Erinnerungen von Manfred Hemmerling (2002) Kapitel 1 - 18
überarbeitet von Gert Redlich im Nov. 2015 - Bei meinem Besuch bei den Pensionären von Radio Bremen im Sept. 2015 legte Nick Kröger dieses Buch auf den Tisch, weil Herr Hemmerling an dem Zeitzeugengespräch leider nicht mehr teilnehmen konnte. Manfred Hemmerling ist wenige Tage vorher am 19. Sept. 2015 im Krankenhaus verstorben. Nach dem groben Durchlesen noch im Hotel in Bremen stand der Entschluß fest, die 260 Seiten der Erinnerungen an 40 Jahre im Rundfunk (bei Radio Bremen) einem erheblich breiteren Publikum vorzulegen.
Um das Ganze lesefreundlich zu gestalten, sind von mir weitere Überschriften zur Trennung von Lese-Blöcken eingefügt worden und natürlich auch Kommentare und Verlinkungen und weitere Bilder, die den jüngeren Lesern einiges besser veranschaulichen.
Das Inhaltsverzeichnis ist auf eine eigene Seite ausgelagert.
Kapitel 3
Die Anfangszeit - die frühen Jahre ab 1950
Das Hörfunkgebäude an der Heinrich-Hertz-Straße, zugleich Sitz der Rundfunkanstalt, war im Dezember 1950 (als Stiftung des amerikanischen Volkes deklariert) in Betrieb genommen worden. Zuvor war das Funkhaus in einer Villa an der Schwachhauser Heerstraße untergebracht gewesen. Der Fernsehkomplex in Bremen- Osterholz wurde im März 1967 fertiggestellt. Bis dahin mußte sich das Fernsehen mit den knappen räumlichen Verhältnissen im Hörfunkgebäude begnügen.
Es begann im März 1958
Meine Mitarbeit bei Radio Bremen begann im März 1958 und nicht, wie in meinen Personalunterlagen vermerkt, am 1. Mai 1958. Obgleich diese kleine Differenz angesichts der vierzig Jahre, die dann folgten, völlig unbedeutend ist, war sie aber letztlich doch entscheidend für meinen folgenden Berufsweg im Fernsehen.
Mitte März 1958 begann ich in der Hörfunkmeßtechnik, um die Aufgaben eines Kollegen (Karl-Heinz Kröhl) zu übernehmen, der in die Senderegie wechselte. Vorerst galt ich nur als Aushilfe, da die Stelle von Herrn Kröhl erst nach seiner Probezeit neu besetzt werden durfte.
Schichtdienst in der Hörfunkmeßtechnik
Ich hatte einen Schichtdienst mit zwei Kollegen zu versehen. Die Regeln waren streng, doch der Dienst kaum anstrengend, er füllte mich nicht aus. Auch war ich es nicht gewöhnt, abzuwarten, bis etwas von mir verlangt wurde, sondern ich war bislang selbständig einer Tätigkeit nachgegangen.
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Arbeit ? man mußte sich einfach nur bücken . . .
Also begann ich defekte Geräte zu reparieren und löste damit den Unmut meiner Kollegen aus, die anscheinend darauf bedacht waren, die bestehende Abgrenzung ihrer Aufgaben zu erhalten. "Du bist hier", schon das Duzen war mir unsympathisch, "um im Notfall als Feuerwehr tätig zu werden und nicht um anderen die Arbeit wegzunehmen!" Diesen Ausspruch habe ich öfter gehört; aber er hat mich nicht beeinflussen können, da diese Art zu denken für mich ganz unüblich war.
Wenn sich etwas über Jahre "einbürgert"
Daß ich mich auf die Reparatur von Fernsehgeräten verstand, verbesserte das Klima auch nicht. Nur Heinz Wiltschko, der Leiter der Meßtechnik, dessen altes FS-Gerät ich wiederholt instand setzen durfte, war darüber erfreut. Die über Jahre gewachsenen Regeln und Rituale schienen durch mein Verhalten offenbar gefährdet zu werden.
Eine ungewohnte Ruhe im Funkhaus
Was ich aber als sehr positiv im Funkhaus empfand, war die überall spürbare Ruhe und der allgemein wohltuende Umgangsstil, die blank gebohnerten Flure und das gesittete Verhalten.
