aus dem englischen Sektor heraus und ein Stück durch den französischen fahren, dann wieder einige Meter englischer, eine Strecke amerikanischer Sektor.
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Die Russen und die Berliner machen verkniffene Gesichter
Die Zuschauer sind Berliner und wissen daher, wir kurz die ganze Strecke in Wirklichkeit sein könnte. Sie lachen schallend, und die anwesenden sowjetischen Offiziere lachen mit ...
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Als aber eine Weile später der Gaul vor einem Wegweiser nach Bernau stehen bleibt und nicht weiter will, weil das Wort „Bernau" mit kyrillischen Buchstaben geschrieben ist, weil überall aus „Bernau" „Wephay" wurde, und als das Publikum wieder zu lachen anfängt - denn: man bedenke, selbst ein Pferd geht nicht weiter, wenn es russische Buchstaben sieht -, werden die Sowjets böse und machen verkniffene Gesichter.
Und als der Film gar Stellung gegen die Schieber und Schwarzhändler bezieht, werden auch viele Zuschauer böse und machen verkniffene Gesichter. Nicht, weil sie entrüstet darüber sind, daß es Schieber gibt, sondern weil sie sich selbst porträtiert sehen ...
Der Premierenerfolg ist gewaltig.
Allerdings nur der Premierenerfolg. Die Presse ist wenig begeistert. Daß der Film sein Geld einspielt, ist selbstverständlich. Das tut um diese Zeit jeder Film.
Aber ... Ja, es gibt ein Aber. Es gibt sogar verschiedene Aber. Albers hat sich zwar bereit erklärt, einen alternden Mann zu spielen. Aber das große Publikum will ihn nun einmal nicht als alternden Mann sehen.
Noch nicht: für die meisten ist Albers der Inbegriff der Sieghaftigkeit. Sie lehnen es einfach ab, ihn als einen resignierenden, im Grunde genommen zerbrochenen Mann zu sehen.
Schließlich und endlich: Albers spielt in diesem seinen ersten Nachkriegsfilm einen Heimkehrer. Aber das große Publikum weiß, er war ja nie im Krieg! Er war ja die ganze Zeit über in Deutschland, hat ununterbrochen gefilmt!
Kein Einwand? Gewiß, bei neunundneunzig von hundert Schauspielern wäre das kein Einwand. Sie spielen diese oder jene Rolle, das Publikum läßt es sich gefallen, obwohl es natürlich weiß, daß die betreffenden Schauspieler im Privatleben ganz anders sind. Aber Albers ist eben auch in diesem Punkt verschieden.
Seine Persönlichkeit wirkt so stark, ist so tief im Bewußtsein des Volkes verwurzelt, daß man es irgendwie als ungehörig empfindet, zu vergessen, wer er in Wirklichkeit ist.
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Im Ausland ist die Trümmerwelt ja noch eine „Attraktion"
Die Wirkung des Films ist übrigens im Ausland größer als in Deutschland. Dort ist die Trümmerwelt ja noch eine „Attraktion", die man gesehen haben muß - ganz zu schweigen von Albers.
Im Ausland - besonders in der Schweiz, in Schweden, in Norwegen - steigert der erste Nachkriegsfilm die Popularität des großen Stars. In Deutschland wird Albers noch viele Jahre daran denken müssen, daß man nicht ungestraft gegen den Strom schwimmt, daß heißt, dem Publikum etwas zeigt, was das Publikum eigentlich nicht sehen möchte.
In diesem Sinn ist ein amüsanter Satz zu verstehen, den Albers fallen läßt, als er nach vielen Jahren seinen Kollegen Werner Krauß in der Bar des Atlantic Hotels in Hamburg wiedertrifft.
Nachdem er ihm kräftig die Hand geschüttelt hat. äußert er: „Ach, Werner, wir sind doch die einzigen, die es noch gibt! Du machst die schweren Kisten - und ich den sex sppeal!
