Erinnerungen von Manfred Hemmerling (2002) Kapitel 1 - 18
überarbeitet von Gert Redlich im Nov. 2015 - Bei meinem Besuch bei den Pensionären von Radio Bremen im Sept. 2015 legte Nick Kröger dieses Buch auf den Tisch, weil Herr Hemmerling an dem Zeitzeugengespräch leider nicht mehr teilnehmen konnte. Manfred Hemmerling ist wenige Tage vorher am 19. Sept. 2015 im Krankenhaus verstorben. Nach dem groben Durchlesen noch im Hotel in Bremen stand der Entschluß fest, die 260 Seiten der Erinnerungen an 40 Jahre im Rundfunk (bei Radio Bremen) einem erheblich breiteren Publikum vorzulegen.
Um das Ganze lesefreundlich zu gestalten, sind von mir weitere Überschriften zur Trennung von Lese-Blöcken eingefügt worden und natürlich auch Kommentare und Verlinkungen und weitere Bilder, die den jüngeren Lesern einiges besser veranschaulichen.
Das Inhaltsverzeichnis ist auf eine eigene Seite ausgelagert.
Kapitel 12
Die Olympiade 1972 in München
Wer im Fernsehen die faszinierenden Bilder von der Eröffnungs- und Abschlußfeier der Olympischen Spiele 2000 aus Sydney gesehen hat, wird sich als Außenstehender kaum vorstellen können, welch enormer Aufwand für eine derartige Veranstaltung nötig ist. Sowohl in zeitlicher, als auch in organisatorischer Hinsicht wird bereits Jahre vor dem Ereignis mit der Planung begonnen, und sie betrifft alle Bereiche, die mit einer Olympiade irgend etwas zu tun haben.
Allein die Vorbereitungen an den Wettkampfstätten, die Unterbringung der Teilnehmer und so vieles andere, dessen reine Aufzählung nicht annähernd das Ausmaß des Umfangs und der Komplexität vermitteln könnte, setzt große Erfahrungen und funktionierende Teamarbeit voraus.
Voraussetzung ist eine gigantische Planung
Die Planung und Übertragung der Spiele im Hörfunk und Fernsehen hat inzwischen eine Größenordnung erreicht, die selbst von Fachleuten mit "beispiellos" bezeichnet wird.
Die Ursache ist primär das weltweite Interesse an den Spielen und damit der bedeutende Anlaß für die Werbeindustrie, mittels moderner Medien das erreichbare Zuschauerpotential anzusprechen.
Es geht gar nicht um die Spiele, es geht fast nur ums Geld
Für die privaten Programmanbieter hat das Ereignis (besonders wegen der lukrativen Werbung) einen extrem hohen Stellenwert. Deshalb sind neben den öffentlich-rechtlichen Rundfunk- organisationen zahllose "Private" Kanäle vertreten, so daß mittlerweile ganze Heerscharen mit eigenen Mitarbeitern antreten, um vom Olympischen Geschehen en detail und möglichst in einer hohen Perfektion und ohne horrende Lizenzzahlungen zu berichten.
Ein paar Details über die Olympiade 1972 in München
Was es bedarf, um derartigen Großveranstaltungen gerecht zu werden, sollen einige kurze organisatorische Hinweise über die Olympiade 1972 in München aufzeigen, die ich meinen Schilderungen über persönlich erlebte Ereignisse aus dieser Zeit, beim DOZ, voranstelle.
Das DOZ, (Deutsches Olympia Hörfunk- und Fernsehzentrum)
DOZ, der Begriffstand für Deutsches Olympia Hörfunk- und Fernsehzentrum ARD/ZDF. Damals gab es ja nur die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, alles war noch eher genügsam, und dennoch! Die offiziellen Zahlen des DOZ-Abschlußberichts belegen den Aufwand für Personal- und Sachmittel.
In München und Kiel waren etwa 1800 Journalisten tätig, 3779 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen als Einsatzpersonal von ARD und ZDF, 146 Mitarbeiter als DOZ-Stammpersonal sowie rund 400 Mitarbeiter von diversen Servicefirmen.
Viele dieser Mitarbeiter, das sogenannte Stammpersonal, waren über Monate - einige über Jahre - mit den organisatorischen und technischen Vorbereitungen beschäftigt.
Die XX Olympischen Sommerspiele begannen am 26. August und endeten, wegen der Trauerfeier für die Israelis, am 11. September 1972, einen Tag später als geplant.
Der Aufwand an Technik war damals bereits enorm
An den diversen Außenstellen, z. B. fürs Rudern, Reiten, Bogenschießen, usw., waren 27 Ü-Wagen und 14 MAZ-Wagen im Einsatz. Im Rundfunk-und Fernsehzentrum (ZHS) gab es 64 Radiostudios, die 11 TV-Studios waren mit zwei bis drei MAZ-Anlagen, Film-und Diageber ausgerüstet.
In der zentralen MAZ gab es 17 Anlagen, dazu mit eigener Ausstattung (Kameras, MAZ und Slow-Motion) die Weltregie, 3 Dispatcher-Räume und der zentrale Schaltraum.
Für den Film: 3 Entwicklungsmaschinen, 37 Filmschneideräume und 3 Umspielplätze sowie 4 Mischstudios. Die Berichte von den Segelwettbewerben aus Kiel-Schilksee wurden auf Film aufgenommen und im Funkhaus Kiel entwickelt, danach über Leitung nach München überspielt.
Der genannte DOZ-Abschlußbericht umfaßt allein für die Aufzählung an eingesetzten technischem Equipment für die Olympiade 1972, einschließlich der zahlreichen Außenstellen, wie Augsburg, Ulm, Nürnberg, usw. bereits mehrere Seiten! Das Equipment wurde größtenteils von ARD und ZDF sowie von der FESE beigestellt.
