Entwicklung eines Profils - Was ist ein Museum ?
Ein Museum wird in Artikel 2, Absatz 1 der Statuten des Internationalen Museumsrates definiert als eine „gemeinnützige ständige Einrichtung, die der Gesellschaft und ihrer Entwicklung dient, der Öffentlichkeit zugänglich ist und materielle Zeugnisse des Menschen und seiner Umwelt für Studien-, Bildungs- und Unterhaltungszwecke sammelt, bewahrt, erforscht, vermittelt und ausstellt."
Um ein Profil für ein zukünftiges Museum zu entwickeln, ist es also zunächst nötig, herauszufinden, ob und wie ein neues Museum der Gesellschaft und ihrer Entwicklung dienen kann. Gibt es einen Bedarf für die Aufbereitung dieses Themas? An welchen gesellschaftlichen Aufgaben kann das Museum wie mitarbeiten?
Des Weiteren soll das institutionelle Umfeld in Deutschland untersucht werden - welche anderen Häuser gibt es, die ähnliche Ziele verfolgen, und wie unterscheidet sich das neue Museum von ihnen? Ein Museum baut auf den Erkenntnissen der zugehörigen Fachwissenschaft auf. Daher soll auch ein kurzer Abriss des Standes der Fernsehgeschichtsschreibung gegeben werden und eine Erläuterung, wie das zukünftige Deutsche Fernsehmuseum daran anschließen möchte.
Museen leben von ihrer Sammlung. Die Sammlung des Fördervereins Museum für Deutsche Fernsehgeschichte, die Anlass gab zu den Überlegungen, in Wiesbaden ein Fernsehmuseum einzurichten, soll vorgestellt werden. Welche Sammlungsschwerpunkte sind für die Zukunft wichtig? Abschließend soll in kurzer Zusammenfassung ein Leitbild für die künftige Institution formuliert werden - oder, wie es in der amerikanischen Tradition heißt, ein „mission Statement".
Die Gliederung eines Profils
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- Gesellschaftlicher Bedarf
- Institutionelles Umfeld in Deutschland <> Ansatz des Deutschen Fernsehmuseums Wiesbaden
- Fernsehgeschichtsschreibung
- Sammeln zum Thema Fernsehen
- Die Sammlung des Fördervereins Museum für Deutsche
- Sammlungskonzept für die Zukunft
- "mission statement"
- Leitbild für eien Deutsches Fernsehmuseum in Wiesbaden
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Medienkompetenz - eine gesellschaftliche Schlüsselqualifikation
Ein Fernsehmuseum hat vor allem Wissen über das Medium Fernsehen, dessen Geschichte, Inhalte und Wirkungen im Angebot. Damit ist eine solche Institution grundsätzlich in der Lage, zur Stärkung der Medienkompetenz ihrer Besucher beizutragen. Medienkompetenz wurde in den letzten Jahren als eine Schlüsselqualifikation in unserer heutigen Gesellschaft ausgemacht.
Was ist Medienkompetenz? Der Begriff wurde von Dieter Baacke geprägt. Er umfasste in seiner ursprünglichen Anlage vier verschiedene Bereiche, die in dem gegebenen Rahmen nur verkürzt skizziert werden können: Medienkunde (Wissen über das Mediensystem und technisches Bedienenkönnen), gezielte und reflektierte Mediennutzung, Medienkritik (Analyse und Bewertung der Produkte) sowie eigene Mediengestaltung.
In vielfältigen Publikationen und Untersuchungen zu diesem Thema wurde der Begriff um medienethische, affektive, ästhetische und sozial-politische Komponenten erweitert. Medienkompetenz wird allgemein als eine wichtige Voraussetzung der Beteiligung möglichst aller sozialer Gruppen an der aktiven Wahrnehmung demokratischer Aufgaben gewertet. Das Ziel von Projekten zur Stärkung der Medienkompetenz ist der bewusste, selbstbestimmte und sozial verantwortliche Umgang mit Medien und ihren Inhalten und damit die Teilhabe an der modernen Informationsgesellschaft.
