Will Tremper - "Große Klappe" - Meine Filmjahre (aus 1997/98)
Wie damals in Deutschland die Filme "gemacht" wurden und was nicht in den Filmheftchen und auf den Filmplakaten geschrieben stand. Auch vom Weg von der Ideenfindung über das Drehbuch bis zum ersten Drehtag wird viel aus der Schule geplaudert. Und sebstverständlich kommen bei Will Tremper auch die Filmsternchen - auch die männlichen - nicht zu kurz. Die erste Seite beginnt hier .....
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Günter Prinz war schon immer ein Neidhammel
Ich hatte bei einem meiner kurzen, schnellen München-Besuche eben mal ins Cafe Luitpold hineingeschaut und in der Ecke meine beiden Freunde Karl-Heinz Hagen und Günter Prinz bei ihren obligatorischen Spiegeleiern auf Spinat entdeckt.
»Du kommst wie gerufen!« sagte Karl-Heinz. »Wir haben eben bei der Quick gekündigt und machen ein eigenes Blatt - du wärst der ideale Textchef! Was machst du gerade? Hast du Zeit?«
»Der macht doch lieber'n Film«, wandte Günter Prinz ein. »Ich habe ihn gerade bei Nachtaufnahmen in Berlin erlebt, umgeben von fuffzig nackten Weibern! Der fühlt sich da sauwohl!« - Günter war schon immer ein Neidhammel. Doch Karl-Heinz hatte ein Gespür für Gelegenheitskäufe.
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Inzwischen bahnte sich die 4. Ehe mit Celia an
»Ihr werdet's nicht glauben«, sagte ich, »aber ich bin fertig mit Berlin. Der Sperrbezirk ist abgedreht, meine Frau hat die Scheidung eingereicht, und ich lebe mit meiner neuen jetzt in Frankfurt und werde wieder Vater. Also, was ist das für 'ne neue Zeitschrift?«
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Hagen und Prinz hatten die Quick verlassen
Ich wußte, daß Hagen und Prinz Ärger mit ihrem Verleger Dietrich Kenneweg gehabt hatten, weil er ihnen den Seitenpreis für seine Quick brutal zusammenstrich. Ich wußte auch, daß sie seit Hagens Gastspiel bei der Bild in loser, aber ständiger Verbindung mit Christian Kracht standen, dem Generalbevollmächtigten Springers, und daß Kracht seinen Boß drängte, sich in München zu engagieren, obwohl der den »klaren Norden« stets dem »lauen Süden« Deutschlands vorzog.
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Wieviele Kinder hast du jetzt?
»Wieviele Kinder hast du jetzt?« wollte Hagen wissen.
»Zwei, genau wie ihr. Aber das dritte ist unterwegs .«
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Das Fünfmarkstück nannte man "Ein Heiermann"
»Dann paßt du zu uns«, sagte Hagen. »Wir machen erstmal eine Monatszeitschrift, die Eltern heißen wird, aber danach noch was Größeres. Sag's nicht weiter, aber Kracht hat für Springer gerade den Kindler & Schiermeyer-Verlag gekauft .«
Inzwischen waren auch meine Spiegeleier mit Spinat eingetroffen, und während ich mampfte, holte Hagen einen »Heiermann« aus der Tasche, wie er seit seiner Zeit bei der Handelsmarine ein Fünfmarkstück nannte, und legte es neben meinen Teller: »Du bist hiermit geheuert!«
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Du hast doch nichts in Frankfurt verloren!
Ich wußte, wenn ich es nahm, war es um mich geschehen. Aber ich wußte auch, daß ich unter Freunden war und jederzeit wieder abhauen könnte. Also steckte ich den Fünfer ein und aß weiter.
