Die kleine Geschichte des Films (verfasst im Jahr 1959)
1959 war es für Taschenbuchverlage noch sehr aufwendig, die Texte ausführlich und komfortabel lesefreundlich zu bebildern. Jedes Bild musste aufwendig positioniert werden und der Text hätte dann nicht mehr verändert werden können. Darum waren die raren Bilder oft in der Mitte auf 10 oder 20 Seiten am Stück gebündelt - so auch hier. Weiterhin wurden bei der Überarbeitung mißverständliche Formulierungen und sonstige Fehler verbessert sowie Kommentare ergänzt.
Anmerkung : Der Verfasser Ernst Johann ist 1909 geboren und war ab 1929 "voll" mit dabei. Er hat die ganze Entwicklung nach dem 1. Weltkrieg über den schwarzen Freitag 1929 bis zur Machtergreifung Hitlers 1933, den Beginn des 2. Weltkrieges und das Kriegsende im April 1945 hautnah mitbekommen. Für die Propaganda im Dritten Reich spielte die UFA eine ganz besondere Solle, über die er hier auf dieser Seite schreibt.
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1914 beginnt der 1. Weltkrieg
Schon bald nach dem Ausbruch des großen Weltkonflikts 1914 zeigte es sich, daß die Deutschen bei der Planung der Umstellung des öffentlichen Lebens vom Frieden auf den Krieg mancherlei vergessen hatten.
In Deutschland nichts für den „Ernstfall" vorgesorgt
Propagandistisch war für den „Ernstfall" noch weniger vorgesorgt als ökonomisch. Trat aber auf dem Gebiet der Rohstoffversorgung nach nicht allzulanger Pause ein rettender Organisator auf, Walther Rathenau, so wurde es für wirkungsvolle Propagandaaktionen zu spät.
Die Ufa, welche dabei die entscheidende Rolle hätte übernehmen sollen, kam nicht mehr zum Zuge - als sie ihre ersten Filme hergestellt hatte, war für ihre Auftraggeber der Krieg schon verloren. Aber diese mächtige Organisation war nun einmal ins Leben gerufen worden, sie blieb bestehen und machte ein Viertel Jahrhundert lang Film-Weltgeschichte; Grund genug, sie näher zu betrachten.
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Lieber ins Frontkino, statt Nietzsche aufzuschlagen
Die deutschen Kriegsfreiwilligen von 1914, sagte man, seien mit dem „Faust" und mit Nietzsche im Tornister ausgezogen. Als sich jedoch der Bewegungskrieg in den Stellungskrieg verwandelte, reichte der idealistische Schwung, der aus solchen Werken zu beziehen war, nicht mehr aus. Man las in der Langeweile der Etappe und der Lazarette nicht mehr Goethe, sondern Ganghofer, den Lieblingsautor Seiner Majestät, oder Hanns Heinz Ewers, den unterhaltsamen Gruselschriftsteller.
Man ging auch lieber ins Frontkino, statt Nietzsche aufzuschlagen, und brachte sich von dort ein „Pin-up-Girl" mit; Starpostkarten von Henny Porten oder von Hanni Weisse, auf feldgraue Sentimentalität zurechtgemacht, brachten einen Schimmer der entbehrten Frauenschönheit in die Öde der Unterstände und Schützengräben. Die Nachfrage nach Unterhaltungsware jeder Art, nach leichter Lektüre und nach entspannenden Filmen stieg ins Ungeahnte.
Wo bleibt die Traumfabrik für die Heimat ?
In der Heimat war es mit einem Schlage mit den beliebten und vielfältigen Abwechslungen der Vereinsmeierei zu Ende, davon abgesehen, daß der zunehmende Ernst der Lage laute Schützenfeste, Fahnenweihen und Gesangvereinsjubiläen nicht mehr erlaubte. Man arbeitete dort so angestrengt wie nie zuvor - gerade deshalb brauchte man dort so dringend wie nie zuvor die Abwechslung, die Traumfabrik.
Die Soldaten brauchten "Abstand" vom mörderischen Krieg
Den Feldgrauen auf Urlaub, den Besatzungssoldaten in der Etappe verlangte es nach der gleichen Entspannung, und man mußte sie ihm um so mehr gewähren, als die Schlachten mörderisch wurden. Das Angebot an Filmen genügte der Nachfrage nicht.