Interessant waren für mich die Studios, besonders das Hörspielstudio D, in dem es einen Raum gab, der keinerlei Nachhall hatte und akustisch mit Außenaufnahmen gleich kam. An den eigenartigen Effekt in diesem sogenannten schalltoten Raum kann ich mich noch gut erinnern. Eine beklemmende Stille drückte auf die Ohren.
Die Spezialgeräte erfordern professionelles Arbeiten
Beeindruckend war auch die ungewöhnlich präzise Arbeitsweise, z B. in der Meßtechnik und in den Werkstätten. Man denke nur an Arno Schuhfuß, Karl Hammerschmidt, Alfred Klenke oder an die Kautscher-Truppe. Die Älteren unter uns werden wissen, was damit gemeint ist.
In einer Rundfunkanstalt gab es derart viele Anlagen und Spezialgeräte, daß ein eigenständiger Service unverzichtbar war, der von Experten geleistet wurde. Denn alles was im Hause an Technik eingesetzt war, selbst Kameraobjektive, mußte jederzeit in Stand gesetzt werden können, da Rundfunk ständig, also an 365 Tagen im Jahr, stattfinden mußte. Ersatzgeräte standen zu der Zeit in keinen nennenswertem Umfang zur Verfügung, ganze Anlagen schon gar nicht.
Unbedingt ein Erinnerungsblick in die Kantine
Zum Essen ins Kasino ging ich meist allein. Bei schlechtem Wetter oder wenn jemandem danach war, konnte er durch einen Kellergang dorthin gelangen. Der Eingang lag gleich neben der Fahrbereitschaft. Das Kasino wurde von der Familie Münster betrieben, die aus Herrn und Frau Münster und deren Schwester bestand. Hans Münster war zugleich der Küchenchef, dessen Aussprache sogleich verriet, daß er aus Thüringen stammte.
In den Speiseräumen bedienten zwei Angestellte (Berti und Alma) stets freundlich und unermüdlich die zahlreichen Gäste. Alma betreute zusätzlich noch eine Kaffeestube im unteren Kellergang des Funkhauses, die von 10 bis 12 Uhr am Vormittag und ab 15 Uhr nachmittags gern und oft besucht wurde.
Damals wurde den geistigen Getränken noch reichlich zugesprochen und entsprechend gelöst war dann auch die Stimmung in "Almas Kaffeestube"! Erst später (in den 80er Jahren) verbot wiederholt eine Regelung den Konsum von Alkohol in der Dienstzeit bzw. den Ausschank desselben.
"Immer genau nach Vorschrift" - begann ich zu hassen
Im Hörfunkkasino fühlte ich mich zunächst nicht wohl, da ich den oft doppelsinnig geführten Reden der "Altgedienten" nichts abgewinnen konnte, und ich zudem ein eher (noch) schüchterner Mensch war. Mein Entschluß, die begehrte Arbeitsstelle "Rundfunk" möglichst bald wieder zu verlassen, war daher nur noch eine Zeitfrage. Und als dann mein technisches Wissen überprüft wurde, ob ich im Notfall einen defekten Verstärker zu umgehen wüßte und ich dabei einen unüblichen, aber durchaus möglichen Weg wählte, war meine Mitarbeit fraglich geworden. Ich hatte noch nicht begriffen, daß es darauf ankam, genau nach Vorschrift zu handeln und nicht nach (eigenen) Lösungswegen zu suchen.
Eigentlich wollte man mich wieder weg haben
Wie mir später Herr Gloose, Leiter der Hörfunktechnik und Chefingenieur (ein sehr gebildeter und musisch veranlagter Mensch, mit dem ich später noch oft einen Gedankenaustausch hatte und über die Hobbyschriftstellerei Briefe gewechselt habe), mitteilte, sehe er sich leider gezwungen, meine Probezeit zu verlängern. Also ein ungewollter Aufschub!
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Die Erfahrung für die Zukunft
Als ich in späteren Jahren selbst viele junge Menschen und deren Fähigkeiten zu beurteilen hatte und dabei zwangsläufig auch auf die Meinung anderer angewiesen war, habe ich mich oft an meine eigene Situation von damals erinnert und deshalb mehrfach gründlich nachgefragt, bevor ich zu einem endgültigen Urteil gekommen bin.
Eines Tages erkundete ich den Nordflügel.