Angefangen wurde im Mai 1968
Der Zweckverband DOZ wurde am 21. Mai 1968 gebildet. Bereits im Mai 1966 war eine Expertenkommission eingerichtet worden, "die Vorschläge für die Bewältigung der Aufgaben zu erarbeiten hatte, die den deutschen Rundfunkanstalten durch die Austragung des größten Festes des internationalen Sports in ihren Sendegebieten erwachsen können".
Auch Radio Bremen hatte seinen Anteil zu leisten
Für die "Olympischen Sommerspiele" 1972 in München hatte Radio Bremen als ARD-Anstalt einen festgelegten Beitrag zu leisten. Was nicht als Sachmittel und Personal "beigestellt" werden konnte, würde "finanziert" - also vom Budget bezahlt - werden müssen. Damit stand fest, daß wir soviel wie möglich "beistellen" wollten.
Wir schickten fast alle hin - mehr als 80 Personen
Insgesamt sind mehr als 80 Personen von Radio Bremen, aus Programm, Produktion und Technik, von der Hörfunktechnik und der Verwaltung nach München entsandt worden. Als Sachmittel sind dem DOZ ein komplettes Farbfernsehstudio, Filmteams mit Fahrzeugen, Schneidetische und diverses Ü-Technisches Equipment zur Verfügung gestellt worden.
Ich wurde dabei der Teamchef unseres ARD Fernsehstudios
In einer RB-Sitzung "Ausschuß Olympische Spiele '72" (AOS) am 26. Mai 1972 wurde ich zusätzlich zur Leitung unseres Fernsehstudios beim DOZ mit den Aufgaben eines Teamchefs beauftragt. Damit war ich für die gesamte Radio-Bremen-Mannschaft in München zuständig und in dieser Funktion disziplinarisch verantwortlich, also auch Anlaufstelle für alle Kümmernisse und Probleme unserer Mitarbeiter.
Diese Entscheidung wurde relativ spät getroffen, denn die unerläßliche damit verbundene organisatorische Vorarbeit war bereits weitgehend abgeschlossen, viele Fakten waren vom DOZ schon längst festgelegt. Das betraf vor allem die Unterbringung des Einsatzpersonals. Unser DOZ-Beauftragter Herr Dr. Segger sah darin aber keinen Nachteil, zumal er die Beschlüsse für "unabweislich" (Juristendeutsch) hielt. Anmerkung : Heute nennt man das "alternativlos".
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Die Vorstellung ? Bis dahin gab es nichts Vergleichbares.
Außer Herrn Isenbart, der mehrere Olympiaden als Sportreporter erlebt hatte, konnte sich keiner der Sitzungsteilnehmer (ich selbstverständlich auch nicht) eine Vorstellung davon machen, welch ein organisatorischer Aufwand für eine derartige Großveranstaltung erforderlich ist. Bis dahin gab es nichts Vergleichbares.
Mai 1972 - die Wohnanlage - Eine Großbaustelle!
Im Mai 1972 besichtigte ich die Wohnanlage "Lloyd-Versicherungen" an der Dachauer Straße in München und konnte mir kaum vorstellen, daß die Wohnungen (hier sollten die meisten von unserem Einsatzpersonal untergebracht werden), bis zur Ankunft, Mitte August, fertiggestellt sein würden. Eine Großbaustelle!
Bei unserem Einzug bot sich diese Bild.
Dagegen wirkten die Unterkünfte am Rotkreuzplatz (für Journalisten und Reporter) schon eher wie richtige Vorzeigeobjekte, denn bis hin zu den Blumenkübeln an den Balkonen war an alles gedacht. Eine weitere Wohnanlage an der Mosacher Straße, in der wir einige Appartements erhalten sollten, war ebenfalls noch nicht fertiggestellt. Mit gemischten Gefühlen flog ich zurück nach Bremen und berichtete von meinen Eindrücken.
Mitarbeiter anderer Rundfunkanstalten hatten vorsorglich in einigen Hotels Zimmer reserviert und (soweit mir bekannt wurde) sind diese vom DOZ auch akzeptiert und bezahlt worden.
1959 - eine Ampex Schulung mit Mr. Mc Gillicuddy
München kannte ich von einigen Besuchen. Im Dezember 1959 hatte ich beim Bayerischen Rundfunk an einer Schulung von Fa. Ampex, Trainer Mr. Mc Gillicuddy (einen derartigen Namen vergißt man nicht), über das sogenannte "Intersync-System" teilgenommen. Dort machte ich Bekanntschaft mit Herrn Lilli, der später Fernsehbetriebsleiter des Bayerischen Rundfunks wurde und mit dem mich noch heute eine Freundschaft verbindet.
Die Informationen flossen mit dem Bier
Mit mir im Hotel "Leopold" an der Leopoldstraße wohnte ein Herr Müller aus Baden-Baden. Trotz eines Sprachfehlers, der ebenfalls unvergeßlich blieb, habe ich mehr über das Ampex-Verfahren beim abendlichen Bier erfahren als in dem dreitägigen Kursus. Auch die Gespräche bei ARRI (1963) zu notwendigen Detailabsprachen mit Herrn Hermann über unsere 16mm Filmentwicklungsanlage sowie als Besucher der Fa. Kodika in Bad Tölz, mit Aufenthalten in München, haben mich mit dieser Stadt vertraut gemacht.
August 1972 - mit dem IC-Nordwind von Bremen nach München
Doch das war Vergangenheit und diese Erlebnisse waren momentan nicht so vordergründig, weil ich an die bevorstehende Zeit denken mußte. Es war mir genau so zumute, wenn ich als Wanderer an irgendeinem Ort eintraf, an dem ich öfter dienstlich gewesen war, dann sah ich die Umgebung jedesmal auch mit ganz anderen Augen.
