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Will Tremper war 16 Jahre alt, als der 2. Weltkrieg zuende ging.

In seiner Biografie von 1993 beschreibt Will Tremper, wie er als überzeugter Hitlerjunge die Zeit ab 1939 erlebt hatte und was davon bei ihm unauslösch- lich im Kopf hängen geblieben war. Und er erzählt von seinen Erlebnissen in Berlin unter den Bomben. Lesenswert ist dazu auch "Als Berlin brannte" (Hans-Georg von Studnitz). Der Zusammenhang schließt sich über die Curt Riess'sche Biografie "BERLIN 1945-1953" und dessen beide dicken Film-Bücher, in der der Name Tremper aber nicht genannt wird. Will Tremper hingegen schreibt daher sehr genüsslich über "die anderen Seiten" bekannter Personen aus Politik und Film - natürlich auch über Curt Riess. Die einführende Seite steht hier.

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Frank Wisbar: In Hollywood wird das so gemacht!

Die Dreharbeiten zum »Preis der Wahrheit« begannen am 2. Januar 1958 in den Ateliers der Real-Film in Wandsbek, und dank Wisbar fiel ich nicht in Ohnmacht, als ich auf der Klappe stehen sah: »Nasser Asphalt«.

Er hatte mich vorgewarnt: »Das ist zwar ein Scheißtitel, der Herrn Koppel sogar selbst eingefallen ist - er liebt Filmtitel, die aus zwei Wörtern bestehen, hält so was wie >Tolle Nacht< für dynamisch und fällt immer damit herein -, aber was soll's.

Wir werden uns deswegen nicht aufregen, mein Junge. Das ist eben das Filmgeschäft - vergiß nie: Geschäft! Sie trauen sich einfach nicht, dreitausend Kinos mit einem literarischen Titel zu kommen!«
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Nie wieder mein Herz an einen Filmtitel hängen

Ich schwor mir damals, nie wieder mein Herz an einen Filmtitel zu hängen, wenn ich nicht selbst das Sagen hätte. Na, und nachdem das überwunden war, fiel alles andere zu akzeptieren leicht.
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Die andere amerikanische Art, Regie zu führen

Frank Wisbar hatte eine Art, Regie zu führen, die mir äußerst suspekt war, bis ich noch andere amerikanische Regisseure, wie John Huston oder Zinnemann, bei der Arbeit sah und erkennen mußte, daß sie anders inszenierten als die Europäer:

Sie blieben in ihren Regiestühlchen hocken und ließen sich von den Schauspielern eine Szene »anbieten«; meistens hatten sie schon Wochen vor Drehbeginn mit ihnen geprobt, was in Deutschland unbekannt war.

Danach konnten sie sich auf knappe Korrekturen beschränken - »Ich würde an dieser Stelle ruhig noch etwas lauter werden, Herr Held!« oder »Das geht mir zu schnell! Bitte um eine Wiederholung, und lassen Sie sich ruhig Zeit! Der Text darf an dieser Stelle nicht mißverstanden werden! - Und, Horst: Ich wäre dir dankbar, wenn du dich nicht umdrehen würdest, während Herr Held spricht! Jede andere Bewegung lenkt mich von dem, was Herr Held sagt, ab!«
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Über die Eifersucht der großen Schauspieler .....

Letzteres war nicht Wisbar aufgefallen, sondern das Ergebnis eines kurzen Getuschels zwischen Held und ihm. Es war die alte Geschichte: Große Schauspieler, die einen komplizierten Monolog aufzusagen haben, fühlen sich durch jede Bewegung ihrer Mitspieler gestört - die natürlich erfolgt, weil der Mitspieler es nur schwer erträgt, nichts als Zuhörer sein zu müssen, weswegen er sich eine Grimasse, eine originelle Bewegung, was auch immer gestattet, um den Zuschauer aufmerksam zu machen: Mich gibt's auch noch, Leute! -

Noch phantasievoller geben sich natürlich große Schauspieler, die sich anhören müssen, was ein kleinerer vorträgt. Und am allerschlimmsten benehmen sich zwei gleichrangig große Schauspieler nebeneinander! Wisbar jedenfalls verstand es, die natürlichen Eifersüchteleien seiner Mimen routiniert auszunutzen, die Dreharbeiten verliefen problemlos.

Wenzel hatte genau die richtigen Darsteller engagiert ......