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Bis zum August 1914 wurden die deutschen Kinos überwiegend von den Erzeugnissen aus ausländischer Produktion beliefert, die Pathe-Filme standen an der Spitze, die nordischen und italienischen folgten, die deutsche Produktion verteilte sich auf ein Dutzend Firmen, von denen die „Meßter-Film" die bedeutendste war - aber nachdem der deutsche Markt von heute auf morgen von den ausländischen Bezugsquellen abgesperrt war, hätte er sein Angebot vervielfachen müssen, um mit der Nachfrage Schritt halten zu können.
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Das neue Mittel des Films propagandistisch ausnutzen
Frankreich und England waren in der Lage, sich selbst zu versorgen. Doch nicht nur das: sie machten bald vor, wie man das neue Mittel des Films propagandistisch ausnutzen konnte. Aus dem harmlosen Vergnügen zappelnder Bilder schufen sie Streifen wilder, flammender Anklagen. Zum erstenmal wurde der Welt die Gefährlichkeit des Films bewußt, man konnte mit seiner Hilfe fälschen, lügen, übertreiben, hetzen.
Und die Erfahrung wurde gemacht, daß man sein liebes Publikum mit solchen lebenden Bildern viel nachhaltiger beeinflussen, in Begeisterung oder Wut versetzen konnte als mit Reden oder mit Leitartikeln. Was da auf der Leinwand vor sich ging, so dachte der naive Zuschauer, war doch direkt vom Leben, also von der reinen Wahrheit „abgenommen" - oder nicht?
1917 - sehr späte "Einsicht" der Heeresleitung
Als die deutsche Oberste Heeresleitung endlich zur Einsicht gelangte, daß unter ihren vielen Rüstungswerken ein wichtiges fehle, eine Traum- und Propagandafabrik, schrieb man schon das Jahr 1917, und sie mußte sich beeilen, denn mittlerweile waren die Vereinigten Staaten in den Krieg eingetreten - für die Entente ein riesenhafter Zuwachs auch an Propagandamitteln.
Nun ist es nicht so, daß sich die damalige deutsche Filmproduktion nicht von sich aus auf die Kriegsbedürfnisse umgestellt hätte, aber ihre Versuche blieben unzulänglich und endeten in dem patriotischen Kitsch, den folgende Titel ahnen lassen:
- „Wie Max das Eiserne Kreuz erwarb"
- „Auf dem Felde der Ehre"
- „Fräulein Feldgrau"
- „Fräulein Feldwebel"
- „Ich kenne keine Parteien mehr"
- „Das ganze Deutschland soll es sein"
- „Anna dreht Granaten"
- „Die dicke Berta" -
oder sie begaben sich auf den sicheren Boden des unpolitischen Unterhaltungsgeschäfts.
Kassenschlager 1917
Kassenschlager dieser Zeit waren die Detektivfilme der Serien Stuart Webbs (Darsteller Ernst Reicher, Regie Joe May), Harry Hill (Darsteller und Regie Valy Arnheim) und Joe Deebs (Darsteller Max Landa, Regie Joe May), die Harmlosigkeiten der Verfilmungen des „Trompeters von Säckingen" (nach Viktor v. Scheffel) oder der Romane von Rudolf Stratz („Die Faust des Riesen" mit Henny Porten) sowie die exotischen Abenteurerfilme, für die der dänische „Die Lieblingsfrau des Maharadscha", ein Film in drei Teilen zu je fünf Akten, den Startschuß gab. Als Lustspiele genügten Werke wie „Der Barbier von Filmersdorf", „Die Konservenbraut", „Lehmanns Brautfahrt" oder „Liebe und Bitterwasser" den Ansprüchen auf Ablenkung von der düsteren Wirklichkeit.
Gewinne wie nie zuvor . . . . .
Das Filmgeschäft indessen blühte und warf Gewinne ab wie nie zuvor. Es gehörte beinahe schon Entsagung dazu, nicht „einzusteigen", so verlockend bot es sich an.