Eine im Auftrag der Landesmedienanstalt Saarland entstandene Untersuchung von 2002 zu bundesweiten Projekten und Einrichtungen, die Medienkompetenz fördern, kommt zu folgendem Schluss: „Die Dominanz internet- bzw. computergestützter Projekte lässt darauf schließen, dass allgemein die Beschäftigung mit den neuen Medien als vorrangig wichtig angesehen wird. Wenn deren Bedeutung auch durchaus anerkannt wird, so muss doch berücksichtigt werden, dass das Fernsehen nach wie vor das Leitmedium großer Bevölkerungsschichten geblieben ist.
Projekte, die sich mit dem Fernsehen und seinen Wirkungen auseinandersetzen, sind prozentual weniger vertreten. In den meisten Fällen sind die recherchierten Fernsehprojekte bereits vor einigen Jahren entstanden wie das renommierte Schulfernsehen' oder das Projekt ,Ältere Menschen machen Fernsehen". Da sich aber gerade die Fernsehwelt sehr rapide und grundlegend verändert, fehlen aktuelle Maßnahmen für die meisten Alters- und Funktionsgruppen."
Ein Fernsehmuseum ist der richtige Ort für die Entwicklung von „Maßnahmen" zum Thema Fernsehen. Neben der hohen fachlichen und didaktischen Kompetenz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bietet ein Museum auch die nötige räumliche und technische Infrastruktur. Dadurch, dass eine solche Institution grundsätzlich auf Dauer eingerichtet wird, ist außerdem eine Kontinuität gegeben, die es erlaubt, Erfahrungen mit Projekten zu machen und sie sukzessive zu verbessern.
Die Dauerausstellung des Deutschen Fernsehmuseums ist inhaltlich so angelegt (zu den einzelnen Themenbereichen vgl. Machbarkeitsstudie ab S.63), dass sie die Bedingungen, unter denen Fernsehproduktionen in technischer, rechtlicher, institutioneller und wirtschaftlicher Hinsicht entstehen (und entstanden), vermittelt -also: Medienkunde.
Ein großer Bereich widmet sich zudem der „Geschichte des Zuschauens" und bietet so Anlass, sich mit der eigenen Mediennutzung und dem Stellenwert des Mediums Fernsehen im Alltag auseinander zu setzen. Ein weiterer Themenkomplex der Dauerausstellung behandelt das Verhältnis zwischen Fernsehen und Wirklichkeit - und kommt damit auch dem im Hessischen Rahmenplan* für besondere Bildungs- und Erziehungsaufgaben (*herausgegeben vom hessischen Kultusministerium, 1999) formulierten Bedürfnis nach, Kinder und Jugendliche „angesichts der zunehmenden Vermischung von Fiktion und Dokumentation, von Inszenierung und Wirklichkeit in den Medien" darin zu unterstützen, „eigene Orientierungen zu finden und ihren Wirklichkeitssinn zu stärken".
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Das Deutsche Fernsehmuseum dient also der Gesellschaft, indem es ein reichhaltiges Angebot macht, sich differenziert mit dem Medium Fernsehen zu beschäftigen. Dadurch trägt es zur Stärkung der Medienkompetenz seiner Besucher/innen bei.
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Themenfelder:
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- Grundlagen der Fernsehtechnik
- Technik
(Produktion/Aufnahme, Sendung, Empfang) - Institutionen
(Fernsehsender Paul Nipkow, NWDR, ARD, ZDF, Duales System, Internationale Fernsehsender) - Hinter den Kulissen
(Show, Fernsehspiel, Nachrichten, Werbung, Galerie der Berufe, „Hall of Fame") - Rezeption
(Geschichte des Zuschauens, Fernseh(en)-Wirklichkeit) - Fernsehwelt
(Genres und Formate) - Kunstgalerie
Television Culture
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Das Deutsche Fernsehmuseum als fester Partner für Schulen
Für die Schülerinnen und Schüler - nicht nur - Wiesbadens kann das Deutsche Fernsehmuseum über die Dauerausstellung hinaus noch mehr in Sachen Medienkompetenz tun. Dafür müssen mit den Schulen zusammen adäquate Formen und Anlässe gefunden werden (Projektwochen, Wahlpflichtfach, AG's).
