.
Die kleine Dame mit den 80 Hüten
Das Wort Volksschauspielerin hört sie nicht gern. »Ich habe Hauptmann und Priestiey, Thomas Wolfe und Anouilh gespielt«, sagt Inge Meysel, deren Lieblingsrolle die Serafina in Tennessee Williams' tätowierter Rose< ist.
Als sie aber nachts im Bett das Volksstück >Das Fenster zum Flur< von Curth Flatow und Horst Pillau liest, rüttelt sie ihren Mann, den Regisseur John Olden, wach: »Die Rolle der Anny Wiesner muß ich unbedingt spielen!«
Sie spielt sie - in einer Inszenierung von Erik Ode - 200mal auf der Bühne des Berliner Hebbel-Theaters und jetzt auch im Fernsehen. Der beliebte Rudolf Platte spielt den Karl, ihren Ehemann, der als alternder Straßenbahnschaffner entlassen werden soll und bei einem Selbstmordversuch Abführpillen statt Schlaftabletten nimmt.
Die Meysel, Berlinerin von 1,56 Meter Größe, ist eine Vollblut-Schauspielerin. »Ich versuche, jeder Rolle Wahrhaftigkeit zu geben. Wenn im Drehbuch steht, ich soll böse sein, dann bin ich eben böse.« Aber sie kann auch nett sein. Oder verspielt.
Sie hat die Autonummer nach den Anfangsbuchstaben ihres Namens - IM 1. Sie erhält überall die besten Hotelzimmer und beim Kauf ihrer (bisher 80) Hüte natürlich auch Rabatt. Und bei allen Umfragen ist Inge Meysel unangefochten und mit weitem Abstand Deutschlands beliebteste Fernsehdarstellerin.
.
Dr. Hans Walter Berg schlägt die Brücke nach Fernost
Seit 1952 lebt Fernseh-und Funk-Korrespondent Dr. Hans Walter Berg mit Frau, vier Kindern und sieben Dienern im Geburtsland der >friedlichen Koexistenz< in Indien.
Seine Berichte >Gesichter Asiens< sind Meisterleistungen mit der Filmkamera. »Ich bin nach Asien gegangen«, sagt Berg, »weil ich hoffte, dort mehr Frieden, Weisheit und Toleranz zu finden als in Europa. Leider ist das Gegenteil der Fall.«
Ist alles auf dem Tonband?
Vor dem Marmor-Palast des Schahs Jahan in Neu-Delhi kontrollieren Hans Walter Berg und sein Kameramann Carsten Diercks (rechts), ob das Interview auch ohne Störungen abgelaufen ist.
.
Komik - mit Noblesse serviert
Wenn einer hundertmal den >Faust< gespielt oder den >Lohengrin< gesungen hat, wird er Staatsschauspieler oder Kammersänger. Warum gibt es keinen Staatskabarettisten oder Kammerkomödianten ? Weil Unterhaltung bei uns als zweitrangig gilt. Für Showmaster oder Entertainer gibt es nicht einmal ein deutsches Wort.
Einer von ihnen brilliert jetzt in der TV-Serie >Spaß mit Ernst<. Stankovski, nach seiner Friseurlehre auf renommierten Bühnen in Wien, Zürich, Berlin und München herangereift, liefert dem Fernsehen endlich eine Show aus Pop, Sketch, Ballett und Musical.
.
Gagschöpfer Mischa Mleinek sorgt für ausgefallene Ideen, und der Wiener Ernst Stankovski (Sänger, Tänzer, Gitarrist, Texter, Komponist und Kabarettist) verkauft Komik mit Noblesse.
.
Heimweh-Freddy bricht Rekorde
Sie ist nicht gerade ein Höhepunkt seiner Karriere - die Fernsehshow >Hallo Freddy<, aber sein Stern beginnt danach kometenhaft zu leuchten. Filme werden ihm auf den Leib geschneidert (>Freddy, die Gitarre und das Meer<), seine Platten brechen alle Rekorde (zwei Millionen >Heimweh<-Platten!). Jetzt nimmt Freddy Quinn Schauspielunterricht bei Joseph Offenbach. Der Ex-Matrose brennt darauf, ein großer Bühnen- und TV-Star zu werden.
Plattenmillionär Freddy
.
Chronik 1960/III
.
- Die 14teilige Serie >Das Dritte Reich< hat 58% Sehbeteiligung.
- Schnell bei den Zuschauern beliebt: Fritz Benschers Rateserie >Tick-Tack-Quiz<.
- HÖRZU startet die Parole >Fangt früher an!< und fordert weniger Kultur- und Dokumentarfilme vor dem Hauptprogramm.
- Zugpferde des Werbefernsehens; Inspektor Garret und Perry Mason.
- Weihnachtsbonbon: >Der Vogelhändler< mit Gerhard Riedmann, Gerlinder Lokker. Georg Kreisler schrieb neue Gesangstexte.
- Die Zahl der Fernsehgeräte stieg 1960 von 3,4 Millionen (Januar) auf 4,6 Millionen (Ende Dezember).
.