"Das gibt's nur einmal" - die Film-Fortsetzung 1945 bis 1958
Der Schriftsteller Curt Riess (1902-1993 †) hatte 1956 und 1958 zwei Bücher über den Deutschen Film geschrieben. Als Emigrant in den USA und dann Auslands-Korrspondent und später als Presseoffizier im besetzten Nachkriegs-Berlin kam er mit den intessantentesten Menschen zusammen, also nicht nur mit Filmleuten, auch mit Politikern. Die Biografien und Ereignisse hat er - seit 1952 in der Schweiz lebend - in mehreren Büchern - wie hier auch - in einer umschreibenden - nicht immer historisch korrekten - "Roman-Form" erzählt. Auch in diesen beiden Filmbüchern gibt es jede Menge Hintergrund- Informationen über das Entstehen der Filme, über die Regisseure und die kleinen und die großen Schauspieler, das jeweilige politische Umfeld und die politische Einflußnahme. Die einführende Seite dieses 2. Buches finden Sie hier.
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ELFTER TEIL • AUS ALT MACH NEU
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DIE BEROLINA
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Eine neue Produktionsfirma - die BEROLINA
Noch während der Berliner Blockade ist in Berlin eine neue Produktionsfirma entstanden, die schließlich eine der ersten im Lande werden wird: die BEROLINA.
Kurt Ulrich und Kurt Schulz, seit vielen Jahren im Filmgeschäft, wissen alles über Vertrieb und Verleih, Produktion und Regie, Ausstattung und Kopieren. Sie haben schon eine Menge Filme vor dem Krieg und im Krieg gemache.
Nach dem Krieg haben sie sich um eine Filmlizenz beworben. Die Amerikaner lehnten ab. Die beiden Filmmänner dachten nicht daran, es dabei bewenden zu lassen. Sie arrangierten sich mit der britisch lizensierten ONDIA-Film.
Sie starteten ihren ersten Film „Morgen ist alles besser".
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Morgen ist alles besser?
Unmöglich, den Film im blockierten Berlin zu drehen. Er entsteht in Wildbad Kreuth, unweit vom Tegernsee, in dem zum Filmatelier verwandelten Kurhaus. Der Verkehr mit Berlin, wo die Direktion sitzt, wird mittels Luftbrücke aufrechterhalten, meist durch Flugzeuge, die Kohle nach Berlin transportieren und dementsprechend aussehen.
Es handelt sich nicht gerade um ein Meisterwerk der deutschen Filmkunst, das da entsteht. Es handelt sich um ein etwas dünnes Lustspiel, das unter der Regie des geschickten Arthur Maria Babenalt gedreht wird, in dem viele Komiker männlichen und weiblichen Geschlechts mitwirken.
Trotzdem ist es manchmal sogar lustig. Das Beste aber an dem Film ist ohne Zweifel der Titel „Morgen ist alles besser." Der ist mehr als ein Filmtitel, er ist eine Fanfare, eine Prophezeiung, die sich bewahrheiten soll.
Was die BEROLINA angeht, so bewahrheitet sie sich sehr schnell. Schon im Jahre 1949 entstehen nicht weniger als drei BEROLINA-Filme. Es handelt sich wiederum um Schwanke. Und zwar nicht um solche von heute oder gar von morgen, es handelt sich um Schwanke von gestern und vorgestern, um alte Operettenklischees.
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Die BEROLINA macht "Klamauk-" Filme ....
Der erste, „Nichts als Zufälle", ist ein Remake des gleichnamigen Klamauks, der vor Jahr und Tag mit Siegfried Arno, Otto Wallburg, Fritz Schulz, Ralph Arthur Roberts und Max Adalbert gedreht wurde. Dieses Mal spielen Theo Lingen und Sonja Ziemann die Hauptrollen.
Der Film wirkt noch immer, oder er wirkt schon wieder. Zweiter Film „Um eine Nasenlänge" - wieder ein Remake, wieder mit Theo Lingen in der Hauptrolle, die einmal Siegfried Arno spielte, dazu Hans Moser, Sonja Ziemann und Rudolf Prack, den man aus Österreich herbeigeholt hat.
Sonja Ziemann und Rudolf Prack werden sofort nach der Premiere als das ideale Liebespaar auf der Leinwand gefeiert. Das Publikum lacht sich schief ...
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Noch eine erfolgreiche !!! BEROLINA-"Gurke"
Aber die BEROLINA ruht und rastet nicht, bevor der dritte Film „im Kasten" ist. „Eine Nacht im Separee", mit Musik von Rudolf Nelson, der gerade aus der Emigration zurückgekehrt ist; mit Olga Tschechowa, die ihren ersten Nachkriegsfilm und ihren 168ten Film - Krieg und Frieden eingeschlossen - spielt, mit Paul Hörbiger und Erika von Thellmann.