Zu der im hessischen Schulgesetz verankerten Medienerziehung (§4) gehört es auch, Gelegenheiten zu einer bewussten Untersuchung und Auseinandersetzung mit den Inhalten und Wirkungen von Medien anzubieten. Bei dieser Aufgabe kann das Deutsche Fernsehmuseum die Lehrerinnen und Lehrer unterstützen. Im museums- und medienpädagogischen Programm muss nicht nur die Vertiefung einzelner in der Dauerausstellung angelegter Aspekte in Seminar-Form (z.B. zum Thema „Nachrichten") enthalten sein, es sollte zusätzlich eine „Schule des Sehens" angeboten werden. In den Screening-Räumen des Museums kann das genaue Hinschauen, das Verstehen und Interpretieren von bewegten Bildern gelernt werden.
Schülerinnen und Schüler können üben, Kriterien zur Bewertung von Sendungen zu entwickeln und die eigene Haltung in Diskussionen zu begründen. Medienkritik als wichtige Komponente von „Medienkompetenz" findet hier ihren Platz.
Dass der Bedarf bei den Schulen in Wiesbaden und Umgebung nach Angeboten dieser Art sehr hoch ist, konnte aktuell bei der Tatort-Ausstellung (06.12.02 -09.02.03, in den Räumen des Projektbüros Stadtmuseum) festgestellt werden. Das „Krimipaket für Schulklassen", bestehend aus einer Führung durch die Ausstellung und anschließender gemeinsamer Krimi-Analyse wurde von insgesamt 35 Lehrern gebucht. Über 700 Wiesbadener Schülerinnen und Schüler haben die Ausstellung besichtigt, eine Einführung in die Geschichte der Reihe „Tatort" erhalten und Wissen über die Entstehung von Fernsehproduktionen erworben. Im Anschluss haben sie engagiert über Kameraführung, Musikeinsatz und Handlungsstränge am Beispiel eines zehnminütigen Ausschnitts diskutiert.
Für die eher technischen Bestandteile von Medienkompetenz, „Bedienen können der Produktionstechnik" und „eigene Mediengestaltung", gibt es zum Thema „Fernsehen" bereits ein Beispiel, das hier ausführlicher vorgestellt werden soll, da es Vorbildcharakter für das Deutsche Fernsehmuseum haben könnte.
Das Deutsche Fernsehmuseum sollte gemeinsam mit interessierten Wiesbadener Schulen daran arbeiten, im hauseigenen Lehrstudio ein vergleichbares, ähnlich nachhaltiges Angebot zu machen. Der Umgang mit aufwendiger Produktionstechnik ist nicht in kurzer Zeit zu vermitteln. Die dreijährige Beschäftigung im Rahmen eines Wahlpflichtfachs wird der Komplexität der Anforderungen gerecht.
Hierbei sollte unbedingt eine enge Kooperation mit dem Medienzentrum Wiesbaden e.V. angestrebt werden. Das Medienzentrum ist in seiner Anlage und Ausstattung einzigartig in der Bundesrepublik und ein gutes Beispiel für eine produktive Zusammenarbeit zwischen dem Hessischen Kultusministerium, dem für Wiesbaden zuständigen Staatlichen Schulamt und der Stadt: Das neue Hessische Schulgesetz (§162), das die Option bietet, Bildstellen zu regionalen Medienzentren weiterzuentwickeln, in denen Aufgaben der Mediennutzung und -pflege sowie Medienpädagogik wahrgenommen werden, wurde hier direkt umgesetzt. Das Medienzentrum sieht einen seiner Arbeitsschwerpunkte im Bereich der Neuen Medien und Technologien. Bei ihm liegt die technische und inhaltliche Administration der Initiative "WieS@N -Wiesbadener Schulen am Netz", die bereits ihr erstes Ziel - alle 76 Wiesbadener Schulen mit Netzzugang zu versorgen - erreicht hat.
