"Das gibt's nur einmal" - die Film-Fortsetzung 1945 bis 1958
Der Schriftsteller Curt Riess (1902-1993 †) hatte 1956 und 1958 zwei Bücher über den Deutschen Film geschrieben. Als Emigrant in den USA und dann Auslands-Korrspondent und später als Presseoffizier im besetzten Nachkriegs-Berlin kam er mit den intessantentesten Menschen zusammen, also nicht nur mit Filmleuten, auch mit Politikern. Die Biografien und Ereignisse hat er - seit 1952 in der Schweiz lebend - in mehreren Büchern - wie hier auch - in einer umschreibenden - nicht immer historisch korrekten - "Roman-Form" erzählt. Auch in diesen beiden Filmbüchern gibt es jede Menge Hintergrund- Informationen über das Entstehen der Filme, über die Regisseure und die kleinen und die großen Schauspieler, das jeweilige politische Umfeld und die politische Einflußnahme. Die einführende Seite dieses 2. Buches finden Sie hier.
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FÜNFZEHNTER TEIL • WIEN, NUR DU ALLEIN...
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O. W. Fischer
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Klein Moritz stellt sich vor .......
Der kleine Moritz stellt sich vor, daß ein großer Filmregisseur eine noch größere Villa besitzt, daß er die teuersten Autos fährt, daß er in einem privaten Swimming-pool badet.
Und der kleine Moritz hat, wie so oft, auch in diesem Punkt meistens recht. Eine hochwohllöbliche Ausnahme von dieser Regel ist Rolf Hansen. Er gehört zu den in der Filmindustrie seltenen Erscheinungen, die mit relativ wenig Geld leben.
Er kann sich daher seine Filme aussuchen und braucht nicht alles zu machen, was man ihm vorschlägt. Er hat seit Kriegsende nur einige wenige Filme inszeniert, darunter „Vagabunden" mit Paula Wessely, „Föhn" mit Hans Albers und natürlich den „Dr. Holl" mit Maria Schell, Heidemarie Hatheyer und Dieter Borsche.
Rolf Hansen liest ein neues Drehbuch : „Das letzte Rezept"
Jetzt hat er ein neues Drehbuch erhalten: „Das letzte Rezept", das ihn aus vielen Gründen reizt. Es geht hier um die Tragödie des alternden Arztes, des zu alten Arztes, der die Verantwortung nicht mehr tragen kann, die sein Beruf ihm auferlegt.
In einem entscheidenden Moment, als er ein Rezept ausschreibt, irrt er. Die Folgen könnten tragisch sein.
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Diese Geschichte vom „Letzten Rezept" .......
.... spielte in Salzburg. Hansen hält daher eine österreichische Besetzung für selbstverständlich. Die Rolle des alternden Arztes wird Carl Wery spielen, der bereits im „Dr. Holl" eine entsprechende Hauptrolle verkörperte. Seine Schwiegertochter, die Apothekerin, die eigentliche Mittelpunktsfigur des Films, soll Heidemarie Hatheyer sein.
Für die männliche Hauptrolle wird O. W. Fischer engagiert. Und beinahe geht die Sache wieder schief. Aber wie alles in diesem Film - eben nur beinahe.
Die Rolle der Morphinistin - es ist keine große, aber eine sehr wichtige Rolle - wird einer jungen Tänzerin namens Sybil Werden anvertraut. Das ist ein ungewöhnlich schönes und darüber hinaus reizvolles Wesen, eine junge Dame mit kolrabenschwarzem Haar, von fremdländischem Charme - man könnte sie für eine Russin oder für eine Rumänin halten. Das hängt wohl damit zusammen, daß die Familie aus Ungarn stammt.
In jeder Szene, in der sie mitspielt, spürt man das Fremdländische, das Seltsame, das Geheimnisumwitterte um diese Frau. Sie spielt nicht, aber wenn immer sie auf der Leinwand erscheint, haben es die anderen - und sie sind ja alle gute Schauspieler, die Hatheyer, Wery, Rene Deltgen, Hilde Körber - recht schwer, sich neben ihr zu behaupten.