Nicht nur die Darsteller sind alt und bewährt - auch der Stoff ist es. Er stammt zwar aus der Zeit vor dem ersten Weltkrieg, von Arnold und Bach, aber es zeigt sich wieder einmal, zum dritten Male übrigens, daß die Leute gern über Witze lachen, über die schon ihre Großeltern gelacht haben.
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Das alles hat mit Filmkunst nicht das geringste zu tun ....
....., aber das Versöhnliche ist, daß die Männer der BEROLINA auch gar nicht behaupten, daß sie Kunst machen wollen. Sie wollen amüsieren und Geld verdienen.
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- Anmerkung : Hier ein durchaus ähnlicher Vergleich aus der Hifi-Branche. Als die Firma BOSE aus Amerika in 1969 die ersten 5-eckigen BOSE 901 Lautsprecher vorgestellt hatte, hatten sie (auch) nie behauptet, diese Dinger machen oder können Hifi. Denn das hatten die neunmalklugen allwissenden Kritiker immer wieder süffisant bemängelt. Jedoch - diese Lautsprecher konnten richtiges Hifi machen.
Beides gelingt ihnen in erstaunlichem Maße. Morgen wird alles besser? Offenbar ist es der Fall, wenn man das Gestern zeigt oder das Vorgestern, oder am besten die gute, gute alte Zeit. Sie war auf jeden Fall besser als das Heute.
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1950 kam „Schwarzwaldmädel" heraus - ein Erfolg
Im Jahre 1950 dreht die BEROLINA dann ein weiteres Remake - sozusagen das Remake eines Remakes, dessen Original keines war - und sechzehn Millionen Besucher sehen den Film - ein Rekord der Nachkriegszeit.
Der Film heißt „Schwarzwaldmädel", nach einer Operette von Leon Jessel, die im August 1917, also mitten im ersten Weltkrieg, in der Komischen Oper in Berlin herauskam, und dort tausendmal gespielt wurde.
Dieser Stuß - ein anderes Wort ist nicht anwendbar - ist bereits zweimal verfilmt worden, einmal stumm und einmal mit Ton, und der Film ist mit Recht zweimal durchgefallen.
Das stört aber Direktor Ulrich von der BEROLINA nicht im geringsten, der ja schon in seinen ersten Filmen gezeigt hat, daß solch ein Unsinn so alt sein kann, wie er will - er muß trotzdem Erfolg haben, wenn er nur richtig serviert wird.
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Lüthge bekommt den Drehbuchauftrag für diesen "Stuß"
Das ist ein bemerkenswerter Mann, ein Unikum in der deutschen Filmgeschichte, einer, der nahezu zweihundert Stummfilme und Tonfilme geschrieben hat bis zum Ausbruch des zweiten Weltkrieges, und der dann, obwohl er beim Militär war, weiterhin Filme schrieb, aber auch Theaterstücke und Romane, wobei er übrigens mit dem Propagandaministerium in Konflikt geriet.
Nach dem Kriege ging es in unvermindertem Tempo weiter. Er hat schon eine Menge Filme für Meyer in Bendestorf geschrieben, für Deppe und für die BEROLINA. Er hat bewiesen, daß man auch aus dem größten Unsinn noch Erfolge machen kann; man muß es nur richtig anpacken.
Daher ist er wohl der richtige Mann, das Drehbuch für das „Schwarzwaldmädel" zu schreiben. Preisfrage: Wie macht man aus einem horrenden Unsinn ein vernünftiges Drehbuch?
Antwort: Man probiert es gar nicht. Es geht durchaus nicht darum, ein vernünftiges Drehbuch zu machen - zumindest geht es Lüthge nicht darum. Es geht ihm vielmehr darum, eines zu machen, das Erfolg haben kann.
Lüthge hat etwas für Erfolg übrig, wie er mit bemerkenswerter Offenheit zugibt: „Ich will zu Lebzeiten gut essen!"
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Lüthges Rezept für einen Erfolgsfilm:
„Beim Film muß man zeigen, was das Publikum verlangt!"
Was verlangt das Publikum? „Heimatfilme bringen immer Geld, ob gut oder schlecht!" Und warum? "Weil die Menschen auf dem Lande so natürlich sind, während sie in der Stadt nicht so natürlich sind. Und weil wir Städter nun mal etwas für Natürlichkeit und natürliche Menschen übrig haben! Man sieht, es ist ganz leicht, einen Erfolgsfilm zu schreiben."
Nein, so leicht ist es denn doch nicht. Man muß schon wissen, was natürliche Menschen, wie wir Städter, für natürlich halten. Im übrigen genügt die Heimat im Heimatfilm nicht. Der Schwarzwald ist ja gut und schön, aber wie Lüthge sagte:
„Ich war von Anfang an entschlossen, den Film mit stark modernem Einschlag zu machen und hineinzubringen, was neben dem Schwarzwald von Interesse sein könnte: eine Eisrevue und ein Juweliergeschäft!"