Wenzel hatte genau die Darsteller engagiert, die ich in der ersten Minute in Kampen bereits genannt hatte: Gert Fröbe spielte Gerhard, den Chauffeur, Inge Meysel war der Housekeeper Martha, und zu der Rolle des gar nicht existenten »blinden Überlebenden« der Bunkermenschen hatte sich Heinz Reincke, einer meiner Lieblingsschauspieler, beschwatzen lassen - wie ich gehorsam der Forderung von Lüdecke und Dietrich nachgekommen war, ein völlig überflüssiges Weib noch in den Film hineinzuschreiben, die Rolle einer Liebhaberin von Buchholz, weil es ja keinen Film ohne »Liebe« gibt; eine Wiener Nachwuchsschauspielerin übernahm die undankbare Aufgabe, Maria Perschy. Ihr verdankte ich dann am Jahresende 1958 meine größte Illustriertenserie: »Deutschland, deine Sternchen«.
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Meine Idee, eine große schöngeschwungene Freitreppe

Dennoch: Als ich zum erstenmal die Dekoration unseres Films betrat, spürte ich auch zum erstenmal die Macht eines Drehbuchautors und kam aus dem Kopfschütteln nicht mehr heraus.

Viele Szenen, viel zu viele, spielten in der Villa von Riess alias Cäsar Boyd, und irgendwann war mir beim Schreiben aufgefallen, daß Martin Held und Buchholz ständig Türen auf und hinter sich wieder zumachen mußten.

Darum erfand ich, ohne mir groß etwas dabei zu denken, eine schöngeschwungene Freitreppe für den nächsten Auftritt von Martin Held. Und darum blieb ich, als ich die Hamburger Dekoration betrat, ziemlich überwältigt vor der schöngeschwungenen Freitreppe stehen, die in die Halle der »Villa Boyd« hineingebaut worden war.

Großer Gott!« sagte ich zu Herbert Kirchhoff, dem Architekten. »Was hat denn das gekostet -?« Er schaute in seinen Papieren nach, rechnete ein paar Posten aus und verkündete stolz: »Preiswerte siebzehntausend!« Ich glaube, ich bin beim Weitergehen gleich einen halben Kopf größer geworden.
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Damals 1958 schon wichtig, ein Hotel mit Parkplätzen

Wir wohnten alle zusammen in dem hübschen kleinen Hotel Bellevue an der Außenalster, in dem es lustig zuging, denn es wurde fast ausschließlich von Schauspielern bevölkert. Auch diesem Domizil bin ich lange treu geblieben, es hatte nach hinten heraus einen bequemen Parkplatz, während die vorderen Zimmer entsetzlich laut waren, weil der ganze Autoverkehr Hamburgs sich ausschließlich vor der Eingangstür abzuspielen schien.

Einmal kam ich spätnachts - es muß noch 1958, während der Dreharbeiten gewesen sein - unangemeldet aus Süddeutschland an und mußte zum erstenmal mit einem lauten Frontzimmer vorliebnehmen. Um sieben wurde ich schon wieder vom Autoverkehr geweckt, tappte schlaftrunken zum Fenster und wollte es gerade schließen, als ich Gunnar Möller aus dem Hotel treten sah.
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Der Schauspieler Gunnar Möller

Die auffällige Art und Weise, wie sich der Schauspieler »unauffällig« benahm, machte mich stutzig: Er trug ein in Zeitungspapier gewickeltes Paket unter dem Arm, spitzte pfeifend die Lippen, als ob er dem reinen Nichtstun frönte - morgens um sieben! -, und hechtete auf einmal, zwischen zwei vorbeirasenden Autos, auf die Uferseite hinüber, wo ein Streusandkasten stand.

Gegen den lehnte sich der gute Möller, sah sich prüfend nach allen Seiten um - und hob langsam und unauffällig, mit den Händen auf dem Rücken, den Deckel der Streusandkiste, ließ sein Paket hineingleiten, schloß den Deckel wieder, rieb sich »gelangweilt« die Hände und kam, durch die nächste Verkehrslücke, pfeifend ins Hotel zurück.

Nun war ich hellwach, schlüpfte schnell in Hosen und Schuhe und rannte hinaus und zur Streusandkiste hinüber, um mich wie Möller zu benehmen: unauffällig den Deckel hoch, das Zeitungspapier vom Paket entfernen - es fielen abgegessene Salatblätter und ein paar Heringsgräten, in papierne Hotel-Servietten gewickelt, heraus! Das war alles?