Im Funkhaus von Radio Bremen gibt es - heute noch - den sogenannten Nordflügel. Vielen Hörfunkkollegen (außer den Damen und Herren Redakteuren vom Hörspiel, die dort im 1. Stock untergebracht waren) war dieser Teil nur wenig bekannt. Aber er beherbergte die erste, meist in den inzwischen nicht mehr bekannten Koffergeräten befindliche Fernsehtechnik. Eines Tages erkundete ich diesen Nordflügel.
Fernsehen bei Radio Bremen - in einem Kabuff unterm Dach
In einem kleinen Raum unter dem Dach, eher ein Kabuff, in dem sich der FS-Umsetzer, UHF Kanal 22, befand, der später als autarker Sender mit großer Leistung zum Leher-Feld (Standort der Mittelwelle und UKW-Sender) kam, traf ich auf zwei Herren, die an einem Gerät (ein Testbildgeber, wie ich bald erfuhr) werkelten. Beide waren sichtlich überrascht, daß jemand aus dem Hörfunk hier mal hereinschaute. "Sie sind erst einige Wochen im Hause und interessieren sich bereits für unsere Arbeit", mit diesen aufmunternden Worten wurde ich dort freundlich empfangen.
Und gleich wurde ich auf die Probe gestellt - examiniert
Hans-Joachim Gerhardt, so hieß der technische Leiter des Fernsehens, examinierte mich sogleich, denn er war ein "Technikfreak" (würde man heute sagen), anhand eines Schaltbildes, das wie ein langes Handtuch (Anmerkung : typisch für die Schaltbilder der Bosch-Fernseh Darmstadt) ausgebreitet auf dem Boden lag. "Herr Vogel" rief er seinem Mitarbeiter zu, dabei war ein Hauch seiner ostpreußischen Mundart zu hören (er kam aus Königsberg), "er versteht tatsächlich die Schaltung zu lesen." Nach drei Wochen war ich sein zweiter Mitarbeiter und vom Hörfunk in das junge Fernsehen übergewechselt. Noch kurze Zeit später sagte ein Hörfunkkollege zu mir, "Bleibe lieber beim Dampfradio, das Fernsehen hat doch keine Zukunft!"
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Hier muß ich die Chronologie wieder mal unterbrechen
Wenn ich jetzt chronologisch fortfahren würde, dann ergäbe sich daraus ein ganzer Roman. Dennoch will ich kurz aufzeigen, wie wenige Personen bei Radio Bremen Ende 1958 fürs Fernsehen tätig waren und wie bescheiden damals unsere technische Ausrüstung war. Außer den Programmkollegen unter Herrn Dumont du Voitel und ein Filmkameramann mit seinem Assistenten (Gubernatis) waren noch wir drei aus der Technik tätig.
Zwar etwas spartanisch - aber es war alles da
Zwei 16mm-Film- und ein Dia-Abtaster, vier Orthikon-Kameras, einschließlich der dazugehörigen Zentralgeräte wie Taktgeber, Bildmischer, Verteilverstärker und Kreuzschienen sowie ein kleines FS-Studio und zwei Film-Schneideräume standen als technische Ausrüstung zur Verfügung. Die Filmaufnahmen wurden in einem winzigen Studio, das sich ebenso unter dem Dach im Nordflügel befand, von Hörfunkkollegen (Werner Stemmer) "vertont". (Anmerkung : Alleine diese Geräte ergaben damals einen Anschaffungswert von fast 2 Milionen DM).
Bremen war per Richtfunk angeschlossen
Gleich nebenan lag der Richtfunkraum, die Gegenstelle stand auf einem Postturm in der Bremer Innenstadt am Brill. Wenn wir senden wollten, mußte eigens ein Beamter kommen, um die Anlage erst in Betrieb zu nehmen. Das waren noch gemütliche Zustände!
Damals wurden aber nur die Bildsignale per Richtfunk übertragen, der dazugehörige Begleitton wurde über Kabel zum nächsten Verstärkeramt der Bundespost und von dort über diverse Schaltstellen zum Empfangsort geführt. Deshalb mußte vor jeder Sendung oder Überspielung eine eigene Tonkennung auf die Sendeleitung geschaltet werden, damit man am Zielort wußte, woher das Tonsignal kam. Und nicht selten sah der FS-Zuschauer bereits ein Bild (meist ein DIA), hatte aber noch keinen Begleitton oder vernahm den störenden Piepton von 1000 Hertz aus seinem Lautsprecher.