So etwas interessiert neben dem Schwarzwald natürlich immer. Was interessiert noch? Die oder das kleine Bärbele aus dem Schwarzwald, die sich in den Domkapellmeister verliebt, aber dann doch statt des etwas gesetzteren Mannes den etwas jüngeren heiratet.
Was interessiert vor allem? „Daß es armen Leuten auch mal gut geht!" Lüthge hat das schon hundertmal erprobt. Die Erfolge seiner Militärschwänke bestanden darin, daß es dem kleinen Rekruten - Felix Bressart etwa mit seinen zwei linken Füssen - schließlich doch gut geht, daß er dort siegt, wo der elegante Wachtmeister oder sogar Leutnant einen Korb bekommt.
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Die Protagonistin wird ganz plötzlich reich und glücklich ....
Auf das Schwarzwaldmädel übertragen: Sie, der es nie gut gegangen ist, wird ganz plötzlich reich und glücklich. In der Tombola gewinnt sie - ein Auto. Das Publikum freut sich um so mehr, als ihr Chef, der gleich sechzig Lose nimmt, der Protz, gar nichts gewinnt. Das Publikum freut sich überhaupt immer, wenn Leute, die es nicht nötig haben, nichts gewinnen und wenn kleine Angestellte, die es nötig haben, etwas gewinnen. Das Publikum besteht ja zum großen Teil aus kleinen Angestellten ...
Um auf die oder das Bärbele zurückzukommen ... sie bekommt ihren „Grafen", den alle Bärbeles im Kino so gerne bekommen würden, und sie seufzen: „Ach, wenn es mir auch mal so gut ginge!" Und sie halten es gar nicht für so unmöglich! Auch wenn der Graf, wie in diesem Fall, gar keiner ist.
Diesen Film inszeniert Hans Deppe. Sonja Ziemann, Rudolf Prack und Paul Hörbiger spielen die Hauptrollen.
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Die BEROLINA spart an nichts .......
...., denn es soll der erste Nachkriegs-Farbfilm werden. Rohfilm kann man zwar auch jetzt noch nur auf dem Schwarzen Markt bekommen, und die Technik weiß auch noch nicht so recht Bescheid.
Die Farben des Films werden also relativ schwach, aber noch ist das Publikum nicht verwöhnt, und der große Aufzug mit echten Schwarzwaldtrachten müßte - wenn Lüthge, Deppe und Ulrich etwas von ihrem Metier verstehen - enorm wirken.
Es naht die Premiere. Sie findet am 7. September 1950 in Stuttgart statt. Alle Mitwirkenden sind da. Die Sache ist wie eine Haupt- und Staatsaktion aufgezogen, mit Empfängen und Pressekonferenzen. Im Foyer des Filmpalastes hat die Reichspost sogar eine eigene Filiale eingerichtet mit Sonderstempel zur Feier der Uraufführung. Platzanweiserinnen und Kontrolleure sind in Schwarzwaldtrachten gekleidet.
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Der Film wird ..... als haarsträubender Unsinn "verrissen".
Und dann kommt die Kritik. Der Film wird als haarsträubender Unsinn verrissen. Bobby E. Lüthge wird als „Courths-Mahler" angeprangert, womit beiden - ihm und ihr - Unrecht geschieht.
Es wird festgestellt, daß die Farben schlecht sind, die Regie einfallslos, daß Prack kein Liebhaber ist und Hörbiger bessere Tage gesehen hat, daß Sonja Ziemann nicht singen kann und schon gar nicht über das erforderliche leichte Gemüt verfügt. Die Filmkritiker sind verdüstert und können sich wochenlang nicht von dem Stuttgarter Erlebnis erholen.
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Die Filmkritiker lagen aber völlig daneben, wie so oft ....
Der Film indessen erholt sich über Nacht von den Kritiken. Wo immer er läuft, stehen die Leute Tag und Nacht in unendlichen Schlangen vor den Kinos und können gar nicht genug bekommen, sie sehen den Film oft zwei- und dreimal.
Sie sind ganz weg. In einer Zeit, in der gute Filme auf drei oder vier Millionen Besucher rechnen können - wird „Schwarzwaldmädel" sechzehn Millionen Besucher in Entzücken versetzen oder doch zumindest die weitaus größte Majorität dieser sechzehn Millionen.
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Wie hängt das zusammen? Wie ist das möglich?
Über das Drehbuch ist bereits gesprochen worden. Der Regisseur: Hans Deppe, einst Schauspieler und Kabarettist, der nach dem Krieg in Günter Neumanns „Schwarzer Jahrmarkt" auftrat und zusammen mit Kurt Schulz und Kurt Ulrich zu den Gründern des BEROLINA-Films gehörte, ein Mann, der eigentlich ein großer Künstler ist oder sein könnte, wenn er nicht ein so geschickter Macher wäre und so genau wüßte, was das große Publikum will - viel zu genau, als daß er der Versuchung entginge, es zu machen.