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Am schwersten hat es O. W. Fischer.
O. W. Fischer mag viele Fehler haben. Aber einen hat er nicht: er ist nicht dumm. Er gehört nicht zu jenen Schauspielern, die sich selbst etwas vorspielen.
Er spürt deutlich, daß er ins Hintertreffen gerät. Er weiß es schon seit der ersten Szene, die er mit der Sybil Werden hat. Er wird unruhig.
Und eines Tages bittet er den Regisseur, ihn in die Vorführung mitzunehmen. Er will die Muster von den Szenen sehen, die am Vortage gedreht worden sind. Hansen nickt. „Kommen Sie ruhig mit."
In der Vorführung geschieht nun etwas sehr Seltsames.
O. W. Fischer sieht sich die Szenen an, in denen er mitspielt, und plötzlich, ohne ein Wort zu sagen, stürzt er aus dem verdunkelten Raum hinaus.
Draußen auf dem Korridor rennt er hin und her. Drinnen sitzt Hansen, der tut, als habe er nichts von dem Verschwinden des Schauspielers gemerkt. Es dauert fast noch eine Stunde, bis er auf den Korridor tritt.
Fischer eilt auf ihn zu.
„Ich muß Sie sprechen!" Er macht einen völlig erledigten Eindruck. „Ja?"
„Die Sybil Werden. .. Die kann doch gar nichts..."
„Wenn Sie meinen, daß sie noch keine Schauspielerin ist ... Ja, da mögen Sie in gewissem Sinne recht haben ..." „Und doch spielt sie mich an die Wand! Ich habe wenigstens den Eindruck, daß sie mich an die Wand spielt."
„Da haben Sie einen ganz richtigen Eindruck." - „Aber ich bin doch schließlich ... ein bekannter Schauspieler ..." „Ja, das sind Sie." - „Und ich beherrsche mein Metier. Ich meine, ich habe doch etwas gelernt ..."
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Hansen lächelte: „Hier steckt eben der Fehler .......
....... Oder sagen wir das Mißverständnis. Ja, Sie sind ein guter Schauspieler. Sie beherrschen Ihren Beruf. Sie kennen Ihre Mittel. Sie wissen sie einzusetzen - auf der Bühne. Aber im Film? Im Film ist alles ganz anders. Sie wissen immer noch nicht, daß es im Film nicht darauf ankommt zu spielen. Im Film, muß man eine Situation erleben. Und die Menschen, die vor der Leinwand sitzen, müssen das spüren. Das ist ganz einfach ..."
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O. W. Fischer starrt Hansen an.
Der Regisseur fährt fort: „Frau Werden ist keine Schauspielerin. Noch nicht. Vielleicht wird sie einmal eine werden. Aber da sie heute noch keine ist, kann sie gar nicht versuchen zu spielen, sie kann nur versuchen zu erleben. Das tut sie. Und es gelingt ihr in erstaunlichem Maße.
Sie aber, mein lieber Herr Fischer, kommen ins Spielen. Sie spielen diskret. Sie spielen mit einem Minimum an Mitteln. Aber auch dadurch wird die direkte Leitung zwischen Ihnen und dem Publikum unterbrochen.
Sie legen gewissermaßen eine Mattscheibe zwischen sich selbst und die dort unten. Sie können faszinieren, aber nicht rühren. Rühren .... !"
O. W. Fischer fährt sich durch die Haare: „Was soll ich tun? Was soll ich tun?"
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Die Schauspielerkarriere von O. W. Fischer ging schnell
O. W. Fischers Schauspielerkarriere ging schnell und eigentlich ohne besondere Sensationen vor sich. Er kam recht jung an die Münchner Kammerspiele zum großen Regisseur Falkenberg, wechselte von dort nach Wien über, wo er am Volkstheater ein Liebling des Publikums wurde, und von dort wiederum nach Kriegsende zum altberühmten Burgtheater.