So erging es mir auch jetzt. Ich war am 1. August 1972 in neuer Mission mit dem IC-Nordwind von Bremen nach München gereist. Meine Tätigkeit als Teamchef begann sofort, meine Aufgabe als Studioleiter sollte erst Tage später beginnen. Wie schon zuvor bin ich auch hier auf meine Erinnerungen angewiesen und werde versuchen, die Ereignisse einigermaßen chronologisch wiederzugeben.
Ich war zwar Teamchef, aber . . . .
Trotz der Aufgabe als Teamchef genoß ich keinerlei Privilegien, wie sie bei anderen Anstalten anscheinend gepflegt wurden. Im Gegenteil. Schon bei der Ankunft wurde ich wie alle anderen Neuankömmlinge behandelt und konnte daher selbst erleben, was auch auf unser Einsatzpersonal zukommen würde.
Dazu gehörte zunächst einmal die Unterbringung. Daher stand ich, nach meiner Ankunft am frühen Abend, in einer langen Schlange wartender Menschen in der Sporthochschule auf dem Oberwiesenfeld, in der das DOZ residierte. Vom DOZ wurde mir ein Quartier in der Mosacher Straße (BMW-Anlage) zugewiesen. Hier war das Gebäude nur soweit fertiggestellt, daß wir gerade noch untergebracht werden konnten; der Eingangsbereich war noch eine reine Baustelle.
In der Lloyd-Wohnanlage an der Dachauer-Straße sah es noch viel trostloser aus, und bis zum Einzug unserer Mannschaften blieben nur noch zehn, maximal vierzehn Tage Zeit!
Mitarbeiter- Akkreditierung samt Foto
Nach den üblichen Aufnahmeformalitäten (einschließlich Foto für den Ausweis als akkreditierter Mitarbeiter) erhielt ich einen Zimmernachweis für ein Appartement in der Mosacher Straße. Dorthin gelangte ich mit einem Bus der Bundeswehr, die den Transport des Einsatzpersonals und noch so vieles mehr (daraufkomme ich noch zurück) während der Olympischen Spiele übernommen hatte.
Den ersten Abend verbrachte ich zum Essen im "Franziskaner-Bräu" in der Innenstadt. Danach habe ich das Oberwiesenfeld für mehr als sechs Wochen nicht verlassen.
Zunächst machte ich meinen Antrittsbesuch bei Herrn Dr. W. Schwarze, der für die gesamte Technik verantwortlich war, und wurde dabei mit den leitenden DOZ-Mitarbeitern bekanntgemacht.
Nach Terminabsprache wurde ich später Herrn Robert E. Lembke vorgestellt, der von der ARD als DOZ-Geschäftsführer fungierte. Er begrüßte mich freundlich und wünschte mir in seiner bekannten, jovialen Art zur Aufgabe als Teamchef recht viel Erfolg. Danach habe ich ihn nur noch auf dem Bildschirm gesehen.
Der Planer H. Kautscher, Leiter unserer Schwachstromwerkstatt
Am Tag nach meiner Ankunft in München habe ich unsere Baumannschaft mit Heinz Kautscher (Bildmitte) aufgesucht, die unser Studio aufgebaut hatte, das als Booking-Studio Nr. 6 geführt wurde.
Heinz Kautscher verstand es zu improvisieren. Er meinte fröhlich zu mir: "das ist fern der Heimat, unsere lukrative, olympische Interimslösung" und zeigte stolz auf eine Kaffeetafel, die in einer Studioecke stand. Eine weißblaue Tischdecke, richtiges Geschirr (das noch heute in Ehren gehalten wird) sowie diverse frische Semmeln zierten den Frühstückstisch.
Heinz Kautscher, Leiter unserer Schwachstromwerkstatt, hatte wie immer an alles gedacht; so an Spezialkabel für die Verbindung unseres Studios an den DOZ-Schaltraum.
Er hatte völlig zu recht angenommen, daß dieser Kabeltyp in München in allen Studios verwendet und daher kaum noch verfügbar sein würde. Und genau so verhielt es sich. Deshalb hatte unsere Baumannschaft etliche Ringe dieses Spezialkabels im Zug nach München selbst mitgebracht. Terminsorgen kannte Heinz Kautscher ohnehin nicht, er plante alles rechtzeitig.
Die Amerikaner - ein Hauen und Stechen
Insgesamt gab es 11 Fernsehstudios, davon zwei Sonderstudios, eines für die Britisch-Broadcast-Corporation (BBC) und eines für die American-Broadcast-Corporation inc. (ABC), die für die Übertragung der Olympischen Spiele für die ganzen privaten Sender der USA die alleinigen Rechte besaß. Auch dort ging es nur ums Geld. (Als die Geiselnahme der Israelis durch die Palästinenser erfolgte, waren sofort die anderen Senderketten, wie CBS oder NBC auf dem Plan! Die Art und Weise, wie sie sich dabei verhielten, werde ich später beschreiben).
Völlig ungewohnt, der Sport mußte sich nach der Werbung richten.
Die ABC zeichnete, wegen des Zeitunterschieds zur Ostküste von 6 Stunden, die olympischen Ereignisse meistens auf und setzte diese Beiträge entsprechend zeitversetzt ab. Das Bearbeitungsverfahren bot somit auch eine exakte Zeitplanung für die Einblendung der Werbespots für die amerikanischen Zuschauer. Ein Verfahren, das uns bis dahin völlig ungewohnt war und erst 13 Jahre später auch bei uns durch die Privaten Programmanbieter eingeführt wurde, (aber nach wie vor als lästige Unterbrechung empfunden wird!)
Auch die Bundeswehr war mit dabei - mit Bussen
Einen Extra-Service konnte ich unserem Einsatzpersonal aus Bremen bieten, indem ich die Kollegen und Kolleginnen an ihrem jeweiligen Anreisetag mit einem Bus der Bundeswehr vom Hauptbahnhof abholte. Da die meisten ohne Ortskenntnisse waren und bei dem damals besonders großen (und auch heute noch) üblichen Gewusel am Münchener Hauptbahnhof waren sie richtig erfreut über ihren Empfang. Hinzu kam, daß ich während der Fahrt im Bus schon einige organisatorische Hinweise geben konnte, so daß der erste Eindruck von den (immer noch) unzulänglichen Unterkünften an der Dachauer Straße etwas gemindert wurde. Die Gebäudeeingänge waren nur über lange, schwankende Holzbohlen zu erreichen.