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LINDEMANN KÄMPFT
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Die DEFA bringt den Film „Razzia" heraus.
Regie: Werner Klingler. Kamera: Friedl Behn-Grund. Es handelt sich um einen Film über den damals wirklich sehr aktuellen Schwarzen Markt. Aber in letzter Minute haben die Russen Bedenken. Da gibt es nämlich eine Schlußszene.
In dieser Schlußszene macht ein gewisser Karl Lorenz der Tochter eines toten Kriminalkommissars einen Besuch zwecks Heiratsantrages. Dazu bringt er einen wunderschönen Blumenstrauß mit. Aber wo kann er denn den Blumenstrauß aufgetrieben haben?
In dieser Zeit gibt es Blumen in Berlin nur auf dem Schwarzen Markt, den der Kriminalkommissar doch so eifrig bekämpft. So sagt denn auch die junge Dame, halb freudig, halb entsetzt: „Aber, Herr Kommissar, wie können Sie denn . . .?"
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Lindemann findet das komisch - die Russen gar nicht
Lindemann findet das sehr komisch. Die Russen finden das gar nicht komisch. Sie fragen: „Wieso ist das komisch? Ein Kriminalkommissar, der selbst auf dem Schwarzen Markt einkauft?"
Lindemann antwortet: „Jedes Kind weiß, daß man gewisse Dinge auf dem Schwarzen Markt kaufen muß!" Die Russen bleiben logisch: „Aber es ist ein Film gegen den Schwarzen Markt!"
„Natürlich - aber doch nur gegen die Auswüchse des Schwarzen Marktes! Doch nicht dagegen, daß man ein paar Blumen ..."
Die Russen sind trotzdem dagegen. Sie haben überhaupt etwas gegen einen Film über den Schwarzen Markt. Denn von wem wird der Schwarze Markt beliefert? Von den Russen natürlich. Sie finden, man sollte den Leuten gar nicht so viel vom Schwarzen Markt erzählen. Und sie verbieten infolgedessen den Film.
Lindemann kämpft und gewinnt
In diesem Fall hat er die Unterstützung der Sowexport. Die Sowexport besitzt ja schließlich einundfünfzig Prozent der DEFA-Anteile. Sie würde also mit einundfünfzig Prozent an dem Verlust beteiligt sein, wenn der Film verboten bliebe.
Solche Erwägungen mögen monopolkapitalistischer Natur sein. Aber die russische Zensurstelle gibt schließlich nach.
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Dieser Film faßt ein heißes, sehr heißes Eisen an
Im Sommer 1947 startet die DEFA in Ostberlin einen Film, der einer der nachhaltigsten Erfolge der gesamten deutschen Nachkriegsproduktion im In- und Ausland werden soll. Und das ist merkwürdig, wenn auch ehrenvoll. Denn dieser Film faßt ein heißes, sehr heißes Eisen an.
Es handelt sich um das Vorhaben „Ehe im Schatten".
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Die Story von "Ehe im Schatten ..."
Es handelt sich um den großen Schauspieler Joachim Gottschalk, der mit Frau und Kind in den Tod ging, weil man ihn von seiner Familie trennen wollte, der diese Frau nicht verließ, obwohl Goebbels es als ungeheuerlich empfand, daß ein deutscher Mann - das war Gottschalk nun wirklich! mit einer Jüdin verheiratet blieb und weil der Propagandaminister nicht ruhte und rastete, bis Gottschalk ruiniert war.
Jener gemeinsame Selbstmord der Familie Gottschalk erschütterte die deutschen Schauspieler und Schauspielerinnen zutiefst. Sie empfanden völlig zu Recht, daß es ihre Sache war, und nur die ihre, Gottschalk zu rächen. Aber was konnten sie schon tun? Sie konnten trotz Verbots an der Beerdigung Gottschalks teilnehmen. Sie konnten Einladungen bei Goebbels absagen.