Hatte es bei Ausbruch des Krieges in Deutschland kaum mehr als zwei Dutzend von Filmproduktionsfirmen gegeben, so betrug deren Zahl nach vier Jahren Kriegskonjunktur mehr als das Zehnfache. Für jede Firma des feindlichen Auslandes blieb der deutsche Markt gesperrt, nur die Filme der dänischen „Nordisk" durften, weil aus einem neutralen Land kommend, eingeführt werden - und dies bei riesiger Nachfrage. Im Jahre 1916 hatte München zweiunddreißig Filmtheater mehr als zehn Jahre vorher, in Frankfurt zählte man achtzehn Theater mehr.
Der Krieg fuhr fort, sich als der große Förderer des Films zu erweisen.
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Über die Zahl der Kinos
Die Zunahme der Kinos ist an folgender Statistik abzulesen. Es gab in Deutschland:
- Im Jahre 1910. . . . 1000 ortsfeste Kinos
- Im Jahre 1912. . . . 1500 ortsfeste Kinos
- Im Jahre 1913. . . . 2371 ortsfeste Kinos
- Im Jahre 1914. . . . 2446 ortsfeste Kinos
- Im Jahre 1917. . . . 3130 ortsfeste Kinos
- Im Jahre 1920. . . . 3422 ortsfeste Kinos
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Wirkungsvoll in Frankreich : „Rettet die Zivilisation"
Aber man konnte nicht gut erwarten, daß die deutschen Filmproduzenten von sich aus Werke gedreht hätten, die ebenso direkt der Unterstützung der deutschen Kriegsziele gedient hätten, wie dies für die Filmschaffenden der verbündeten Feindmächte so selbstverständlich war. Diese befanden sich psychologisch im Zustande der Abwehr; ihre Länder sahen sich überfallen, und die zerstörerischen Schlachten spielten sich bei ihnen ab, und selbst weit vom Schuß, wie Amerika, blieb ihnen die kühne, aber wirkungsvolle Propagandazeile, „zur Rettung der Zivilisation" in den Krieg eingetreten zu sein.
Und was passierte in Deutschland ?
Die deutsche Öffentlichkeit, nicht minder guten Willens, war in eine weitaus heiklere Lage verstrickt. Welches war das deutsche Kriegsziel? In diesem Punkte mußte sie ihrer Regierung vertrauen, die es wohl kennen mußte. Und diese Regierung gab ihre Kenntnis bald an die Generale ab, die berufsmäßig nur strategische Ziele, keine politischen, haben.
In der Situation dieser von Tag zu Tag bedrückender werdenden Einsicht ließen sich keine Filme erwarten, die etwas anderes auszusagen gehabt hätten als das, was die Plakate mit der Aufforderung zur Zeichnung der nächsten Kriegsanleihen an allen Wänden ohnehin verkündeten. Es mußte also „amtlicherseits" eingegriffen werden, wollte man nicht auf die Wirkungen des Films überhaupt verzichten.
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Jetzt neu : Eine regelmäßige Filmwochenschau
Gleich zu Kriegsbeginn war der Firma Meßter die Filmberichterstattung über die Kämpfe an der Westfront amtlich übertragen worden; aus diesen „Dokumenten zum Weltkrieg" entwickelte sich eine regelmäßige Filmwochenschau (welche die bisherigen ausländischen Aktualitätendienste, das 1906 gegründete „Pathe-Journal" und die seit 1910 bestehenden „Gaumont-Actualites" ersetzte) - was Wunder, daß versucht wurde, in die Meßterschen Kriegsberichte gelegentlich ein paar gestellte Szenen einzuschmuggeln, die das Ziel hatten, die Zuschauer über den Grad der Begeisterung der Soldaten oder über die Höhe der Gefangenenzahlen zu täuschen ? Dies war der Anfang einer bescheidenen deutschen Filmpropaganda.
Viel weiter ausbauen ließ sich aber diese Methode nicht, wollte man nicht Gefahr laufen, damit aufzufallen und lächerlich zu werden.
Die Wochenschaubilder waren unglaubwürdig und gestellt - und "zum Lachen" ????