Die Deutsche Funkausstellung in Frankfurt 1959
Im August des Jahres 1959 erhielt ich die ehrenvolle Aufgabe, für Radio Bremen zum Hessischen Rundfunk nach Frankfurt zu fahren, um mit einem Filmabtaster aus einem provisorischen Messestudio des HR täglich Filmberichte abzuspielen. Anlaß war die Deutsche Funkausstellung in Frankfurt am Main. Mein Einsatz mit dem Filmabtaster war unser Beitrag zur ARD. Selbstverständlich hatte ich die Geräte in Bremen nicht nur abzubauen und im VW-Bus, mit Otto Kaeseler als Fahrer, nach Frankfurt zu bringen, sondern auch - nach der langen Nachtfahrt - selbst in Betrieb zu nehmen. Am Ende dieses Tages, der für mich schon vor mehr als 24 Stunden begonnen hatte, erklangen mir Stimmen im Kopf.
Eine ganz andere Welt des Fernsehens
Zwei Tage und Nächte hörte ich noch einen "Mann im Ohr" und konnte selbst im Bett einer bescheidenen Pension in der Nähe der Ausstellung kaum in den Schlaf finden. Meine Reaktionen auf diese Reizüberflutung amüsierten und ängstigten mich zugleich, da sie nicht aufhören wollten! Dagegen waren die täglichen Einspielungen eher ein Kinderspiel.
Zum ersten Male erlebte ich eine Welt des Fernsehens, wie es sie bis dahin in Bremen noch nicht gab. Täglich fanden Live-Sendungen mit viel Publikum statt, wie der "Blaue Bock" mit zahlreichen prominenten Künstlern oder die "Augsburger Puppenkiste".
Wertvolle Kontakte für spätere Zeiten
Dort hatte ich auch Gelegenheit, Rupprecht Essberger, den bekannten Regisseur (der in den 1970er Jahren die Regie für die Rudi Carrell Sendungen in unserem Haus machen sollte), und andere Kollegen des HRs, u.a. Otto Thum, mit dem ich später noch viele Jahre zusammengearbeitet habe, sowie viele Damen und Herren aus anderen Rundfunkanstalten kennenzulernen. Mein dafür gutes Gedächtnis war mir später sehr hilfreich, um bei Besuchen in den verschiedenen Rundfunkanstalten gezielt nach Personen zu fragen, mit denen ich in Frankfurt Bekanntschaft gemacht hatte. Oft erübrigte sich dadurch jede Formalität, um in das jeweilige Gebäude zu gelangen. Darüber hinaus erwuchsen auch Verbindungen, die später noch von großem Nutzen für mich, besonders für unsere Fernseharbeit, werden sollten.
Radio Bremens Fernsehen fing an zu wachsen
Im Laufe des Jahres 1959 kamen weitere Mitarbeiter zum Fernsehen von Radio Bremen. Ab 1960 sollten regelmäßig Beiträge für das gemeinsame Regionalprogramm mit dem NDR eingespielt und unser ARD-Anteil (im Nachmittags- und Abendprogramm) geleistet werden. Monika Paulik und Ursel Kohler waren die ersten Bildtechnikerinnen, die aus Nürnberg vom damaligen RTI (Rundfunk- technischen Institut) zu uns kamen. Als Leiter der FS-Meßtechnik war Gerd Schneider, im August 1959, Manfred (Nick) Kröger eingestellt worden. Gerd Schneider wechselte bereits nach zwei Jahren zum NDR und später zur Fa. Ampex. (Er kam bei dem Flugzeugunglück in Bremen, am 28. Januar 1966, leider ums Leben).
Dieses Gruppenbild der "Fernseh-Mannschaft" entstand nach meiner Erinnerung im Frühsommer 1959 ....
.....und dokumentiert den beachtlichen Personalzuwachs.
Und jetzt ein Blick auf meine Kollegen der ersten Stunden
Da mir beim Schreiben fortlaufend weitere Namen von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der sogenannten ersten Stunde einfallen, deren Aufzählung ohne Hintergrund aber keinen Sinn macht, will ich mich auf jene Personen beschränken, die in der einen oder anderen Weise an reizvollen Geschehnissen beteiligt waren.
