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Über die Blütezeit der Filmstadt Wiesbaden

Unter dem Titel "Rote Rosen und weißer Flieder" wurde 1995 eine begleitende "Retro"-Broschüre aus der Vergangenheit und der kurzen Episode Wiesbadens als Filmstadt erstellt. Eigentlich als Katalog zu einer Ausstellung gedacht, werden doch viele Tatsachen, Einzelheiten und Vorkommnisse der Wiesbadener Studios, der damals in Wiesbaden gedrehten Filmen und von den Wiesbadener Kinos bis Anfang der 1970er aufgezählt. Hier geht es zum Anfang.

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Verwöhnte Menschen im eleganten Badeort - Filmstars in Wiesbaden

von Thilo Wydra

Der diabolos des Dritten Reichs hatte sie alle vertrieben, sowohl Literaten und Künstler als auch Regisseure und Schauspieler: Thomas Mann ging 1933 in die Emigration - erst nach Sanary-sur-Mer, dann nach Küsnacht bei Zürich - ebenso sein Kollege Bertolt Brecht, der zusammen mit seiner Frau Helene Weigel in den USA für einige Jahre eine "neue Heimat" fand.

Auch Heinrich Mann, Lion Feuchtwanger und Franz Werfel exilierten nach Hollywood. Fritz Lang verließ Europa im Sommer 1934, ohne seine langjährige Ehefrau und Drehbuchautorin Thea von Harbou.

Zuletzt hatte er in Deutschland DAS TESTAMENT DES DR. MABUSE, dann in Paris LILIOM gedreht, schließlich einen Vertrag mit der Metro-Goldwyn-Mayer unterzeichnet.

Nach Deutschland kehrte er erst 1956 zurück, mit dem 1960 gedrehten Mabuse-Remake DIE TAUSEND AUGEN DES DR. MABUSE entstand Langs letzter Spielfilm.

Ernst Lubitsch, der zu Beginn der dreißiger Jahre bereits bei Paramount unter Vertrag steht, nimmt 1936 die amerikanische Staatsbürgerschaft an, nachdem ihm ein Jahr zuvor die deutsche entzogen wurde.

Viele gehen nach Hollywood, die Liste ihrer Namen mutet an wie ein Name-Dropping der geistigen Elite Europas jener Zeit:

Regisseure wie Billy Wilder, Douglas Sirk, Fred Zinnemann, Robert Siodmak, Otto Preminger oder Joseph von Sternberg, Schauspieler wie Peter Lorre, Erich von Stroheim und natürlich Marlene Dietrich wurden zu unbehausten Wanderern zwischen zwei Welten, zu Fremden, ganz gleich wo sie sich aufhielten.

"Fremd bin ich eingezogen, fremd zieh ich wieder aus" (1): Erst Hitlers Diktatur, dann das reale Kriegsszenario hatten sie fremd gemacht, heimatlos. Einige von ihnen kamen nie nach Deutschland zurück.
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Viele der Künstler kamen nicht oder erst sehr spät wieder

Die Abwesenheit all jener, die zu Beginn des Hitler-Regimes emigrierten, macht sich denn auch im Deutschland der Nachkriegszeit bemerkbar.

Zwar wurden auch noch im letzten Kriegsjahr Filme mit deutschen Schauspielern produziert - so etwa der nie vollendete, 1993 rekonstruierte Kriminalfilm "SHIVA UND DIE GALGENBLUME", den Regisseur Hans Steinhoff mit Hans Albers, O.W. Fischer und Grete Weiser in den Prager Barrandov-Studios drehte, fernab und unberührt von jeglichen Kriegsgeschehnissen - doch geschah dies stets fern der zerbombten und umkämpften Heimat.

Die deutsche Filmproduktion war 1945 eines der Opfer des Krieges, sie existierte, einmal abgesehen von den gängigen Propagandafihnen, nur noch rudimentär und unterlag dem strengen Reglement der Zensur.
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Februar 1949 - 'Mordprozeß Dr. Jordan'

In der Kurstadt Wiesbaden, die im Vergleich zu Mainz relativ wenig zerstört wurde, beginnt man im Februar des Jahres 1949 mit dem "Ausbau der Wiesbadener Filmanlagen Unter den Eichen.

Zur Verfügung stand ein moderner Reithallen-Komplex und das Gelände der internationel Reit- und Fahrturniers. Bereits am 5. Mai 1949 begannen die Aufnahmen zum ersten Wiesbaden-Film 'Mordprozeß Dr. Jordan'" (2).

Die Comedia-Filmproduktion engagiert für diesen psychologischen Kriminal-
film den Regisseur Erich Engels (DR. CRIPPEN AN BORD), die Besetzung garantiert "eine Auslese bewährter Darsteller des deutschen Films": Rudolf Fernau übernimmt die Hauptrolle des zum Tode verurteilten Dr. Alexander Jordan, der sich 1912 tatsächlich im "schönen Wiesbaden mit seinen eleganten und verwöhnten Menschen" aufhielt (3).

Dr. Jordans kränkelnde Ehefrau Constanze wird von Dorothea Wieck gespielt, Maria Holst, einst von Willi Forst für den deutschen Film entdeckt, ist hier in der Rolle der jungen Leonie, die unsterblich in ihren Schwager Dr. Jordan verliebt ist, zu sehen.

Maria Holst dreht zum erstenmal nach Kriegsende wieder in Deutschland, und auch Dorothea Wieck steht nach fünfjähriger Unterbrechung erstmals vor der Kamera. Zu ihnen gesellt sich, neben einigen anderen, Hubert von Meyerinck in einer Nebenrolle.
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Okt. 1949 - Uraufführung im Walhalla und im Thalia

Am 28. Oktober findet die festliche Uraufführung gleich in zwei Theatern statt, im Walhalla und im Thalia. Einige Schauspieler sind anwesend und Oberbürgermeister Hans Heinrich Redlhammer begrüßt überschwenglich das Premierenpublikum des ersten Wiesbadener Spielfilms.

Bereits am 19. November meldet das Fachblatt Illustrierte Filmwoche den fünfzigtausendsten Besucher: "Auf der Bühne des Thalia-Theaters feierte Herr von Zitzewitz vom Schorcht-Werleih die Besucherin in einer launigen Ansprache. Anschließend überreichte die jüngste Schauspielerin des Films, Evelyne Sichert, der Glücklichen einen großen Korb mit ausgesuchten Delikatessen und Leckereien " (4). Ob auch ein Ananastörtchen dabei war, weiß man nicht.
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  • Anmerkung : Diese beiden Kinos waren die damals verfügbaren größten und auch unzerstörten Kinos in Wiesbaden. Der UFA-Plast in der Wilhemstrasse war von den Amerikanern beschlagnahmt worden.