Einer, der auch genau weiß, daß er mehr könnte - und es dann doch immer wieder nicht in die Tat umsetzt. Nicht, daß es an Versuchen fehlte.
Schon ist er aus der BEROLINA ausgeschieden, weil er sich genau vorstellen kann, was Ulrich und Schulz zu produzieren gedenken, und da nicht mitmachen will. Seine beiden Kompagnons haben ihm fünfzehntausend D-Mark ausgezahlt. Fünf Jahre später wären diese fünfzehntausend D-Mark ein paar Millionen; und nicht zuletzt deshalb, weil Deppe, auch nachdem er sich von der Firma gelöst hat, für diese weiter Filme inszeniert, zum Beispiel das „Schwarzwaidmädel".
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Wie er das macht? Großartig!
Wenn man solche Filme macht, kann man sie nur so machen. Da ist alles drin. Es ist alles da - traurige und heitere Szenen, Sonnenaufgang, Sonnenuntergang und Kalauer. Ein Auge lacht, ein Auge weint. Und wie romantisch wirkt das alles!
Ebenso romantisch, wie sich unromantische Städter den romantischen Schwarzwald vorstellen. Der Schwarzwald ist aber, wie Deppe, ebenfalls ein Städter, zu seinem Entsetzen feststellen muß, als er auf Motivsuche geht, gar nicht so romantisch.
Wo immer er drehen will, steht keineswegs ein süßes altes Haus, sondern eine häßliche Mietskaserne. So muß er sich die Landschaftsaufnahmen aus allen möglichen Teilen des Schwarzwaldes zusammenholen.
Das Gasthaus, das eine so große Rolle spielt, existiert gar nicht, sondern ist aus fünf oder sechs verschiedenen Häusern, die bald so, bald so photographiert wurden, „zusammengesetzt".
Ganze Wagenladungen von alten Madonnen und anderen Holzfiguren werden per Lastauto antransportiert und irgendwo malerisch aufgestellt, so daß die Besucher des Films nachher vor Begeisterung ausrufen: „Gott, ist der Schwarzwald schön!". - Er ist übrigens schön, besonders dann, wenn nicht gerade das „Schwarzwaldmädel" gefilmt wird.
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Sonja Ziemann, die Hauptdarstellerin
Nicht nur der Schwarz wald ist - bei Gott! - schön. Das gilt auch für Sonja Ziemann, die Hauptdarstellerin, die man zum Unterschied vom Schwarzwald, photographieren kann, wo und wann man will!
Es ist gar nicht so lange her seit ihren ersten Filmen unter dem wachsamen Auge des jungen Arthur Brauner. Und sie hat inzwischen auch Operette gespielt, fünfhundertmal „Nächte in Shanghai" und zweihundertmal „Die Kinokönigin".
Sie hat 1949 „Nächte am Nil" gedreht. Das war ihre erste Hauptrolle. Sie durfte sogar als Odaliske mit vergoldetem Nabel tanzen. So war der ganze Film.
Sonja Ziemann zehn Jahre später: „Man wird rot bei dem Gedanken, daß dieser Film in die Welt ging als Zeugnis für neues deutsches Filmschaffen ..."
Ebenfalls 1949: „Nach Regen scheint die Sonne!" Ihr Partner, der noch schlanke Gert Froebe, der gerade die „Berliner Ballade" gemacht hat. Plötzlich will jeder Filmproduzent mit Sonja Ziemann drehen. Angebote aus Wien, aus Hamburg, aus München.
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Der Mann mit der Glatze
1950: „Eine Nacht im Separee" mit Georg Thomalla und Gretl Schörg. Dann „Maharadscha wider Willen". Die Hauptrolle wird von dem dicken Komiker Kurt Seifert gespielt, der eine Riesenglatze hat.
Die Propaganda für den Film besteht in der Suche nach dem Mann mit der größten Glatze in Berlin. Jeder darf sich melden, wird untersucht, einer wird prämiiert.
Um diese Zeit bekommt Sonja Ziemann schon 150 Briefe pro Tag, die alle pünktlich beantwortet werden - darauf sieht schon Herr Ziemann senior. Die Briefe sind durchaus nicht so wild erotisch, wie man sich das vorstellen könnte. Sie sind eher zahm.
Sonja ist für die Briefschreiber „das, das uns den grauen Alltag verschönt!" Oder: „Bleibe so, wie Du bist, Sonja! Schenk uns Freude!" Oder: „Du bist kein Typ für Flirts! Du würdest keiner Frau den Mann wegnehmen!" Oder: „Du bist die Tochter, die jede Mutter gern haben möchte!"
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„Ich möchte nicht immer schneeweiß und aus Marzipan sein."
So genau will Sonja Ziemann das gar nicht wissen. Sie seufzt: „Ich möchte nicht immer schneeweiß und aus Marzipan sein." Und dann kommt „Schwarzwaldmädel". Sie paßt für diese Rolle wie die Faust aufs Auge.
