Historisches Wissen aus Heften, Zeitschriften, Magazinen
Artikel, Zitate und Infos stammen aus der Funk-Technik, der Funkschau, den RTMs, Kameramann, der FKT, den Schriften von Philips und Zeiss Ikon und Anderen. Mehr über die verfälschten historischen Informationen ab 1933 über 1945 bis weit in die 1980er Jahre.
aus der FUNK-TECHNIK Nr. 20/1947 (2. Okt. Heft)
Das Editorial
Nr. 20 / 1947 - 2. JAHRGANG
Vielseitige Elektro-Industrie
Ein Verzeichnis der von Deutschlands Elektro-Industrie hergestellten Gegenstände umfaßte im Jahre 1937 über 4.500 Positionen. Jedes einzelne Gerät wurde dazu noch in verschiedenen Typen angefertigt, so daß die Auswahl allen Ansprüchen genügte. Die Ausführung selbst war im steten Wandel begriffen, denn wie auf kaum einem anderen Gebiete war die Technik hier ständig auf der Suche nach Verbesserungen, Vereinfachungen und Verbilligung.
Neue Werkstoffe führten oft zu besseren Konstruktionen, neue physikalische Erkenntnisse ließen ganze Gebiete neu entstehen, die Verbraucher stellten immer höhere Anforderungen an die Betriebsgüte, der Wettbewerb zwang dazu, die Fertigung zu verbilligen, neue Arbeitsverfahren der Industrie veranlaßten die Elektrotechnik neue Hilfsmittel bereitzustellen.
Die Stellung Deutschlands war unbestritten
Man kann ohne Übertreibung sagen, daß wohl auf keinem anderen industriellen Gebiete die Stellung Deutschlands so unbestritten war. Der Absatz in Deutschland selbst gab einen sicheren Rückhalt für die Bearbeitung des Weltmarktes, der hohe technische Standard Deutschlands war eine Sicherheit dafür, daß nur gut erprobte Ausführungen herauskamen.
Bis auf die Vereinigten Staaten von Amerika und deren unmittelbare Nachbarn waren eigentlich alle Länder ständige Kunden der deutschen Elektrotechnik, entweder auf dem ganzen Gebiet oder auch nur bei Spezialgeräten. Die Lage der Konkurrenz gegenüber konnte dank der technischen Leistungen niemals beängstigend werden, wenn selbstverständlich auch scharfe Kämpfe um Preise nicht ausblieben.
Es läßt sich genau verfolgen, wie sich der Export immer mehr zu den höherwertigen Erzeugnissen verlagerte, höherwertig in dem Sinne, daß der Anteil an wissenschaftlich-technischer Entwicklung und Präzisionsarbeit ständig zunimmt. Nur eine Zahl mag das erläutern: der Ausfuhranteil von Geräten und Anlagen der Nachrichten- und der Meßtechnik war im Jahre 1938 bis auf 100 Millionen Mark, entsprechend einem Anteil von fast einem Drittel an der gesamten Elektroausfuhr gestiegen.
Stark bei Telegrafie und Telefonie
Gemeinsam ist diesen Gebieten der Telegrafie und Telefonie mit und ohne Draht, der Meßtechnik in ihren verschiedenen Anwendungsgebieten, der Verstärkertechnik vom einfachen Radiogerät bis zum komplizierten Breitbandverstärker und zur Trägerfrequenzanlage, daß sie nur wenige ausländische Rohstoffe - meist nicht mehr als 5% - enthalten. Daß gerade hier ein hoher Entwicklungsstand erreicht war, erklärt sich daraus, daß Deutschland seinen eigenen Nachrichtenverkehr im Interesse seiner eigenen Wirtschaft und infolge seiner Bedeutung als Durchgangsland für den europäischen Nachrichtenverkehr zu hoher Blüte entwickelt hatte.
Anmerkung: Die sehr sehr große Bedeutung für die zukünftige "militärische" Entwicklung und geplante Aufrüstung wird gepflegt übergangen.
In der Starkstromtechnik war die Lage natürlich ähnlich, denn die Verbundwirtschaft, das Zusammenarbeiten der verschiedenen Energievorkommen, und die Hilfsmittel zu ihrer Durchführung, von der Höchstspannungsleitung bis zur Fernmeß- und Steueranlage, waren in jeder Einzelheit gut durchgebildet. In der Elektromedizin war Deutschland am Welthandel sogar mit mehr als 50% beteiligt, denn die einschlägigen Unternehmen hatten es verstanden, neue Gedanken frühzeitig aufzugreifen und zu gebrauchsfähigen Geräten zu entwickeln.