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Eine Premiere in Mainz

Eine weitere Premiere, noch im Oktober, findet im linksrheinischen Mainz statt: Im neueröffneten "Film-Palast" wird in Anwesenheit der Hauptdarstellerin Marthe Harell DIE FLEDERMAUS gezeigt. Regie führte der ungarische Vieldreher Geza von Bolvary, der diese freie Adaption der Straußschen Operette bereits 1944 in den Prager Ateliers drehte.

In jenem Herbst des Jahres 1949 dreht Geza von Bolvary auch in den Wiesbadener Ateliers Unter den Eichen für die Merkur-Filmproduktion das musikalische Lustspiel "WER BIS DU, DEN ICH LIEBE?".

In Anlehnung an den Roman von Hugo Maria Kritz, "Die Abenteuer des Herrn Barrabas", inszeniert von Bolvary die Geschichte eines Liebespaars, welches von den damaligen Nachwuchsschauspielern Adrian Hoven und Jaester Naefe verkörpert wird.

Einige Szenen werden - wie übrigens auch zum MORDPROZESS - im Foyer des Hessischen Staatstheaters gedreht, Hubert von Meyerinck tritt diesmal mit "Zaubermanieren" auf, die Premiere ist jedoch nicht in Wiesbaden, sondern im Münchner Luitpold-Theater, auf dessen Bühne am 15. November das gesamte Ensemble mit Regisseur von Bolvary steht, um minutenlangen Beifall zu bekommen.

"Ein neues deutsches Liebespaar" habe von Bolvary geschaffen, frohlocken Filmkritiker. Adrian Hoven wird zwar später zu den beliebtesten deutschen Filmschauspielern gehören, ein für die deutsche Filmgeschichte so bedeutsames und markantes Liebespaar, wie es etwa Maria Schell und O.W. Fischer in den Filmen Josef von Bakys darstellten, werden Adrian Hoven und Jaester Naefe allerdings nicht.
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1950 stagnieren die Film-Aktivitäten in Wiesbaden

Zu Beginn des Jahres 1950 meldet die Fachpresse ein Stagnieren im Wiesbadener Filmschaffen, die Ateliers stehen zeitweilig leer.

Als erste Produktionsgesellschaft geht dann Dr. Heinrich Jonens Meteor-Film in die Ateliers, um dort die musikalische Komödie MELODIE DES HERZENS (später in WENN EINE FRAU LIEBT umgetitelt) zu drehen. Für die Regie gewinnt man Wolfgang Liebeneiner, der diesen Stoff schon einmal verfilmte und damit seinerzeit, 1937, debütierte.

Die Hauptrollen übernehmen Johannes Heesters und Hilde Krahl. Sie spielen das Ehepaar Monika und Martin Pratt. Beide sind ihres Zeichens Kunstmaler, Martin jedoch scheint die reale Welt und die der bildenden Kunst nicht mehr auseinanderhalten zu können, so daß ihre Ehe latent gefährdet ist.

Während eines Atelierbesuchs vertraut Regisseur Liebeneiner dem Journalisten der Illustrierten Filmwoche folgendes an: "Sie dürfen beruhigt sein, Heesters singt in diesem Film nur ganz am Rande und dann wie ein 'normaler Mensch'. Ich habe mich davon überzeugt, daß er das kann. Ich bin vor allem gewiß, daß er nach seinen Bühnenerfolgen in Wien diesen Martin Pratt als Schauspieler ausfüllt" (5).

Auch Heesters und die aus Wien kommende Gusti Wolf stehen hier erstmals nach Kriegsende wieder in einem deutschen Atelier vor der Kamera. Die letzte Einstellung an jenem April-Tag - Drehbeginn war der 17. - spielt in einem wandhoch verspiegelten Modesalon, Herr Konsul (Wilfried Seyferth) muß das neue Kleid seiner jungen Frau (Gusti Wolf) beurteilen.
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Der Film "DIE TREPPE"

Bevor Johannes Heesters erneut für Dreharbeiten in Wiesbaden weilen wird, kommt die Berliner Scala-Film in die Filmstadt und läßt von den Architekten Fritz Maurischat und Paul Markwitz Unter den Eichen "eine Treppe von Riesenausmaßen, ... vier Stockwerke hoch, bis unter das Dach geführt'' (6) errichten:

DIE TREPPE ist denn auch der Titel jenes Films, der die Geschichte eines Mietshauses erzählt, welches in jeder deutschen Großstadt stehen könnte, im übertragenen Sinn von allgemeingültiger Bedeutung ist. Auf der Treppe begegnen sich die Menschen, Schicksale werden skizziert. "Spielleiter" Alfred Braun dreht mit Hilde Körber, Ralph Lothar, der zugleich Autor dieses Stückes ist, mit Paul Westermeier und der erst 17-jährigen Liane Croon, die hier ihr Schauspiel-Debüt gibt und für ihre Interpretation Lob und Anerkennung erhält.

Am 14. September steht das Ensemble geschlossen auf der Bühne des Walhalla-Theaters und wird vom Uraufführungspublikum eifrig beklatscht.

Auf die Arbeitsbedingungen in den Wiesbadener Ateliers befragt, antwortet Regisseur Braun: "Wir empfanden da die Stille als unerhört wohltuend, die Abgeschlossenheit ließ sich fast mit einer Klausur vergleichen und bei alledem hatten wir in dem Milieu des eleganten Badeortes das Gefühl, als ob wir alle Tage Geburtstag hätten" (7).
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Die Anzahl der Film-Projekte nimmt doch wieder stetig zu

In der zweiten Jahreshälfte nimmt die Anzahl der Film-Projekte stetig zu, Regisseure und Schauspieler geben sich die Türklinke in die Hand, um in den Wiesbadener Ateliers Innenaufnahmen abzudrehen. Es herrscht ein reger Produktionsbetrieb mit Fließband-Charakter.

Der Scala-Produktion folgt alsdann eine weitere von Meteor: Die Operettenverfilmung HOCHZEITSNACHT IM PARADIES entsteht unter der Regie von Geza von Bolvary mit Johannes Heesters als Pieters und Claude Farell als Ciarisse in den Hauptrollen. Im Juli wird mit den Außenaufnahmen in Venedig begonnen, nachdem die letzte Klappe zur TREPPE fiel, geht man nun in die hiesigen Ateliers, um die aufwendigen Gesellschaftssequenzen zu drehen.
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Frauenschwarm Heesters im Mittelpunkt des Interesses

Schon jetzt steht Frauenschwarm Heesters im Mittelpunkt des Interesses, am 28. Oktober wird im Thalia feierlich die Premiere des Films begangen und bereits zwei Wochen zuvor ist die letzte Einstellung zur Hamburger Pontus-Produktion DIE TÖDLICHEN TRÄUME im Kasten:

Frei nach einer Erzählung von E.T.A. Hoffmann "Der Spieler", inszeniert Paul Martin die traumatischen Geschehnisse eines Philologie-Studenten - der junge Will Quadflieg ist hier in einer seiner frühen Rollen zu sehen - dem eines Nachts die Vision des Dichters Hoffmann (Rudolf Forster) erscheint.

