Historisches Wissen aus Heften, Zeitschriften, Magazinen
Artikel, Zitate und Infos stammen aus der Funk-Technik, der Funkschau, den RTMs, Kameramann, der FKT, den Schriften von Philips und Zeiss Ikon und Anderen. Mehr über die verfälschten historischen Informationen ab 1933 über 1945 bis weit in die 1980er Jahre.
aus der FUNK-TECHNIK Nr. 22/1947 (2. Nov. Heft)
Das Editorial
Nr. 22 / 1947 - 2. JAHRGANG
Erweiterte Aufgaben des Radiokaufmanns
Wenn man unter dem Begriff „Elektronik" die praktische Anwendung jeglicher Art von Elektronenröhren versteht, dann nimmt die Funktechnik in dem dadurch umrissenen Bereich zweifellos den ersten Platz ein. Wer das Glück hat, die elektrotechnischen Zeitschriften des Auslandes regelmäßig lesen zu können, vermag sich aber dem Eindruck nicht zu entziehen, daß langsam auch andere Zweige der angewendeten Elektronik in den Mittelpunkt des Blickfeldes drängen. Dies war beispielsweise auf der kürzlich in London veranstalteten Nationalen Funkausstellung der britischen Radioindustrie wieder deutlich festzustellen.
Welche Rolle die elektronischen Geräte, abgesehen vom Rundfunk, im engeren Sinne für die nächste Zeit in Deutschland spielen werden, ist angesichts der ungeklärten Lage von Industrie und Forschung nicht ganz einfach zu beurteilen. Zweifellos gibt es unter den zauberhaft anmutenden Leistungen der neuzeitlichen Elektronik vieles, das auf lange Jahre hinaus unerreichbaren Luxus darstellt.
Kein Fernsehen in dem verwüsteten und verarmten Land ?
Schon dem Fernsehen wird man in einem verwüsteten und verarmten Lande aus ehrlicher Überzeugung keine Daseinsberechtigung zuerkennen können, bevor nicht die dringendsten Bedürfnisse des täglichen Lebens erfüllt sind.
Elektronische Türöffner, Staubausfäller (Anmerkung: Huch, was ist denn das ?) für Wohnungen, Kurzwellenküchen u. a. m. kann man heute nur als Spielerei empfinden, für die in den Trümmerfeldern unserer Großstädte kein Platz ist. Und selbst so praktische Errungenschaften der Neuzeit, wie das Autofunktelefon, liegen jenseits des Lebensstandards, auf den ein Volk in unserer Lage Anspruch erheben darf. Trotzdem wird sich die Industrie mit allen diesen Anlagen und Geräten aufmerksam beschäftigen müssen, weil sie für die Ausfuhr in Frage kommen.
Es gibt aber ein Gebiet, auf dem sich die deutsche Technik einer weitgehenden Ausschöpfung aller Möglichkeiten, die die Elektronenröhre bietet, nicht wird verschließen können. Gemeint ist damit die Industrieelektronik, d. h. der Einsatz elektronischer Geräte für die Verbesserung und Beschleunigung der industriellen und gewerblichen Gütererzeugung. Ob es sich um neue Herstellungs- und Verarbeitungsverfahren durch Hochfrequenzheizung, um die Regelung von Maschinen mit Schaltröhren, die Steuerung von Arbeitsvorgängen mittels lichtelektrischer Zellen oder um schneller arbeitende elektronische Meßmethoden handelt, überall kann die Elektronik einen bedeutenden Beitrag zum technischen Fortschritt leisten.
Es fehlt eine ganze Generation
Wir haben in Deutschland auf eine Generation nur einen durch Kriegsverluste geschwächten Stamm erfahrener Facharbeiter. (Anmerkung: Der Sinn des Satzes erschließt sich dem Redakteur nicht.) Die für unsere industrielle Arbeit zur Verfügung stehende Maschinenausrüstung ist dazu sehr knapp und wird es lange bleiben. Jede Anstrengung wird daher gemacht werden müssen, die eine Entlastung des arbeitenden Menschen einerseits und eine bessere Ausnutzung der uns verbleibenden Maschinen andererseits verspricht. An vielen Stellen wird das zuverlässige Auge der Fotozelle menschliche Aufmerksamkeit und Erfahrung ersetzen können. Die Leistung mancher Maschine läßt sich an Genauigkeit und Ausstoß durch elektronische Regler und Überwachungsgeräte bedeutend erhöhen.