Günter regte sich auf: »Ich kann in deinem Gesicht lesen wie in einem offenen Buch! Dir bedeutet der >Heiermann< gar nichts! Du hältst doch keine drei Wochen durch!«
»Warte mal ab«, sagte Karl-Heinz, der Schnäppchenjäger. »Er steht vor einem neuen Anfang. Er läßt sich scheiden und wird wieder Vater. Aber nach München wirst du müssen! Du hast doch nichts in Frankfurt verloren!«
Das hatte ich wirklich nicht, obwohl ich die allgemeine Abneigung der in München lebenden alten Berliner überhaupt nicht teilte; mir war auch Frankfurt recht, wenn es schon nicht länger Berlin sein sollte.
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Sommer 1965 - auf Tournee - die Filmtheater abkassieren
Ich war im Sommer 1965, nachdem ich auch noch mein eigener Verleiher geworden war, mit meinem alten Heinz Preuschoff durch ganz Deutschland gezogen und hatte all die Filmtheater abkassiert, die unser "Playgirl" spielten.
In Frankfurt eintreffend, hatte ich meinen guten Freund Rolf Hädrich, damals noch Oberspielleiter des Hessischen Rundfunks, in seiner eleganten Neutra-Siedlung in Walldorf besucht und einen so herrlichen Sonnentag erlebt, daß ich hochempfänglich wurde für seinen Vorschlag, doch ebenfalls einen von Neutras fabelhaften Bungalows zu kaufen und sein Nachbar zu werden.
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Mein Freund Rolf Hädrich und Ingmar Zeissberg
Ich hatte meine schwangere Celia bei mir, die sich mit Rolfs neuer Frau Ingmar Zeissberg, frisch von Wolfgang Staudte geschieden, auch sofort anfreundete und ebenfalls nicht abgeneigt war, München zu verlassen.
Denn Celia war noch verheiratet, mit dem Kameramann Peter Hassenstein, den sie ein halbes Jahr vorher erst geehelicht hatte.
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Wie ich in die Arme meiner kleinen Celia gesegelt bin
Da war ich, während der Vorbereitung für Sperrbezirk, eines Nachmittags aus der Drehtür des Münchner Regina-Palast-Hotels gesegelt - direkt in die Arme meiner kleinen Celia, die ich seit meinem ersten Film "Flucht nach Berlin" nicht mehr gesehen hatte.
Sie hatte damals, als ich nicht sofort bereit war, mich scheiden zu lassen, das Weite gesucht und sich in München bei Maxi Herber und Ernst Baier als Sekretärin verdingt, war - nach einem Crash-Course in spanischer Sprache - mit dem berühmten deutschen Eislaufpaar auf Eisrevue-Tournee nach Südamerika gegangen und hatte schon in der ersten Woche in Buenos Aires selbst die Schlittschuhe anziehen müssen.
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Celia erzählte, wie es dazu kam
»Acht der großen Eislaufgirls waren von reichen Caballeros sofort weggeheiratet worden«, erzählte sie, »und die Premiere der Eisrevue lief Gefahr zu platzen. Finde mal Eisläuferinnen in Buenos Aires! In seiner Not wandte sich Ernst Baier auch an mich:
Kannst du zufällig Schlittschuh laufen, Celia? Ich erinnerte mich an frühe Kindheitstage, und Baier jubelte: Wunderbar! Den Rest bringe ich dir schon bei!«
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Ein Problem Celias Größe - sie war fast zu klein
Was der berühmte Eisläufer nicht bedacht hatte, war Celias Größe, die mit dem Gardemaß seiner übrigen Läuferinnen überhaupt nicht Schritt halten konnte.
Sie war die kleinste der Revue, mußte als Schlußlicht in der langen Kette der Läuferinnen die weitesten Strecken zurücklegen und wurde regelmäßig von einer Bande an die andere geworfen.
Aber natürlich hielt sie durch und wurde zu einem Glanzstück der Revue, zog mit Herber/Baier durch ganz Süd- und Mittelamerika, und als die Truppe in Nordamerika schließlich Pleite machte, wurde sie anstandslos von der Holiday-on-Ice-Konkurrenz übernommen.
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Zurück in München den erstbesten hübschen Jungen geheiratet
Und nun war sie zurück in München, hatte einen tiefen Blick ins Leben getan und den erstbesten hübschen Jungen geheiratet, der sich auch noch als hochbegabter Kameramann erwies.