Die meisten von ihnen betrachteten die gesamte Situation aber eher als ein Abenteuer und arrangierten sich gut mit den Verhältnissen. Das hat meine Aufgabe deutlich erleichtert.
Die Spiele - anfänglich unter einem guten Stern
Die XX. Olympischen Sommerspiele in München standen bis zur Geiselnahme und dem Massaker an den Israelis unter einem "guten Stern". Das schönste Sommerwetter, mit typisch weißblauem Himmel, wurde schon zum "Olympiawetter" erklärt, da begannen Anfang September Nachtfröste.
Schon bald stellte sich heraus, daß die Fernwärme für die Heizungen in den Wohnungen an der Dachauer-Straße noch gar nicht angeschlossen war. Auch die Fenster waren noch nicht abgedichtet, und so wurde es in den Räumen nachts empfindlich kalt. Als endlich nach Tagen Fernwärme ins Rohrleitungsnetz eingeleitet wurde, dampfte es aus den Toiletten! Man hatte in der Eile die Anschlüsse vertauscht. Aber nun blieb auch das Warmwasser zum Duschen kalt, was bis dahin doch immerhin funktioniert hatte. Das hat für manch eine unerwartete Erfrischung gesorgt.
Es dauerte erst mal einige Zeit, bis daran etwas geändert wurde. Für Klagen über diese Mißstände und auch für solche Tatsachen, daß einige Toiletten noch gar nicht angeschlossen waren, so daß das Spülwasser und alles andere unter den Türen hindurch auf den Flur lief, blieben die zuständigen DOZ-Mitar-beiter nahezu immun! Sie versprachen mir aber immer, für "rasche" Abhilfe sorgen zu wollen.
Merkwürdige "Krankheiten" brachen aus
Ein Vorkommnis hat mich aber doch ziemlich beschäftigt, nämlich ein Herz oder Kreislaufproblem unseres Maskenbildners. Nun gab es beim DOZ eine ärztliche Versorgung, die rund um die Uhr ging, aber nicht für erkrankte Mitarbeiter in ihren Unterkünften galt. Was also tun? Es fühlte sich überhaupt niemand richtig zuständig! Es dauerte eine Weile, bis ich einen Arzt von der Bundeswehr (die in München wahrlich viel geleistet hat) zur Visite des sichtlich erkrankten Kollegen überreden konnte.
"Der Mann braucht nur etwas Bettruhe," hieß es, "und eine Aufsicht". Das übernahm auch sogleich ein Bundeswehrsoldat, der mir dann später berichtete, daß unser Kollege (nach seinem Dienst) fast jeden Tag bis zum Morgengrauen in einer provisorischen Kneipe, die unten im Haus war, mitgefeiert und auch nur deshalb schlapp gemacht hatte! Was mir der Kollege jedoch zuvor alles beschrieben hatte, ließ mich an ein Herzproblem denken (was ja auch zutraf, eben nur harmloser). Man lernt eben doch nie aus!
Eigene Erfahrungen mit Olympia-Ärzten
Ich selbst hatte auch ein denkwürdiges Erlebnis mit den Ärzten beim DOZ. Eines Tages fühlte ich mich ziemlich unwohl und konsultierte einen Arzt im Olympiazentrum. Der stellte gleich fest, daß mein Blutdruck auf ca. 220 war und verordnete mir ein entsprechendes Präparat.
Am nächsten Morgen wurde wiederum mein Blutdruck (von einem andern Arzt) gemessen, der allerdings befand, daß er viel zu niedrig sei und mir verbot, die zuvor verordnete Arznei weiterhin einzunehmen. Am Abend ging ich wieder zu dem Arzt des Vorabends und der stellte sofort wieder einen zu hohen Blutdruck bei mir fest. Als ich ihm von der Messung am Morgen erzählte, prüfte er das Ergebnis noch mal und befand dann, daß doch alles in Ordnung sei! Ich glaube, der Mann konnte trotz des Stethoskops nur nicht richtig hören.
Oft mehr als 16 Stunden auf den Beinen
Gleichwohl konnte auch der Wetterumschwung und der Leistungsdruck bei mir etwas bewirkt haben, zumal ich in diesen Tagen oftmals mehr als 16 Stunden auf den Beinen sein mußte. Denn schon vor Eröffnung der XX. Sommerspiele bekamen wir in unserem Booking-Studio gut zu tun, es wurden viele Vorberichte für England, Italien, Österreich usw. hergestellt und abgesetzt.
Mit "Trockenübungen" gut vorbereitet
Vor Beginn der Olympiade gab es einen Probebetrieb, der unser Studio im Zusammenwirken mit dem Hauptschaltraum und insbesondere die Kommandoverbindungen betraf. Auch die Grundausleuchtung (vom BR für alle Studios vorgegeben) mußte abgenommen werden. Für die eigene Technik waren wir selbst verantwortlich. In Bremen hatten wir vorab die komplette Studiotechnik aufgebaut und einige "Trockenübungen" durchgeführt, so daß jetzt auch in München alles wie nach Plan ablief. Unsere Crew im Studio war hoch motiviert, sie gab wirklich ihr Bestes. Eine wirklich tolle und engagierte Mannschaft.