Das war alles! Der spröde Mime, besorgt um sein Ansehen, hatte sich offenbar nicht getraut, die Reste seiner Selbstversorgung auf dem Hotelzimmer dem Papierkorb anzuvertrauen - was könnten die Zimmermädchen von einem Filmstar halten, der das Essen im Restaurant sparen will! -

Da ich die Schwächen meiner Mitmenschen genieße, aber auch boshaft sein kann, nahm ich das Paket an mich, kehrte ins Hotel zurück und überreichte es dem Portier mit den Worten: »Das hat Gunnar Möller liegengelassen! Würden Sie es ihm bitte aufs Zimmer hinaufschicken?« Der Portier verzog keine Miene, obwohl schon eine Heringsgräte wieder herauszusrutschen begann, und rief den Pagen herbei! »Zimmer zweiundzwanzig - der Star aus dem >Piroschka<-Film!«

An der widerwilligen Art, wie der Page das Paket von sich weghielt, war zu erkennen, daß Gunnar Möller auch mit den Trinkgeldern knauserte. Erzähl' ich hier nur einen gelungenen Streich? Nein, ich glaube, ich habe damals, morgens um sieben vor dem Hotel Bellevue, eines der Motive kennengelernt, die Gunnar Möller Jahre später zu seiner schaurigen Bluttat in London zwangen: übertriebener Stolz, das enge seelische Gehäuse, aus dem Menschen nicht herauskönnen.
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Frank Wisbar brauchte "nie" etwas zu essen ?????

Frank Wisbar verlangte seinen Drehbuchautor vor und nach der täglichen Arbeit zu sehen. Auch er wohnte im Hotel, er schien erstaunlicherweise das Trinken während der Dreharbeiten vollkommen aufgegeben zu haben, jedenfalls wurde mir regelmäßig schlecht, wenn ich früh um sieben Uhr dreißig in den Fahrstuhl schlüpfte und zu seiner Suite nach oben fuhr, denn dann bestellte er Frühstück: eine eiskalte Flasche Coca Cola mit einer Aspirintablette.

Nie habe ich den dünnen Mann etwas essen sehen! Aber seine Gespräche vor und nach der Arbeit waren von höchster Professionalität: »Ich beabsichtige heute den Komplex Soundso zu beenden und mit Bild vierundvierzig zu beginnen, die Takes vierhundertzwölf bis vierhundertvierunddreißig möchte ich folgendermaßen zusammenziehen...«
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Frank Wisbar war wirklich ein Vollprofi

Und er erläuterte genau die Gründe für sein Vorgehen, hatte die Drehbuchseiten auch schon eingestrichen und wollte sie mir, nach amerikanischer Gewohnheit, nur zeigen. Als Wenzel Lüdecke mir klargemacht hatte, daß der Regisseur meine Anwesenheit morgens und abends zur Bedingung machte, war ich noch entzückt und vergaß ganz, nach einem Extrahonorar zu fragen.

Aber die Nächte im Bellevue wurden immer länger, je mehr liebgewordene Gesichter auftauchten - Günter Ungeheuer wäre beleidigt gewesen, wenn man vor ihm schlafengegangen wäre, und zu verschwinden, bevor Qualtinger auftauchte, hätte ich nie über mich gebracht -, das frühe Aufstehen wurde langsam zur Qual.
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Hollywood, das waren in 1958 schon TV-Fabriken

»Hör mal!« sagte ich eines Tages zu meinem Regisseur. »Du erzählst mir doch abends nur, was du tagsüber gedreht hast - wir könnten doch die Frühbesprechung am Abend erledigen! Du machst doch sowieso nur, was dir gefällt!«

Er sah mich kopfschüttelnd an: »Abends bin ich kaputt und informiere dich nur, damit du immer im Bilde bist - das gehört sich so! Und morgens erst bereite ich mich auf den Tag vor! In Hollywood wird das so gemacht!«

In den TV-Fabriken Hollywoods, hätte er sagen sollen. Tatsächlich erhob sich dieser Mann jeden Morgen um sechs Uhr und machte sich mit dem Drehbuch neu vertraut, als hätte er nicht daran mitgearbeitet, als würde er es nicht auswendig kennen.