Im April 1959 kam Horst Bultmann
Bereits im April 1959 war Horst Bultmann zu der kleinen Crew von Idealisten gestoßen. Er kam, wie ich, aus Delmenhorst und sorgte bei der bald darauf begonnenen Fahrgemeinschaft mit seinem Auto, Type "Goliath", für einige unvergeßliche Augenblicke. Horst war mehr als 1,90 m groß und mußte sich stets hinters Lenkrad "einfädeln". Auch ging sein Temperament öfter mit ihm durch, was allerdings im Auto, in fast liegender Position, dann nur zu schweißtreibenden Verbalausbrüchen führte. Er war und ist bis heute ein Mensch, der sich mit Akribie der Technik verschrieben hat, dazu ein Schöngeist mit einem ausgeprägten Gefühl für ästhetisch "feines" Design.
..... er hatte einen großen technischen Einfallsreichtum ......
Horst hat nicht nur die ersten Farbfernseh-Produktionen als Bildingenieur gemeistert, sondern auch die sogenannte "Matrix" und damit die Farbmischkurven der Kamera KC4-P40 verbessert.
Er hat mit großem technischen Einfallsreichtum Produktionen mit extrem hoher Farbsättigung, wie den "Musikladen", damit erst ermöglicht. Horst wechselte Ende der 1970er Jahre zum Hörfunk und nach einigen Jahren Hörfunkplanung war er bis April 1999 Leiter der Hörfunkmeßtechnik und ist inzwischen (wir haben 2002) im Vorruhestand.
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und dann kam Heribert Tannenbauer
In die junge Fernsehbetriebstechnik, so wurde diese Abteilung zunächst genannt, wechselten vom Hörfunk: Heribert Tannenbauer, der die Tontechnik aufbaute und später leitete, ein sehr sensibler Mensch aus dem Sudetenland, ein leicht reizbarer (mit cholerischer Veranlagung), sonst gutmütiger Mensch, gleichwohl ein sehr erfahrener Toningenieur, und Günter Huhn aus der Hörfunk-Sendeabwicklung. In den Anekdoten werden die beiden noch einmal besonders erwähnt.
und Gunnar Putnaerglis
Gunnar Putnaerglis (vorher Hörfunkplanung) löste 1961 Hans-Joachim Gerhardt ab und wurde der erste Fernsehbetriebsleiter bei Radio Bremen. Er schuf mit uns, seinen engsten Mitarbeitern, einen Führungsstab, der dem ARD-Trend entsprach.
Diese Struktur der Fernseh-Technik hat sich mehr als dreißig Jahre bewährt! Er projektierte mit großem Engagement und Wissen unseren ersten 4-Kamera-Übertragungs- und Rüstwagen, denn bis dahin mußten Außenübertragungen entweder mit einem geliehenen Wagen vom NDR oder als "Wanderzirkus" (darauf komme ich noch zurück) durchgeführt werden.
Gunnar Putnaerglis war schon damals als "Reise-Ingenieur" bekannt und sorgte dafür, daß seine Mitarbeiter ebenfalls reisen und Kontakte zu Kollegen anderer Rundfunkanstalten herstellen konnten. Er verstand es, RB-Mitarbeiter in verschiedene ARD-Aktivitäten einzubinden, bzw. sie in Gremien einzuführen.
Im Jahr 1962 - Mitglied der (AK) Fernsehfilm
Im Jahr 1962 wurde ich (als sein Nachfolger) Mitglied der Arbeitskommission (AK) Fernsehfilm, Vorsitz K.E. Gondesen, Institut für Rundfunktechnik (IRT). Als "Gastmitglied" in der AK 8 (FS-Meßtechnik), unter Vorsitz von Herbert Fix, IRT, nahm ich einige Jahre an den Beratungen zur MAZ-Technik teil. Herr Fix (der spätere Leiter des IRT) war ein allseits sehr geschätzter Mensch, der leider viel zu früh verstorben ist. Die Mitarbeit in diesen Gremien der ARD, ab 1963 gemeinsam mit dem ZDF, sowie in diversen ad-hoc-Gruppen und der dabei erfolgte Erfahrungsaustausch waren von unschätzbarem Vorteil für unsere Arbeit. Hinzu kamen noch die vielen persönlichen Kontakte, die oft von großem Wert waren und zu Freundschaften führten, die zum Teil noch bis heute bestehen.