Unsere RB Mannschaft in München - teilweise
Im Ton waren Elmar Schmidt, Brigitte Dahm, Jürgen Martin, Joachim Duden und in der Bildtechnik Peter Grüpmeyer, Bernd Molls, Werner Wilkens und Harry Köhler mit dabei. Außerdem unsere Kameraleute Martin Heuer, Dieter Frank und Joachim Theunert sowie zwei Kollegen vom BR, die fürs Licht sorgten. Als Bildmischerin, soweit ich mich erinnere war es ihr erster Einsatz, war Wiebke Berg tätig. In der MAZ (2 x VR 2000 B) waren Jürgen Howaldt, Nick Sternberg, und Wolfgang Stöver am 16mm Filmgeber (alle in einem Raum) im Einsatz. In diesem Raum hatte ich mir (als Anlaufstelle Teamchef) zusätzlich eine kleine Büroecke mit Schreibmaschine und Telefon eingerichtet.
Für die Meßtechnik waren Gerold Bölts und Klaus Voigt dabei. Die anderen, mehr als 50 RB Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, verteilten sich auf: Weltregie, MAZ-Zentrale, Hörfunkbereich, andere Fernsehstudios und auf andere DOZ-Organisationen, z. B. Fahrbereitschaft (Dieter Ohse) oder als Hostessen und "Liaison-officer" (Ernestine Eckert und Barbara Asbeck). Als Reporter und Kommentatoren fungierten Hans Heinrich Isenbart, Walther F. Schmieder und Helmut Poppen bei der Olympiade.
Alle halbe Stunde einen neuen Reporter mit Gästen
Da wir auf "Booking-Basis" ca. alle halbe Stunde einen neuen Reporter mit Gästen zu erwarten hatten, mußte stets der Studiohintergrund und die Dekoration entsprechend umgeleuchtet werden, und selbstverständlich sollte auch die notwendige KDO-Verbindung in das jeweilige Land stets problemlos funktionieren. Und es klappte während der gesamten Olympiade alles tadellos!
Das Olympiastudio von ARD/ZDF betreute der SFB
Direkt angrenzend an unser Studio 6 betrieb der Sender Freies Berlin (SFB) das Olympiastudio von ARD/ZDF. Studioleiter war Erich Alter, den ich von diversen Sitzungen kannte. Ebenso einige seiner Kollegen aus Berlin, wie Herrn Bauschke von der Planung, den ich auf einer Reise 1969 in die USA, kennengelernt hatte sowie die Herren Benze und Bayer. Sie waren als Meßtechniker dabei. Der SFB hatte sich personell besonders gut auf die verantwortliche Aufgabe vorbereitet. War doch von hier das komplette Olympiaprogramm zu senden und zwar täglich abwechselnd für ARD und ZDF. Ich erwähne die Nähe dieses Studios Nr. 5 nur, weil es ein Erlebnis gab, das in diesem Zusammenhang ziemlich dreist war.
Die Amis waren komisch und frech - auch die weiblichen
Beim Attentat auf die Israelis hatte eine Journalistin der CBS ein MAZ-Band (Bilder von maskierten Palästinensern auf dem Balkon der Wohnanlage) für die Tagesschau von der SFB-MAZ (entliehen?), und ruckzuck auf eine unserer MAZ-Anlagen gelegt und kurzerhand eine Überspielung nach New-York organisiert. Ich höre noch, wie sie einen Komplizen übers Telefon anschrie: "Joe, Joe, I cue you up!" Anschließend lag das Band sofort wieder auf der SFB-MAZ. So etwas hatten wir noch nicht kennengelernt!
Der Schwank mit den "Wolperdingern"
Einmal lud mich Erich Alter in sein "Domizil" ein, das ebenfalls in der Dachauer Straße lag, wo wir ja auch wohnten und führte mir bei einem guten Glas Scotch Whiskey beeindruckend vor, wie ein Studioleiter des SFB doch recht gut in München leben konnte. Er war ein lustiger Mensch. Von ihm erfuhr ich, was es mit den "Wolperdingern" auf sich hat.
Dabei mußte dieser Schwank natürlich in gut bayerischer Mundart dargeboten werden, aber für Erich war es ein vorzüglicher Anlaß, dieses gleich im original Berliner Dialekt vorzutragen. "Wolperdinger Many, wa"?!
E. Alter hatte einen trockenen Humor
Den trockenen Humor von Erich Alter hatte ich bereits 1966 in Berlin, in der damaligen AK 8, kennengelernt. Erich war der Chef der Meßtechnik und damit Gastgeber für eine Tagung dieser Arbeitsgruppe beim SFB unter Leitung des allseits sehr geschätzten Herrn Fix vom IRT. Die Runde hatte sich versammelt und die Plätze eingenommen, da fragte E. Alter bevor die Sitzung eröffnet war, einen Herrn Philipp (ehemals NDR, später beim ZDF), der bekanntlich über wenig Humor verfügte: "Sagen Sie mal, Herr Philipp, haben Sie etwa Verwandte in Berlin?" Dieser antwortete etwas unwirsch: "Nein, wie kommen Sie denn darauf?" Daraufhin Erich: "Ich bin gerade am soundso-Platz vorbeigekommen, da stand ein großes Schild mit dem Hinweis - nimm doch Philips - wa!" Großes Gelächter in der Runde, nur Herr Philipp reagierte sichtlich verärgert und meinte, daß sein Name mit drei "P" geschrieben würde.
Und bei den Appartements gab es schon Unterschiede
Hier in München residierte Erich in einer kompletten Wohnung, mit nobler Ausstattung, Kühlschrank, TV-Gerät usw. und hatte nicht wie ich auch noch andere Aufgaben wahrzunehmen, kannte daher weder Eile noch Hetze. Ich hingegen hauste in einem kleinen Raum einer Wohngemeinschaft (mit drei Kollegen und den damit verbundenen Einschränkungen im Bad/ WC) und fand nur des Nachts etwas Ruhe. Bei Radio Bremen hat sich gewiß keiner Gedanken darüber gemacht, was es bedeutete, diese Doppelfunktion - nahezu rund um die Uhr - wirklich auszufüllen. Ich hatte während der Olympiade auch keine Zeit, darüber nur einen Gedanken zu verlieren.