Und um 22 Uhr lag er stets im Bett. Er muß längst eine Wohnung in Hamburg gehabt haben - und eine Frau -, aber er hielt es für richtig, während der Dreharbeiten mit dem Team zusammen zu sein und an nichts anderes als seinen Film zu denken. Ich habe nie wieder einen Regisseur kennengelernt, der sich so intensiv mit dem Film beschäftigte wie Frank Wisbar.
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Für Wisbar war Fernsehen die Zukunft

»Ihr Kinder«, pflegte er zu sagen, »vergeßt ganz, daß ihr für die Ewigkeit arbeitet! Eure Filme werden in hundert Jahren noch im Fernsehen laufen und eurem Namen Schande bereiten! Ich verachte Schauspieler und Mitarbeiter, die nachts herumsitzen und saufen, anstatt sich mit heiligem Ernst auf das Unabänderliche vorzubereiten!«

Unabänderlich nannte er die Belichtung des Films, was mir Eindruck machte, wohingegen ich die Erwähnung des Fernsehens noch nicht so wichtig nahm. Ich hatte überhaupt noch keinen Apparat, und daß in den USA Kinofilme bereits im Fernsehen liefen und endlos wiederholt wurden, war mir unbekannt.
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Über den üblichen »weißen Kragen« - den Vorspann eines Films

Der Eiertanz begann noch während der Dreharbeiten zu »Nasser Asphalt«: Was schreiben wir drüber? Leider war nicht von einem besseren Titel, sondern von dem üblichen »weißen Kragen« die Rede, dem Vorspruch der Juristen, von wegen »Jede Ähnlichkeit mit lebenden oder toten Personen ist nicht beabsichtigt, sondern Zufall« oder so ähnlich.

Der Wiener Verleger Fritz Molden erkannte die Ironie in einer solchen Vorbemerkung, als ich fünfzehn Jahre später den Schlüsselroman »Das Tall-Komplott« für ihn schrieb, und druckte genau diese Standardfloskel. Aber Wenzel Lüdecke und Heinz Dietrich waren, was Curt Riess und einen drohenden Prozeß anging, nicht souverän.
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Nur nicht Curt Riess herausfordern ....

»Mit dem Üblichen reizen wir Riess doch nur!« fanden beide und wurden von ihren Juristen eilfertig unterstützt. Schließlich brachten die Herren ein Elaborat von monströser Länge zustande, über das ich nur lachen konnte: »Warum schreibt ihr nicht gleich >Wir haben ein schlechtes Gewissen< drüber? Denn das springt dem Leser bei dieser Länge sofort ins Gesicht!«

Andererseits, fand ich, biete ein langer Vorspanntext eine Garantie dafür, daß er nicht gelesen werden würde, oder höchstens von einem Zuschauer: Riess, natürlich. Nun wurde redigiert und gestrichen und »in sich« gekürzt und verdichtet; diese Juristen schwitzten, daß es eine Freude war, ihnen zuzuschauen.
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Die lachhaften Bemühungen einer Industrie

Ich fand das Ganze eine neue Variante in der Reihe unsäglicher bis lachhafter Bemühungen einer Industrie, die sich als »Kunst« gebärdet, aber eben Industrie ist. Was sie da anstellten, um »ein bißchen schwanger« zu sein, hätten sie sich vorher überlegen müssen, in Kampen schon, oder doch in der Woche danach.

Aber da wurden sie von den dreitausend Kino-Buchungen geblendet, für die sie einen »starken Ersatzfilm« brauchten, und einen stärkeren als den über meine Bunkermenschen fanden sie nicht.

Also drehten sie einfach mal drauflos, nach dem Motto: Wird sich schon was finden!
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Walter Koppel mochte mich nicht leiden - warum ?

Walter Koppel, der Inhaber, tauchte in einer dieser schrecklichen Nachtsitzungen am Harvestehuder Weg auf und rief triumphierend:

»Der beste Schutz gegen einen Millionenprozeß ist doch mein neutraler Titel >Nasser Asphalt! Ein Glück, daß Sie nicht auf Herrn Tremper gehört und den Film >Die Bunkermenschen von Gdingen< genannt haben - dann könnten sie ihn jetzt schon verbrennen!«

Warf mir einen giftigen Blick zu und verschwand wieder. Auf diese Weise erfuhr ich, daß Wenzel und Dietrich einen Titel, der mir dummerweise nie in den Sinn gekommen war, ernsthaft in Erwägung gezogen hatten - und auf einmal wurde mir klar, daß sie vollkommen richtig gelegen hätten damit.
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Zu spät : »Nasser Asphalt« oder »Preis der Wahrheit«

»Die Bunkermenschen von Gdingen« hätten auf Anhieb mehr Zuschauer in die Kinos gezogen als mein anspruchsvoller »Preis der Wahrheit« oder das lächerliche »Nasser Asphalt«. Aber auch das war längst zu spät.