Schon war die Unglaubwürdigkeit der gestellten Wochenschaubilder so weit gediehen, daß ein Sanitätsoffizier, Prof. v. Schjerning, in einem Brief an General Ludendorff zu schreiben wagte:
- „Die deutsche Kriegswochenschau ist als ein wichtiges Heilmittel für Verwundete anzusehen. Meine Herren melden mir, sie hätten nie soviel tosendes Gelächter gehört wie dann, wenn jene kinematographischen Bilder aus Schützengräben und >von der Front< vorgeführt werden... Lachen ist aber ein wichtiges Heilmittel." (Zglinicki)
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In Österreich war es anders
Entschlossener ging das verbündete Österreich vor, das, von den gleichen Sorgen bedrückt, bei der Wiener „Sascha"-Filmgesellschaft einen patriotischen Film „Wien im Kriege" direkt in Auftrag gab. Doch dies alles konnten nur Tropfen auf einem heißen Stein bedeuten. Wollte der Staat ein entscheidendes Wort zum Inhalt, zur Tendenz oder zur künstlerischen Gestaltung von Filmen mitreden, dann mußte er selbst zum Filmproduzenten werden.
Erst am 14. Oktober 1915 wurde das Kriegspresseamt gegründet, in dessen Abteilung „Kinematographie" man Oskar Meßter berief, wenigstens einen Fachmann. Im August 1916 verfaßte dieser auf Grund seiner Erfahrungen mit den Kriegswochenschauen eine Denkschrift an die Regierung, die in der Aufforderung gipfelte, eine großzügige deutsche Filmpropaganda zu entfalten; zur Erhärtung seiner These von der Wichtigkeit des neuen Massenbeeinflussungsmittels rechnete er vor, daß seine Wochenschauen von mindestens vierunddreißig Millionen Menschen gesehen worden seien.
Preußisches Kriegsministerium gründet das
„Bild- und Film-Amt"
Ob Meßters Denkschrift Beachtung fand oder nicht - am 30. Januar 1917 wurde vom preußischen Kriegsministerium ein „Bild- und Film-Amt" („Bufa" abgekürzt) ins Leben gerufen. Diese staatliche militärische Stelle hatte die Aufgabe, „in der Heimat und an der Front" Filmstellen einzurichten, geeignete Filme herzustellen und für die Verbreitung dieser Filme zu sorgen.
Die rein organisatorischen Aufgaben, die ihr gestellt waren, löste die Bufa rasch und gut, in kurzer Zeit wurden rund neunhundert Feldkinos eingerichtet, aber ihre produktiv- schöpferischen Aufgaben ließen auf sich warten. Und wie vorauszusehen, versuchte die Bufa Zensur auszuüben und die Zensurgewalt ausschließlich in ihre Hände zu bekommen.
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Von jetzt an keine Schund-Filme mehr
Friedrich von Zglinicki teilt ein Merkblatt der Bufa an die Theaterbesitzer mit, in welchem diese gewarnt werden, Schund- und Hintertreppenroman-Filme vorzuführen, und welches mit einer nicht zu überhörenden Drohung schließt: „Empfohlen wird dagegen die Vorführung gediegener Bilder ernsten Charakters, die geeignet sind, Vaterlandsliebe und gute Sitten zu erhalten und zu fördern. Nichtbeachtung der Anordnung kann zu Zwangsmaßnahmen, letzten Endes zu einer Schließung des Lichtspieltheaters führen."
Die UFA wurde gegründet
Dem Treiben der Bufa machte die Gründung der UFA, die nicht mehr lange auf sich warten ließ, einen Strich durch die Rechnung. Bekanntlich aber halten sich solche amtlichen Stellen immer länger als der Anlaß, dem sie ihre Existenz verdanken.
Nachdem die Bufa bis zum Kriegsende mit der UFA in idealem Wettstreit gelegen hatte, firmierte sie 1919 als „Reichsfilmstelle" und ging endlich 1922 als „Filmreferat" in die Zuständigkeit des Reichsministeriums des Innern über.
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Vorgänger der UFA war die „Deutsche Lichtbild-Gesellschaft" und Ludwig Klitzsch
Längeres Leben und größerer Erfolg war einer anderen Vorgängerorganisation der Ufa, der „Deutschen Lichtbild-Gesellschaft" (abgekürzt Deulig) beschieden. Ihre Gründung ging auf private Initiative zurück und ist ganz als das Werk eines Mannes zu betrachten, der erst später - als Generaldirektor der Ufa - ins Licht der deutschen Öffentlichkeit rückte und dessen Name mit einer weiten Strecke der deutschen Filmentwicklung verbunden ist: Ludwig Klitzsch.