In der "Pressestadt" - Frühstück vom Feinsten
Morgens um zehn Uhr hatte ich am täglichen "Briefing" teilzunehmen und konnte deshalb auch nicht zur "Pressestadt" fahren, um dort ein Frühstück einzunehmen. Als ich es doch mal wahrnahm, war ich von dem üppigen Angebot mehr als überrascht. Es gab so gut wie alles, was man zum Frühstück in den besten Hotels der Welt erwarten kann. Nein, eher noch viel mehr, es war fast ein Superlativ der Angebote.
Vielleicht war es zu gut . . . .
In mehreren Kühltresen, wie in einem Supermarkt, standen die edelsten Fruchtsäfte, Marmeladen, diverse Honigsorten usw. Butter, Käse, Brot und frische Semmeln bereit, von denen jeder soviel nehmen konnte, wie er mochte. An der heißen Theke gab es Rührei, Schinken oder auch ein zartes Rinderfilet und so manch andere erlesene Kost. Wegen des zunehmenden Mißbrauchs (ich habe gesehen, wie vom Einsatzpersonal, das durch die hellgraue Uniform leicht zu erkennen war, Vorräte in Plastiktüten gehamstert wurden), durfte nur jeder aus den Büfetts das entnehmen, was er hier verzehren konnte, was sogleich Kritik auslöste. Wenn man diese Leute (beim Hamstern) darauf ansprach, reagierten sie auch noch empört und meinten: "man könne ja schließlich nicht jeden Morgen zum Frühstück hierher kommen und somit sei es auch völlig legal, für die nächsten Tage das mitzunehmen, was einem nun mal zustehe"!
Dabei war schon vorab darauf hingewiesen worden, daß sich das DOZ-Personal den Gepflogenheiten und dem Verhalten der Journalisten anpassen möge. Da dieses aber nicht freiwillig erfolgte, bedurfte es dann leider dieser Regelung.
Sonst gab es Bundeswehr-Eintopf mit Wurst
Mittags und abends aß ich aus Zeitgründen in einer improvisierten Gaststätte im Flurbereich unseres Gebäude. Das Essen wurde in einer Küche der Bundeswehr zubereitet und hier aus Behältern verteilt. Es gab täglich nur Eintopf. Zu einer Bohnen- oder Erbsensuppe gab es mittags eine Kochwurst oder abends eine "Polnische". Am nächsten Tag gab es das Angebot in umgekehrter Reihenfolge.
Beinahe die schönsten Olympischen Spiele der Neuzeit
Viele Prominente des Fernsehens waren oft zu Gast in den täglichen Sendungen und manchmal auch Gäste beim Mittagessen. Einmal saßen Frau Karin Tietze, später auch die "Lottofee" genannt, und Martin Grünefeld (damaliger Programmdirektor des HR) in dieser schlichten Kantine mit mir gemeinsam am Tisch beim Essen. Alle waren in euphorischer Stimmung, auch was das schöne Wetter anbelangte, und zählten die Wettkämpfe bereits zu den schönsten Olympischen Spielen der Neuzeit.
Der Überfall der palästinensischen Terroristen
Dann aber erfolgte für alle völlig unerwartet der Überfall der palästinensischen Terroristen. Sie nahmen elf israelische Sportler als Geiseln und forderten die Freilassung von 200 inhaftierten Palästinensern. Die Bilder einer Kamera vom Fernsehturm zeigten die Wohnungen im Olympischen Dorf (Helene v. Mayerring) und vermittelten die nun eingetretene, brutale Realität.
Die Sportler wurden regelrecht vermarktet, insbesondere bei den Amerikanern
Damit wurde auch die aktuelle Berichterstattung im Fernsehen angeheizt. Was vorher kaum aufgefallen war, trat jetzt offen zu Tage, nämlich die Vermarktung von Sportlern. Dabei gingen einige Journalisten der amerikanischen Sendernetze besonders rigoros vor. (Diese Methoden sind bei uns inzwischen auch leider zur gängigen Praxis geworden, man denke nur an Geiselnahmen.)
Wenn von den Medien falsche Nachrichten verbreitet werden
Wir hatten nach Dienstschluß über Rundfunk schon sehr frühzeitig mitbekommen, daß die Palästinenser mit ihren Geiseln das olympische Dorf verlassen wollten und trafen sofort alle Vorkehrungen, unser Studio sendebereit zu machen. Einige von uns waren schon in der Unterkunft, aber hatten im Radio auch die Nachricht gehört und kamen nun rasch zum DOZ. In den Gängen wimmelte es schon von Polizeikräften; bis dahin ein völlig ungewohntes Bild. Und um zu seinem Arbeitsplatz zu kommen, bedurfte es einiger Überzeugungskraft.
Da wir so schnell wieder senden konnten, trafen am späten Abend der Sprecher der Bundesregierung, Conny Ahlers, der bayerische Ministerpräsident Franz-Josef Strauß und Rainer Barzel bei uns ein. Ein dezenter Hauch guten Herrenparfüms hing im Raum, als sie ins Studio gingen.
An diesem Abend wurde aus unserem Studio die Nachricht verbreitet, daß alle Israelis gerettet und die Geiselnehmer gefaßt worden seien. Diese Meldung war falsch und mußte schon bald korrigiert werden.
Die Befreiungsaktion scheiterte, die Geiseln wurden ermordet.
Was aber aus unserem Studio verkündet worden war, war nicht nur höchst peinlich, sondern auch ungemein tragisch hinsichtlich der Ereignisse, die sich genau in jenen Minuten auf dem Flugplatz in Fürstenfeldbruck abgespielt haben. Was später die ganze Welt erfuhr, wußten wir an diesem Abend aber noch nicht. Neben der ungeheuren Anspannung und den unzähligen Sinneseindrücken habe ich noch immer das Lied "Popcorn" im Ohr, das in jenen Minuten gerade vom BR 3 gespielt wurde und mir diese tragischen Stunden stets wieder ins Gedächtnis rufen.