Er hatte alles, das einen erfolgreichen Schauspieler ausmacht. Er hatte eine schöne dunkle Stimme, vermochte eine Gestalt mit wenigen Strichen zu zeichnen. Er war nicht nur ein guter, auch ein moderner Schauspieler. Pathos lag ihm denkbar fern.
Er verstand es, zu „unterspielen" - wie die Amerikaner es nennen. Er machte niemals Szenen, schrie nicht, weinte nicht, gestikulierte nicht wild mit Armen und Händen.
Er konnte ganz ruhig dastehen, die Hände in den Hosentaschen vergraben, die Augen gesenkt; er sprach in entscheidenden Augenblicken so leise, daß es nicht immer leicht war, ihn zu verstehen, und doch spürte jeder: hier durchlebte ein Mensch die größten Erschütterungen, hier ging es wirklich um Sein oder Nichtsein.
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Noch etwas: O. W. Fischer sah großartig aus.
Seit langem hatte man auf der Bühne keinen „Liebhaber" gesehen, der über solche äußeren Vorzüge verfügte. Aber er spielte sie niemals aus. Im Gegenteil, es schien den Zuschauern oft, als mache er sich ein wenig über sein Äußeres lustig, als wolle er sagen: so vergeßt doch endlich, wie ich aussehe! Es kommt ja nicht darauf an ...
Im Film kommt es ja nun gerade auf das Aussehen an, und man hätte glauben können, daß der Bühnenerfolg O. W. Fischers sich im Film wiederholen, ja noch steigern würde.
Das Gegenteil war der Fall. Nicht, daß es an Versuchen gefehlt hätte. Eine Folge des Krieges war ja, daß es wenig, viel zu wenig junge gutaussehende Filmschauspieler gab.
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Die Filmleute fanden O. W. Fischer zu hübsch ....
Marian war tot, Gottschalk war tot, Hannes Stelzer und viele, viele andere auch. Man probierte es also selbstverständlich mit O. W. Fischer. Aber seine großen Vorzüge gereichten ihm im Film seltsamerweise zum Nachteil.
Die Filmleute fanden ihn zu hübsch, zu glatt, zu „geleckt". Auf der Leinwand kam die Ironie, mit der sich O. W. Fischer selbst von seinem Aussehen distanzierte, überhaupt nicht zur Geltung.
Sein Spiel verpuffte. Er fiel nie auf und wenn, dann nur unangenehm. Als Schauspieler trat er in großen modernen und klassischen Werken auf, als Filmschauspieler bekam er nur noch alberne Rollen und wurde für Filme engagiert, die jedes Niveaus entbehrten.
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Seine besten Filmjahre vergingen ........
Jahre vergingen. Es waren - darüber kann gar kein Zweifel sein - seine besten Filmjahre. Es waren die Jahre, in denen O. W. Fischer so gut aussah, wie er späterhin - so etwas hat ja mit Kunst nichts zu tun, es ist eine Frage der Physiologie - gar nicht mehr aussehen konnte.
Sämtliche Filmfachleute, die ihn wieder und wieder abgelehnt hatten - es sei daran erinnert, daß Forst ihn für die „Sünderin" nicht bekam und Hansen darum kämpfen mußte, ihn für das „Letzte Rezept" zu bekommen - waren sich darin einig: O. W. Fischer wird niemals ein Filmschauspieler!
Und dann, während „Das letzte Rezept" gefilmt wird, geschieht es. O. W. Fischer ist verzweifelt, denn er spürt, daß die Nicht-Schauspielerin Sybil Werden wesentlich besser „ankommt" als er selbst.
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„Sie können faszinieren, aber nicht rühren!"
Und Regisseur Hansen erklärt ihm: „Sie können faszinieren, aber nicht rühren!" „Also was soll ich tun? Was mache ich falsch?" Der Regisseur erklärt dem Schauspieler, was er falsch machte.