»Du kommst mir wie gerufen!« jubelte ich wie Ernst Baier in Buenos Aires. »Montag haben wir Drehbeginn in Berlin, und du bist, wie in alten Zeiten, mein Scriptgirl!« Doch genau wegen dieser »alten Zeiten« wollte sie nicht mehr nach Berlin.
»Ich bin jetzt verheiratet und denke nicht daran, alles noch einmal mitzumachen! Du mußt dir schon 'ne andere suchen!«
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Aber .... wie das Leben so spielt ......
Doch da war der junge Ehemann Peter Hassenstein, der bislang nur bei der Bavaria Fernsehfilme gedreht hatte.
Ich sah, wie er Celia heimlich in die Rippen stieß und hastig auf sie einflüsterte. Ich hatte mit meinen drei Spielfilmen immerhin schon einen gewissen Namen in der Branche. Für mich zu arbeiten, konnte auch für Hassenstein interessant werden.
Celia antwortete ihrem jungen Ehemann erbost: »Auf deine Verantwortung!« Ich führte ihr dann auch "Die Endlose Nacht" und "Playgirl" vor, die sie nicht kannte, und noch am selben Tag unterschrieb sie den Vertrag und traf sonntags in Berlin ein.
Sie hatte den richtigen Instinkt bewiesen: In den ersten Drehtagen von "Sperrbezirk" ging alles noch gut, dann kamen ein paar Tage Nachtaufnahmen, und die frischgebackene Ehefrau endete doch wieder in meinem Bett bzw. ich in ihrem, in der russischen Pension in der Meinekestraße. Während Ehemann Hassenstein in Israel wieder fürs Fernsehen tätig war.
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Ein Kind ? Ich bin verheiratet, du bist verheiratet .....
Nach den Dreharbeiten kamen Wochen im Schneideraum, und gerade als Klaus Doldinger eintraf, um die Musik mit mir zu besprechen - wo war eigentlich Peter Thomas? - entführte mich Celia zu einem kleinen Spaziergang über das UFA-Gelände an der Oberlandstraße.
»Ich muß kurz mal nach München«, begann sie, »kann aber morgen wieder da sein!« Es stellte sich heraus, daß sie ihre Tage vermißte, schon mit ihrem Arzt in München telefoniert hatte und das »Problem« beseitigen lassen wollte. Und da schlug der Blitz bei mir ein! »Du willst sagen, daß du ....... ? Aber das ist ja wunderbar! Das Kind wollen wir natürlich haben!«
Sie: »Du bist wohl wahnsinnig! Ich bin verheiratet, du bist verheiratet, aber leider nicht miteinander! Wie stellst du dir das vor?«
Ich erklärte es ihr: »Du läßt dich scheiden, ich laß mich scheiden, wir heiraten und kriegen das Kind - ist doch ganz einfach!« Und so geschah es, so kam ich zu meinem Sohn Timothy. Und das alles noch in dem einen Jahr 1966.
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Unser Sohn Timothy kam im Dezember 1966 zur Welt
Sohn Timothy kam im Dezember 1966 zur Welt, und zwar in München, wohin Celia und ich von Walldorf gereist waren. Aber dann begaben wir uns nach Walldorf zurück, wo ich tatsächlich nicht nur einen der Neutra-Bungalows neben meinem Freund Rolf Hädrich gekauft hatte, sondern gleich auch noch einen zehn Meter langen und fünf Meter breiten Swimmingpool dazu bauen ließ.
Der Bau kostete 50.000 Mark und wurde zu meinem größten Luxus, denn ich bin ein einziges Mal hineingesprungen, bevor ich das Anwesen wieder verkaufte, sogar alles wiederbekam, was ich hineingesteckt hatte - bis auf den Bau des Swimmingpools.