Als Direktor des Zeitschriftenverlags J.J.Weber, Leipzig, dessen Ruhm in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert die „Illustrierte Zeitung" gebildet hatte, nun ein etwas altmodisch-konservatives, von den Großstadtblättern, besonders von der „Berliner Illustrirten" überholtes Blatt, erkannte Ludwig Klitzsch im Film jenes große publizistische Massenbeeinflussungsmittel, das zu handhaben seinen Ehrgeiz weit eher befriedigte, als der Herr über eine Reihe von Zeitschriften zu sein, mochte auch eine noch so ruhmreiche darunter sein. Und Ludwig Klitzsch wollte - ein nationaler Mann - die Massen beeinflussen.
Bei drohendem Kriegsausbruch, Ende Juli 1914, gründete er in Leipzig einen „Arbeitsausschuß zum Studium der Frage einer deutschen Film- und Lichtbild- Vortrags- Propaganda im Ausland", und er ließ sich gleich zum Vorsitzenden dieses Ausschusses ernennen.
Solange der Krieg nach Wunsch verlief . . . .
„Wir müssen uns auch in der öffentlichen Meinung der fremden Nationen einen Platz erobern", lautete damals eine seiner Forderungen. Sie blieb zunächst auf dem Papier, der Krieg verlief ja auch nach Wunsch. Doch das änderte sich. Die Entente sprach bereits von einem „Gürtel von Filmen", den sie um Deutschland legen wollte - wo blieben die Gegenmaßnahmen ? Im April 1916 legte Ludwig Klitzsch (im Kaiserhof Berlin) einem engsten Kreis derer, die es anging, seine früheren Pläne vor. Aber weder die Industrie noch das Auswärtige Amt noch die Oberste Heeresleitung wollten ihm einen praktischen Weg ebnen, doch theoretisch gaben sie ihm recht.
Alfred Hugenberg - der Mann fürs Krupp Marketing
Ein paar Monate später, im September 1916, gründete Alfred Hugenberg, damals Vorsitzender des Krupp-Direktoriums, einen „Deutschen Übersee-Dienst GmbH" und holte Ludwig Klitzsch zum kaufmännischen Direktor dieser Firma, die das Ziel verfolgte, die deutsche Schwerindustrie in besseren Kontakt mit den nichtfeindlichen Überseestaaten zu bringen.
Hugenberg und Klitzsch gründen die „Deutsche Lichtbildgesellschaft"
Jetzt endlich kann Klitzsch auch seine innerdeutschen Pläne verfolgen. Er gründet im Bunde mit Hugenberg die „Deutsche Lichtbildgesellschaft", die am 19. November 1916 ihre Geschäfte aufnimmt. Zweck des Unternehmens: „Die Veranstaltung planmäßiger Werbearbeit für Deutschlands Kultur, Wirtschaft und Fremdenverkehr im In- und Ausland durch das Bild, insbesondere durch bewegliche (Films) und stehende Lichtbilder auf nationaler, gemeinnütziger Grundlage."
Die UFA übernimmt auch die „Deutsche Lichtbildgesellschaft"
Bis auch „Deutschen Lichtbildgesellschaft" von der Ufa ein Ende bereitet wird (1927), stellt die "Deulig" alles in allem etwa zweihundertfünfzig Filme her, Dokumentarfilme (mit der Absicht, Wirtschaftswerbung zu treiben), Filme für das Beiprogramm (und seit 1920 Spielfilme) mit der Tendenz, besonders der Bevölkerung der von Deutschland besetzten und verwalteten Gebiete im Osten und auf dem Balkan bekömmlich zu sein.
Das amtliche Deutschland stand diesem Unternehmen nicht einmal so freundlich gegenüber, wie man hätte erwarten sollen, obwohl auch regierungsoffizielle Stellen bei seiner Gründung vertreten waren, aber das Militär sah sich ausgeschaltet und gründete, siehe oben, die Bufa.