Bisher hatte O. W. Fischer nicht viel von diesen Filmabenteuern gehalten, die ihm wenig mehr bedeuteten als eine Aufbesserung seiner Gage. Er filmte sozusagen mit der linken Hand.
Nun stellt Hansen fest:
„Sie werden niemals etwas erreichen, wenn Sie im Atelier Zeitung lesen, Witze machen, das Ganze nicht ernst nehmen. Gehen Sie in die Kulisse! Versuchen Sie sich auf die Situation zu konzentrieren, die Sie spielen, nein, nicht spielen, die Sie fühlen sollen! Denken Sie an nichts anderes! Nur wenn Sie ganz in dieser Situation drinstehen, werden Ihre Gedanken und Gefühle von der Leinwand herunter zum Publikum strömen."
Dieses Gespräch zwischen Hansen und O. W. Fischer währt eine halbe Nacht. Immer wieder fragt O. W.: „Was soll ich tun? Raten Sie mir! Helfen Sie mir!"
Und Hansen wiederholt stur: „Sie müssen sich in die betreffende Situation hineindenken. Das ist alles."
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Nur diese wenigen Worte „Hast Du das geschrieben?"
Am nächsten Morgen wird jene Szene gefilmt, in der O. W. Fischer, der den Apotheker spielt, seinem Vater, dem alternden Arzt, dessen letztes Rezept, das Rezept mit der tödlichen Dosis Morphium vorhalten und ihn fragen muß: „Hast Du das geschrieben?" Er hat also nur diese wenigen Worte zu sagen.
Aber was geht in ihm vor, in ihm, dem Sohn, der dem Vater jetzt mitteilen müßte: „Du bist fertig! Du gehörst zum alten Eisen! Du bist eigentlich ein Mörder! Eigentlich - wenn meine Frau dieses Rezept ausgeführt hätte ... Du darfst nie wieder ein Rezept schreiben! Du bist Arzt gewesen!"
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Von dem allen steht nichts im Text.
Von dem allen hat O. W. Fischer kein Wort zu sagen. Aber er muß es denken, er muß es wissen, es fühlen. Er steht gewissermaßen hinter den Worten, und er ist so erschüttert über die furchtbare Tragödie seines Vaters, daß ihm die Tränen kommen.
Er hat zu sagen: „Hast Du das geschrieben?" Seine Stimme zittert. Er hofft wider besseres Wissen, daß der Vater das nicht geschrieben hat. Er möchte ihn am liebsten in die Arme nehmen und trösten, den alten Mann.
Und darf doch nichts anderes als ihn fragen: „Hast Du das geschrieben?" Die Kamera fährt vor O. W. Fischer her. Hansen sitzt neben der Kamera auf dem Wagen. Nur einen Meter von ihm entfernt das Gesicht O. W. Fischers, „Hast Du das geschrieben?"
Das Herz des Schauspielers blutet. Des Schauspielers? Nein, des Sohnes. Er liebt seinen Vater. Er gehört zu ihm - und muß doch jetzt zur Polizei und ihn anzeigen.
Das Gesicht O. W. Fischers ist tränenüberströmt. „Hast Du das geschrieben?" Hansen beugt sich nach vorn. Er wischt mit dem Taschentuch die Tränen aus dem Gesicht O. W. Fischers. Der merkt gar nichts. „Hast Du das geschrieben?"
Immer wieder Tränen. Immer wieder muß der Regisseur sie fortwischen. Am nächsten Abend sitzen sie in der Vorführung. Rolf Hansen, Heidemarie Hatheyer und - ganz allein für sich, zusammengekauert, die Hände tief in den Taschen - O. W. Fischer.
Auf der Leinwand erscheint das Gesicht O. W. Fischers. „Hast Du das geschrieben?" Die Tränen sind nicht mehr sichtbar. Die Stimme verrät nicht, daß der Sprecher eben noch geweint hat.