DIE TÖDLICHEN TRÄUME, kurz vor dem Kinostart im November umbenannt in LIEBESTRÄUME, führen Quadflieg zurück in das Spanien des Jahres 1680, und so wird in der Aufnahmehalle I der Saal eines kastilischen Schlosses nachgebaut.

Beinahe poetisch und unfreiwillig komisch zugleich mutet der Drehbericht der Illustrierten Filmwoche an: "Die Pechfackeln an den Quadersteinen der Wände werfen ihr gespenstisch zuckendes Licht auf eine erregende Szene:

In einem Sessel mit hoher Lehne, an einem schweren Eichentisch, sitzt Don d'Alvarez, ein spanischer Grande (Walter Franck). Er knallt einen Würfelbecher auf den Tisch. Don d'Alvarez hat verloren. ...

Am Tisch sitzen spanische Höflinge und Edelleute, die besorgt und verstohlen zum Schloßherrn hinüberblicken. Die Kamera schwenkt an ihnen vorbei und richtet sich auf den Mitspieler, den Sennor Barravas (Quadflieg), der ihm schon Dukaten, Pferde, Schloß, Güter, Wälder, Ringe und Degen abgewonnen hat und nun mit ihm um das Letzte, das ihm verblieben, um die Liebe seines Weibes Donna Ines (Cornell Borchers) würfelt... " (8).
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Reaktionen auf den "anrüchigen" Film 'Die Sünderin'

Heute ist die Aufregung, in welche sich die deutsche Filmwelt in den ersten Monaten des Jahres 1951 abrupt versetzt sah, nur noch schwerlich nachvollziehbar.

Willi Forsts erster Nachkriegsfilm, mit Hildegard Knef und Gustav Fröhlich prominent besetzt, erlebt am 18. Januar seine Premiere im Frankfurter Turmpalast.

Wenige Tage zuvor, am 13. Januar, schreibt der Regisseur Willi Forst in der Wochenend-Ausgabe des Wiesbadener Tagblatt unter der Überschrift "Mein neuer deutscher Film: 'Die Sünderin '", daß "diese in jeder einzelnen Szene delikate, ja gewagte Handlung, diese bis ins kleinste ausgewogene filmische Schilderung einer 'großen Liebe', die es im Leben doch häufiger gibt als wir anzunehmen bereit sind, bis ins letzte frei und gelöst wirken muß".

Und etwas weiter ist zu lesen: " ... 'Die Sünderin' war doch ein Wagnis, ein größeres als ich je annahm. Ich habe mich ehrlich mit ihr herumgeplagt" (9).

Die Reaktionen nach der Uraufführung jenes "anrüchigen" Films, in dem Hildegard Knef für einen kurzen Augenblick hüllenlos zu sehen ist, sind heftiger Natur: So meldet der Hauptausschuß der in Wiesbaden ansässigen Freiwilligen Selbstkontrolle (FSK), die filmische Revisionsinstanz schlechthin, noch am Uraufführungstag, "daß der Film zwar freigegeben worden sei, aber an der Grenze des Zulässigen stehe" (10).
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Die geheuchelten Forderungen der verlogenen Kirchenvertreter

Dem verantwortlichen Herzog-Verleih wird empfohlen, die vielumstrittenen, delikaten Sequenzen zu schneiden, die Vertreter sowohl der katholischen als auch der evangelischen Kirche treten alsbald aus der FSK aus.

Demonstrationen werden abgehalten. Die Änderungs- und Kürzungsvorschläge der FSK lehnt Forst freilich ab, "weil deren Ausmaß die Verstümmelung, ja die Zerstörung seiner Arbeit bedeutet hätte" (11).

Für die Filmtheaterbesitzer und den Verleih ist der Aufruhr um die SÜNDERIN die beste Werbung, die sie sich hätten wünschen können. Noch Ende März meldet Herzog überraschend hohe Besucherzahlen, Regisseure äußern erfreut, daß man endlich wieder experimentieren könne, Filmkritiker räumen ein, daß nach sehr langer Zeit ein deutscher Film landauf und landab wieder für Gesprächsstoff sorge - eine offene Konzession gegenüber dem Gusto des Massenpublikums.
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Harry Piels Tierfilm - DER TIGER AKBAR

In Wiesbaden wird zu dieser Zeit Harry Piels Tierfilm DER TIGER AKBAR (Ariel-Film) in den Ateliers Unter den Eichen fertiggestellt, nachdem man bereits im Kölner Williamsbau zwei schweißtreibende Monate lang nicht ungefährliche Sequenzen im Tigerkäfig mit der Soubrette Friedl Hardt zu bestehen hatte.

Hardt spielt eine Dompteuse, die schließlich durch ein Tier getötet wird, Harry Piel selbst spielt den Dompteur. Im April wird der Film, der, wie man voller Anerkennung sagt, ohne jegliche Tricks entstanden ist, dann im Thalia in Anwesenheit von Regisseur und Produzent Piel aufgeführt.
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Das Lustspiel DIE FRAUEN DES HERRN S.

Eine weitere Produktion folgt Ende Januar in die Studios am Waldrand, um mit der damaligen Creme de la Creme des deutschen Komödienfachs das attische Lustspiel DIE FRAUEN DES HERRN S. zu drehen. Die Regie führt Paul Martin, für das Buch zeichnet der Stammautor der Pontus verantwortlich, Dr. Gustav Kampendonk.

Die Hauptrollen sind mit der in Wiesbaden wohnhaften Sonja Ziemann als Euritrite, dem grantelnden Wiener Kauz Paul Hörbiger als efeubekränztem Sokrates und Loni Heuser als Xanthippe besetzt, ferner spielen Rudolf Platte und Hubert von Meyerinck mit.

Für die großen Volksszenen werden einige hundert Wiesbadener engagiert, um in wallenden, antikisierten Gewändern mit geschwollener Brust als Griechen vor die Kamera zu treten.