Ludendorff wollte noch mehr
Doch die Tätigkeit beider Gesellschaften im Dienste nationaler Propaganda erschien Ludendorff nicht genug. Er wollte die gesamte deutsche Filmwirtschaft ebenso wie die übrige Industrie „total mobilisieren". Seit dem Eintritt Amerikas in den Krieg, April 1917, wurde die moralische Einkreisung Deutschlands von Tag zu Tag spürbarer. Ihr galt es zu entkommen.
Wissend, daß sein Wille einem Befehl gleichkam, schlug Ludendorff am 4. Juli 1917 als Chef des Generalstabes des Feldheeres dem königlich-preußischen Kriegsministerium als eine „dringende Kriegsnotwendigkeit" Maßnahmen vor, die bezwecken sollten, „daß der Film überall dort, wo die deutsche Einwirkung noch möglich ist, mit dem höchsten Nachdruck wirkt".
Ludendorffs genauer Plan, dessen Kosten er auf achtundzwanzig Millionen Mark schätzte - ein Nichts gegenüber dem Propagandaaufwand der Entente -, lief auf den Ankauf der wichtigsten deutschen Produktionsfirmen hinaus. Damit sollte die „Konzentration der Kräfte", die auch sonst Ludendorffs Devise war, erreicht werden.
Dominierend im deutschen Filmgeschäft war die dänische Gesellschaft „Nordisk"
Dominierend im deutschen Filmgeschäft war aber mittlerweile eine ausländische Firma geworden: die dänische Gesellschaft „Nordisk". In der glücklichen Lage, in einem neutralen Land, produzieren zu können, und nach dem Ausfall der „Feindstaaten" der bevorzugte Lieferant für Deutschland, besaß sie hier einen ansehnlichen Theaterpark (56 Häuser) und eine tüchtige Vertriebsorganisation: die „Nordische Film-Co.".
Ludendorff schlug daher gleichzeitig vor, die Hauptanteile der „Nordisk" unter der Hand und von getarnten Käufern zu erwerben. Ohne diese Gesellschaft waren Ludendorffs Absichten nicht zu verwirklichen.
Über die Kapazität des „Nordisk"-Konzerns
Von der Kapazität des „Nordisk"-Konzerns macht man sich einen Begriff, wenn man ihr Produktionsprogramm für das Jahr 1916 kennt; darin waren vertreten:
- Nordische Film Co. mit 180 Filmen
- Svenska-Biograph mit 53 Filmen
- Oliver-Film GmbH, mit 48 Filmen
- Union mit 41 Filmen
- Luna-Film GmbH. mit 15 Filmen.
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Ludendorff kauft auch die Nordisk
Tatsächlich ging dieser schwere Fisch in Ludendorffs Netz, die „Nordisk" hatte sich in letzter Zeit finanziell übernommen und war um so eher geneigt, zu verkaufen. Der „Konzentration der Kräfte" stand kein größeres Hindernis mehr im Wege.
Die Deutsche Bank kauft verdeckt alle Anteile
Das Deutsche Reich hatte die Deutsche Bank mit den Aufkäufen der Filmgesellschaften beauftragt, die ihrerseits wieder mit Scheingesellschaften zur Verschleierung des wirklichen Tatbestandes arbeitete. Bereits gegen Ende des Jahres 1917 war die Deutsche Bank im Besitz der ausschlaggebenden Firmen „Nordisk", „Meßter" und „Union".
Die „Universum-Film AG" (kurz UFA) wurde geformt
Und deren Zusammenschluß zur „Universum-Film AG" (UFA) konnte am 18. Dezember 1917 bekanntgegeben werden.
1/3 gehörte dem "Deutschen Reich"
Zwei Monate später wurde die UFA mit einem Stammkapital von fünfundzwanzig Millionen Reichsmark ins Handelsregister eingetragen, das Deutsche Reich war an ihr mit acht Millionen, also zu einem Drittel beteiligt.
Der Kaufpreis für die „Nordisk" betrug zehn Millionen (davon 5,4 Millionen in UFA-Aktien), für die „Meßter GmbH" fünf Millionen (davon eine Million in UFA-Aktien). Von der „Union" besaß die UFA die Mehrheit des 2,2 Millionen betragenden Aktienkapitals.