Da ist wirklich nur dieser eine Satz: „Hast Du das geschrieben?" Keine schmerzliche Geste, keine Trauer im Blick. Nichts als diese Worte.
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Der Durchbruch O. W. Fischers hat begonnen.
Und doch spüren die drei, die vor der Leinwand sitzen, die Tränen, die geflossen sind, den Schmerz des liebenden Sohnes. Ein großer, ein ganz großer Filmschauspieler ist geboren. Der Durchbruch O. W. Fischers hat begonnen.
DIE DRITTE DIRNE: HANNERL MATZ
Hannerl Matz tritt ins Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit.
Um diese Zeit taucht eine Schauspielerin in Wien auf, die Sonja Ziemann Konkurrenz machen könnte. Sie ist klein und zierlich wie sie, nicht annähernd so hübsch, aber dafür viel, viel jünger.
Sie hat nicht den Charme der Ziemann, aber dafür einen gewissen ursprünglichen Liebreiz. Sie ist eine große schauspielerische Persönlichkeit, so stark, daß sie sich schnell durchsetzt. Hannerl Matz tritt ins Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit.
„Warum willst Du nicht Schauspielerin werden?"
Ihr Vater war im Krieg gefallen. Die Mutter konnte sich einigermaßen über Wasser halten, während die Tochter in die Mittelschule ging. Sie war keine begeisterte Schülerin, und es stand schon frühzeitig für sie fest, daß sie irgendeinen Beruf ergreifen würde - bloß um von der Schulbank herunterzukommen.
Mit zehn Jahren trat sie in die staatliche Ballettschule ein. Die Familie hoffte, sie würde als Gymnastiklehrerin enden, denn der Beruf einer Tänzerin war ja ganz lustig, aber doch nicht anständig. Aber die Matz war viel zu klein und zart, um den Anstrengungen der Gymnastik gewachsen zu sein.
Sie tanzte schlecht und recht, aber es wäre übertrieben zu behaupten, daß sie dafür große Begeisterung an den Tag gelegt hätte. „Ich war wohl auch zu faul", kommentiert sie später diese Phase ihres Lebens. Irgend jemand fragte sie: „Warum willst Du nicht Schauspielerin werden?" Und sie antwortete naiv: „Wie macht man denn das?"
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Mit achtzehn die Rolle eines zwölfjährigen Mädchens ......
Mit achtzehn bekam sie eine hübsche Rolle im Burgtheater - die eines zwölfjährigen Mädchens. Dafür erhielt sie als Gage neunhundertsechzig Schillinge pro Monat, was etwa hundertfünfzig D-Mark entsprach.
Und dann kam auch schon der erste Film. Er hieß „Asphalt" und wurde von einer Filmgesellschaft gedreht, von der sie nie vorher und nachher gehört hat, von einem Regisseur, der auch nicht viel prominenter war.
Überhaupt blieb das ganze Unternehmen reichlich obskur. Der Film „Asphalt" war wohl ein Versuch, den neorealistischen Erfolg Roberto Rossellinis in Wien zu wiederholen. Fünf Episoden hatte der Autor vorgesehen, die zeigen sollten, wie schmutzig und verderbt die Zeit war.
Eine davon spielte Hannerl Matz - und zwar die Rolle eines armen Mädchens, das unter die Räder kommt.
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Aber alles der Reihe nach:
Hannerl Matz kam in ein Nachtlokal, müde und verzweifelt, bereit, ihren zwar noch jungen, aber schon müden Leib dem ersten besten hinzugeben. Sie wurde in ein Separee geführt - und wer tauchte dort auf? Ein paar Chinesen.
Man wird fragen, was Chinesen in einem Wiener Separee zu tun hatten? Der Film beantwortet es nicht. Es mußte sich um sehr großzügige Chinesen handeln, denn einer von ihnen gab Hannerl Matz dreihundert Schillinge. Die Polizei ist weniger menschenfreundlich, zumindest in diesem Film.
