Ein Programm-Rückblick bis 1972 - Fernsehen ab 1951
Diese Programm-Seiten stammen aus einer Rückblick-Perspektive der bedeutendsten Programmzeitschrift in Deutschland West aus dem Springer Verlag - unter der Direktive von Chefredakteur Eduard Rhein. - Eduard Rhein beschreibt seinen Werdegang bei der "HörZu" in seinem dicken Buch "Ein Jahrhundert Mann". - Zur Einleitung geht es hier lang.
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Startschuß im Hamburger Flak-Bunker
Nahe der Reeperbahn steht ein Luftschutzbunker aus dem 2. Weltkrieg. Hier richten eine Handvoll >Pioniere< Ende 1950 das Geburtsstudio des deutschen Fernsehens ein: 7.000 Mark monatlich hat der NWDR für ein Versuchsprogramm bewilligt. Nachrichten werden aus der Zeitung verlesen, mit einer alten Kamera ein paar Hafenszenen eingefangen. Für den Rest läuft ein Kulturfilm über Kläranlagen. Jedesmal nach Sendeschluß ruft Fernsehchef Dr. Pleister beim Kritiker Dr. Wagenführ und bei Eduard Rhein, dem Chefredakteur von HÖRZU, an und fragt vorsichtig: »Na, wie war's?«
Meistens war's mies. So mies, daß hohe Verwaltungsräte des Hörfunks den >Kulturfeinden von der Konkurrenz< kein Geld mehr geben wollen.
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Goethes >Faust< wird zur Schwitzkur
2. März 1951 : Das erste deutsche Fernsehspiel wird gesendet. Wie könnte es anders sein: Goethe. Im Hamburger Versuchsprogramm läuft das >Vorspiel auf dem Theater< (so lautet der Programm-Titel wirklich) aus dem >Faust<.
Zunächst aber geht es weniger um Kunst. Die Technik hat Vorrang. Da verheddern sich die Kabel der Kameras, da wackeln die billigen Dekorationen. Neue Schminke muß her: Die Hauttöne der Darsteller wirken unecht.
Die Schwarzweiß-Kontraste der Kostüme sind zu grell. Also werden die schwarzen Jacken durch braune ersetzt, weiße Hemden durch
Tee gezogen, um ihren Glanz zu mildern.
Wochenlang probt Regisseur Hanns Farenburg, der >alte Hase< vom Berliner Fernsehen der dreißiger Jahre, mit seinem kleinen Team. In dem Mini-Studio von 46qm herrscht unter niedrig hängenden Scheinwerfern eine mörderische Temperatur. Schauspieler und Techniker schwitzen wie in der Sauna. Selbst der Konzertflügel - ein tropenfestes Instrument - knarrt in der Gluthitze.
Ein prominenter Rundfunkmann sitzt vor einem der rund 70 Bildschirme. Sein spöttischer Kommentar: »Theater 1904.« Die >Welt am Sonntag< ist gnädiger: »Gemessen an den bescheidenen Mitteln waren die Leistungen sehr zufriedenstellend ...«
Hanns Farenburg
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Jürgen Roland boxt sich durch
Schon als Rundfunk-Reporter überquerte Jürgen Roland mit dem Mikrofon in der Hand ein Hochseil oder berichtete aus dem Tigerkäfig. Jetzt will er Leben in das Versuchsprogramm des Fernsehens bringen.
Aber das ist für alle Neuland. »Morgens planen wir, in "Planten und Blomen" zu filmen«, erzählt Roland. »Dann aber gießt es, und wir müssen abends doch wieder in die Kiste greifen und einen alten Kinofilm senden.«
Der Jung-Reporter bastelt an seiner Serie >Was ist los in Hamburg?<, zu der er Wissenschaftler, Künstler, Sportler vor seine Kamera holt. Wie zum Beispiel die Baiers. Roland besucht das berühmte Paar, das mit seiner Eis-Revue gerade in Hamburg gastiert. »Können Sie heute abend zu einem Interview ins Studio kommen?« Maxi und Ernst Baier wollen sich totlachen: »Aber das sieht doch kein Mensch!« Roland schlagfertig:
»Dafür gehen Sie in die Geschichte des Fernsehens ein. Sie sind die ersten, die ich für den Bildschirm interviewe. Honorar können wir natürlich nicht bieten.«
Abends holt der >rasende Reporter< die beiden ab und atmet erleichtert auf, als die Baiers sogar das Taxi bezahlen. Aus Dankbarkeit überzieht er die vorgesehene Sendezeit um 15 Minuten.
Der Vielzweck-Reporter ist >Mädchen für alles<. Er dreht >Städtebilder<, kurbelt die Eröffnung einer Landwirtschaftsausstellung, schneidet aus alten Kinofilmen Starporträts. Am liebsten aber produziert er Box-Reportagen.
Mit acht hatte ihn sein Vater in einen Box-Verein gesteckt. Jetzt boxt Roland sich beim Fernsehen durch.
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Chronik 1951
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- • 67% der Radiohörer des SDR Stuttgart, hat Allensbach ermittelt, möchten zu Hause fernsehen können, aber nur 1% würde sich bei einem Preis von ca. 1.200.- Mark ein Fernsehgerät kaufen, 9% meinten vielleicht«, 15% >kaum.
- • Ende des Jahres hat Berlin ein tägliches Fernseh-Versuchsprogramm. Hamburg begnügt sich noch mit drei Abenden je Woche.
- • NWDR-Generaldirektor Dr. Adolf Grimme bekennt sich zu einer Prise Pädagogik: »Das Fernsehprogramm wird das bringen, was sich der Hörer zu sehen wünschen sollte.«
- • »Der bayerische Intendant«, schreibt das Bredow-lnstitut, »hatte bei der Bildung der überregionalen Femseh-Kommission von der Beteiligung eines bayerischen Vertreters abgesehen.« Die Gründe seien aus seiner Antwort an eine Zeitschrift klargeworden: »Bayerisches Fernsehen - ja. Europäisches Fernsehen - ja. Deutsches Fernsehen - nein.«
- • »Da steht es, das neue Kind der Technik«, meint die hannoversche Allgemeines »laufen kann es schon ein bißchen. Nun beginnt es zu lächeln. Wie aber wird es sich benehmen?«
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