Sie müßte singen - aber sie kann gar nicht singen, jedenfalls nicht viel. Sie müßte ein „deutsches" Mädchen sein und ist nun mal keins mit ihrem kohlrabenschwarzen Haar. Sie müßte doch unschuldig wirken und wirkt pikant.
Sie ist die typische Städterin, ja, man darf wohl sagen, sie ist typisch Großstadt. Und doch ist sie für die Millionen das Schwarzwaldmädel schlechthin. Sie ist pikant und frech - aber die Millionen akzeptieren sie als naiv und sentimental.
Sie selbst weiß am besten, daß das alles nicht ganz stimmt. Sie stellt ganz unsentimental fest: „So'n deutscher Typ bin ich ja gar nicht!"
Aber das Publikum ist begeistert. Und das Publikum hat schließlich immer recht.
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DIE BESCHWERLICHE REISE NACH MARRAKESCH
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Seit Dezember 1949 darf Ida Wüst wieder filmen.
Sie ist, wie so viele, denen man nicht das Gegenteil beweisen kann, „entlastet". Dabei hat man ihr das Gegenteil bewiesen.
G. W. Pabst plant einen Film über Papst Bonifazius VII. Walt Disneys „Schneewittchen und die sieben Zwerge" kommt nach Deutschland. Rudolf Prack wird Bambi-Sieger vor Stewart Granger und Hans Söhnker.
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Das neue Jahr 1950 läßt sich schlimm an.
Richard Eichberg bringt seinen ersten Nachkriegsfilm in Deutschland heraus. Eichberg ist um diese Zeit bereits fast eine Legende. Man kann sich die Filmindustrie ohne ihn gar nicht mehr vorstellen.
Es sind nicht einmal seine Filme, die ihn innerhalb der Industrie so populär machten, es ist seine Persönlichkeit. Er hat mehr Bonmots geprägt, als er selbst weiß. Viele hat man ihm erst nachträglich in den Mund gelegt. Was tut's?
Er ist nun einmal der Altmeister des Kintopps. Er hat viele Filme gemacht, gute und schlechte; vermutlich mehr schlechte als gute, aber seine Lustspiele waren immer amüsant und seine Reißer oft entsetzlich aufregend.
Er war bis Ende der dreißiger Jahre in Deutschland geblieben, dann über die Schweiz nach Amerika gegangen, weil er wußte, daß der Krieg vor der Tür stand. Nach dem Kriege hatte man seine alten Filme wieder hervorgeholt und mit dem „Tiger von Eschnapur" und dem „Indischen Grabmal" so viel Geld eingespielt, daß er sich entschloß, mit diesem Geld mehr Geld zu machen.
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Kurz, Eichberg wollte wieder mal einen Film drehen.
Einer Reporterin vertraute er an: „Ich möchte den Leuten Helle zeigen, Heiterkeit, Leben ... Leichtes, Beschwingtes! Mit Angst und Tragik sind sie wohl reichlich eingedeckt ..."
Er ließ sich von dem Franzosen Benno Vigny ein Buch schreiben. Das geschah im Hotel „Vier Jahreszeiten" in München unter seiner persönlichen Aufsicht. Jeden Tag hatte Eichberg neue Ideen. Jeden Tag wurde umgeschrieben.
Jeden Tag äußerte Eichberg Sätze wie: „Jetzt spring ick von de Realität mitten in de Vision!" Oder auch umgekehrt.
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Der Film hieß: „Die Reise nach Marrakesch".
Eichberg engagierte, was gut und teuer war. Die Hauptrollen spielten Luise Ullrich und Paul Dahlke, Karl Ludwig Diehl und Grethe Weiser.
Der Inhalt? Hier liegt der Hund begraben. Eichberg hatte sich alten Kintopp schreiben lassen. Er wollte ein altes, oft bewährtes Rezept noch einmal benutzen. Es war einmal zu oft.
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COMEBACK ODER NICHT COMEBACK?
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Eichberg ist bereits zu alt ....
Eichberg ist eben doch sehr viel älter als seine Jahre. Man steht nicht ungestraft über vierzig Jahre im Filmbetrieb, dort, wo es am wildesten zugeht. Seine Regie ist die Regie von 1930. Die zwanzig Jahre, die inzwischen vergangen sind, hat er nicht zur Kenntnis genommen.
Bis zuletzt glaubt Eichberg an sein Meisterwerk. Die Presse überschlägt sich vor Begeisterung - vor der Uraufführung. Die findet in ungeheuer festlichem Rahmen im Luitpold-Kino in München statt. Alles ist da: Vertreter der Regierung, prominente Ausländer, alle, die einen Namen haben.