Weitere 4 Kollegen kamen 1961
Noch mal zurück zu den Anfangen, Ende 1960 Anfang 1961. Zu den vielen Neueinstellungen im Fernsehen gehörten Wolfgang Stöver und Peter Spittel, die als Bildtechniker-Anlernlinge, zusammen mit Arnold Müller und Manfred Koch, die interessante Aufbauzeit mitgestaltet und erlebt haben. Wolfgang Stöver ist heute 1. Produktionsingenieur und Peter Spittel wechselte in die Kamerasparte und wurde später deren Chefkameramann bei Radio Bremen. Arnold Müller verließ 1962 Radio Bremen und ging zum ZDF in die MAZ-Technik. Was aus Manfred Koch geworden ist, ist mir nicht bekannt.
Wie es zur sogenannten AK-99er Runde kam . . .
Harro Franke, der sich selbst "little Worker" nannte (ein sehr sensibler Mensch mit Feingefühl), kam als ausgebildeter Fachmann zu uns und ist trotz oder gerade wegen seiner künstlerischen Fähigkeiten stets bescheiden geblieben. Er hat uns Ende 1962 leider schon wieder verlassen. Zum Abschied aus der jungen "Crew" hat uns Harro in den Ratskeller zu Bremen eingeladen.
Dieser Abend, Ende 1962, in den altehrwürdigen Räumen des Ratskellers, sollte der Auftakt für das meist alljährliche (später indes seltener gewordene) Treffen der sogenannten AK-99er Runde werden. Diese Namensgebung war eine dezente Auflehnung, ein Verballhornen der damaligen Arbeitskommissionen der ARD, die sich nach ihren Aufgaben gliederten, wie z. B. die AK 1, Akustik, bis hin zur AK 13, die sich mit Fragen der Sicherheit beschäftigte. Daher AK 99, die Letzte, danach konnte nichts mehr kommen!
Harro Frankes Erlebnisse bei Radio Bremen
Harro hat mir erst viel später erzählt, daß er sich mit einem damals sehr bekannten Reporter aus dem Hörfunk ziemlich angelegt hatte. Und das Harro, der eher zu den Zurückhaltenden zählte! Obwohl der Reporter selbst nie pünktlich zur Aufzeichnung erschien, hatte er bei einer Panne der MAZ (das kam schon mal vor) die Unfähigkeit der Techniker damit kolportiert, als er sagte: "die MAZ ist doch nur so etwas wie ein Tonbandgerät und nicht einmal damit kommt ihr zurecht!" Harro hat ihm damals bei einer nächst passenden Gelegenheit seine Meinung gesagt, was aber nur dazu führte, daß jener "Chefreporter" (bekannt mit Baskenmütze) ihn künftig mied.
Dazu kamen einige Anlernlinge
In der jungen FS-Tontechnik gab es ebenfalls einige Anlernlinge. Connie Galle und Jutta Teil wurden im Studiobetrieb eingesetzt und von Viola Weiland, sie kam als erfahrene Tontechnikerin vom Hörfunk, eingewiesen. Im sogenannten Außendienst kamen nur männliche Anwärter in Frage, da die schweren Gerätschaften den Damen nicht zugemutet werden sollten. Jutta Teil, scherzhaft auch "Zumi" (Zuspiel-Minna) genannt, mußte öfter im Filmgeber die Töne zum Bildfilm einlegen.
Eine Tätigkeit, die es nur bei uns gab (schon längst Vergangenheit), aber für ein gegenseitiges Verständnis sorgte, wenn ein Beitrag asynchron war und es hektisch wurde. Denn im Gegensatz zum Kinofilm, bei dem der Ton als separate Spur neben dem Bild aufbelichtet war, wurde wegen der Schnittarbeit, mit zwei getrennten Trägern (Bild- und Magnetfilm) gearbeitet und somit kamen beim Fernsehen in der Regel auch nur zweistreifige Beiträge zur Sendung. Wenn sich mal eine Klebestelle des Films beim Wiedergeben vor dem Bildfenster auflöste (was nicht selten vorkam), dann entstand sofort das befürchtete Problem der Asynchronität. Mit diesem Thema lassen sich einige Seiten füllen.