Sie erscheint, findet die dreihundert Schillinge bei Hannerl Matz und glaubt ihr nicht einen Augenblick, daß sie sie geschenkt bekommen hat. Mißtrauisch wie Polizisten nun einmal sind, vermuten sie Diebstahl.
Hannerl Matz wird arretiert und muß aufs Revier. Fortan ist ihr Weg vorgezeichnet. Später sagt sie dann auch - im Film nämlich: „Ihr habt mich zu dem gemacht, was ich bin! Nun will ich es auch wirklich sein!"
Man sieht: Eine Anklage gegen die Gesellschaft, die sich gewaschen hat. Ja, da ist noch die Sache mit dem Apotheker. Ganz klar wird sie nicht, auch Hannerl Matz nicht, obwohl sie den Film spielt. Es scheint, daß er immer Nachtdienst hat, aber offenbar keinen sehr anstrengenden. Jedenfalls verfügt er über genügend Zeit, um sich gelegentlich mit einer jungen Dame, die keine ist, zu amüsieren.
Kurz, eine der Dirnen aus dem Nachtlokal muß immer zu dem Apotheker kommen. Niemand reißt sich darum, offenbar ist er nicht sehr angenehm. Eines Nachts wird wieder einmal die Frage gestellt: „Wer geht heute?" Die erste Dirne sagt: „Ich nicht!" Die zweite Dirne: „Ich auch nicht!" Jetzt kommt der große Augenblick im Leben von Hannerl Matz.
Sie drückt die Zigarette aus, die ihr bisher lässig im verderbten Mundwinkel hing, und erhebt sich. „Dann gehe ich!" sagt sie. Und dann geht sie hinaus, zum Apotheker, der Nachtdienst hat.
Was dort geschieht, werden wir niemals erfahren. Ach, vielleicht hätte Hannerl doch besser ins Wasser gehen und auch gleich Autor und Regisseur des Films mitnehmen sollen ...
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Eine Rolle, die ihr wie auf den Leib geschrieben ist!
Jeder, der Hannerl Matz inzwischen auf der Leinwand gesehen hat, wird zugeben: Das ist eine Rolle, die ihr wie auf den Leib geschrieben ist! Sie filmt auch ganz begeistert. Aber erst nachdem die letzte Szene abgedreht ist, kommen ihr Bedenken.
Sie ist ja nicht mehr unbekannt in Wien, sie spielt bereits seit Monaten am Burgtheater, man erwägt dort sogar, ihr einen langjährigen Vertrag zu geben. Wenn der Film herauskommt und die hochwohllöbliche Burgtheaterdirektion entdeckt, was es mit ihm auf sich hat, wird man ihr den Vertrag nicht geben ...
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Nun, so schlimm kommt es nicht.
Der Film wird zwar gespielt, aber kein Mitglied der Burgtheaterdirektion verirrt sich in die Vorstadtkinos, in denen er läuft. Überhaupt scheint er unter Ausschluß der Öffentlichkeit gespielt zu werden. Ganz genau weiß Hannerl Matz das später auch nicht, denn sie selbst bekommt den Film nicht zu sehen.
Sie muß ja fast jeden Abend spielen. So pilgert sie eines Nachmittags zum kleinen Kino, in dem der Film läuft, und will sich eine Karte kaufen. Sie wird abgewiesen. „Der Film ist für Jugendliche verboten!"
Hannerl Matz reklamiert, schließlich hat sie ja mitgespielt. Aber die Kassiererin bleibt eisern. „Für Jugendliche verboten!"
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Augenblicke, in denen sie an die junge Paula Wessely erinnert
Übrigens sehen sich dann doch einige österreichische Filmregisseure, die nicht mehr unter die Kategorie der Jugendlichen fallen, den Film an, zum Beispiel Ernst Marischka, der sofort spürt, welch großes Talent in dem kleinen Mädchen steckt, und ihr einen Vertrag anbietet.