Jetzt können sie mehr tun. Jetzt können sie herausschreien, was geschehen ist, damit alle es erfahren, denen man es verschwiegen hatte. Jetzt können sie die Namen der Schuldigen nennen. Täten sie es nicht, sie würden sich noch nachträglich mitschuldig machen.
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Eine der großen Tragödien des deutschen Films ....
Der deutsche Film macht einen Film über eine der großen Tragödien des deutschen Films. Der Fall Gottschalk soll noch einmal - im Film - aufgerollt werden.
Die Idee lag in der Luft. Hans Schweikart, ein Freund Gottschalks, Theater- und Filmregisseur, greift sie als erster auf. Er schrieb schon im Jahre 1946 eine Filmnovelle. „Es wird schon nicht so schlimm ..."
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Der Standard-Spruch "Es wird schon nicht so schlimm werden"
Das sagten die Leute damals, als Hitler an die Macht kam. Das sagen die Leute in der Novelle von Schweikart, als die jüdische Schauspielerin Lilly Hollmann - der Frau Gottschalks nachgebildet - aus ihrem Vertrag entlassen wird. "Es wird schon nicht so schlimm!" sagen alle gescheiten Leute, während es schlimmer und immer schlimmer wird.
Die Filmnovelle Schweikarts zeichnet im wesentlichen das nach, was Gottschalk und seine Frau erlitten. Das Manuskript - rund fünfzig engbeschriebene Seiten - bleibt ein paar Monate liegen. Dann interessiert sich die DEFA dafür und erwirbt es. Das endgültige Drehbuch hält sich ziemlich genau an die Filmnovelle, also an die Wirklichkeit.
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Und dann geht der Film ins Atelier.
Es herrscht eine seltsame, gespenstische Stimmung. Hier sind also ein paar Schauspieler versammelt, um das Schicksal eines Kollegen zu gestalten.
Sie alle wissen, um was es sich handelt. Die meisten von ihnen haben Gottschalk und seine Frau gut gekannt. Der Schauspieler, der ihn nun darstellen soll - im Film heißt die Figur Hans Wieland - ist der vortreffliche Paul Klinger, ein intimer Freund Gottschalks.
Die Regie führt Kurt Maetzig, Vorstandsmitglied der DEFA, ein Mann des Verstandes, einer, der die Dinge sehr klar sieht, aber sicher kein Regisseur, der mit dem Herzen inszeniert.
Einer spürt das besonders deutlich. Das ist Wilhelm Dieterle, auf Besuch aus Hollywood in Berlin, der sich einige Muster in der Vorführung ansieht und erklärt: „Dieser Film ist viel zu kalt für das Problem!"
Die „Ehe im Schatten" gestaltet das Problem, das jedem im Dritten Reich gestellt war: Soll man denen treu bleiben, zu denen man eigentlich gehört, auch wenn das ein Risiko bedeutet, auch wenn man sich damit in Gefahr begibt? Darf man Gefahren auf sich nehmen, auch wenn man Familie hat, auch wenn Dritte darunter leiden, unschuldige Menschen, Kinder und Frauen?
Da ist niemand im Atelier, der nicht solche Gedanken dächte, der da nicht mitfühlte, und bei den entscheidenden Szenen weinen sogar die ältesten Bühnenarbeiter.
Ise Steppat spielt Lilly Hollmann, die Frau des Schauspielers
Die Hauptrolle, die Frau des Schauspielers, die unschuldige Ursache seines Endes, wird von der jungen attraktiven Schauspielerin Ise Steppat dargestellt.
Sie wirkt mit ihren schönen, fast blauschwarzen Haaren, den hohen Backenknochen, den schwermütigen und doch erregenden Augen fremartig.
„Ehe im Schatten" ist ihr erster Film. Und alle, die sie auf der Leinwand sehen, prophezeien ihr eine große Karriere. Sie verfügt über das für den Film so wichtige Talent, Atmosphäre zu schaffen.
Seltsamerweise wird die Steppat dann doch keine große Filmkarriere machen, obwohl sie immer unter den wenigen Schauspielern ist, von denen man es heute oder morgen erwartet ...