Getrennter Ton - Ein frühes Erlebnis der besonderen Art
Ein frühes Erlebnis dieser Art hatte ich vor einer Sendung von 45 Minuten Dauer. Unser erster Filmcutter, Herr Riedel, der nicht aus der Ruhe zu bringen war, brachte kurz vor Sendung den soeben fertig geschnittenen Beitrag zum Filmgeber. Der 16mm Film war auf einer Spule, der Ton auf Magnetfilm lag wie ein großer brauner Wackelpudding lose im Karton. "Wie soll ich diesen Ton auf die Maschine bekommen"? fragte ich den Cutter. "Wieso?" meinte er salopp, nahm das instabile Gebilde aus dem Karton und wollte es lässig auf die Maschine (ein Cordläufer) stecken. Bei diesem Akt fiel der ganze Wickel vom Bobby! Der Magnetfilm, unser Sendeton, baumelte in lockeren Schlaufen auf der Achse dahinter. Was nun?
550 Meter Magnetfilm wieder aufrollen
Bis zum Beginn der Sendung blieb nicht mehr viel Zeit. Und die Sendung abzusagen, kam natürlich überhaupt nicht in Frage. Alle Hände, die nur verfügbar waren, mußten jetzt anpacken. Wegen der entstandenen Schlingen ließen wir den Magnetfilm, ca. 550m, aus dem dritten Stock des Treppenhauses vorsichtig Meter für Meter nach unten gleiten, um ihn dort auf einer Filmspule wieder aufzurollen. Die Zeit raste nur so dahin. Die Sendung begann, aber der Sendeton war noch nicht ganz aufgespult. Wir sendeten erst einmal ein Stationsdia! Endlich konnte es losgehen und zum Glück hielten auch sämtliche Klebestellen. Eine wahrlich schweißtreibende Begebenheit.
Weitere Ereignisse mit Nervenkitzel
Ein weiteres Ereignis, das einen ähnlich heftigen Nervenkitzel bei mir auslöste, war das Abspielen der Werbung von einem 16mm Filmabtaster. Wir sendeten damals das sogenannte "Tick-Tack-Quiz" mit Fritz Benscher und Zuschauerbeteiligung aus unserem Sendesaal F des Hörfunks, da wir zu dieser Zeit noch kein großes Fernsehstudio hatten.
Wegen der früher sichtbar störenden Umschaltungen hatte der NDR, da wir noch keine 35mm Abtaster besaßen, den Werbeteil, einschließlich des Vor- und Nachspanns mit den "Sehpferdchen", auf 16mm Film kopieren lassen. Die Werbung lief also vor und nach der Live-Sendung komplett aus Bremen. Und von Bremen aus die Werbung für das ganze Sendegebiet im Norden abzuspielen zu dürfen, kam schon einer Auszeichnung gleich. Also war höchste Konzentration angesagt. Deshalb hatte ich den Film mit dem Begleitton vom Startkreuz bis zum Bildbeginn kurz anlaufen lassen, um festzustellen, ob alles synchron war. Die Wiedergabe erfolgte von unserem Vidikon-Abtaster, der einen besseren Bildstand hatte und - außerdem - auch vor und zurücklaufen konnte.
Wenn der Film rückwärts läuft
Vor jeder Live-Sendung herrscht ohnehin eine gewisse Anspannung, aber diesmal kam ja noch die Werbung hinzu! Werner Vogel an der Endkontrolle und ich am Filmgeber, schauten wie gebannt auf die Monitore, auf die laufende Sendung vom NDR, um den Überstieg nicht zu verpassen. Nun war es soweit. Kommandos aus Hamburg erschallten und das übliche sichtbare Durchschalten mit Kippen des Bildes vollzog sich. Ich startete den Abtaster ab und, oh du großer Schreck, Film und Ton liefen rückwärts! Ich hatte vergessen, den Schalter wieder auf Vorwärts zustellen. Glücklicherweise war das Startband lang genug. Stopp! Schalter auf Vorwärts, dann lief die Werbung einige Sekunden später auf Sendung und nun auch völlig fehlerfrei. Erst danach konnte ich richtig durchatmen. Dieses knisternde Geräusch eines rückwärts laufenden Films vergißt man auch nicht!
Eigentlich hat ein Film mehrere aufeinander folgende "Akte"
Aber auch bei der Wiedergabe von längeren Spielfilmen gab es reichlich Möglichkeiten zur Aufregung. Nach der Devise: es muß geradezu als ein plumper Versuch gewertet werden, Spielfilme in der vorbestimmten Reihenfolge abzuspielen, eine Aufgabe, die nur von Anfängern richtig gemacht wird. Der pfiffige Kopf greift ein und gestaltet fürs Fernsehpublikum eine besondere Dramatik durch Wiederholen reizvoller Höhepunkte nach dem Motto: zeig doch schon mal zu Beginn, wer am Schluß der Täter ist! So wurde durch Vertauschen der Filmakte von "Gift im Zoo" oder "Stahlnetz" Entrüstungsstürme von genervten Zuschauern ausgelöst, die auf eine wahrlich hohe Sehbeteiligung hinwies.