Ursula Eiling gewinnt einen Nachwuchs-Wettbewerb

In der zweiten Februar-Woche wird in der Olympia-Halle am Blücherplatz der Nachwuchs-Wettbewerb der Eis-Revue veranstaltet, und einige der Stars, die für Martins griechische Komödie noch vor der Kamera stehen, sind mit von der Partie. Vom Applaus des Publikums begleitet, nehmen sie an dem für das Schiedsgericht vorgesehenen Tisch Platz, um sodann den fünf jungen, miteinander konkurrierenden Damen kritisch zuzusehen.

Paul Hörbiger, Rudolf Platte und Karin Himbold gehören der Jury an, Plattes Gattin Marina Ried führt das Protokoll. Eine gewisse Ursula Eiling macht letztlich das Rennen und erhält den Ehrenpreis des Wiesbadener Tagblatts, eine Kristallschale.
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Hörbiger ist übrigens noch im Frühsommer desselben Jahres zusammen mit Margot Hielscher in der deutsch-österreichischen Coproduktion DÄMONISCHE LIEBE zu sehen, DIE FRAUEN DES HERRN S. wird erst im August anlaufen.
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Die Situation der Filmstadt Wiesbaden wird schlechter

Die Situation der Filmstadt Wiesbaden verschlechtert sich zunehmend, da kommt aus Hollywood die Nachricht, daß Curt Oertel für seinen MICHELANGELO als dem weltbesten Kulturfilm den Oscar erhalten wird, die Verleihung findet am 29. März statt.

In Wiesbaden wird später dann im festlichen Rahmen der Maifestspiele im Kleinen Haus des Hessischen Staatstheaters eine Vorführung des MICHELANGELO veranstaltet, Oertel wird von Oberbürgermeister Redlhammer mit der Goldenen Plakette der Stadt Wiesbaden für sein schöpferisches Wirken innerhalb der Filmstadt geehrt.

Alsdann hält der begeisterungsfähige Redlhammer eine den Filmpionier feiernde Ansprache. Die gerechtfertigte Ehrung Curt Oertels kann jedoch nicht über die derzeitige Misere in den Wiesbadener Ateliers hinwegtäuschen.

"In Wiesbaden reicht es nicht einmal zum Wursteln ... Ein Blick auf den Atelierspiegel zeigt, wie deprimierend die wirtschaftliche Lage des deutschen Films ist. " (12)
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Bekannte Namen drehen in anderen Studios

Curd Jürgens geht mit dem Stoff SO EIN THEATER ... wider Erwarten nicht nach Wiesbaden, sondern ins österreichische Graz, und auch das Vorhaben von Wiesbadens größter Produktionsgesellschaft, Heinrich Jonens Meteor, hier den Agfacolor-Film HEIDELBERGER ROMANZE zu drehen, mit O.W. Fischer und Liselotte Pulver in den Hauptrollen sowie Paul Verhoeven in der Regie, scheitert.

Das Land Hessen verweigert die nötige Ausfallbürgschaft, Meteor verlegt das Set in die Aufnahmehallen der Jungen Film-Union Rolf Meyer in Bendestorf bei Hamburg. Außendreh ist in Heidelberg, immerhin mit technischer Unterstützung aus Wiesbaden.

Die hiesigen Aufnahmehallen bleiben also weiterhin ungenutzt, lediglich das Kopierwerk der AFIFA ist nach wie vor ausgelastet. Die Verleiher, für das Werk die wichtigsten Auftraggeber, sehen sich aufgrund mangelnder deutscher Produktion zusehends nach ausländischen Filmen um, deren Massenkopien Unter den Eichen angefertigt werden.
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Loyalität kann man auch kaufen ...

Die Loyalität der Meteor der Kurstadt gegenüber bleibt jedoch ungebrochen, man plant bereits ein zweites Projekt, DAS LETZTE REZEPT, eine Adaption des erfolgreichen englischen Theaterstücks von Thomas B. Forster.

Wenige Tage vor Drehbeginn kommt Hans Söhnker Ende September anläßlich der Uraufführung des neuen Helmut-Käutner-Films, WEISSE SCHATTEN, ins Walhalla-Theater, um sodann eine unerwartet ernste, mahnende Rede zu halten, die die Situation des deutschen Films explizit darlegt:

Der deutsche Film werde von allen Seiten angeschossen und müsse sich mehr denn je gegen die ausländische Infiltration wehren. Ein energisches Plädoyer an das Publikum, an den Film in unserer Muttersprache zu glauben und auch den betroffenen Schauspielern Vertrauen zu schenken.

"An ihm und seinen Kollegen sollte es dann nicht liegen, durch Vertrauen beflügelt, Bestes als Schauspieler zu leisten. Selten erhielt ein Premierebesuch solchen herzlichen Beifall." (13)
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Sieben Monate Produktionsstillstand in Wiesbaden

Nach siebenmonatigem Produktionsstillstand werden im Spätherbst gleich zwei Filme gedreht. Neben dem prominent besetzten LETZTEN REZEPT, für welches man Regisseur Rolf Hansen (DR. HOLL) gewinnen konnte, ist es die deutsch-belgische Coproduktion LE BANQUET DES FRAUDEURS mit dem deutschen Verleihtitel DAS BANKETT DER SCHMUGGLER, die die Aufnahmehallen nutzt und zuvor in Mainz zum Außendreh war.

Die Hauptrolle verkörpert die aus Julien Duviviers 1950 entstandenem Film SOUS LE CIEL DE PARIS bekannte Christiane Lenier, weitere Rollen sind mit Karl John, Gert Günther Hoffmann, Käthe Haack und Eva-Ingeborg Scholz besetzt. Es ist dies eine der ersten europäischen Coproduktionen. die zudem über ein recht ansehliches Budget in Höhe von einer Million DM verfügt.
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DAS LETZTE REZEPT

Erster Drehtag für DAS LETZTE REZEPT ist der 16. Oktober, wieder ist O.W. Fischer mit von der Partie, an seiner Seite spielen Rene Deltgen, Sybil Werden und Heidemarie Hatheyer (die Frau von Auto Curt Riess).

Fischer interpretiert einen labilen Apotheker, der den Reizen einer morphiumsüchtigen Tänzerin (Sybil Werden) erliegt und ihr verbotenerweise die Droge beschafft.

Damit setzt er seinen Beruf als auch seine Ehe aufs Spiel. Während die deutschen Stars in den Ateliers drehen, sorgen zwei Weithergereiste in der Innenstadt für Aufruhr: Das dänische Komiker-Duo Pat und Patachon spaziert an einem kühlen November-Wochenende durch Wiesbadens Straßen.