Der Geist der unbeschwerten Spiele war dahin.
Nach dem furchtbaren Desaster in Fürstenfeldbruck waren alle schockiert und noch in den darauffolgenden Tagen sichtlich deprimiert. Der Geist der unbeschwerten Spiele war dahin. Vor einiger Zeit habe ich im Fernsehen eine ausführliche Sendung mit vielen Dokumentaraufnahmen von diesem Attentat gesehen. Durch den Bericht und die Bildaufnahmen wurde ich wieder in die Zeit des Geschehens vor 28 Jahren versetzt und konnte mich an viele Einzelheiten erinnern. Ich war anschließend erschüttert und tief betroffen über die Unfähigkeit vieler Stellen, und wie sie auf das Attentat reagiert haben!
Die Spiele sollten weitergehen ????
Damals waren die Reaktionen, von den öffentliche Schuldzuweisungen der Politiker abgesehen, eher von dem Vorsatz geprägt, die Spiele doch noch gut zu Ende führen zu wollen. Dieses Motiv war offenbar stärker, als das tragische Ereignis selbst; es geriet anscheinend in den Hintergrund. Die olympischen Wettkämpfe wurden für einen Tag ausgesetzt, um Trauer- und Gedenkfeiern im Olympiastadion abzuhalten.
Jetzt wurde es ernst mit der Sicherheit - zu spät.
Organisatorisch gab es folgende Änderungen: Unsere Ausweise galten nur noch für den jeweiligen Arbeitsbereich, Zusatzaufkleber ermöglichten den Zutritt für vorab beantragte Austragungsorte und die Spiele wurden wegen der Trauerfeier für die Israelis um einen Tag verlängert. Daher erfolgte der ursprünglich festgesetzte Termin der Heimreise auch erst einen Tag später.
Nervosität und Anspannung machten die Mitarbeiter aufsässig
Als diese Terminverschiebung bekannt wurde, bekam ich erstmalig richtige Probleme. Unser erster Kameramann wurde aufsässig. Er hatte sich so auf den Rückreisetermin fixiert, daß er die Verlängerung um einen Tag nicht hinnehmen wollte. Er verweigerte jede Anweisung und begann bald damit, einen Teil der Mannschaft gegen mich aufzubringen. Als ich ihm zuletzt damit drohte, daß er sofort nach Hause fahren könne, weil er den Betriebsfrieden störe, wurden weitere Mitarbeiter seiner Sparte aus einer falsch verstandenen Kollegialität renitent und erzeugten damit eine zusätzlich unerfreuliche Atmosphäre. Dabei ging es nur um einen weiteren Tag, den wir beim DOZ verbringen mußten! Angesichts dieses furchtbaren Geschehens war dieser Vorfall nahezu unbedeutend. Später in Bremen wurden mir noch andere Vorfälle in dieser Richtung bekannt, die ich hier nicht wiedergebe, zumal ich sie selbst nicht miterlebt habe.
Herr Abich und Herr Heyer laden zur Brotzeit ein
In Absprache mit Herrn Abich, unserem damaligen Intendanten, hatte ich eine Radio-Bremen-Einladung am 10. September 1972, um 10.30 Uhr, für eine "Bayrische Brotzeit" in München, im Löwenbräu-Keller am Stiglmaierplatz, organisiert. Herr Abich erschien mit Gattin, und auch Herr Heyer, unser Technischer Direktor, nahm an der Veranstaltung teil. Sie fand am Vormittag statt, damit möglichst unser gesamtes DOZ-Personal teilnehmen konnte. Für die Fahrt standen uns zwei Busse der Bundeswehr zur Verfügung.
Die Einladung hatte ich auf einer Speisenkarte vom Löwenbräu-Keller verfassen lassen: "Zu einer Bayerischen Brotzeit mit Schrammelmusik, Leberkäs, Weißwürschtl und Brezn, - und natürlich Münchener Bier, lädt Intendant Hans Abich, alle olympischen Wahlmünchner von Radio Bremen, am 10. September 1972, um 10.30, in den Löwenbräu-Keller, am Stiglmaierplatz, ein. Busse zum Stiglmaierplatz um 10.00 Uhr ab DOZ".
Es sind jetzt mehr als 28 Jahre vergangen
Die Runde war von geselliger Ausgelassenheit und wurde von Dieter Frank auf "Super 8-Film" dokumentiert. Als ich mir vor einiger Zeit diese Aufnahmen angesehen habe, war ich über die üppig lange "Haarpracht" vieler Kollegen, die damals Mode war, verblüfft, aber noch mehr über die vielen jungen Gesichter. Doch schließlich sind ja inzwischen mehr als 28 Jahre vergangen!
Die Abschlußfeier am 11. September 1972
Zur Abschlußfeier am 11. September im Olympiastadion gelangte ich mit einem Sonderausweis. Allerdings konnte ich nur vom oberen Rand in das völlig gefüllte Stadion hinabschauen. Eine merkwürdige Spannung lag über diesem Bild, die Stimmung wirkte bedrückend. Die XX. olympischen Spiele der Neuzeit hatten voller Optimismus begonnen, wegen des Überfalls auf die Sportler aus Israel fiel der Abschied nun aber ganz anders aus. Bald leuchteten aus der schummrigen Runde unzählige bunte Leuchtstäbe mit den Farben der Spiele 72 auf, als Symbol für friedliche Wettkämpfe und als Geste für Montreal in vier Jahren. Als die Deutschlandhymne erklang, erhob sich aus der Menge eine Woge der Begeisterung, die alle - auch mich - erfaßte und beseelte. Solche Augenblicke erlebt man nur höchst selten!