Filmriß von knapp einem Meter Länge
Bei der Uraufführung im Deutschen Fernsehen 1962 des Spielfilms: "It's a wonderful life" (den wir nur noch "George Baily", nach der Titelfigur, nannten), gab es bei der vorletzten Rolle plötzlich einen Filmriß von knapp einem Meter Länge. Damit fiel natürlich auch der Lichtton aus, aber eben nicht der synchron mitlaufende Ton vom Magnetfilm. Wie gut, daß es damals forty-nine-six-six-eleven "Zumi" gab! Bei späteren Wiederholungen des Films, war an der von uns reparierten Stelle noch immer die transparente Folie zu erkennen.
Bei der Flutkatastrophe 1962 sendete Radio Bremen
Daß Radio Bremen in jener Zeit viele Spielfilme abspielte, hatte zwei Gründe. Im Februar 1962 war bekanntlich die große Flutkatastrophe im Norden, von der besonders Hamburg betroffen worden war. Deshalb wurden Sendungen, die sonst beim NDR abgespielt wurden, für eine gewisse Zeit von Radio Bremen gesendet.
Aus dem 2. Programm wurden die 3. Programme
Zum anderen sendeten wir viele Spielfilme im neuen 2. Fernsehprogramm, das anstelle des gescheiterten "Adenauer-Fernsehens" bis zum Sendestart des ZDF, im April 1963, von der ARD geleistet wurde. Ein erheblicher Aufwand, wenn man bedenkt, daß zusätzlich Leitungskapazität und ein zweiter provisorischer Sternpunkt in Frankfurt eingerichtet werden mußte, inklusive des damit erforderlichen Personals. Der damalige zweigleisige Betrieb schaffte damit aber auch die nötigen Voraussetzungen für die späteren 3 Fernsehprogramme der ARD Landesrundfunkanstalten, die dadurch bereits Mitte der 60er Jahre begonnen werden konnten.
Die Filmkisten waren schon immer sehr schwer
In jenen Tagen kamen auf unser Fernseharchiv, das den Transport der vielen schweren Spielfilmkartons und entsprechende Logistik zu bewältigen hatte, ebenfalls ungewohnte Aufgaben zu. Walter Büttich, aus dem Filmarchiv, mußte jeden Tag die entsprechenden Filmladungen mit einer Sackkarre vom und zum Filmgeber-Raum bewegen.
Bislang nur Männer, jetzt kamen die "Damen"
In der Zeit gab es viele interessierte junge Damen, die als Ansagerinnen vor der Kamera probeweise auftraten. Unter ihnen war auch unsere junge Bildtechnikerin, Anke Schüttler, die sich der Eignungsprüfung stellte. Die Ansageproben wurden auf "Polaroidfilm" festgehalten und eine Aufnahme mit Anke habe ich hier eingefügt. Die Probeaufnahmen boten aber einen weiteren Vorteil: man konnte ausgiebige Experimente mit der Lichtgestaltung durchführen.
Anke Schüttler
Die Orthikon-Kameras und das Licht
Frank Wedekind war vor wenigen Monaten aus Kanada, als erfahrener Kameramann von der Canadian-Broadcast-Corporation, CBC, gekommen und führte eine neue Lichtführung ein, genannt: high- or low-key- Licht. Die Ausleuchtung der Szenen für Orthikon-Kameras war ohnehin recht problematisch. Der geringe Umfang an Bildkontrast (wegen der kurzen Kennlinie), führte rasch zu einer Überbelichtung, die als "kalken" sehr heller Bildstellen bezeichnet wurde. Deshalb mußten damals Mitwirkende vor der Kamera, meist an der Stirn und ähnlich glänzenden Stellen, entsprechend "abgepudert" werden! Aus diesem Grund hielt sich stets ein unsichtbarer Geist aus der Maske mit Puder und Pinsel im Studio bereit. Das ist - trotz neuer Technik - aber auch heute noch so üblich.