Ja, sie bekommt jetzt überhaupt eine Menge Filmangebote, es gibt ja so wenig Nachwuchs im Film. Und jeder, der Augen hat zu sehen, erkennt: die kleine Matz ist nicht nur hübsch, sie ist eine wirkliche Schauspielerin, sie vermag die Menschen zu rühren, ja sogar in Erschütterung zu versetzen.
Sie hat Augenblicke, in denen sie an die junge Paula Wessely erinnert. Was Schöneres kann man von einer blutjungen Schauspielerin doch nicht sagen?
Oktober 1952 - der Film „Der große Zapfenstreich"
Der künstlerische Durchbruch kommt erst - wir greifen ein wenig vor - im Oktober 1952 mit dem Film „Der große Zapfenstreich". Es handelt sich um die Verfilmung des alten Dramas „Zapfenstreich" von Hans Adam Beyerlein.
Das war um die Wende des Jahrhunderts ein sehr aufregendes Stück um das damals aufregende Problem: Kann die Tochter eines Unteroffiziers oder Feldwebels mit einem Leutnant respektive kann er mit ihr ...?
Heiraten kann er sie doch auf keinen Fall. Das wäre doch gegen alle Begriffe von Standesehre! Und das andere? Nein, das darf nicht geschehen! Da steht mehr auf dem Spiel als ihre Ehre, die Ehre ihres Vaters! Die Ehre der ganzen deutschen Armee!
So etwas kann nur schlecht ausgehen. Es geht auch schlecht aus bei Beyerlein, und auch wiederum in dieser Reprise. Das würde man zweifellos auch vom Film sagen, er würde mit Pauken und Trompeten - man sieht, wir bleiben im Militärstil der damaligen Zeit - durchfallen, wenn eben Hannerl Matz nicht wäre und der Darsteller der winzigen Rolle des Obersten.
O. E. Hasse in der winzigen Rolle des Obersten
Letzterer Schauspieler heißt O. E. Hasse und zaubert in wenigen Metern den ganzen Hintergrund eines preußischen Offiziers damaliger Zeit so überzeugend hin, daß man nach dem Film glaubt, dieser O. E. Hasse habe die Hauptrolle gespielt.
So sehr vermag die Phantasie eines Schauspielers über die der Drehbuchautoren zu triumphieren. Aber, um auf Hannerl Matz zurückzukommen: ihre Rolle ist eine fast unmögliche. Sie soll ein junges Mädchen sein, das sich - o Katastrophe! - dem Mann, den sie liebt, hingibt.
Ja, nicht auszudenken! Dies sogar im entscheidenden Moment zugibt, um eben jenen Geliebten zu retten. Und die sich damit ihr Leben zertrümmert. Es ist schwer, heute so etwas zu spielen, ohne daß das Publikum in den kollektiven Ruf ausbricht: „Deine Sorgen möcht' ich haben!" Die Entwicklung ist eben über diese Art Probleme längst hinweggegangen.
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Wenn Hannerl Matz dieses unschuldige Mädchen spielt ...
Nicht, wenn die Matz so etwas spielt! Dann vergißt man ganz, was andere tun oder nicht tun, was erlaubt ist oder nicht, wie die Gesellschaft - soweit vorhanden - sich zu dieser oder jener Frage stellt.
Dann existieren keine allgemeinen Maßstäbe mehr, dann gibt es nur noch diesen jungen Menschen, dieses unschuldige Mädchen, auch dann noch unschuldig, wenn sie ganz Hingabe, ganz liebende Frau geworden ist.
Ihre Ängste sind unsere Ängste, ihr Glück das unsere, und es scheint, als hänge unser ganzes Leben daran, daß sich ihre Hoffnungen verwirklichen. Zu wenig gesagt, wollte man behaupten, daß sie uns mitreißt.
Sie nimmt uns gefangen. Wenn sie auf der Leinwand zu sehen ist, gibt es nichts anderes mehr, keine Welt jenseits der ihrigen. Wir lachen, wir weinen mit ihr ...
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