Kurt Ullrich Villa im Grunewald
Kurz vorher erst hatte ich den legendären Berliner Filmproduzenten Kurt Ullrich besucht, der eine sehr schöne Villa im Grunewald besaß. Wenn die Sonne hoch stand, konnte man nicht in den Garten hinaussehen, so glänzte der mächtige Swimmingpool. »Ach, weeßte«, sagte »Ulli« bekümmert, »det Ding is' ja nu' wirklich beinahe mein Jrab geworden, wa?«
»Wieso?« wollte ich wissen, »bist du beinahe ertrunken? Kannste nich' schwimmen?«
»Jaja«, sagte Ulli, »im Jeld ertrunken, wa?«
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"Schwarzwaldmädel" und "Grün ist die Heide" - beides Goldgruben
Mit diesem stereotypen »wa?« am Ende jeden Satzes war Ulli auf gleich zwei Goldadern gestoßen, die jeden anderen glücklich gemacht hätten. Die beiden Filme, die ihm soviel Geld bescherten, daß er beinahe darin ertrunken wäre, hießen "Schwarzwaldmädel" und "Grün ist die Heide".
Anfang der fünfziger Jahre, erzählte er mir, hätten die Deutschen durch die Währungsreform endlich wieder Geld verdient, mit dem sich was anfangen ließ. »Da ha'ck mir jefracht, wat machen die nu' mit all det scheene Geld, wa? Un' denn bin ich drauf jekomm, wa .?«
Nämlich Urlaub machen würden sie, die Deutschen, zum ersten Mal seit 1939. Und wohin würden sie fahren, die Deutschen? »Na, dahin, wo sie immer hinjefahren sind, wa? Ins Riesenjebirje, in die Lüneburger Heide und in' Schwarzwald!«
Ins Ausland, wie etwa nach Venedig oder »zu die Pyramiden«, das war noch nicht »drinne«, dahin konnten auch vor dem Krieg nur die ganz reichen Leute fahren.
Der kalte 4m tiefe Swimmingpool von Kurt Ullrich
»Riesenjebirje war ja nu' passe, wa? Aber inne Heide un' innen Schwarzwald!« Soviel Geld wäre 1950 und 1951 über ihn gekommen, daß er nicht mehr gewußt hätte, »wohin mit dem Segen«. Um nicht alles dem Finanzamt zu überlassen, habe er 7-C-Gelder kaufen müssen, mit denen die deutsche Schiffahrt »steuersparend« wieder angekurbelt worden war. »En janzen Tanker ha'ck koofen müssen, wa? Un' denn ha'ck immer noch sechzehn Mios übrigjehabt, wa?«
Wir zählten die Kuckucksuhren, die seit dem Schwarzwaldmädel die Villa bevölkerten, und dann blendete wieder der Swimmingpool.
»Jaja«, sagte Ulli, »den ha'ck mir dann ooch zujelegt, wa?«
Seinen Filmarchitekten hat er kommen lassen und 'n »richtijet Basseng so von zwanzig Meter mindestens« verlangt. »Denn kamen die Bagger, wa, un' haben mir jefracht: Wie tief, Ulli? Un' ick habe jesacht, na, so drei, vier Meter, wa? Ick hatte ja keene Ahnung!« -
Als »det Basseng« dann ausgehoben war, eine riesige, vier Meter tiefe Grube, und als dann alles schön zementiert und verkachelt war, konnte Ulli nur seine Zehenspitzen baden.
»Scheißkalt war det, sach ick dir. Die Heizung hat überhaupt nüscht jenutzt!« Also mußte eine größere Heizung her - und nochmal eine größere - und nochmal eine - zuletzt stand da etwas neben dem Swimmingpool, das mehr nach einem U-Boot aussah. Ulli mußte ein ganzes zweites Haus neben den Pool bauen, um die Heizungsanlage zu kaschieren.
»Ick sache dir, Jungchen, beauftrage nie einen Filmarchitekten, wenn du'n Swimmingpool bauen läßt .«
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Auch Kurt Ullrich ist nur einmal, glaube ich, in seinen olympiareifen Swimmingpool gesprungen, hat ihn, alles in allem, so ungefähr 150.000 Mark gekostet, der eine Sprung. Aber er hatte es ja.