Es ist eine sehr dringende Aufgabe der Elektronentechnik, hier allen Erfindungsreichtum aufzubringen, um eine Rationalisierung der Arbeit und eine Qualitätssteigerung der industriellen Erzeugung zu erreichen. Sie dient damit unmittelbar der Verbesserung der Lebensverhältnisse unseres Volkes, denn der Weltmarkt wird Ausfuhrgüter nur dann aufnehmen, wenn sie billig und gut sind.
Eigentlich sind wir gut.
Es sei mit dieser Mahnung nicht gesagt, daß die deutsche Elektronik auf diesem Gebiet im Vergleich zum Auslande bisher nur wenig hervorgebracht habe. Dem Fachmann ist wohlbekannt, daß vielerorts hervorragende Arbeit geleistet wurde und daß mancherlei Geräte, die im obengenannten Sinne bedeutende Fortschritte darstellen, auf dem Reißbrett oder im Labor auf den Zeitpunkt ihrer Ausführung und praktischen Anwendung warten. Vorerst stehen diesem Ziel noch die überall vorliegenden bekannten Hemmnisse und auch die noch ungeklärten Fragen des Patentschutzes im Wege.
Es sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß auch der Funkhandel und das Funkinstandsetzungsgewerbe an der zu erwartenden Verbreitung von industriellen Elektronikgeräten einen gewissen Anteil haben dürften. Nicht alle, vielleicht sogar nur wenige elektronische Einrichtungen, die in absehbarer Zeit die industrielle Ausrüstung verbessern sollen, werden zwar für einen Vertrieb über den Funkhandel geeignet sein. Aber es dürfte trotzdem genug Möglichkeiten für den tüchtigen Fachmann geben, seine Kenntnisse in den Dienst des Fortschrittes zu stellen. Anlagen, wie sie oben angeführt wurden, bedürfen noch mehr als Maschinen einer sachkundigen Pflege. In manchen Fällen muß die Wartung wahrscheinlich dem „Werkelektroniker" anvertraut werden - einem Berufszweig, der sich z. B. in den USA bereits herausgebildet hat - oder dem Kundendienst des Geräteherstellers. Aber auch der selbständige Funktechniker und -instandsetzer kann sich hier zweifellos mit Aussicht auf Erfolg einschalten.
Die Möglichkeiten nutzen
Es wird jedoch weitgehend vom Funkhandwerk selbst abhängen, wieweit es aus den Möglichkeiten Nutzen zieht, die sich ihm in Zukunft bieten dürften. Voraussetzung ist selbstverständlich, daß ein entsprechendes gründliches Fachwissen vorhanden ist. Dieses zu erwerben und zu erweitern, dazu bieten Zeitschriften und hoffentlich bald auch wieder Fachbücher Gelegenheit.
Man betrachte diesen Hinweis nicht als eine Verleitung zu einem Optimismus, der über die trostlose Lage des Augenblicks hinwegtäuschen soll. Er begründet sich auf die Erfahrungen in anderen Ländern, deren Wirtschaft nicht den unwahrscheinlichen Grad der Zerrüttung kennt wie zur Zeit die deutsche. Dort ist die Verbreitung der Industrieelektronik in vollem Gange, und es hat sich bisher nur ein ernstes Hindernis ergeben, nämlich der Mangel an Fachpersonal, das die verschiedenartigen Geräte überwachen und pflegen kann. Damit soll nicht gesagt sein, daß die Verhältnisse in Deutschland bald ein ähnliches Bild bieten werden. Aber, diese Prophezeiung darf man wagen: Viele bisher als Nebenwege der Funktechnik angesehenen Anwendungen der Elektonik werden in Zukunft wichtige Hauptstraßen bilden, auf denen die wirtschaftliche Entwicklung eines großen Industrie- und Gewerbezweiges vorwärtsschreiten wird. W. R. S.