Ein Programm-Rückblick bis 1972 - Fernsehen ab 1951
Diese Programm-Seiten stammen aus einer Rückblick-Perspektive der bedeutendsten Programmzeitschrift in Deutschland West aus dem Springer Verlag - unter der Direktive von Chefredakteur Eduard Rhein. - Eduard Rhein beschreibt seinen Werdegang bei der "HörZu" in seinem dicken Buch "Ein Jahrhundert Mann". - Zur Einleitung geht es hier lang.
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Liebling der Nation: Die Familie Schölermann
»Was darfs denn sein, Frau Schölermann?«, sagt der Bäckermeister, wenn die Schauspielerin Lotte Rausch einkauft. Das Fernsehen hat einen >Knüller< gestartet. Seit dem 15.9. ist sie in aller Munde, die Familie >Schölermann<: »Das ist aus dem Leben gegriffen, so geht es überall zu. Die >Schölermanns<, das sind wir selber, das sind die Nachbarn von nebenan, das ist die deutsche Durchschnittsfamilie schlechthin...«
Kein Wunder, wenn die lieben Zuschauer oft vergessen, daß es Schauspieler sind, die da als >Schölermanns< agieren. Als der Vater (Willy Krüger) laut Drehbuch arbeitslos wird, bekommt er prompt Stellenangebote. Für >Evchens< (Margit Cargül) Liebeskummer gibt es Trost und Rat und >Jockeli< (Harald Martens) werden Nachhilfestunden angeboten, wenn seine Versetzung wackelt.
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17 Autoren schreiben sich die Finger wund, um den Alltag dieser Fernsehfamilie auf die Mattscheibe zu zaubern. Aber sie müssen sich auch nach den Darstellern richten. Als die Schauspielerin Margit Cargill Blinddarmentzündung hat, lassen
sie ihr >Evchen< ebenfalls krank werden. Gefilmt werden die Szenen an ihrem Privatbett.
Als Charles Brauer (Sohn Heinz), der zum Ensemble von Gustaf Gründgens gehört, keine Zeit mehr für die >Schölermanns< hat, läßt man >Heinz< eben in eine andere, ferne Stadt ziehen. Keiner in den Hamburger Fernsehstudios aber ahnt, daß diese Familienserie es auf 111 Folgen bringen wird.
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Fußball-WM: Fernsehgeräte ausverkauft
Im Juni registriert die Deutsche Bundespost einen Anstieg der Fernsehteilnehmer um 22,2 Prozent Der Grund dafür ist eine einzigartige Programm-Attraktion: Von der Fußballweltmeisterschaft in der Schweiz werden zehn Spiele übertragen. Das arme deutsche Fernsehen hat gut lachen: Die Übertragungen kosten keinen Pfennig. Zum Höhepunkt des Fernseherlebnisses wird am 4. Juli das erregende Endspiel Deutschland gegen Ungarn.
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Eine Frau spielt alle an die Wand: Inge Meysel
Fernsehspiele sind in diesen Kindertagen noch echte Mangelware. Um so mehr schwärmen Klassikerfreunde, als NWDR und SFB sich zu einer Gemeinschaftsproduktion zusammenfinden.
»Alle vier Wochen ein Stück von Shakespeare«, zweifelt HÖRZU zunächst, »ist das fernsehgerecht zu inszenieren?« Aber Ludwig Bergers Regie ist einfallsreich. Sie >kommt an<.
Leichtere Kost wird von den Bühnen aus Köln und Hamburg übertragen: Müller-Schlössers Welterfolg >Schneider Wibbel< mit Paul Henckels und Theo Lingens >Räubergeschichte<.
Jubelnden Beifall findet am 26, Juni Alfred Gehris Komödie >Im sechsten Stock<. Regisseur John Olden hat für das Pariser Volksstück des Schweizers prominente Schauspieler wie Ingrid Andree und Heinz Drache engagiert.
Eine Frau aber stellt sie alle in den Schatten: Inge Meysel in der Rolle der Madame Lescalier.
Über Nacht ist die bekannte Hamburger Bühnenschauspielerin ein Fernsehstar.
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Chronik 1954/II
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- Erteilte Fernsehgenehmigungen: 11.685 (1.Januar), 84.278 (31. Dezember).
- Über das Kinoprogramm informiert ab August die Serie >Der Hauptfilm hat noch nicht begonnen.
- >Suchkind 312< heißt der neue HÖRZU-Roman, der später auch verfilmt wird.
- Unsere Fußballvereine wollen bei Übertragungen mehr Geld vom Fernsehen. >Schalke 04< forderte 25.000 Mark. »Indiskutabel«, sagt Intendant Dr. Pleister.
- Klaus Mahlo ist jetzt Pressechef beim Fernsehfunk des NWDR. >Filmpress< definierte seine Aufgaben so: »Er hat der Öffentlichkeit zu beweisen, daß das Programm des NWDR-Fernsehens besser ist als sein Ruf.«
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