Ein konträres Paar, das der phantasmagorisehen Literatur von Cervantes entnommen zu sein scheint: Wie Don Quijote und Sancho Pansa muten sie an, der eine klein und korpulent, erdverbunden, der andere groß und schlaksig, hoch aufragend wie der tapfere Ritter von tragischer Gestalt.

Beide tragen sie viel zu kurze Hosen und wirken in ihrem Habitus grotesk und skurril zugleich. Eine absurde, wenngleich reale Erscheinung, die insbesondere den jungen Cinephilen Begeisterungsstürme entlockt.

DAS LETZTE REZEPT kommt am 20. März 1952 zur langerwarteten Aufführung. In Anwesenheit von Rene Deltgen und Sybil Werden können die Wiesbadener im Thalia jenen Film bewundern, der zu den auserwählten dreien gehört, die von Westdeutschland zu den V. Internationalen Filmfestspielen nach Cannes geschickt werden.
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Schmalz und Schmiere, Kitsch und Klatsch

Im April kommt Marika Rökk in das Wiesbadener Walhalla. Die mit dem Wiesbadener Georg Jakoby verheiratete Schauspielerin verewigt ihre Hände und Füße in Gips - ganz im Stil Hollywoods.

"Ein neuer Filmsport beginnt", titelte das Wiesbadener Tagblatt am 22. April 1952, und etwas weiter ist tatsächlich zu lesen: "Zuerst säuberlich die Schühlein fein in den Gips abgedrückt. Schwuppdiwupp dich haben wir! Und dann recht dick die Hände eingölt und nun rin in den Brei! Sie können nicht mehr verlorengehen ... Ihre Hände und Füße bleiben bei uns in Wiesbaden und ein Teil ihres Herzchens auch" (14).

Schmalz und Schmiere, Kitsch und Klatsch. Glamour und Glitter - irgendwie muß das eben auch in Wiesbaden zu forcieren sein - zumal die Filmproduktion einmal mehr stagniert, nur die Synchronstudios noch beschäftigt sind und erst im Juni neue Dreharbeiten angekündigt werden.

Der Besuch von Mady Rahl bei den Maifestspielen kommt da gerade recht. Inoffiziell und privat sei sie in Wiesbaden, notiert ein Klatsch-Reporter, der die mokkaschlürfende "Dame in Schwarz" im Cafe Blum trotz Inkognito aufspürt.
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Entlockte Neuigkeiten aus der Filmbranche

Der MANN IN DER WANNE sei gerade abgedreht, kann er der Rahl denn auch entlocken, drei neue Produktionen stehen ihr nun bevor: DIE ROSE VOM WÖRTHERSEE werde in Österreich gedreht, in Berlin DER KEUSCHE LEBEMANN und in München arbeite sie dann mit Eric Pommer zusammen.

Sie bedauere die derzeitige Verwaisung der Ateliers, würde gern ob der "herrlichen Atmosphäre dieser Kurstadt" wegen hier drehen, und führt an, daß man ohnehin keine Millionenobjekte mehr planen würde und die Ateliers trotz ihrer nicht allzu großen Ausmaße "zu den schönsten Deutschlands" zählen könnten.

"Hier wäre die Arbeit für uns eine Erholung ... Ich freue mich für Wiesbaden, daß es wieder den internationalen Charakter wie ehedem hat." (15)

Während des improvisierten "Interviews" bereitet dem Reporter ein schwarzer Pudel, der sich zwischen den beiden Stühlen niederläßt, Schwierigkeiten, das Gespräch sinnvoll fortzuführen.
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Liselotte Pulver kommt nach Wiesbaden

Eine Schauspielerin ganz anderer Natur steht ab Ende Juni in Wiesbaden vor der Kamera. Für den neuen Meteor-Film FRITZ UND FRIEDERIKE, bei dem Altmeister Geza von Bolvary für die Regie verantwortlich zeichnet und Viktor von Struve, dessen jüngste Produktion MEINE FRAU MACHT DUMMHEITEN gerade erst in den Kinos anlief, die Gesamtleitung übernimmt, reist die junge Bernerin Liselotte Pulver an.

An der Seite ihres Film-Partners, des Wahlengländers Albert Lieven, spielt das burschikos-fidele Temperament ein in Uniform gekleidetes, rebellisches Mädchen, das Lieven in dem Part ihres Geliebten zu zähmen hat.

Der Widerspenstigen Zähmung wird in diversen Außendrehs in Wiesbaden dem Publikum schon vorab schmackhaft gemacht. So wurden unter anderem am Weiher des Warmen Damms die letzten Sequenzen, die der großen Tanzszene, gedreht, welche die Passanten von der Wilhelmstraße immer wieder anlockten.

Für den Kamerawagen wurde eine Brücke in den von der Polizei abgesperrten Weiher gebaut, so daß der Tanz von Hauptdarstellerin Pulver und den anderen "Elfen" adäquat eingefangen werden kann. Ein Double fällt laut Drehbuch ins Wasser, um dann prustend wieder zur Gruppe zurückzukehren.

Besonders die männlichen Zuschauer sollen interessiert zugeschaut haben.
Auch bei dem Seifenkistenrennen, das auf dem Stresemann-Ring stattfand, steht die quirlige Jungdarstellerin Pulver wieder im Mittelpunkt, zumal sie ad hoc eine der Seifenkisten besetzt und in Richtung Ziel rast.

Ende September stehen sie noch einmal zusammen auf der Bühne des Neuen Filmpalasts: die Pulver und Albert Lieven, Regisseur Bolvary und Komponist Eotar Olias. Das Publikum spendet begeistert Beifall und feiert die lachende Lilo, die später, 1957, in Kurt Hoffmanns unterhaltsamer Räuberballade gar ein im Spessart gelegenen Wirtshaus mit ihrem Humor zum Wackeln bringt.
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  • Anmerkung : Der neue Filmpalast in der Schwalbacher Strasse war wirklichganz neu und jetzt das größte Kino in Wiesbaden.

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Neu : Drehbeginn zum neuen Hans-Albers-Film wird angekündigt

Im selben Jahr noch, in dem Curt Oertel seinen monumentalen Dokumentarfilm über das Leben des engagierten Reformators Martin Luther. DER GEHORSAME REBELL, fertigstellt, und die entschärfte Adaption von Carl Zuckmayers 1925 publizierter Komödie DER FRÖHLICHE WEINBERG unter der Regie von Erich Engel und Gustav Knuth und Eva-Ingeborg Scholz in den Hauptrollen entsteht - gedreht wird zumindest partiell in Zuckmayers Geburtsort Nackenheim am Rhein, erstaufgeführt wird der Film hintereinander in Mainz und in Wiesbaden - im selben Jahr noch kann die Wiesbadener Meteor-Produktion den Drehbeginn zum neuen Hans-Albers-Film ankündigen.