Darüber hinaus hat das Medienzentrum im Intranet dieses Wiesbadener Schulnetzes eine Informations- und Kommunikationsplattform etabliert, die Ausgangspunkt vielfältiger Projekte sein kann und demnächst auch von außen zu erreichen ist. Neben dieser Hauptaufgabe sowie den traditionellen Aufgabe einer Bildstelle, dem Verleih von Technik und Filmen, bietet das Medienzentrum aber auch immer wieder Qualifizierungskurse und Projekte für Lehrer/innen und Schüler/innen an, in denen eigenständig Spielfilme oder Dokumentationen, vom Expose bis zum fertigen Film, hergestellt werden. Die im Medienzentrum auf diesem Gebiet vorhandenen personellen und technischen Ressourcen sollten daher in das medienpädagogische Programm des Fernsehmuseums eingebunden werden.
Zusammenspiel mit anderen Ausbildungsinstitutionen im Rhein-Main-Gebiet
Im Rhein-Main-Gebiet gibt es Universitäten und Fachhochschulen, an denen Fächer gelehrt werden, die in unterschiedlichster Hinsicht mit der Thematik des Museums zu tun haben.
Es liegt also nahe, über Formen der Zusammenarbeit nachzudenken und die Studierenden als potentielles Publikum auf unterschiedliche Art und Weise ans Haus zu binden. Bereits in der Entstehungsphase des Museums waren ja schon Studierende der Fachhochschule Mainz und Wiesbaden im Rahmen eines studentischen Projekt beteiligt und auch die Ausarbeitung der Machbarkeitstudie lag in den Händen von Fach-hochschul-Lehrenden.
In den nächsten Phasen wäre eine gemeinsame Erarbeitung eines Themenkomplexes der Dauerausstellung denkbar, beispielsweise der Bereich „Grundlagen" mit dem Studiengang „Fernsehtechnik" oder „Nachrichten" mit dem Institut für Publizistik. Studierende aus Filmklassen könnten „Lehrfilme" für das Museum erstellen.
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Eine Studie zur Medien- und Kommunikationswirtschaft in Hessen von 2001 weist darauf hin, dass für das zukünftige Qualifikationsprofil der Mitarbeiter dieser Branche ein breites Grundwissen über alle Medien wichtige Grundlage ist.
Durch die zu vermittelnde Stoff-Fülle in verhältnismäßig kurzer Zeit bleibt aber beispielsweise an der FH für eigentlich grundlegende Themengebiete, zum Bedauern der Professoren, viel zu wenig Zeit. So sieht etwa der Lehrplan im Institut für Mediengestaltung in Mainz sechs Semesterwochenstunden für die komplette Medien- und Designgeschichte vor. Aber auch in der Fernsehtechnik kann nur eine kurze Einführung in die Fernsehgeschichte gegeben werden.
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- Fachhochschule Wiesbaden: (Stand 2003)
- Kommunikationsdesign
- Fernsehtechnik
- Medienwirtschaft
- Medieninformatik
- Universität Mainz:
- Filmwissenschaft
- Publizistik
- Filmklasse
- Fachhochschule Mainz: (Stand 2003)
- Mediendesign
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Die Zukunftsvision
Ein Besuch im Deutschen Fernsehmuseum vermittelt anschaulich und komprimiert Grundlagenwissen und Mediengeschichte und kann die Fachhochschulen so entlasten und unterstützen. Das Museum selbst sollte in diesem Zusammenhang auch zum Ort für Lehrveranstaltungen werden. Die Sammlung kann dabei als Anschauungsmaterial dienen (beispielsweise Fernsehdesign).
Auch über eine Nutzung des Lehrstudios durch Studierende oder das Mitlaufen bei Projekten im professionellen Studio (vgl. Machbarkeitsstudie S. 89) muss nachgedacht werden. Für die Kommunikationsdesign-Studierenden der FH Wiesbaden wäre das von Professionellen genutzte Studio wichtig, sie könnten dort die berufliche Realität kennen lernen, statt sie wie bisher „zu simulieren".
Generell gilt es, für alle Programm-Angebote eine klare Zielgruppen (nach Alter, gesellschaftlicher Rolle, Funktion des Mediengebrauchs) zu definieren. Unbedingt notwendig ist die Anpassung der Angebote an den Wissens- und Erfahrungsstand der jeweiligen Adressaten (Schüler/innen der verschiedenen Klassen / Studierenden).