Die gegenwärtige Lage
Die gegenwärtige Lage der Elektro-Industrie ist durch den Mangel an nahezu allem gekennzeichnet, was früher ihre Stärke ausmachte. Die hochwertigen Ausrüstungen der Fabriken, Prüffelder und Laboratorien sind bei den Großfirmen Berlins fast restlos demontiert worden und konnten inzwischen nur zum kleinen Teil wieder neu aufgebaut werden.
Insbesondere ist hier an den Bau von Großmaschinen noch nicht wieder zu denken, denn die dazu nötigen schweren Werkzeugmaschinen können nicht beschafft werden. In den Westzonen haben viele elektrotechnische Fabriken schwer gelitten, allerdings sind manche von ihnen auch ohne größere Schäden durch den Krieg gekommen.
Die Demontagen haben die Fabriken nur wenig beeinträchtigt. Es fehlt an Werkstoffen und vor allem den vorgearbeiteten Halbzeugen, von denen die Elektrotechnik eine große Auswahl aus nahezu allen Metallen und Isolierstoffen benötigt. Das Werkstofflager einer Berliner Großfirma umfaßte vor dem Kriege etwa 7.000 Positionen, an denen eine noch größere Zahl von Fabrikanten aus allen Teilen Deutschlands beteiligt war. Schon allein darin spiegelte sich die Vielseitigkeit der Elektroindustrie und die allseitige Befruchtung, die sie in allen Industrien ausübte.
Wo es noch fehlt . . .
Es fehlt auch an Arbeitskräften mit den nötigen Spezialkenntnissen, gleichgültig, ob es sich um Feinmechaniker, Maschinenschlosser oder Entwicklungsingenieure handelt. Immerhin läßt sich feststellen, daß alle Betätigungsgebiete der Elektro-Industrie wenigstens in ihren Keimen erhalten geblieben sind.
Die Großfirmen Berlins arbeiten wieder in beachtlichem Umfang, wenn auch die Erzeugung den Bedarf nicht annähernd decken kann und deswegen eine Sichtung der Kunden nach ihrer Dringlichkeit erforderlich ist. Bei allen Unternehmen spielen natürlich Reparaturen und Montagen eine bedeutende Rolle, was sich schon darin ausdrückt, daß bei ihnen mehrere tausend Personen beschäftigt werden.
In den westlichen Zonen . . .
In den westlichen Zonen hat insbesondere die elektro-medizinische Industrie in Erlangen sowie die dort und in Frankfurt beheimatete Meßinstrumentenindustrie ihre Tätigkeit in beachtlichem Umfang wieder aufgenommen. Erlangen kann wieder Röntgengeräte, Kurzwellen-Therapie-Apparate und Anschlußapparate für die Behandlung mit elektrischem Strom liefern.
Demnächst soll hier auch eine Röhrenfabrik für Ventil- und Röntgenröhren eingerichtet werden, um nach der Demontage des Werkes in Rudolstadt wieder leistungsfähig zu sein. In den Westzonen arbeiten auch wieder verschiedene Kabelwerke, allerdings in geringem Umfang, denn dieser Zweig ist sehr materialintensiv, benötigt also Blei, Kupfer, Faserstoffe, Papier, Aluminium usw. in großen Mengen.
In Mannheim werden wieder Quecksilberdampfgleichrichter gebaut bzw. instandgesetzt, Göttingen verfügt über zwei Betriebe für elektrische Laboratoriumsausrüstuhgen. Auch Kohlebürsten nebst Zubehör werden wieder von zwei Firmen hergestellt. Elektrische Haushaltsgeräte gibt es wieder in den verschiedensten Ausführungen, die allerdings nicht immer den hohen Ansprüchen der Vergangenheit genügen.
Vorläufig fehlt es insbesondere noch an den Verbindungen zum Weltmarkt, denn die früher so rege Verkaufsorganisation ist nicht mehr. Immerhin ist der Bedarf an Elektrotechnik aller Art so groß, daß auch für die deutsche Industrie Betätigungsmöglichkeiten bleiben. Wichtigste Voraussetzung dafür ist natürlich, daß die Erzeugnisse ein entsprechendes Niveau haben. G. H. N.