Neben dem Deutschen Reich beteiligten sich an der UFA:
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- die Deutsche Bank selber (deren Direktor Georg von Stauß der Mittelsmann Ludendorffs und der finanzielle Berater der gesamten Transaktion war),
- die Dresdner Bank, die AEG (Allgemeine Elektrizitätsgesellschaft),
- die Hamburg-Amerika-Linie,
- der Norddeutsche Lloyd sowie
- die Industriellen Robert Bosch und
- Fürst Henckel von Donnersmarck.
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Ludendorffs Ziel war mit der UFA erreicht
Wenn die Ruhrindustrie an der UFA kein Interesse zeigte, so deshalb, weil Hugenberg und Klitzsch sie bereits für die „Deulig" engagiert hatten. Ludendorffs Ziel, die „Konzentration der Kräfte", war erreicht; in dem neuen Konzern „Ufa" waren die folgenden Filmfirmen zusammengeschlossen:
- 1. Der Nordisk-Konzern mit
„A.G. Nordisk-Film", Kopenhagen
„Oliver-Film" GmbH. (Produktionsgesellschaft), Berlin und Zürich
„Nordische Film GmbH." (Verleihorganisation), Berlin, Wien, Amsterdam - 2. Der Meßter-Konzern:
„Meßter Film" GmbH. (Produktionsgesellschaft), Berlin
„Meßter-Projektion" GmbH., Berlin
„Autor-Film Co." GmbH.,.Berlin
„Meisterdirigenten-Konzert" GmbH., Berlin
„Projektions-Maschinenbau" GmbH., Berlin
„Meßter Film- u. Apparatebau" Ges.mbH., Wien
„Sascha-Meßter Filmfabrik" Ges.mbH., Wien
„Hansa-Filmverleih" GmbH., Berlin
„Mozart-Lichtspiele" GmbH., Berlin - 3. Der Union-Konzern:
„Projektions-AG. Union", („Pagu"), Berlin
„Vitascope" GmbH., Berlin
„Internationale Film Vertriebs "-GmbH., Berlin und Wien
„Pax-Film" GmbH., Berlin
„Lichtspielvertrieb des Verbandes deutscher Bühnenschriftsteller" GmbH, (in Liquidation), Berlin
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Weitere Firmen wurden "integriert"
Unmittelbar nach ihrer Gründung "gliederte" sich die UFA noch folgende Firmen an:
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- „Decla-Bioscop", Berlin
- „James Henschel" GmbH., Hamburg
- „Martin Dentler Film" GmbH., Braunschweig,
- sowie den Verleih „Frankfurter Film Co.".
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Anmerkung : Wie das genau verlaufen ist, darüber schweigt sich der Autor aus.
Später erwarb die UFA sämtliche Anteile an der „May-Film", Wien, die Majorität der „Afifa" (A.G. für Filmfabrikation), der größten deutschen Kopieranstalt, im Jahre 1924 die Majorität der „Westi-Film" AG., die als „Ufa-Film Societa Italiana" weitergeführt wurde, und sie beteiligte sich führend an einer französischen Filmfirma.
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Die UFA wurde ein Mammutkonzern
Aus dieser Aufstellung ist auch ersichtlich, wie die Tendenz zur Konzernbildung dem Filmgeschäft zwangsläufig innewohnt; die UFA „erfand" sie nicht etwa, sondern sie schloß einfach die bestehenden Konzerne zu einem Mammutkonzern zusammen.
Die Geschichte einer jeden zur UFA zusammengeschlossenen Dachfirma beweist empirisch die Unausweichlichkeit der Konzernbildung: der Produzent strebt zum Verleiher, der Verleiher zum Theaterbesitzer.
Verteiltes Risiko und keine Konkurrenz
Das Risiko, das zunächst mit jedem neuen Film eingegangen wird, ist geringer, wenn es auf drei Schultern verteilt werden kann. Die Entwicklung zum Konzern beschränkte sich schließlich nicht auf Deutschland, sie ist gleichzeitig in allen Ländern mit einer namhaften Filmindustrie zu beobachten.
