Die Historie mit den Filmen in Weilmünster beginnt vor 1919
Die länger lebigen "Filmmaschinen" (also die Projektoren) kamen zwischen 1929 und etwa 1935 auf den Markt. Vorher waren es alles recht merkwürdige Konstruktionen.
Mit dem Licht-Ton gab es die ersten Bauer und Zeiss-Ikon Filmprojektoren, die (auf dem Land) auch den 2. Weltkrieg überlebt hatten. Bekannte Typen waren die BAUER M5 und B6 und die Ernemann 6 Projektoren. Natürlich gab es auch noch andere Fabrikate und Modelle, die aber nach dem Krieg verschwanden.
Ab etwa 1938 wurde der berühmte Ernemann 7B Projektor der europaweite Standard für solides Kino. Dieser Projektor war für damalige Verhältnisse ein Hightech Wunderwerk, selbst für große Filmtheater mit über 50m Projektionsabstand war er gut geeignet.
Der UFA-Palast in Berlin (1941 - allererste Vorstellung des verbssserten AEG-Magnetophons K4 vor 2000 geladenen Gästen) hatte 2.200 Sitzplätze. Nach 1945 wurde der Ernemann 7B Projektor noch ein paar Jahre in den ostzonalen Ernemann Werken in Dresden weiter gebaut und auch in die drei Westzonen "exportiert" oder in "Nacht und Nebel" Aktionen entführt, wenn man das so nennen konnte. - Welcher von den Projektoren in den Saalbau-Lichtspielen bis Mitte 1954 wirklich aufgestellt war, werden wir noch herausfinden.
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Dann kam etwas völlig Neues - das wirkliche 2.55:1 Breitbild
Vorher war das Kinobild wie beim anfänglichen Fernsehen ein 4:3 Format (oder Bildverhältnis), das mit ein paar Tricks von 1 zu 1,37 auch auf eine Art Breitbild gedehnt, aber eigentlich reduziert werden konnte. Man sprach von dem 1 zu 1,85 Bildverhältnis, wobei einfach nur oben und unten mit einer Blende die Ränder abgedeckt waren. Mit einer anderen Optik schien das Bild dann bei gleicher Bildwand-Höhe etwas breiter zu sein. Das war dem normalen Gesichtsfeld angepaßt.
Doch dann kam um 1953/54 etwas ganz Neues, ein Bildformat mit einem Bildverhältnis 1 zu 255, ein richtiges Breitbild von berauschender Panorama- Perspektive. Doch das Bild auf dem Filmmaterial war anders als vorher. Mit normalen Objektiven war das nicht mehr darzustellen.
Man brauchte eine neue optische Technik, ein "Anamorphot". Doch dann war die Lichtleistung der Lampe nicht mehr ausreichend. Also bauchte man auch neue Bogenlampen und das wiederum war mit den alten Ernemann 7B Projektoren fast nicht machbar.
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1954 - In den Saalbau-Lichtspielen wurde in "Zukunft" investiert
Der Sohn vom alten Friedrich Buchholz, Fritz Buchholz, war mutig und ließ von der UFA Handel in Frankfurt zwei brandneue Ernemann 9 (oder 8) Projektoren installieren. Die größere Ernemann 10 war für diese Größenordnung - Säle bis 400 Plätze - zu teuer (und auch zu gut). Und er bestellte für diese neue Cinemascope- Technik sogar die 4-Kanal Magnetton- Einrichtung, eine weitere Weltneuheit. Das war (finanziell) schon sehr mutig für ein kleines Kino auf dem Land. Auf dem Kohlheck in Wiesbaden wurde in 1957 nur die einfache oder billigere Cinemascope- Technik mit einkanaligem Lichtton installiert.
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Die Zeitschrift für den Oberlahn-Kreis schreibt natürlich einen Artikel
Zusammen mit der Anzeige der Saalbau-Lichtspiele zur Neueröffnung mußte die Zeitung diesen "Event" natürlich gebührend "flankieren". Am 19.10.1954 wurde der nachfolgende Artikel abgedruckt :
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Neue Film-Ära im Oberlahnkreis eingeleitet.
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- Anmerkung : In dem Artikel wird überhaupt nicht näher beschrieben, was denn "Cinemascope" ist. Auch von der Steigerung der Tonqualität mit dem neuen 4-Kanal Magnetton ist keine Rede. Die allermeisten Leser hätten das 1954 sowieso nicht verstanden.
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Weilmünster - Ein epochales Ereignis erlebten am Dienstagabend die Teilnehmer an einer Sondervorstellung in den Weilmünsterer Saalbau-Lichtspielen, die erstmals einen Cinemascope-Film, dem zweifellos die Zukunft in der filmtechnischen Entwicklung gehört, vorführten und sich damit unter die wenigen Filmtheater placierten, die diese neueste Errungenschaft besitzen.
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Bei der UFA-Handel in Frankfurt gab es 3 Techniker
Wie in seiner einführenden technischen Erläuterung Ingenieur Loos betonte, ist Weilmünster der einzige Ort in der Größenklasse unter 10.000 Einwohnern im ganzen Bundesgebiet, der ein Filmtheater aufzuweisen hat, das sich des neuen revolutionierenden Filmverfahrens bedienen kann.
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- Anmerkung : Der Kinotechniker Loos wurde wie der Kollege Herr Ruhe und der Kollege Gerhard Redlich, der Vater des Autors dieser Seiten, nach draußen als Ingenieur "verkauft". Alle drei waren aber ganz normale ausgebildete Kino-Techniker. Die echten (Planungs-) Ingenieure saßen in der UFA-Zentrale in Düsseldorf.
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Was vor etwa 30 Jahren der Tonfilm an fortschrittlicher Errungenschaft bedeutete, das wird heute durch das neuartige Raumerlebnis und die eindrucksvolle Wirkung bisher nicht gekannter akustischer Effekte fast völlig in den Schatten gestellt.
Davon konnte sich jedermann überzeugen, der zu dieser Filmsondervorführung geladen war, die Herr Buchholz, der Besitzer der Weilmünsterer Saalbau-Lichtspiele, mit herzlichen Begrüßungsworten einleitete.
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Das großartige Filmerlebnis, das ab heute allen Besuchern des Weilmünsterer Filmtheaters zuteil wird und auch in Zukunft zugedacht bleibt, wurde durch die dramatische Wucht gesteigert, die dem Farbfilm „Das Gewand" innewohnt, der bei der Cinemascope - Premiere in Weilmünster vorgeführt wurde.
Die technisch und darstellerisch hervorragend gelungene Verfilmung des weltbekannten Buches von Lloyds C. Douglas „Das Gewand des Erlösers" wird der Bedeutung des neuen filmischen Verfahrens weitgehend gerecht. Beides zusammen, der Film und seine neuartige technische Interpretation, gaben dem 35jährigen Jubiläum der Weilmünsterer Saalbau-Lichtspiele einen würdigen Rahmen und sind dazu ausersehen, auch im Oberlahnkreis eine neue Filmära einzuleiten.
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