Regie führt Helmut Käutner. Am 6. Oktober beginnen die Außenaufnahmen an der Waterkant in Hamburg-Blankenese, eine Woche später wird das Set an die Mittelmeerküste nahe der Insel Ischia verlegt, wo die Dreharbeiten von etlichen, mitunter tragischen Zwischenfällen begleitet werden: Das Schulschiff "Elephant" gerät zweimal in heftige Stürme, ein italienischer Aufnahmeleiter verbrennt bei lebendigem Leib im Bett eines Neapeler Hotels, ein Beiboot geht mit sechs italienischen Matrosen in einem Orkan verloren.

Der "blonde Hans" kommt auch nach Wiesbaden

Am 20. November 1952 schließlich geht man in Wiesbaden mit einiger Verspätung in die Ateliers. Erstmals dreht der seinerzeit größte deutsche Star, allenthalben "blonder Hans" genannt, nun auch Unter den Eichen, obzwar er zuvor schon einige Male zu Besuch hier war.

Kurz vor Heiligabend, am 22. Dezember, fällt schließlich die letzte Klappe zu KÄPTN BAY-BAY. Eine der letzten Einstellungen spielt in der "Blacky-Blue-Bar", einer Spelunke, in der die Chansonette Goulou (Angela Durand) in einer bunten Gesellschaft den Seeleuten und natürlich auch Käpt'n Bay-Bay den Kopf verdreht. Gestartet wird der Film im neuen Jahr.

Und pünktlich zum Jahreswechsel ist am 27.12. noch eine "Ente" über einen Wiesbadener Star mit der Überschrift "Sonja Ziemann - uneheliches Kind!" in den Zeitungen zu lesen:

Ein aus Paris stammender Artist schickte der Ziemann einen Brief nach Dinkelsbühl, wo sie derzeit für den Film AM BRUNNEN VOR DEM TORE vor der Kamera steht. In dem Schreiben behauptet der Mann, er sei der Vater der Ziemann, die er nun in dem Film GRÜN IST DIE HEIDE wiedererkannt habe. Würde sie doch wie das Ebenbild ihrer Mutter aussehen, einer aus Charlottenburg stammenden Alma Zimmermann-Tscherzich. Ein Kuriosum, wohnen die Eltern der Ziemann doch wirklich in Berlin-Charlottenburg. Am Ende entspringt die Ente gar nicht der blühenden Phantasie jenes Artisten ... (16)
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1953 war auch wieder ein bescheidenes Jahr für die Filmstudios

1953 stehen die Wiesbadener Hallen wieder für lange Zeit leer, bis die Münchner Carlton hier unter der Regie von Arthur Maria Rabenalt die Oscar-Straus-Operette DER LETZTE WALZER verfilmen läßt.

Für die ungarische Schauspielerin Eva Bartok, die hier gemeinsam mit Curd Jürgens vor der Kamera steht, ist dies die erste deutsche Produktion, in der sie mitwirkt. Jürgens und Bartok werden sich zwei Jahre nach ihrer gemeinsamen Wiesbadener Zeit, 1955, das Ja-Wort geben.

Im Juni befindet sich die sonst eher beschauliche Kurstadt in heller Aufregung: Der Wettbewerb um den Titel der "Schönsten Frau Deutschlands" wird vor 1.500 Zuschauern im großen Kurhaussaal unter der Schirmherrschaft von Universal International und den Opal-Strumpfwerken ausgetragen.

Aus den 17 Bewerberinnen geht schließlich die 28-jährige Berlinerin Christel Schack hervor, Peter Frankenfeld gibt die Entscheidung der elfköpfigen Jury, der auch Sonja Ziemann angehört, bekannt.

Die glückliche Siegerin wird sich nun an der Wahl zur "Miss Universum" in Long Beach begeben. Zur selben Zeit kommt der bedeutende Regisseur des italienischen Neorealismus, neben Roberto Rossellini, Vittorio de Sica, nach Wiesbaden, um die Ungarin Bartok kennenzulernen. De Sicas Besuch findet allerdings nicht die ihm zugemessene Beachtung, da die Menschen die Krönungszeremonie Elisabeths der Zweiten an den neu auf den Markt gekommenen Fernsehgeräten verfolgen.
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Die späteren Stars werden hier entdeckt

Anfang August 1953 beginnt man in den Studios WEG OHNE UMKEHR zu drehen.
Regie führt der Amerikaner Victor Vicas, Ivan Desny spielt die Hauptrolle, auch er agiert erstmals vor deutschen Kameras, Ruth Niehaus ist seine Partnerin.

Gustav Fröhlich spielt zusammen mit Helen Vita in dem Film DIE KLEINE STADT WILL SCHLAFEN GEHEN, Magda Schneider kommt mit ihrer später weltberühmten Tochter Romy Albach-Schneider, zu diesem Zeitpunkt gerade einmal 15, nach Wiesbaden zu Dreharbeiten für Hans Deppes Kassenschlager WENN DER WEISSE FLIEDER WIEDER BLÜHT.

Götz George debütiert hier gemeinsam mit Romy, Willy Fritsch, ehemals mit Romys Mutter verheiratet, ist auch mit von der Partie. Gedreht wird an verschiedenen Plätzen innerhalb der Kurstadt, das backsteinrote Gebäude der neogotischen Marktkirche ist ebenso zu sehen wie ein kleiner Zeitungsstand mit der neuesten Ausgabe des Wiesbadener Kurier.

Der titelgebende Schlager sollte alsdann zum Ohrwurm werden. Es folgen Produktionen wie der erste Nachkriegsfilm des UFA-Regisseurs Karl Ritters STAATSANWÄLTIN CORDA, den man größtenteils im Wiesbadener Amtsgericht und auf dem winterlichen Jagdschloß Platte dreht (mit der noch sehr jungen Christine Kaufmann) - doch bleibt die Situation angesichts leerstehender Hallen besorgniserregend.
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"Der Filmstadt Wiesbaden droht schwere Gefahr"

In seiner Ausgabe vom 25. Februar 1954 titelt das Wiesbadener Tagblatt auf einer ganzseitigen, kommentierten Momentaufnahme des Wiesbadener Filmschaffens: "Der Filmstadt Wiesbaden droht schwere Gefahr" (17).

Zwei Österreicher bringen für eine temporär absehbare Spanne neues Leben in die Hallen: Das Lustspiel ROSEN AUS DEM SÜDEN, produziert von Victor von Struve, wird von Franz Antel mit Günther Philipp, Karl Schönböck, Gustav Fröhlich, Maria Holst und Susi Nicoletti inszeniert, Harald Reinl führt bei der ROSEN-RESLI Regie, Käthe Haack, Olga Tschechowa und Otto Gebühr sind in tragenden Rollen besetzt.