Ab 12. September sollte abgebaut werden
Am 12. September, einen Tag vor meiner Rückfahrt, traf Nick Kröger mit unserer Abbaumannschaft aus Bremen ein. Der Abbau der Studios hatte bereits unmittelbar nach der Schlußfeier begonnen. Im Gegensatz zu der perfekten Organisation zu Beginn schien es nun fast chaotisch abzulaufen. Meine Schreibmaschine, für die ich beim DOZ unterschrieben hatte, war ebenso verschwunden, wie vieles andere mehr. Wie ich einen Tag später hörte, auch hunderte von Farbmonitoren von den Sprecherplätzen. Damit war auch hier der Geist der unbeschwerten Spiele dahin!
Und endlich mal Ruhe
Nick Kröger nahm mich in seinem Auto in die ländliche Umgebung von München mit zum Mittagessen. Ich erinnere mich an dieses Ereignis deshalb gut, weil es für mich nach Wochen (ich hatte das DOZ-Gelände in der ganzen Zeit nicht verlassen) das erste Mal war, daß ich mich richtig entspannt und ohne ständig für etwas verantwortlich zu sein, in das Auto setzen und das anschließende Essen in Ruhe genießen konnte. An diesen unbeschwerten Augenblick kann ich mich auch noch gut erinnern!
Die Bildzeitung und "Das war Olympia 1972"
Zusammen mit zwei unserer Redakteurinnen: nämlich Ernestine Eckert, FS-Aktuell und Barbara Asbeck, Kinderfunk, die als "Liaison-officer" eingesetzt worden waren. Was an diesem Tag die Bildzeitung unter "Das war Olympia 1972" kommentierte, hätte mir ein ganz neues Bild vom Ablauf der XX. Olympischen Spiele vermittelt. Aber was man selbst wahrnimmt und mit seinen eigenen Augen gesehen hat, ist ja bekanntlich subjektiv.
Horst Bultmann war anderthalb Jahre gerne in München
Noch zweimal bin ich danach zum DOZ gefahren. Einmal, um mit Herrn Dünzelmann und Frau J. Lowag (BR) unsere Beistellungen abzugleichen, und ein zweites Mal, um Horst Bultmann auf der Rückfahrt im VW-Bus mit vom DOZ erworbenen Geräten zu begleiten.
Horst Bultmann gehörte zum sogenannten DOZ-Stammpersonal und hatte die mehr als anderthalb Jahre gerne in München verbracht. Er hatte für Radio Bremen verschiedene FS-Geräte aus dem DOZ-Fundus reserviert, die nun abgeholt werden mußten.
Mit dem klapprigen VW-Bus nach Bremen - und an einem Tag ?
Da ich ohnehin beim IRT in München eine Sitzung hatte, zu der ich mit dem Flugzeug angereist war, hatte Horst mich gebeten, ihn auf der Fahrt im VW-Bus mit den Geräten zu begleiten. (Die technische Leitung unseres Hauses befand meine freiwillige Mitfahrt - mich reizte das Unternehmen - für unangemessen).
Die Sitzung beim IRT endete, wie geplant, gegen vier Uhr nachmittags. Horst wollte mit dem VW-Bus um diese Zeit auf dem Parkplatz sein. Nach fünf Uhr kurvte er und der völlig überladene Bus endlich um die Ecke. Ich hatte schon zwischenzeitlich eine ganze Weile gerätselt, ob wir heute noch bis Bremen kommen würden. Aber als ich das schnaufende Vehikel sah, war mir klar, bis Würzburg werden wir bestenfalls kommen, aber ganz gewiß nicht bis Bremen.
Voller Optimismus - das wäre zu schaffen.
Horst entschuldigte sein verspätetes Eintreffen damit, daß er noch seine Sachen aus der "Pension Gisela" hätte abholen müssen, doch nun könne es sofort losgehen!
Horst war anscheinend fest davon überzeugt, daß wir es an diesem Tag noch bis Bremen schaffen würden. In dieser Hinsicht war er immer ein zu optimistisch denkender Planer. Das Gegenteil kommt leider viel öfter vor!
Als die ersten Berge und Steigungen kamen,
Von München-Freimann nach Nürnberg ging es auf der Autobahn eine lange Strecke ohne allzu viele Steigungen voran, dann kamen die ersten Hügel. Inzwischen war es schon nach acht Uhr abends und der VW keuchte mit etwa siebzig "Sachen" die Steigungen hinauf. Bei Hammelburg fuhren wir gegen zehn Uhr von der Autobahn ab und fanden in Elfershausen, in einem Gasthof des kleinen Ortes, Unterkunft und erhielten dort auch noch etwas zu essen. Für den Bus (wegen des Inhalts) fand sich in der Scheune noch ein Platz. Horst hatte außer den gekauften Geräten noch allerlei "Brauchbares" eingeladen, unter anderem Zentralgeräte aus dem DOZ-Schaltraum, die aber später in unserem Altgerätelager nur vor sich hindämmerten.
Es dauerte doch 2 Tage
Wir hatten uns ein Doppelzimmer für die Nacht zu teilen, das wirklich urig war. Der Fußboden fiel zum Fenster derart ab, daß man während des Schlafes aufpassen mußte, nicht aus dem Bett zu rollen, so stark war die Neigung. Wir fuhren am nächsten Morgen gegen 9 Uhr wieder los und erreichten das FS-Studio in Bremen gegen Mittag. Wie gut, daß wir auf halber Strecke eine Übernachtung eingelegt hatten!
Alles in allem, es war sehr erfolgreich
Zum Schluß noch eine Anmerkung zum DOZ: Für die Übertragung der Spiele von der Fußballweltmeisterschaft 1974 in Deutschland wurde das DOZ ebenfalls mit der Organisation und Durchführung beauftragt. Dabei wurde der Sternpunkt in Frankfurt am Main zur zentralen Schalt- und Kommandostelle für die in den diversen Stadien eingesetzten Ü-Wagen. Auch die Technische Leitung für das Unternehmen befand sich in Frankfurt.