Und dann gibt es einen Riesenskandal. Die Leute lachen an den tragischen Stellen, wenn sie nicht schon eingeschlafen sind. Paul Dahlke, der in den Kammerspielen, nur wenige hundert Meter entfernt, „Des Teufels General" spielt, wird telephonisch gewarnt: „Kommen Sie bloß nicht, um sich zu verbeugen!"
Hinter der Bühne sitzt der alte Richard Eichberg und weint. Er versteht die Welt nicht mehr.
Der Skandal war gesteuert - provoziert ....
Der Skandal - der bisher größte Nachkriegsfilmskandal - ist, wie sich nachher herausstellen wird, gesteuert. Ein kleiner Journalist - später im anderen Zusammenhang wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses verhaftet - spielt den Regisseur.
Aber der Skandal würde niemals so fürchterliche Ausmaße annehmen können, wenn der Film „Die Reise nach Marrakesch" nicht so schlecht wäre.
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Übrigens spielt der Film sein Geld ein.
Er ist eben exotisch. Er zeigt fremde Länder, fremde Sitten - das wollen die Leute sehen, besonders in den kleinen Städten und auf dem flachen Lande, selbst, wenn sie die Handlung nicht verstehen, nicht verstehen können.
Aber dieser Film fordert auch seine Opfer. Luise Ullrich, die sich vergeblich bemüht, der unmöglichen Figur der Armande Leben einzuhauchen, wird auf Jahre hinaus vom deutschen Film boykottiert. Unfaßlich und doch wahr. Diese großartige Schauspielerin, die erst vor kurzem in „Nachtwache" bewiesen hat, wie stark sie das Publikum zu fesseln vermag, braucht viele, viele Jahre, bis man ihr eine neue Chance gibt.
Karl Ludwig Diehl muß als Liebhaber abtreten. Er wird nur noch in kleinen Rollen zu sehen sein.
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Und Richard Eichberg?
Er stirbt an diesem seinem ersten wirklichen Filmdurchfall. Er kann ihn einfach nicht verwinden. Er setzt es sich in den Kopf, daß er das Opfer furchtbarer Intrigen geworden ist, hat Angst, etwas Neues zu machen.
Er plant Filme und schiebt die Verwirklichung seiner Pläne dann immer wieder hinaus. Er hat keine Freude mehr am Filmen, wohl auch keine Freude mehr am Leben.
Die beiden einzigen, die relativ unverletzt aus diesem schrecklichen Marrakesch-Film hervorgehen, sind Paul Dahlke und Grethe Weiser. Zwei große Künstler.
Freilich, sie haben es längst aufgegeben, nur in Filmen mitzuwirken, die ihrer Begabung auch nur einigermaßen gerecht werden. Sie nehmen, was man ihnen anbietet.
Und das ist viel. Aber es ist nicht immer das Beste. Von Grethe Weiser muß jetzt gesprochen werden, schon deshalb, weil ihr Leben selbst ein Film ist, manchmal umwerfend komisch, viel komischer als ihre Filme - freilich nicht immer.
Grethe Weiser kam aus Berlin .......
Sie kam irgendwann einmal als Elevin zur Berliner Volksbühne für 60.- Mark im Monat. Sie spielte eine Griechin in „Lysistrata" und hatte zu deklamieren: „Hier bleib' ich länger keinen Augenblick, die Tempelschlange züngelte nach mir!"
Sie blieb dann auch nicht lange bei der Berliner Volksbühne. Nicht so sehr wegen der Tempelschlange als darum, weil man von sechzig Mark auch damals nicht gut leben konnte. Sie spielte Operette im Berliner Theater, und Willi Kollo fragte: „Wer ist der blonde Trampel?"
Sie spielte Kabarett bei Nelson und gleichzeitig Revue an der Komischen Oper und mußte, um zu ihrem Auftritt zurecht zu kommen, sich im Taxi umziehen. Sie stieg als Revuegirl ein und als Salonschlange aus.
Albers fragte: „Wer ist denn der Krümel? Braust hier an wie die Massary!" Worauf James Klein, Direktor der Komischen Oper, in der keine komischen Opern, sondern Revuen gespielt wurden, ihre Abendgage von drei Mark auf acht Mark erhöhte.
Ihr Haupttalent war schon damals ihr Fleiß. Sie nahm alles mit. Als 1932 Regisseur Kurt Gerron ihr sagte: „Du begabtes kleines Biest, wenn du dich aufraffst und früh aus den Betten steigst, kannst du in meinem neuen Film mitmimen!", antwortete sie: „Wenn es sein muß, stehe ich mitten in der Nacht auf!"
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Ihre erste Filmrolle bestand nur aus einem Satz
Ihre erste Filmrolle war keine, sondern eine Zofe, die den Satz zu sagen hatte: „Der gnädige Herr ist fortgefahren!" Der Film hieß: „Kind ich freu' mich auf Dein Kommen!" Später hieß der Film „Amor an der Leine".