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Eine Demonstration - der Film wird in Berlin 4 x uraufgeführt.
In vier verschiedenen Theatern, in vier verschiedenen Sektoren. Dies ist eine Demonstration. Einmal, ein einziges Mal, gibt es keine Grenzen, die quer durch Berlin verlaufen und die Stadt in vier Teile teilen.
Einmal ist man sich einig - im Osten und im Westen, im Süden und Norden. Was diejenigen gefühlt haben, die den Aufnahmen beiwohnten, springt jetzt auf die Besucher des Films über. Es wird ihnen abwechselnd heiß und kalt. Sie sind aufs tiefste erschüttert, stärker als sonst durch Filme.
Was sehen sie denn gewöhnlich im Kino? Freuden und Leiden von Menschen, die sie gar nicht kennen, von historischen Figuren, von Leuten aus fernen Ländern.
Hier ist das Schicksal eines Menschen zu sehen, der unter uns gelebt hat, dargestellt von denen, mit denen er zusammen lebte, Tag für Tag, Woche für Woche, die wußten, wie es um ihn stand, die helfen wollten - und doch nicht helfen konnten.
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Bei der Uraufführung des Films erschüttertes Schweigen.
Schluchzen in der Dunkelheit. Nach den meisten Vorstellungen überhaupt kein Applaus. Wie kann man klatschen, wenn einem die Kehle zugeschnürt ist?
Ein paar Tage nach der Berliner Uraufführung der „Ehe im Schatten" sind die Zeitungen voll von Artikeln über Werner Krauß, der um diese Zeit gerade vor einer Stuttgarter Spruchkammer steht. Er wird gefragt, warum er im Film „Jud Süß" mitgespielt habe. Im Direktionsbüro der DEFA liest man die wütenden Angriffe gegen Werner Krauß mit gemischten Gefühlen.
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Die Wahrheit ist bitter, auch für Lindemann und die DEFA
Lindemann meint: „Wer weiß, vielleicht gibt es auch bei uns einige Leute, die Dreck am Stecken haben." Er ordnet an, daß alle bei der DEFA engagierten Schauspieler und Regieassistenten überprüft werden sollen. Vielleicht hat am Ende doch der eine oder andere im „Jud Süß" mitgewirkt. Lindemann hofft zwar nein. Aber man kann nie wissen ...
Und dann bekommt er die Aufstellung derer, die im „Jud Süß" mitgewirkt haben - nicht aller, nur derjenigen, die sich im Augenblick bei der DEFA im Engagement befinden.
Es handelt sich unter anderem um folgende Personen: Kameramann Bruno Mondi, Hilde von Stolz, Alfred Braun, Wolfgang Schleif, Wolfgang Staudte. Lindemann wird bleich. Wenn die antikommunistische Presse das erfährt!
Gewiß, die meisten, die im „Jud Süß" mitmachten, waren noch sehr jung, als der Schandfilm gedreht wurde, gewiß, es ging ihnen sehr schlecht, und sie hatten kaum eine Wahl, aber immerhin ...
Und daß muß ausgerechnet der DEFA passieren! In einer Zeit, als der Film „Ehe im Schatten" läuft, der den Antisemitismus verdammt.
Veit Harlan und Frau tauchen wieder auf
Als dieser Film übrigens ein paar Monate später in Hamburg vor einem geladenen Publikum zur Aufführung gelangt, stellen sich auch Veit Harlan und Frau ein.
Obwohl sie - unbegreiflicherweise - eine Einladung bekommen haben, werden sie hinausgewiesen.
Aber Harlan geniert das nicht besonders, Er rät im Gegenteil dem Mann, der von seinem Hausrecht Gebrauch gemacht hat, er solle sich vor ihm in acht nehmen, denn: „Bald wird meine Frau wieder vor der Kamera stehen und ich neben ihr. Die Welt ist rund
Er sollte recht behalten ....
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