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Mein Freund Dr. Manfred Bartel
Er hatte soviel, daß er den gefürchteten Filmkritiker des Abend anrufen konnte, der einen seiner Erfolgsfilme wieder einmal gemetzelt hatte: Dr. Manfred Bartel. »Wenn Sie alles besser wissen, warum werden Sie nicht Dramaturg bei meiner Berolina-Film, Herr Doktor?«
Er hat dann auch »Erfolgsfilme« bei Kurt Ullrich gemacht, mein Freund Manfred Bartel. Und wenn wir ihn beschimpften, hat er geantwortet, was von Ulli selber hätte stammen können: »Lieber trage ich gute Anzüge, als schlechte Kritiken zu schreiben!«
Ich mußte oft an die beiden denken, während mein Swimmingpool gebaut wurde.
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Und plötzlich : unser Kleiner bekam mitten im Schlaf Anfälle
Doch ein anderes Problem fing an, unser Leben zu überschatten: Ein immer schlimmer werdender Husten unseres Erstgeborenen raubte uns die Nachtruhe. Er bekam mitten im Schlaf Anfälle, die gar nicht mehr aufhören wollten.
Uns ist mit dem Kind etwas passiert, das statistisch gesehen nur alle zehnmillionenmal vorkommt - sagen die Arzte, wenn sie wieder einmal eine Sterbeurkunde mit der lapidaren Bemerkung »Kindstod« ausfüllen mußten.
Ich schrieb eine Titelgeschichte für Eltern, die in einem der ersten Hefte der Monatszeitschrift erschien, und weil sie aufklärend für alle Eltern und lebensrettend für die Babies sein kann, hier als Faksimile noch einmal:
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Die Thymus-Drüse (der Text aus dem Leitartikel der "Jasmin")
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Ich bin der Vater des kleinen Jungen. Die Aufnahme - meine Frau halt das Baby in den Armen - entstand, als unser Sohn sechs Wochen alt war. Zwei Wochen später, ab die Druckmaschinen für ELTERN anliefen, hätte mein Sohn beinahe nicht mehr gelebt.
Uns ist mit diesem Baby etwas passiert, woran selbst überängstliche Eltern nicht denken, die ihr Kind Tag und Nacht nicht aus den Augen lassen.
Der Kleine kam kurz vor Weihnachten auf die Welt, die Geburt verlief normal, seine Maße waren in Ordnung - 52cm, 7 Pfund. Der erfahrene Kinderarzt, der wie üblich seine erste Untersuchung noch in der Klinik vornahm, fand das kleine Kerlchen „«vollkommen gesund".
Der Arzt auf der Mütterberatungsstelle, der das Baby vier Wochen nach der Geburt untersuchte, war von der Entwicklung des Kindes befriedigt. Und doch hätten wir, wie wir heute wissen, eines Morgens aufwachen und das Baby leblos in seinem Bett finden könne«.
Aber nichts deutete darauf hin, daß unser Kind lebensgefährlich erkrankt war. In der fünfzehnten Woche nach seiner Geburt hatte der Junge einen Schnupfen. Die Folge war, daß er beim Trinken, weil er schlecht durch die Hase atmen konnte, manchmal nach Luft rang.
Der herbeigerufene Kinderarzt - der dritte, der das Kind nach seiner Geburt sah — lächelte darüber und gab ihm ein Zäpfchen. Ein paar Tage später stellte ich fest daß der rechte Arm unseres Babys nach dem Aufwachen morgens merkwürdig steif blieb. Es schlief immer auf der Seite, und ich dachte, es hätte unglücklicherweise auf dem Arm geschlafen.
Wieder zwei Tage später fiel uns auf, daS der Sohn anfing, nachts schlecht zu schlafen. Wir hatten ein Fenster in seinem Kinderzimmer halb offen, er sehlief also, wie es sein soll, recht oft im Kühlen, und natürlich dachten wir zuerst, er friere, und schlossen das Fenster.