Neben Grethe Weiser spielten Magda Schneider und Wolf Albach-Retty mit. Das heißt, die beiden spielten die Hauptrollen. Bei dieser Gelegenheit war es nicht zu umgehen, daß die beiden einander kennenlernten und dann heirateten - welcher Mann hätte die bezaubernde und ungemein begabte Magda Schneider nicht geheiratet ?
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Jedenfalls war dieser Film folgenreich. Es ging aufwärts ...
Die Weiser bekam auf ihren ersten Filmstart unzählige weitere Filmrollen. Magda Schneider bekam - etwas später - ein Kind, das Romy getauft wurde. Während Romy noch in den Windeln lag, machte Grethe Weiser eine tolle Karriere. Es folgten einundachtzig Filmrollen in ziemlich schneller Reihenfolge.
Grethe Weiser hatte Probeme .... mit Hitler und Goebbels
Freilich, anfangs gab es Unannehmlichkeiten. Als Hitler an die Macht kam, hieß es plötzlich, Grethe Weiser sei 'aus rassischen Gründen' nicht tragbar. Ihr Mann war nämlich Jude, ihr Sohn infolgedessen Halbjude. Vierzehn Tage vor der Premiere ihres Films 'Der Vogelhändler' wurde sie verboten. Dann wurde die Sache wieder "geleimt".
Grethe Weiser machte sich damals - bei den Nazis - einer Fragebogenfälschung schuldig. Später gab es ja viele, die das taten - also zehn, zwölf, fünfzehn Jahre später! Die Weiser, immer originell, tat es eben schon unter den Nationalsozialisten.
Auf einem Fragebogen der Reichstheaterkammer vermerkte sie, sie sei Pg. (die Abkürzung für Partei-Genosse), was sie doch schon ihres jüdischen Mannes und ihres Sohnes wegen gar nicht sein konnte.
Auch das ging vorüber. Sie durfte wieder spielen. Sie wurde sogar bei Hitler und Goebbels eingeladen. Das war schon aus Tarnungsgründen wichtig. Wenn sie heute über diese Zeit spricht, wird sie wütend - soweit Grethe Weiser überhaupt wütend werden kann:
„Gott, wie ich das zum Kotzen finde, wenn die Leute jetzt erklären, was sie damals alles gelitten haben! Da kommt mir der kalte Kaffee hoch! Ich habe kein Kriegsverdienstkreuz bekommen, keinen Titel, nicht einmal ein Mutterkreuz, denn ich war ja belastet. Schwierigkeiten haben wir alle gehabt, da braucht sich keiner aufzuspielen. Das zieht bei mir gar nicht!"
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Jeder große Erfolg hat seine tieferen Gründe.
Auch der Erfolg der Weiser. Dabei spielte sie fast nie Hauptrollen, wenn auch nie wieder so kleine Rollen wie die der Zofe, die zu melden hatte, daß der gnädige Herr ausgefahren sei.
Der Erfolg der Weiser - damals und später - ist, daß sie genau weiß, was sie ist, was sie kann, wo ihre Stärke liegt und - soweit man das überhaupt von einer Frau wie der Weiser sagen kann - ihre Schwäche.
Was sie kann: komisch sein, unendlich komisch, aber nicht indem sie Klamotte macht, indem sie sich zwischen zwei Stühle setzt, eine Kaffeetasse zu Boden fallen läßt, einen Hut verliert, einem Zug nachläuft - sondern mit drei, vier Strichen einen Menschen zeichnet, einen wirklichen Menschen, der eben komisch ist.
„Nach 1943, als es wirklich schon nix mehr zu lachen gab, da lachten die Berliner noch über mich, als ich im Kabarett der Komiker auftrat."
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Was sie nicht kann ? Oder sagen wir lieber, was sie nicht ist ?
Sie ist nicht schön. Und das weiß sie. Sie weiß, daß sie keine Liebhaberinnen spielen darf; und was nicht eine unter zehn Schauspielerinnen fertigbringen würde, machte sie mit der größten Selbstverständlichkeit: sie spielte schon als junge Frau alte Rollen.
„Ich habe schon als Fünfunddreißigjährige Schwiegermütter und olle Tanten gespielt. Das rettete mich! Sonst wäre ich heute nicht mehr! Ich will ja gar nicht jung sein, nicht bildhübsch aussehen.
Quatsch! Das bißchen Jugend und Schönheit! Wer mich liebt, lacht doch. Die Leute sagen, ich mache Klamottenfilme, von denen dreizehn aufs Dutzend gehen.
Schmalzstulle mit Keese! Nichts gegen Schmalzstullen mit Keese! Gänseschmalz mit Harzer ist sogar eine Delikatesse! Aber Vorsicht! Liegt schwer im Magen. Wie gesagt: wer mich liebt, lacht doch!"
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April 1945 - Als es schon nichts mehr zu lachen gab.