Der (inzwischen alte und gebrechliche) Otto Gebühr stirbt kurz nach Abschluß der Dreharbeiten. Das ROSEN-RESLI, wiederum verkörpert von Christine Kaufmann, wird später zum Kassenhit, im Mai erlebt Antels Film ROSEN AUS DEM SÜDEN seine umjubelte Uraufführung im Walhalla: Jugendliche Autogrammsammler umlagern die Eingänge zum altehrwürdigen Filmtheater, Komponist Lothar Olias, der für den Film Themen von Johann Strauß variierte, improvisiert denn auch kurzerhand eine pianistische Stegreifballade für das Premierenpublikum und führt die Stars einzeln vor den Vorhang:

"Susi Nicoletti in diskreter schwarzgrüner Robe, Hannelore Bollmann in einem steif-glockenförmig aus schwingenden weißen Spitzentraum und Maria Holst in verbindlichem Cocktail-Schwarz-Weiß"'.

Auch "Liebesattache" Gustav Fröhlich, der einst in Wiesbaden die Schulbank drückte, wird vom Publikum mit viel Sympathie begrüßt: "Die Wiesbadener vergaßen ganz ihre traditionelle Zurückhaltung und feierten den Film mit sehr großer Herzlichkeit" (18).
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Victor Vicas und DAS ZWEITE LEBEN

Die Trans-Rhein-Filmgesellschaft verpflichtet erneut den jungen Victor Vicas, um für den Film DAS ZWEITE LEBEN, einer Adaption des in vier Akte gegliederten Schauspiels "Siegfried" (1928) von Jean Giraudoux, Regie zu führen.

Aus Frankreich kommen die beiden Darsteller Simone Simon und Michel Auclair, auf deutscher Seite partizipieren Barbara Rütting, Bernhard Wicki und Gert Fröbe. Gedreht wird unter anderem auch im Rheingauer Kloster Eberbach, zeitweilig ist der Sohn des verstorbenen berühmten Autors Jean Pierre Giraudoux während der Dreharbeiten anwesend und fungiert als künstlerischer Berater.

Und dann kommt Zsa Zsa Gabor

Im September dann kommt keine geringere als Zsa Zsa Gabor "herself", um hier neben der Pariserin Claudine Dupuis in Karl Ritters Satire BALL DER NATIONEN mitzuwirken. Auch Gustav Fröhlich hat das Vergnügen, mit der Hollywood-Diva zusammenzuarbeiten.

"Das also ist Zsa Zsa Gabor: nett, nicht grad schlicht, aber einfach nett", schreibt Norbert Wiesner in der Fachzeitschrift Der neue Film (19).

Bei dem Dreh im Kurhaus "erstieg sie im Kreuzfeuer massenweise auftauchender Bildreporter als Friedensgöttin einen hochragenden goldenen Thron' (20). Später wird sie übrigens zusammen mit Kollegin Dupuis und Porfirio Rubirosa am Roulettetisch in der Spielbank gesehen, mit Leibgarde, versteht sich.

Für den Film, der sich frei an Motiven der Fred-Raymond-Operette orientiert, hat Komponist Werner Bochmann sowohl die Neubearbeitung als auch die Leitung übernommen. Ein Besuch der Proben führt die "universale Beredtheit des weißblonden Stars" vor, der zusammen mit Manager Rodolfo Loewenthal bereits Pläne für einen weiteren Film in Deutschland schmiedet. Ihr extrovertiert-exaltiertes Wesen prägt sich allerdings erst in späteren Jahren vollends aus.
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Die Kölner Occident-Film dreht DIE GOLDENE PEST

Ebenfalls im September dreht die Kölner Occident-Film DIE GOLDENE PEST. Hollywood-Regisseur John Brahm, ein in den USA aufgewachsener Sohn österreichischer Emigranten, inszeniert diesen spannenden Thriller, eine durchaus kritische Auseinandersetzung mit dem Besatzeralltag, in Schwarz-Weiß.

Ivan Desny ist für diese Produktion wieder nach Wiesbaden zurückgekehrt, außerdem sind der junge Karlheinz Böhm, kurz vor dem bevorstehenden "Sissi-Erfolg", Wilfried Seyferth, der während der Arbeiten tödlich verunglückte, Gertrud Kückelmann, Erich Ponto und Wolfgang Neuß mit von der Partie.

Böhm ist hier, ähnlich wie in Michael Powells 1959 entstandenem Thriller PEEPING TOM, gegen seinen eigentlichen, vor allem im Verlauf seiner weiteren Karriere deutlich festgelegten Rollentypus besetzt, er verkörpert den zwielichtigen, undurchsichtigen, letztlich kriminellen Helden, einen "deutschen Provinzdesperado" (21).

Nicht nur der Tod Wilfried Seyferths, auch ein in Flammen aufgegangenes Amüsierzelt gestalten die Dreharbeiten zeitweise sehr schwierig, so daß die Unter den Eichen installierte Pressestelle von der Produktion zur "Presseabwehrstelle" umfunktioniert wird, um das Millionenprojekt in keinerlei Gefahr zu bringen.

Weihnachten 1954 - Geschenke für fünfzig Waisenkinder

Zum Jahreswechsel 1954/1955 macht ein nicht minder spektakuläres Filmprojekt vor allem aufgrund seiner prominenten Besetzung von sich reden.

Doch schon die Vorbereitungen für den Dreh machen die Wiesbadener auf die deutsch-amerikanische Gemeinschaftsproduktion (Trans-Rhein/Columbia) VOM HIMMEL GEFALLEN aufmerksam:

Im Wiesbadener Kurier erscheint eine Annonce der Filmproduktion, in der man ein sechs bis acht Monate altes Zwillingspärchen sucht, und so konnte sich Regisseur John Brahm am Tag darauf kaum vor dem Ansturm der vielen Mütter und ihrer Kleinen retten.

Zu besetzen ist die Rolle eines kleinen Kindes, das in der hohen Ost-West-Politik für Unruhe sorgt, fällt es doch recht unverhofft "vom Himmel" direkt in die im Nerotal installierte amerikanische Botschaft.

Nach einer Idee von Geza Radvanyi setzt Brahm den "heiter-besinnlichen" Stoff um, mit Joseph Cotten in der Hauptrolle, Rene Deltgen, Eva Bartok, Robert Cunningham und Gert Fröbe.