Das Neue an der Ufa war natürlich, daß sich dieser Konzern nicht in Konkurrenzkämpfen im eigenen Land aufzureiben brauchte; außer der Deulig - mit der sie übrigens bald zu einem Gentleman's Agreement kam - und außer der Decla-Bioscop (die im Jahre 1921 in die Ufa überging), waren alle ins Gewicht fallenden Filmfirmen hier zusammengeschlossen.
Sorglos wirtschaften, wenn der Staat bürgt . . . .
Und wie immer, wenn der Staat Aktionär ist, kann die Firma sorgenloser wirtschaften; zuletzt bleibt der Steuerzahler, dem man ein Defizit aufbürden kann. Mit Recht schreibt Hans Traub in seiner „Geschichte der Ufa", daß ihre Begründer die Voraussetzungen für einen vertikalen Aufbau (des Konzerns) geschaffen hätten, „wie er hinsichtlich Umfang und Kapitalkraft vorher und nachher niemals mehr zustande kommen konnte".
Die UFA hatte auf einmal ALLES
Die Ufa verfügte von heute auf morgen nicht nur über Ateliers und über eine Reihe der schönsten Theaterbauten in Deutschland: die Nordisk, die Meßter und die Union brachten die seinerzeit wertvollsten Starverträge mit in die Ehe. Henny Porten, Asta Nielsen, Pola Negri, Harry Liedtke, Paul Wegener, Emil Jannings waren nun Ufa-Stars geworden, Viggo Larsen, Ernst Lubitsch, Joe May Ufa-Regisseure.
Und doch keine staatliche Propagandafirma
Ein glückliches Geschick bewahrte die Ufa davor, jene Rolle zu übernehmen, für die der ganze Aufwand überhaupt gedacht war, die Rolle einer staatlichen Fabrik für nationale Propagandafilme. Als sie ihr erstes Produktionsprogramm ihrer vorgesetzten Dienststelle, der Nachrichtenabteilung des Auswärtigen Amtes vorlegte und als sich darunter kein einziger deutlicher Propagandafilm befand, konnte sie sich mit dem Hinweis entschuldigen, daß es zunächst notwendig war, die von ihren Vorgängerfirmen eingegangenen Verpflichtungen zu erfüllen.
Und ihr zweites Produktionsprogramm brauchte die Ufa schon nicht mehr vorzulegen, der Krieg war verloren. War er nicht auch verloren worden, weil die Deutschen die Macht der Propaganda so weltfremd unterschätzt hatten ?
Das erste Produktionsprogramm der UFA für 1918/1919
Im übrigen ist es ganz aufschlußreich, sich das erste Produktionsprogramm der UFA für das Jahr 1918/1919 einmal anzusehen.
Es sah vor:
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- 8 Filme mit Henny Porten
- 6 Filme mit Fern Andra
- 6 Filme mit Lotte Neumann
- 6 Filme mit Ossi Oswalda
- 6 Filme mit Leo Peukert
- 4-6 Filme mit Mia May
- 4 Filme mit Georg Alexander
- 2 Filme mit Paul Wegener
Doch wichtiger als die Aufzählung dieser Vorhaben, die nur als eine Skala der Beliebtheit der damaligen Stars ihren Wert hat, sind die Filme, die die Ufa in den ersten Jahren ihres Bestehens tatsächlich gedreht hat - und beinahe noch wichtiger ist die bloße Tatsache ihrer Existenz überhaupt.
Kräftigste finanzielle Ausstattung sicherten das Überleben
Ein finanziell und personell weniger kräftig ausgestatteter Konzern hätte die folgenden Jahre der wirtschaftlichen Unsicherheit im Innern und des andauernden Boykotts des deutschen Films im Ausland vermutlich nicht überstanden.
Das Deutsche Reich hatte im Jahre 1921 seine Beteiligung an der UFA aufgegeben, die Deutsche Bank kaufte die Aktien zurück, künftig war die Firma in privaten Händen und wurde nach privatwirtschaftlichen Gesichtspunkten verwaltet - wobei es auch einer ihrer Gesichtspunkte war, mit dem Nationalismus Geschäfte zu machen -, bis sie im Dritten Reich gänzlich in den Besitz des Staates „übergeführt" wurde.
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