An einem Sonntagmorgen Ende Januar (1959) las ich bei Heinz und Ute Kuntze-Just ein Vorausexemplar des »Spiegel« vom Montagmorgen mit dem Artikel von Ulrich Blumenschein über unseren Film und die Hintergründe - und wußte, daß ich Riess vor Gericht wiedersehen würde. Ich sprang zum Telefon und rief Wenzel in den »Vier Jahreszeiten« an: »Vergeßt den >weißen Kragen<! Es steht alles im >Spiegel< morgen früh!«
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Wenzel bekam schon wieder einen Nervenzusammenbruch

Der Arme bekam einen gelinden Nervenzusammenbruch und verwünschte einmal mehr den Tag, an dem er mich eingeladen hatte, einen dritten Film für Horst Buchholz zu schreiben.

Aber am Montagmorgen erlebte ich einen Heinz Dietrich, der das Metier bei Preuschoff in der Friedrichstraße gelernt hatte: »Wir distanzieren uns von dem >Spiegel<-Artikel! Der Film hat mit Curt Riess nicht das Geringste zu tun! Wir setzen unseren Vorspann drüber!«
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Der Vorspann von »Nasser Asphalt«

Und der sah dann bei der Premiere von »Nasser Asphalt« in Hamburg so aus:

Vor einigen Jahren ging eine Sensationsmeldung durch die Weltpresse, deren Ursprung lange Zeit im Dunkeln lag. Der Film berichtet, wie diese Meldung, die schwerwiegende Folgen hatte, entstanden sein könnte. Die Handlung hat einen wahren Hintergrund. Die Charaktere und ihre Beziehungen zueinander sind frei erfunden und haben keine beabsichtigte Ähnlichkeit mit lebenden oder toten Personen oder Organisationen.
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Dieter Bochow und die Reaktion von Curt Riess

Am 7. Februar schließlich, die Dreharbeiten liefen immer noch, wußte ich mehr über die Reaktion von Curt Riess als Wenzel Lüdecke oder Heinz Dietrich.

Doch ich verriet ihnen nicht, was in dem Brief stand, den Dieter Bochow mir am 5. Februar in Berlin geschrieben hatte; ich ließ sie noch ein bißchen schmoren:

»Lieher Will, da ich mir als Rechercheur von Herrn Riess es nicht leisten kann, mit Dir zu telefonieren, muß ich Dir brieflich gratulieren (folgen Zitate aus Berliner Jubelkritiken über den gerade uraufgeführten zweiten Buchholz-Film >Endstation Liebe<).
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Gestern hatte ich ein längeres Gespräch mit einem gewissen Riess, Zürich. Er: >ja, ich habe den Spiegel gelesen, wissen Sie, ich habe mich selten so amüsiert, ja, es war gerade auf dem Flug von Neufundland, wo meine Maschine Motorschaden hatte, ein ganzer Tag herumgesessen. Ich war recht schlecht gelaunt, aber ich muß sagen - der Spiegelartikel hat meine Laune wiederhergestellt.

Na ja, ich wußte ja von dem Filmprojekt längst. Ich will nicht übertreiben, aber mindestens, na, zehn, zwanzig verschiedene Menschen haben mir ständig in den Ohren gelegen und mir was erzählt von dem Tremperstoff. Schon ehe ich nach Berlin kam, wußte ich die ganze Geschichte. Gott, ich habe mich nicht darum gekümmert, nicht? Wie ist er denn geworden?< -
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Ganz schöne Reklame, finden Sie nicht?

Ich erwiderte, der Film sei im Laufe der Arbeiten nicht mehr ganz so authentisch wie zuerst.

Darauf Riess, ganz erschrocken: >ja, aber man erkennt mich doch, oder nicht? < Ich: >Mag sein ...< Er: >Das wäre aber wirklich schade. Es ist doch eine ganz schöne Reklame, finden Sie nicht?< Ich fragte ihn, ob er eventuell auf einen Hinweis im Vorspann wert lege oder ob man den Spiegelartikel ins Programmheft aufnehmen sollte.