Bis zum 5. April 1945 bleibt die Weiser in Berlin. Dann wandert sie zu Fuß in den Harz, wo ihr Schmuck vergraben ist. Dort wartet sie auf den Einzug der Amerikaner. „Ich blieb in Wernigerode. Ich dachte, die Amis haben was zu fressen ...
Als ich hörte, die Russen kommen nach Harzburg, habe ich direkt einen Kniefall gemacht ... Da hat Mr. Taylor von Metro Goldwyn Mayer mich mitgenommen nach Hamburg, sogar mit allem Gepäck. Als Mr. Taylor dann Leidenschaft mimte, hab' ich ihm glatt gesagt: 'Du bist doch kein Russe! Laß' mich in Ruhe!'"
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Mehr als fünfhundert pro Abend kann ich nicht bezahlen
Ein paar Monate schlägt sich die Weiser recht und schlecht durch. Dann erhält sie den Besuch eines Mannes, der ein Theater aufziehen will. Sie ist bereit. Sie hat sogar ein Abendkleid gerettet, Schuhe und Schminke.
Was sie beansprucht? Sie überlegt. Will Meyen, der Hamburger Schauspieler, bekommt hundert Mark die Woche und Milchreis dafür, daß er in Lazaretten auftritt. Soviel möchte sie auch haben. Bevor sie den Mund auftun kann, sagt ihr Besucher aber: „Meine liebe gnädige Frau, mehr als fünfhundert pro Abend kann ich nicht bezahlen!"
Die Weiser wird später darüber sagen: „Das waren ja fünfzehntausend im Monat! Da wußte ich, daß ich eine Schauspielerin war."
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....... und plötzlich wird sie verboten
Sie spielt Theater, sie spielt Kabarett - und plötzlich wird sie verboten. Grund: Fragebogenfälschung!
Weil sie doch in ihrem Fragebogen angegeben hat, daß sie
kein Mitglied der Partei war, obwohl sie doch in ihrem Fragebogen zehn Jahre vorher vermerkt hatte, sie sei es.
Es dauert lange, bis sie erfährt, daß sie denunziert wurde. Sie "stellt" Major Seely, der in der Berliner Schlüterstraße amtiert: „Ich ging zu ihm hin und führte mich wie eine Verrückte auf. Ich gab keine Ruhe, bis er mir sagte, wer mich denunziert hatte. Das heißt, er sagte es nicht, er legte nur die Akten so hin, daß ich es lesen konnte. Na ja, ich bin ja nicht nachtragend! Ich grüße eben die Leute nicht mehr, das ist alles."
Es dauert immerhin ein Jahr, bis über Grethe Weiser verhandelt werden kann. Sie strahlt das Gericht an: „Freitag! Der Dreizehnte! Ein doppelter Glücksfall. Es wird schon alles schiefgehen!"
Es stellt sich schnell heraus, wie alles war. Sie erklärt, warum sie unter den Nazis ihren Fragebogen fälschen mußte. Ihr früherer Mann, dessen Vater sie lange versteckt gehalten hat, sagt für sie aus. Viele sagen für sie aus. Der Vorsitzende fragt, ob sie wieder Theater spielen will.
Die Weiser: „Natürlich!" „Haben Sie schon ein Engagement?" Die Weiser: „Nein. Haben Sie was für mich?" Das ist das Ende ihrer Entnazifizierung.
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Die zweite große Karriere der Grethe Weiser
Und nun beginnt die zweite große Karriere der Weiser im Film und auf der Bühne. Ihre erste Filmrolle „Morgen ist alles besser!" Dann kommt „Das Einmaleins der Ehe" und das Unglück von „Marrakesch", dann kommen unzählige Filme.
1950 werden es vier sein, 1951 fünf, 1952 fünf, 1953 sechs, 1954 sieben ...... Schauspielerisch wird die Weiser immer besser, immer konzentrierter, immer einfacher. Sie beherrscht ihr Metier in einer geradezu verblüffenden Weise. Verblüffend für die Fachleute. Das große Publikum lacht.
Die Fachleute fragen sich oft: Wie macht sie das, die Menschen mit einem Satz, mit einem Blick so zum Lachen zu bringen? Wie großartig ist ihr Timing - die Pausen, die sie einlegt. Sie kann sprudeln, sie kann stottern, sie erreicht immer genau die Wirkung, die sie in diesem Augenblick braucht.
Sie ist nicht nur eine große Schauspielerin, sie ist auch, was sehr selten ist, eine gescheite Frau. Sie weiß, das Publikum will Filme mit Liebe. Also müssen hübsche junge Mädchen die Hauptrollen spielen.
„Ich will gar keine zentrale Rolle mehr spielen. Mir genügt die zweite Rolle, die Freundin, das bißchen Sonnenschein im Haus. Keine hübsche Frau. Ich kann doch den Leuten nicht zumuten, mich als hübsche Frau anzusehen. Ich bin nicht hübsch - aber ich bin Grethe Weiser!"
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