Zu Nikolaus veranstalten Stabsmitglieder und Darsteller in den Ateliers eine Feier für ca. fünfzig Waisenkinder. Das Filmbaby ist auch dabei und verschafft sich lautstark Gehör, John Brahm und seine Schauspieler Cotten, Bartok und Deltgen verteilen Eisenbahnen und Baukästen an die Kleinen, die staunend einzeln vor den Weihnachtsmann treten müssen. Wer allerseits vermißt wurde, war Gert Fröbe - einer muß ja den verschmitzten Mann mit Bart und Rute mimen.
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Alfred Hitchcocks Stipvisite in Frankfurt

In der ersten Januar-Woche des Jahres 1955 bekommt Joseph Cotten, der abends immer seine Runden im Quellenviertel dreht, in Wiesbaden Besuch.

Ein guter Freund aus den Staaten hat sich angekündigt, da er ohnehin in Frankfurt am Main zu tun hat. Cotten kennt ihn schon seit langem, hat er doch bereits zweimal unter seiner Regie gearbeitet, 1943 in SHADOW OF A DOUBT und 1948 in UNDER CAPRICORN, zusammen mit Ingrid Bergmann.

Alfred Hitchcock hält sich einmal mehr für eine Stipvisite in Frankfurt auf, führt dort mit dem Generaldirektor seines Verleihs, der Paramount, bei einem Cognac ein Gespräch.

Von Journalisten auf sein neuestes Projekt hin angesprochen, erklärt der Altmeister des Suspense, er komme gerade von der französischen Riviera, an der er die Aufnahmen zu dem Farbfilm TO CATCH A THIEF - mit Cary Grant und Grace Kelly in den Hauptrollen - abgeschlossen habe.

Bevor er TO CATCH A THIEF schneiden werde, ginge er mit THE TROUBLE WITH HARRY noch ins Atelier. Mit einem vielsagenden Lächeln gibt der gewichtige Regisseur, "der in seinem unauffälligen Gabardinemantel ausgesprochen gutmütig" aussieht und "von der äußeren Unscheinbarkeit eines Sherlock Holmes" ist, bekannt, daß der Hauptdarsteller dieses Films ein Leichnam sei (22).

Zudem erinnert sich "Hitch" an die frühen Stummfilmzeiten in Deutschland, wo er 1925 THE PLEASURE GARDEN, im Grunde seine filmische Debüt-Arbeit, gedreht habe. Auch an O.E. Hasse, mit dem er 1952 für I CONFESS zusammenarbeitete, denke er mit Begeisterung zurück.
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Und dann fährt Hitchcock schließlich nach Wiesbaden

Hitchcock, der nach dem Pressegespräch schließlich nach Wiesbaden fährt,
dreht Jahre später, 1968, im Alter von 70 Jahren, sowohl in der Mainmetropole als auch in der Kurstadt einige Sequenzen für den Spionage-Thriller TOPAZ.

Michel Piccoli, John Forsythe, Claude Jade und auch eine Wiesbadener Schauspielerin, Karin Dor, die bereits 1954 durch ihre kleine Rolle in DER SCHWEIGENDE ENGEL für den Film entdeckt wurde, sind in Hitchcocks drittletztem Film, der zugleich zu seinen farblosesten gehört, in tragenden Rollen zu sehen. Karin Dor spielt die kubanische Agentin Juanita de Cordoba.

Ein während der Dreharbeiten entstandenes Portraitphoto Hitchcocks, von ihm signiert und mit einer Widmung versehen, hängt noch heute im ältesten Filmclub der Bundesrepublik, dem am 19.12.1962 vom Filmhistoriker und ZDF-Redakteur Jürgen Labenski gegründeten Wiesbadener "Filmclub Leibniz".

Nur, "Leibniz" mit "tz" zu schreiben; - "Dear old Alfred!"
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Zuletzt etwas über Volker Schlöndorff

1955 packt ein junger Wiesbadener die Koffer, um seine Heimat für längere Zeit nicht wiederzusehen:

"Nichts ist verständlicher, als daß ein Bürgersohn zum Zirkus will. So ist es mir ergangen. Es gibt keinen Zirkus mehr, hieß es; dann eben zum Film; es gibt in Deutschland keinen Film mehr; dann gehe ich nach Frankreich. ... Ich war 16 und bin tatsächlich nach Paris gegangen, wo ich zehn Jahre blieb" (23).

Volker Schlöndorff lernte bald die großen "Metteurs en Scene" der "Nouvelle Vague" kennen, Louis Malle, Alain Resnais, Francois Truffaut, Jean-Pierre Melville. Bei ihnen wird er Regieassistent und macht erste konkrete Erfahrungen in jenem Metier, welches ihn später zu einem der wichtigsten europäischen Regisseure werden läßt, dem einzigen deutschen, der nach dem Zweiten Weltkrieg einen Oscar für den besten ausländischen Film erhalten wird, für die gelungene Grass-Adaption DIE BLECHTROMMEL (1979).

Doch das ist schon wieder eine andere (Film-)Geschichte.
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Quellen und Verweise

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  1. (1) Wilhelm Müller. Die Winterreise. Insel-Verlag, Frankfurt am Main. 1986
  2. (2) Illustrierte Filmwoche. Nr. 51/52 vom 23.12.1950
  3. (3) ebd., Nr. 28 vom 16.07.1949
  4. (4) ebd., Nr. 46 vom 19.11.1949
  5. (5) ebd.. Nr. 17 vom 29.04.1950
  6. (6) ebd.. Nr. 28 vom 15.07.1950
  7. (7) ebd.. Nr. 37 vom 16.09.1950
  8. (8) ebd.. Nr. 41 vom 14.10.1950
  9. (9) Wiesbadener Tagblatt. 13.01.1951
  10. (10) ebd.. 20.01.1951
  11. (11) ebd.. 13.02.1951
  12. (12) ebd.. 14.06.1951
  13. (13) ebd., 29.09.1951
  14. (14) ebd.. 22.04.1952
  15. (15) ebd.. 13.05.1952
  16. (16) ebd.. 27.12.1952
  17. (17) ebd.. 25.02.1954
  18. (18) Der neue Film. Nr. 37 vom 10.05.1954
  19. (19) ebd.. Nr. 75 vom 20.09.1954
  20. (20) Wiesbadener Kurier, 31.12.1954
  21. (21) Hartmut Beyer, Karlheinz Böhm. Seine Filme - Sein Leben, Wilhelm Heyne-Verlag, München 1992, S. 58 ff
  22. (22) Der neue Film, Nr. 2 vom 06.01.1955
  23. (23) Dieter Krusche und Jürgen Labenski, Reclams FilmFührcr 9. neubearbeitete und erweiterte Fassung, Philipp Reclamjun., Stuttgart 1993, S. 693

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