Damals ein gängiger Begriff bei Autoren - ein "Neger"

Er: >Gott, der Spiegelartikel... Wissen Sie, mich ärgert nur eins: da steht, der Tremper wäre ein "Neger" von mir gewesen, das stimmt ja nun nicht, nicht? Neger, das hört sich an, als ob er geschrieben und ich meinen Namen daruntergesetzt hätte. Zwischen Rechercheur oder Mitarbeiter und Neger ist schließlich noch ein Unterschied. Neger schreiben etwas, was unter dem Namen eines anderen erscheint.< Darauf ich: Dann sind Sie also der Neger von Paul Dahlke?< Er, verwirrt: >Woher wissen Sie?< Ich: >Weil ich doch an dem Roman 'Umleitung' geschrieben habe, den Sie geschrieben haben, den Dahlke geschrieben hat!<

Er: >Na ja, das ist ja auch ganz was anderes, nicht? Dahlke hat mich händeringend gebeten, ich habe das aus alter Freundschaft für ihn getan, aber er hat mir ja auch schriftlich bestätigt, daß der Roman mein Werk ist und die Rechte mir gehören. Übrigens, der wird jetzt bald verfilmt ... da bekommen Sie vielleicht auch noch eine kleine Zahlung. ....< - Das Gespräch endete mit dem strengen Hinweis, von nun an mehr, besser und pünktlicher für weniger Geld zu arbeiten.

Vorher hatte ich ein Gespräch mit der Hüllender (der Chefsekretärin von Curt Riess, die auch nach seinem Umzug in die Schweiz von Berlin aus für ihn arbeitete), die mich genau über den Film ausfragen wollte und behauptete, keine Ahnung davon zu haben, daß die ganze Bunkermenschengeschichte von Riess stammt,

Ihre Hauptfrage und Hauptsorge: >Ist denn der Martin Held eine sympathische Figur in dem Film ? Ich bezweifelte das. - Zu meinem Erstaunen mußte ich feststellen, daß Du nicht zur Premiere hergekommen bist (Er wußte nicht, daß die Premiere von »Endstation Liebe« einen Tag vor Berlin in Karlsruhe stattgefunden hatte, wohin Buchholz, Wenzel und ich von Hamburg aus gefahren waren.)

Das kann eigentlich nur zwei Gründe haben: entweder hast Du gerade eine junge Nachwuchsschauspielern entdeckt, oder Du mußtest rasch noch ein paar Szenen umschreiben (jetzt spricht er von >Nasser Asphalt<).

Wenn das letztere der Fall ist, dann wahrscheinlich aus dem Grund, daß Riess unterdessen sich bei euch gemeldet hat und verlangt, daß die Figur von Boyd noch mehr Riess-Züge zu erhalten hat. Sonst würde er gegen die Verfilmung protestieren.

Jedenfalls wollte er sofort an Held schreiben, als ich ihm vorschlug, doch Held ein paar Aidses (seine Schreibweise des jüdischen Eijzes - ungebetene Ratschläge) wegen der Rolle zu geben (ernstlich!). Ich wußte nicht, wo Held wohnt, er will darum an die Ateliers in Wandsbek schreiben ...«
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Dieter Bochow war mein Nachfolger bei Curt Riess geworden

Soweit der Brief von Dieter Bochow, der in meine Fußstapfen bei Riess getreten war und die Angewohnheit hatte, bei Anrufern, die ihre Meinung häufig ändern, ein Tonband einzuschalten.

Riess' Reaktion auf die Verfilmung der Bunkermenschen erschien mir, als ich sie so las, auf einmal auch wieder ganz plausibel; seine Eitelkeit war schon immer größer gewesen als sein Berufsstolz und seine Moral. »Alles zu seiner Zeit«, pflegte er zu sagen.

Der Film wurde, als er endlich herauskam, in der Relation zum Aufwand der am wenigsten erfolgreiche meiner drei Buchholz-Filme, hatte mit 1,1 Millionen aber am meisten gekostet.

Wenzel Lüdecke hat nie wieder einen Stoff von mir haben wollen, hat auch in den nächsten dreißig Jahren nur noch dreimal einen Spielfilm produziert, doch wir sind enge Freunde geworden.
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