Die Ausgaben von Bild und Ton (Ost-Berlin)
Lange Zeit ist uns diese Zeitschrift nicht zugänglich gewesen und damit gab es auch keinen Einblick in die ostzonale bzw. ostdeutsche Kinolandschaft nach 1945. Wir wußten nur, daß die russischen Besatzer in ihrer Zone viel früher den Wert einer funktionierenden Indoktrinations- und Propaganda- Maschine erkannt hatten und die intakten Kinos von staatswegen förderten, mit den entsprechenden Filmen natürlich. Im kapitalistischen Westen in der Trizone war das zwar irgendwie ähnlich, aber nicht ganz so offensichtlich und es gab keinen direkten Zwang für bestimmte Filme. Hier kommen Sie zur einführenden Start-Seite.
"Bild und Ton" 2. JAHRGANG - MÄRZ 1949 - HEFT NR. 3
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Elektronen gegen Zelluloid
Ein Zukunftsblick auf Fernsehfunk und Tonfilm
Als wir dereinst in Deutschland vom Tonfilm zu sprechen begannen und in der deutschen Filmindustrie niemand den Tonfilm besonders ernst nahm, entstand eine ähnliche qualvolle Periode des Unglaubens, des Zweifels und der unübersehbaren Geschäftsdispositionen, wie dies jetzt bei Einführung des Fernsehfunks in einigen Ländern der Fall ist.
Über Nacht ist das Fernsehen sozusagen eingeführt und zur Tatsache geworden. Da es in einigen Ländern, besonders in Amerika, auf der Basis des freien Wettbewerbs und des privaten Geschäftsprinzips aufgebaut ist, wird man sich vorstellen können, welche gigantischen Formen der Kampf zwischen dem Elektronenbild des Fernsehfunks und dem Zelluloidband des Tonfilms annehmen wird.
Schon heute berichten die amerikanischen und englischen Tageszeitungen in ihren Spalten, daß der Fernsehfunk sich für die kommende Schlacht um den Teilnehmer rüstet und verkünden in langen Spalten täglich steigende Teilnehmerzahlen, Einrichtung neuer Sendestationen, Umsatzsteigerung in der Apparatefabrikation usw.
Die Filmtheater als solche sind dabei mehr oder weniger wehrlos, ganz ähnlich, wie dies bei Einführung des Tonfilms gewesen ist. Sie müssen mit der Mode mitmachen, wenn sie sich den Zustrom des Publikums auch weiter erhalten wollen.
Die Folgen für die Filmtheater - Gedanken von 1949 !!
Welche Folgen werden, soweit überhaupt voraussehbar, aus der Einführung dieser neuen Technik für das Filmtheater entstehen?
Die große Mode des neuen Fernsehfunkes wird bestimmt ein paar Jahre anhalten. In dieser Zeit wird das Filmtheater eine erhebliche Einbuße an Besuchern erleiden.
Andere Theater werden mehr oder weniger unrentable Fernsehtheater werden, d. h., sie werden Programme spielen, die von den Sendestellen ausgestrahlt werden. Infolge der Entbehrlichkeit des Zelluloidfilmes als Zwischenträger für Bild und Ton werden einige sogar dann unter erheblichem Filmmangel leiden, weil die Filmherstellung sich durch die neue Technik der Bildübertragung über den Äther stark einschränken wird.
Große Spielfilme hauptsächlich auf Kopien .... !
Die großen Spielfilme werden hauptsächlich auf Kopien für den Fernsehfunk hergestellt werden und damit dem Filmtheater erst viel später zugänglich sein. Damit wird eine ähnliche bedrohliche Zeit nicht nur für das Filmtheater, sondern auch für die Sprechbühne eintreten, die jener Zeit zu vergleichen sein wird, in der der Tonfilm aufkam und die Filmtheater von heute auf morgen vom Stummfilm auf den Tonfilm umstellen mußten, und in der man sogar die Sprechbühne als bankrott und als für die Zukunft, ausgeschaltet bezeichnete.
Wir haben erlebt, daß diese Prophezeiungen nur zum ganz geringen Teil eingetreten sind. Der Tonfilm hat heilsame Einflüsse auf die Führung und Programmgestaltung der Sprechbühne gehabt.
Die Sprechbühne hat den Tonfilm bereichern können, und der Tonfilm selbst hat die Stummfilmtechnik um ein gutes Stück der immer noch fehlenden Möglichkeiten weitergebracht.
Die Revolution - ausgehend von der Technik . . .
Auch hier ist es wie überall - eine revolutionäre Technik hat eine Umwälzung und Erneuerung der Substanz zur Folge, der sie dient. Das in seinen Möglichkeiten bedrohte Filmtheater wird eine neue Chance auf Auferstehung erhalten.
Neuer Geist, neue filmische Intelligenz muß den Tonfilm befruchten, damit er sich als Konkurrent neben dem Fernsehfunk sein Gebiet nach wie vor immer wieder erobern kann. Die Tonfilmkamera wird zu einem neuen Entdecker filmischer Möglichkeiten werden, während die Fernsehkamera aus technischen Gründen ihr gegenüber noch stärkeren Begrenzungen unterliegt.
Das den Massen im Filmtheater dargebotene neue filmische Schauen wird ihnen bald zeigen, daß das Heimkino des Fernsehfunks das Filmtheater keinesfalls ersetzen kann, ebensowenig, wie der Rundfunk die Sprechbühne töten konnte.
Aus einem anfänglich bedrohlich aussehenden technischen Fortschritt kann für alle ein neuer, freudiger Anfang zu beiderseitigem Aufstieg werden. Voraussetzung dazu ist aber ein schöpferisches Filmschaffen, das sich aller ihm aus seiner Technik und Kunstform gebotenen Mittel und Möglichkeiten bewußt ist und sie sinnvoll anwendet. Wae