Fr wurde, weil er bis dahin ein prächtiger Schläfer gewesen war, auf dem Arm herumgetragen, wurde nachgefüttert, hin- und hergewiegt, bekam ein Liedchen vorgesungen. Aber nichts half. Sein Schreien wurde quälend, nicht nur für uns, auch für ihn, wie wir deutlich festzustellen glaubten.
Bis wir alle Methoden und Mittelchen durchprobiert hatten - junge Eltern wissen, wovon ich schreibe, — und wir langsam herausfanden, daß er eigentiich nur noch gut schlief, wenn er tagsüber, warm eingepackt, im Freien stand, vergingen weitere zwei bis drei Tage.
Wieder fuhren wir zum Kinderarzt. Er untersuchte den Kleinen eingehend, murmelte etwas von den „unnatürlich lebendigen Augen", die er habe, und telefonierte mit einer spezialisierten Kollegin. Dann ersuchte er uns, schleunigst zu seiner Kollegin zu fahren, zu einer noch gründlicheren Untersuchung und sagte: „Gut, daß Sie gekommen sind. Von diesem Augenblick an brauchen Sie sich eigentlich keine Sorgen mehr zu machen ?"
Völlig verwirrt brachten wir den Jungen zu der sehr klug wirkenden Kinderärztin, die uns nach ihrer Untersuchung sofort zu einem Röntgen-Institut in der Nähe schickte und uns dann, beim zweiten Besuch, eröffnete:
„Ihr Kind hat eine überentwickelte Thymus-Drüse. Das ist ein Organ, das jeder Mensch hat, Es regelt das Wachstum von der Geburt an. Manchmal — in sehr seltenen Fallen, aber Ihr Kind ist so ein Fall —-fängt die Drüse an zu galoppieren, breitet sich innerhalb weniger Wochen in dem kleinen Brustkorb aus —- es ist eine Art Bries — und behindert die Atmung, die Tätigkeit des Herzens, der Lungenflügel und ..."
Und dann stirbt das kleine Kind über Nacht. Es liegt am nächsten Morgen, sagte uns die Kinderarztin, wie schlafend in seinem Bettehen und ist tot. Und nur eine Obduktion konnte die Ursache klären.
Meine Frau brach in Tränen aus,
„Seien Sie froh", sagte dm Kinderärztin, „daß Sie rechtzeitig etwas bemerkt haben und zu uns gekommen sind. Obwohl die Fälle sehr selten smd und die ärztliche Wissenschaft den Grund für das plötzliche Wachstum der Thymus-Drüse noch nicht herausgefunden hat, gibt es gute Mittel dagegen."
Und sie verschrieb unserem Sohn fünf Zäpfchen, an fünf hintereinanderfolgenden Tagen zu geben.
Am zweiten Tag dieser Kur bekamen wir das Röntgenbild zu sehen, und daraufhin wurde auch mir ganz elend zumute. Der schwarze Bries-Schatten dieser Drüse breitete sich durch den ganzen kleinen Brustkorb unseres Sohnes aus, das kleine Herz war deutlich schon zur Seite gedrückt.
Zwei Tage noch — und es wäre zu spät gewesen
„Noch zwei Tage vielleicht", sagte die Ärztin, „dann hätte es zu spät sein können. Der kleine Mann braucht kreislaufanregende Bäder, mindestens zehn Minuten am Tag, er braucht so viel Sauerstoff wie möglich und vielleicht, in vier Wochen, wenn wir ihn noch einmal durchleuchten, noch mal fünf Zäpfchen. Aber Sorgen brauchen Sie sich jetzt nicht mehr zu machen. Der Thymus ist besiegt in dem Augenblick, in dem er erkannt ist."
Wir merken es selbst jeden Tag, wie gut es unserem Sohn geht. Er schläft wieder ausgezeichnet, er hat keine Atemnot mehr, die wildgewordene Drüse ist augenscheinlich dabei, auf ihre natürliche Größe zurück zu schrumpfen.
Wir freuen uns, daß wir uns zum „Sklaven" unseres Sohnes gemacht haben und ihn nachts nicht schreien ließen, auch wenn manche Leute behaupten, daß kleine Kinder nachts schreien müssen.
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